Google
This is a digital copy of a bix>k lhat was preservcd for gcncralions on library sIil-Ivl-s before il was carcfully scanncd by Google as pari ol'a projeel
to makc the world's books discovcrable online.
Il has survived long enough Tor the Copyright lo expire and the book to enter the public domain. A public domain book is one that was never subjeel
to Copyright or whose legal Copyright terni has expired. Whether a book is in the public domain niay vary country tocountry. Public domain books
are our gateways to the past. representing a wealth ol'history. eulture and knowledge that 's ol'ten dillicult to discover.
Marks, notations and other marginalia present in the original volume will appear in this lile - a reminder of this book's long journey from the
publisher lo a library and linally to you.
Usage guidelines
Google is proud to partner with libraries lo digili/e public domain malerials and make ihem widely accessible. Public domain books belong to the
public and we are merely their cuslodians. Neverlheless. this work is expensive. so in order lo keep providing this resource. we have laken Steps lo
prevent abuse by commercial parlics. iiicIiiJiiig placmg lechnical reslriclions on aulomatecl querying.
We alsoasklhat you:
+ Make non -commercial u.se of the fites We designed Google Book Search for use by individuals. and we reüuesl lhat you usc these files for
personal, non -commercial purposes.
+ Refrain from imtomuted qu erring Do not send aulomated üueries of any sorl to Google's System: If you are conducling research on machine
translation. optical characler recognilion or olher areas where access to a large amounl of lex! is helpful. please contacl us. We encourage the
use of public domain malerials for these purposes and may bc able to help.
+ Maintain attribution The Google "walermark" you see on each lile is essential for informing people about this projeel and hclping them lind
additional malerials ihrough Google Book Search. Please do not remove it.
+ Keep it legal Whatever your use. remember that you are responsable for ensuring lhat what you are doing is legal. Do not assume that just
because we believe a book is in the public domain for users in ihc United Siatcs. lhat ihc work is also in the public domain for users in other
counlries. Whelher a book is slill in Copyright varies from counlry lo counlry. and we can'l offer guidance on whelher any specific use of
any specific book is allowed. Please do not assume that a book's appearance in Google Book Search means it can be usec! in any manncr
anywhere in the world. Copyright infringemenl liability can bc quite severe.
About Google Book Search
Google 's mission is lo organize the world's information and to make it universally accessible and useful. Google Book Search helps readers
discover ihc world's books wlulc liclpmg aulliors and publishers rcacli new audiences. You can searcli ihrough llic lull lexl of this book on llic web
al|_-.:. :.-.-:: / / bööki . qooqle . com/|
Google
Über dieses Buch
Dies ist ein digitales Exemplar eines Buches. Jas seil Generalionen in Jen Renalen der Bibliotheken aufbewahrt wurde, bevor es von Google im
Rahmen eines Projekts, mit dem die Bücher dieser Well online verfügbar gemacht werden sollen, sorgfältig gescannt wurde.
Das Buch hat Jas Urlieberreclil ühcrdaucrl imJ kann nun öffentlich zugänglich gemacht werden. Ein öffentlich zugängliches Buch ist ein Buch,
das niemals Urheberrechten unterlag oder bei dem die Schutzfrist des Urheberrechts abgelaufen ist. Ob ein Buch öffentlich zugänglich isi. kann
von Land zu Land unterschiedlich sein. Öffentlich zugängliche Bücher sind unser Tor zur Vergangenheil und stellen ein geschichtliches, kulturelles
und wissenschaftliches Vermögen dar. das häufig nur schwierig zu entdecken ist.
Gebrauchsspuren. Anmerkungen und andere Randbemerkungen, die im Original band enthalten sind, linden sich auch in dieser Datei - eine Erin-
nerung an die lange Reise, die das Buch vom Verleger zu einer Bibliothek und weiter zu Ihnen hinter sich gebracht hat.
Niitmngsrichtlinien
Google ist stolz, mit Bibliotheken in Partnerschaft lieber Zusammenarbeit öffentlich zugängliches Material zu digitalisieren und einer breiten Masse
zugänglich zu machen. Öffentlich zugängliche Bücher gehören der Öffentlichkeit, und wir sind nur ihre Hüter. Nichlsdcstoiroiz ist diese
Arbeit kostspielig. Um diese Ressource weiterhin zur Verfügung stellen zu können, haben wir Schritte unternommen, um den Missbrauch durch
kommerzielle Parteien zu verhindern. Dazu gehören technische Einschränkungen für automatisierte Abfragen.
Wir bitten Sie um Einhaltung folgender Richtlinien:
+ Nutzung der Dateien zu nichtkommerziellen Zwecken Wir haben Google Buchsuche für Endanwender konzipiert und möchten, dass Sic diese
Dateien nur für persönliche, nichtkommerzielle Zwecke verwenden.
+ Keine automatisierten Abfragen Senden Sic keine automatisierten Abfragen irgendwelcher Art an das Google-System. Wenn Sie Recherchen
über maschinelle Übersetzung, optische Zcichcncrkcnnung oder andere Bereiche durchführen, in denen der Zugang zu Text in großen Mengen
nützlich ist. wenden Sie sich bitte an uns. Wir fördern die Nutzung des öffentlich zugänglichen Materials für diese Zwecke und können Ihnen
unter Umständen helfen.
+ Beibehaltung von Google- Markende meinen Das "Wasserzeichen" von Google, das Sic in jeder Datei linden, ist wichtig zur Information über
dieses Projekt und hilft den Anwendern weiteres Material über Google Buchsuchczu linden. Bitte entfernen Sic das Wasserzeichen nicht.
+ Bewegen Sie sich innerhalb der Legalität Unabhängig von Ihrem Verwendungszweck müssen Sie sich Ihrer Verantwortung bewusst sein,
sicherzustellen, dass Ihre Nutzung legal ist. Gehen Sic nicht davon aus. dass ein Buch, das nach unserem Dafürhalten für Nutzer in den USA
öffentlich zugänglich isi. auch für Nutzer in anderen Ländern öffentlich zugänglich ist. Ob ein Buch noch dem Urheberrecht unterliegt, ist
von Land zu Land verschieden. Wir können keine Beratung leisten, ob eine bestimmte Nutzung eines bestimmten Buches gesetzlich zulässig
ist. Gehen Sic nicht davon aus. dass das Erscheinen eines Buchs in Google Buchsuche bedeutet, dass es in jeder Form und überall auf der
Welt verwendet werden kann. Eine Urheberrechlsverlelzung kann schwerwiegende Folgen haben.
Über Google Buchsuche
Das Ziel von Google besteht darin, die weltweiten Informationen zu organisieren und allgemein nutzbar und zugänglich zu machen. Google
Buchsuche hilft Lesern dabei, die Bücher dieser Welt zu entdecken, und unlcrslül/1 Aulmvii und Verleger dabei, neue Zielgruppen zu erreichen.
Den gesamten Buchlexl können Sic im Internet unter|htt:'- : / /-■:,■:,<.-: . .j -;.-;. .j _ ^ . .::-;. -y] durchsuchen.
►
I
^BRAVS^
\-M
(\\~
^
zu
««*■«*■
i (
d
Monatsschrift
für
Geschichte und Wissenschaft
des
Judentkms.
Unter Mitwirkung mehrerer Gelehrten
herausgegeben vom
Oberrabbiner Dr. Z. Frankel,
Pirector des jüdisch-theologischen Seminars zn Breslau.
Siebenzehnter Jahrgang.
1868.
Breslau.
Verlag der Schletter'schen Buchhandlung
-'5
/Ol
Aphorismen
vom Herausgeber.
„Gehest du durch Gewässer, ich bin mit dir, und durch
Ströme, sie reissen dich nicht weg; du gehest durch Feuer
und wirst nicht versehrt und durch Flammen und sie ver-
zehren dich nicht'4. (Jes. 43, 2.) Diese Worte des gottbe-
geisterten Propheten, sie bilden Devise und Inhalt der
langtausendjährigen Leidensgeschichte des jüdischen Vol-
kes; es sprechen die Erfahrungen undenklicher Zeiten,
Israel musste gehen durch wilde Gewässer und reissende
Strörne5 durch fressendes Feuer und tobende Flammen,
und doch wurde es nicht weggeschwemmt und nicht auf-
gezehrt; und unsere Zeit fügt hinzu, es ist ihm vorbe-
halten, in neuer Kraft und neuer Lebensfülle zu erstehen.
Dess wollen wir denn auch froh sein ; und wie der jugend-
liche Mensch heiter das Leben auffasst und sich von dem
Trüben in ihm mit leichtem Sinne abwendet, so soll man-
cher, noch die Klarheit des politischen Horizonts trübende
„schwarze Punkt" unserm durch die Erfüllung jener pro-
phetischen Worte und der sie begleitenden ferneren Ver-
heissung: „denn ich der Ewige dein Gott, ich der Heilige
Israels bin dein Helfer" (das. 3.), gehobenen Bewusstsein
nicht Eintrag thun. Wie laut spricht von dieser Erfüllung
das vergangene Jahr ! Es war ein Jahr der Befreiung, der
Erlösang von den Ketten, die Reaction und verfinsternder
Geist von Neuem fü* Confessionen und Völker schmieden :
Frank el, Monatsschrift. XVII. 1. 1
4 Aphorismen.
man war daran, den alten feudalen Bau, an dem das Jahr
1848 mächtig gerüttelt, wieder herzustellen und ihm neue
Grundlagen zu geben, deren eine die Wiederherstellung
des kaum gesühnten Unrechts gegen die Juden und als
welche trefflliche Baumeister bewährten sich die Bach,
Thun, Raumer, Westphalen und Genossen!
Ein gewaltiges, welterschütterndes Ereigniss hat der
Geschichte, hat der gesammten gebildeten Mensch-
heit eine neue Richtung gegeben; ein Ereigniss, in dem
Gottes Hand unverkennbar, hat dem Vorhaben der fin-
steren Mächte Einhalt gethan und muthig erheben sich
die Vorkämpfer des Rechts und siehet die dem Menschen
als gottesähnlichem Wesen zukommende Freiheit sieges-
gewiss ihrer vollständigen Anerkennung entgegen. Lasst
einen heidnischen Dichter sagen: „Was die Könige feh-
len, büssen die Völker (Achiver.)" wir nehmen, das Auge
auf eine höhere Weltwaltung gerichtet, ganz Anderes
wahr. Die Fehltritte, die Könige begehen, wandeln sich
um in Wohl der Völker. Die Schlacht bei Sadowa, durch
die verschlungenen Gänge der Politik wachgerufen, sie ist
bezeichnet mit Strömen Menschenblutes, aber zugleich mit
dem Zusammensturze eines, durch Jahrhunderte Völkern
verderbenbringenden Systems; dem blutgedüngten Boden
entspross Leben, aus ihm ein neues, in der Erkenntniss,
dass der Wille der Völker einen wesentlichen Factor in
der Regierung der Staaten bilde, sich verjüngendes 0 ester-
reich. Und schon reifen die Früchte: die letzten Tage
des verflossenen Jahres brachten die Veröffentlichung
der Grundrechte, welche Gewährleistung voller Glaubens-
freiheit, Unabhängigkeit der bürgerlichen und politischen
Rechte vom Glaubensbekenntnisse, Freiheit der Wissen-
schaft und ihrer Lehren und andere im Geiste echten
Con8titutionalismus erfasste Gesetze verheissen. So ist der
Jude durch Wogen und Flammen zur Freiheit gelangt, die, wie
den vielen Völkern Oesterreichs, nun auch ihm aufgehet.
Und ist doch ihre Verwirklichung am Juden ein Gewährs-
brief für die gesammten Bewohner des jeweiligen Staates,
sowie durch die lange Zeit, in der sie dem Juden ent-
zogen war, die Völker mehr oder minder mit ihm unter
Aphorismen. 5
den schweren Fesseln des Feudalismus und der sich über
ihren Köpfen erhebenden Kasten keuchten. Welche Ver-
blendung! Der grosse Haufe jauchzte den Ketten zu, die
den Juden geschmiedet wurden und erkannte nicht, dass mit
jedem neuen Ringe er sich selbst einschnitt, jeder dem
Juden auferlegte Druck die Handhabe war für den Druck
seines Nackens durch Leibeigenschaft und Frohnden. Der
Tag, wo wie milder Thau des Himmels Freiheit sich auf
das Haupt des Juden herablässt, ist der Tag der Aufer-
stehung für alle Völker; und als Israel durch Wogen
und Flammen ging, blieben auch die Völker nicht un-
versehrt.
Preussens Politik hat im vorigen Jahre einen gros-
sen Sieg davongetragen; ob sie auf Recht und Wahrheit
basirte, hierüber ein Urtheil abzugeben ist nicht Sache des
nicht im Diplomatenareopag sitzenden Laien, aber wie sie
immer gewesen, die Völker haben sie nicht gebüsst. Viele
tapfere Söhne Preussens sind gefallen, aber sie haben mit
ihrem Blute eine grosse Errungenschaft besiegelt; nicht
dieErweiterungdes Ländergebietes — in Umfang und Grösse
ist keineswegs die Wohlfahrt des Staates begründet — aber
es schwinden mehr und mehr die Versuche, die Freiheit
anzutasten ; der opferwillige Tod so Vieler für das Vater-
land reisst unwiderstehlich die Scheidewand nieder, die
eine in den Anschauungen früherer Jahrhunderte wur-
zelnde Partei wieder aufzuführen versucht. Noch bleibt
Manches zu erkämpfen, die Wissenschaft ist noch nicht frei,
man verklausulirt sich noch nach Kräften gegen Anstellung
eines Juden an Gymnasien und Schulen, und diese Pra-
xis wird auch in die neu annectirten Länder hinüberge-
tragen: in Wiesbaden wurde dieser Tage das Gesuch
eines Juden um Anstellung als Lehrer der Naturwissen-
schaften an einem dortigen Gymnasium zurückgewiesen.
Es bleibt noch zu erkämpfen, um die verheissene völlige
Gleichstellung ohne Unterschied der Confession zur Wahr-
heit zu machen : in Preussen wird kein Jude zum Richter-
amt zugelassen. Doch wie der kräftige Körper die hete-
rogenen, seine Entwickelung hindernden Bestandtheile
abstösst, so weiset das sich stets mehr entfaltende Be-
6 Aphorismen.
wusstsein, dass der Staat nur in der ohne jede „ Inter-
pretationa gehandhabten Ausführung seiner Grundgesetze
seine eigentliche Basis habe, die Kunstdeutler zurück,
die das Gedeihen der Freiheit verhindern wollten, und
will das hohe Wächteramt über Gesetze und Recht nur
Männern anvertraut wissen, die, von Recht und Wahrheit
durchdrungen, Interpretation und Deuteleien mit tiefem
Unwillen entgegentreten. Und hat das regenerirte Oester-
reich den Aufschwung genommen, einen Juden in das
zu bildende parlamentarische Ministerium berufen zu
wollen — Winterstein, von dem als Minister des Handels
vielfach die Rede war, ist jüdischer Confession — so wird
doch wohl Preussen, das nun die Geschicke des gebil-
deten Deutschland leitet, nicht in solcher Ausschliessung
fortfahren. Preussen, das Oesterreich nicht in Deutschland
wegen des störenden Dualismus dulden wollte, kann es den
Dualismus in seinem Innern zwischen den Rechten des Bür-
gers und Bürgers noch ferner pflegen? Den Juden, der durch
Wogen und Flammen gegangen, verletzen derartige Be-
einträchtigungen weniger als den Staat selbst und darum
wird der Freiheitsdrang sie abstossen. Hat er doch so
viele Auswüchse seit der kurzen Zeit jener Reiche er-
schütternden Schlacht ausgerodet!
Es ist die Grenzscheide zwischen Land und Land, Stadt
und Stadt gefallen: der Norddeutsche hat im ganzen Ge-
biete des norddeutschen Bundes eine Heimath, eine Saat,
die aus jenem, auch mit dem Blute jüdischer Kämpfer
getränkten Boden aufging. Hatte doch selbst Sachsen,
das lange mit einer Constitution Preussen vorausgeeilt
war, es bis auf die neueste Zeit nicht über sich vermocht,
dem nichtsächsischen Deutschen unbedingt eine heimath-
liehe Stätte zu öffnen; noch im Jahre 18t>3 wies der Stadt-
rath zu Bautzen das Gesuch eines preussischen Juden um
Niederlassung zurück. Und Mecklenburg, das Treibhaus
feudalistischen Uebermuthes und Willkür, welche Abson-
derung waltete daselbst zwischenRitter und Bauer, Bürger und
Juden, mit welcher Sorgfalt wurden die alten Schranken auf-
recht erhalten und Bauer und Jude mit übermttthigem
Fusse getreten! Da fing nach alten verbrieften Urkunden,
Aphorismen. 7
«n denen bis auf unsere Tage festgehalten wurde, das
Recht des Menschen beim Adel und beziehungsweise beim
Bürger an und kaum Jahrhunderte hätten diese Vorrechte
zu vernichten vermocht. Der norddeutsche Reichstag hat
begonnen, diesem Deutschlands Ehre verunglimpfenden
Zustande ein Ziel zu setzen: er hat die Freizügigkeit er-
klärt, und es kann nicht mehr von dem über Nacht in Wei-
mar, Rostock und anderen Städten Mecklenburgs weilenden
Juden ein Kopfgeld verlangt werden; dass auch die
anderen Schranken fallen werden verbürgt die zu neuem
Leben erwachte Freiheit.
Wie Kasten- und Ständewirthschaffc auf den Juden
drückten, hiervon gibt neben Mecklenburg Holstein ein
Zeugniss. Diese Blätter haben mehrfach berichtet von
den Verhandlungen der holsteinischen Ständeversammlung
und wie die Scheel-Plessen , Reventlow u. A. den wohl-
wollenden Absichten des Königs von Dänemark entgegen-
traten ; und noch eindringlicher sprechen folgende schlichte
Worte der jüdischen Gemeinde zu Kiel, die in einem Rund-
schreiben zu Beiträgen zum Aufbau einer Synagoge auf-
fordert: „Wie es sämmtlichen Gemeinden bekannt ist,
existirte die Kieler israelitische Gemeinde bisher in Ar-
muth und (war) lange Jahre allen erdenklichen Bedrüc-
kungen ausgesetzt ...... Die Schranken, durch die ver-
schiedenen Regierungen gesetzt, sind nunmehr gefallen,
doch ist uns nichts geblieben als Armuth!u — Der deutsche
Jude hat eine dornenvolle Bahn durschritten: Deutschland
hat Freiheit erlangt und die Dornbahn des Juden ist be-
endet.
Ein Tag bildet mitunter durch eine grosse sich in ihm
vollendende Thatsache die Grenzscheide zwischen einer
in ihm sich abwickelnden und einer neu entstehenden
Geschichtsperiode; ein Tag bringt zuweilen durch einen
grossen VorgangEntscheidung über die Geschicke auch nicht
an diesem Vorgange mitwirkender, sondern ihm fern-
stehender Völker. Die Schlacht bei Sadowa ist epoche-
machend auch in der Geschichte Ungarns, das in deren
Folge seine Rechte wieder errungen und sich nun an-
schickt, den Begriff Freiheit nach seinem eigentlichen
8 Aphorismen.
Inhalt aufzufassen. Der Ungar war nie von Fanatismus
und Glaubenshass beherrscht, in seinem Lande ging der
Jude nicht durch Wogen und Flammen ; aber es lebte in
ihm ein Nationalstolz, der ihn mit Geringschätzung auf
den, der nicht seines Stammes, herabsehen liess, und wie
in früherer Zeit und dem heutigen Mecklenburg der
Mensch erst mit dem Ritter und dem Bürger begann, so
begann dem Magyaren die Menschheit erst mit dem Ma-
gyarenthum. Die Nationalität der Ungarn war in den
letzten Jahren bedroht; sie machten die grösste Anstren-
gung, ihre nationale Freiheit zu behaupten, Europa blickte
mit Spannung auf diesen Kampf, nahm aber mit Bedauern
wahr, dass er nicht der Freiheit sondern ausschliesslich
der Nationalität galt: die ungarischen Kammern gingen
über die sogenannte Emancipation der Juden gewöhnlich
zur Tagesordnung über. Ungarn hat nun seinen lang-
jährigen Kampf mit Erfolg ausgefochten und es hat in
ihm, auch Freiheit errungen : das Ministerium legte in den
letzten Monaten den Kammern einen Gesetzentwurf über
die völlige Gleichstellung der Juden vor, das Unterhaus
nahm ihn einstimmig, das Haus der Magnaten mit an
Einstimmigkeit grenzender Majorität (sechszig gegen vier
Stimmen) an.
Mancher verstimmende Misston tönt aus den Donau-
fürfltenthümern jmd aus Serbien herüber. Ueber die Vor-
gänge in Serbien berichteten die in diesen Blättern aus-
führlich mitgetheilten Aktenstücke, die zugleich das Tröst-
liche brachten, die Erkenntniss, die Sache der Juden sei
nicht ausschliesslich die seinige allein, sondern die der
Menschheit, verbreite sich immer mehr und es müsse im
Namen der Humanität für dieselbe eingetreten werden.
Namentlich hat die Grossbritanische Regierung diese Er-
kenntniss an den Tag gelegt und ihrer energischen Ver-
wendung ist es wohl zu verdanken, dass seit einiger Zeit
die düsteren Klagen aus Serbien schweigen. Um desto
ergreifender hallen sie aus Rumänien wieder: dort scheint
der Fanatismus des Mittelalters, gepaart mit der es kenn-
zeichnenden Rohheit, wieder zu erwachen. Wird doch
dieser Fanatismus absichtlich von einer Partei aufgestachelt!
Aphorismen. 9
Der Rumäne ist, wie glaubwürdig berichtet wird, voll-
ständig verkommen: der Serbe stehet wohl auch auf
einer sehr niederen Stufe der Civilisation und es liegt sein
Eintritt in die Reihe der gebildeten Völker um so mehr
in weiter Ferne, als der ihn kennzeichnende tückische
Charakter einen Seelenadel, diese Grundbedingung wahrer
Bildung, nicht aufkommen lässt; doch ist ihm eine
gewisse Frische nicht abzusprechen, er behauptete ein-
geschlossen in seinen Bergen lange seine Unabhängigkeit
und es reichen noch Erinnerungen an ihn heran, die ihn
mit stolzem Nationalgefühle erfüllen. Der Rumäne ge-
hört zu den abgelebten Völkern, noch hat er in der
Staatengeschichte ein Denkmal sich nicht gesetzt . und
schon hat er sich überlebt, ist ein stumpfsinniger, kraft-
loser Greis : von der einen Seite Bojaren, die des Landes
Mark aussaugen, um es in zügellosem Luxus zu vergeuden,
von der anderen in den tiefsten physischen und mora-
lischen Sumpf versunkene Leibeigene, so zeigte es Ru-
mänien bis auf die jüngste Zeit; welcher Sinn für Freiheit
ist in einem solchen Volke zu suchen? Doch die Bra-
tiano und Genossen, verzehrt von brennender Begier nach
hohen Stellen, wissen die unteren Schichten für Frei-
heit, wie sie vom grossen Haufen verstanden, zu entflammen,
sie versprechen ihnen den Besitz der Wohlhabenden
und gewinnen die Gunst des Pöbels, der in ihnen wahr-
hafte Volksfreunde erblickt; und gegen wen wird zuerst
aufgewiegelt? Gegen die Juden-! Der Name Bratiano ist
zu geringwiegend, als dass die Geschichte ihn brand-
marken sollte; sie wird nur mit Bedauern erzählen, dass
unter der Regierung eines deutschen Fürstensohnes ein
rumänischer Minister durch Gesetz die Volksleiden-
schaften gegen die Juden aufstachelte, ein Prinz aus dem
Hohenzollern'schen Hause trotz der wohlwollendsten Ab-
sichten solchem menschen- und regierungsschänderischen
Treiben nicht Einhalt zu thun vermochte und vergebens bei
diesem verkommenen Volke einen Anhalt für seine wohl-
wollenden Absichten suchte. Einen Lichtpunkt bietet das
nun vollendete Jahr in dieser grausen Finsterniss. Der
hochbejahrte, fast an der äussersten Grenze des mensch-
10 Aphorismen.
liehen Lebens stehende Montefiore begab sich nach
Rumänien, um das traurige Schicksal seiner Glaubens-
genossen zu lindern; doch auch an diesen Lichtstrahl
knüpft sich nicht das „es werde Licht": was vermögen die
Bestrebungen eines Edlen gegen den cocytischen Sumpf
niederer Leidenschaften? — Es darf ohne prophetischen
Blick die Zeit als nicht fern bezeichnet werden, in wel-
cher Rumäniens nebelhafte Nationalität sich in Nichts auf-
lösen wird: und der Jude hat doch so viele ihn verfol-
gende Völker überlebt!
„Die Juden sollen erhalten werden, um Zeugniss für
die Kirche abzulegen", dieses war der Wahlspruch der
Päpste: sie sollen nicht ganz vernichtet werden, um
durch das auf sie gehäufte Elend für die Wahrheit der
Kirche zu zeugen, an der sie sich schwer versündigt.
Wirft man einen Blick auf die Vorgänge der neueren
Zeit und zumeist auf die des letzten Jahres, so drängt
sich der Gedanke auf, die Kirche legt Zeugniss für
die Wahrheit des Judenthums ab. Dass die Juden durch
Flammen und reissende Ströme gehen mussten, dass über
sie verhängt wurde, was Menschen gegen Menschen an
Grausamkeit und Härte, an Zurücksetzung und Verach-
tung, an Ausstossung und Lieblosigkeit je zu ersinnen
vermochten, es war das Werk der Vertreter der Kirche,
die je strenger ihr kirchlicher Sinn, desto feindseliger
ihre Gesinnung gegen die Juden. Die Behauptung, „das
Chrislenthum sei Grundlage der Veredelung und des Fort-
schritts der menschlichen Gesellschaft " , ist, wenn wie mit
Recht die Vertreter einer Religion als deren Ausdruck zu be-
trachten sind, vielfach anzufechten. Sagt doch die Ge-
schichte, dass die Veredelung und der Fortschritt der neu-
eren Gesellschaft erst seit dem- Wiedererwachen der Wis-
senschaften datiren; spricht doch laut das ganze Mittelalter,
in welchem die Kirche herrschte und es ausschliesslich
beherrschte, dass sie zur Milderung der Rohheit und zur
Vermenschlichung ihrer Anhänger wenig beigetragen,
durch sie die Menschheit keine Fortschritte zur Selbst-
Aphorismen. 1 1
veredeluug gemacht 1 Und bleiben wir bei der Gegen-
wart stehen, so genügt, auf das Land hinzuweisen, auf
das sich gegenwärtig so viele Blicke richten, auf Abys-
sinien. Lejean, der französische Consul daselbst, nennt
in der R6vue des deux Mondes Abyssinieu die Oase des
Christenthums in Afrika, da es in diesem Welttheile das
einzige Reich, in welchem das Christenthum sich aus
alter Zeit erhalten; und liat es zur Veredelung seiner Be-
wohner beigetragen? Hier hat die Wissenschaft keinen
Einfluss geübt und war hier das Feld für die ausschliess-
liche Entfaltung der Wirksamkeit der Kirche; hören wir nun
die Berichte Stüpel's, Heuglin's und anderer Reisenden über
die Verworfenheit und grenzenlose moralische Versunkenheit
der Bewohner dieses Reiches, auf die die Kirche keine andere
Einwirkung hervorgebracht zu haben scheint, als sie mit
düsterem Fanatismus und Unduldsamkeit zu erfüllen.
Doch eine Jahresschau will nicht polemisiren und wir
kehren zu dem uns Naheliegenden zurück. Der Jude
wurde durch die Kirche unterdrückt und doch wurde er
nicht erdrückt; durch seine Erniedrigung und Verkommen-
heit sollte er Zeugniss ablegen für die Kirche, und doch
verkam er nicht, blieb stark und ungebeugt in dem Elend
von aussen, bewahrte in den unerhörtesten Leiden eine
seltene Geistesfrische und Geisteslebendigkeit. Denn ihn
begeisterte und hob seine Lehre, die nicht nur Kraft zum
Ertragen der Leiden gab, sondern ihn mit der noch hö-
heren Stärke erfüllte, sich über die Leiden zu erheben,
ihn nicht nur mit der Passivität des Märtyrerthums, son-
dern mit der Frische des Geistes erfüllte, in dem dro-
henden Untergang von aussen den tiefsinnigsten For-
schungen obzuliegen. So trat nun das Gegentheil des
von der Kirche beabsichtigten Zweckes ein, sie legte durch
ihre über die Juden verhängten Leiden Zeugniss für die
Wahrheit des Judenthums ab; und die neuere Zeit, wie
laut spricht sie, dass das innere Leben des Juden unge-
brochen war und er mit Stolz auf seine Verfolger herab-
sehen konnte: der Jude ragt nun hervor auf jedem Ge-
biete des Wissens, nimmt eine würdige Stellung ein im
politischen und socialen Leben: er hat sich frisch erhalten,
Aphorismen.
ging er auch durch Wogen und Flammen, denn ihn be-
schirmte seine Lehre, für deren Wahrheit die Verfolgungen
Zeugniss ablegen.
Ein die weitesten Kreise aufregender Vorgang des be-
endigten Jahres, der wie es scheint noch längere Zeit
eine brennende Frage der Zeit bilden wird, fordert zu
einem Einblick in die Weise der Vertretung des Juden-
thums auf und legt ebenfalls Zeugniss für dasselbe ab.
Das Judenthum wurde seit undenklicher Zeit nicht durch
Priester, sondern durch Lehrer vertreten, Wissen und un-
tadelhafter Wandel gaben die Anwartschaft. Und worin
bestand die Vertretung? Die Lehrer besassen nicht geist-
liche Macht, solche wurde ihnen nicht eingeräumt, auch
strebten sie nicht nach ihr; sie bildeten ferner nicht eine
Hierarchie, einen gegliederten Stand, das Judenthum kennt
nicht Würdenträger, nicht höhere und niedere religiöse
Functionäre, jeder Lehrer war selbstständig und unab-
hängig; auch sassen sie nicht in Pfründen und reichem
Einkommen, das Judenthum hat die Sorge für das leib-
liche Gedeihen seiner Lehrer nicht übernommen. Liess
doch der Begriff Lehrer, wie er im Judenthum als Ver-
treter des Glaubens aufgefasst wurde, den Gedanken an
Würdenträger, geistliche Macht : Pfründen u. dergl. nicht
aufkommen! Wer durch gründliches Studium der Lehre
die Befähigung zur Belehrung erworben hatte, lehrte,
gab Auskunft über an ihn gerichtete religiöse Fragen :
der Lehrer war durch Wissen und durch Vertrauen der
sich an ihn Wendenden getragen. Es gab also nicht
Stand, auch der Privatmann, so sich diese zwei Bedin-
gungen an ihm erfüllten, war Volkslehrer; in früherer
Zeit begegnete man sogar Handwerkern als solchen, und
selbst als vom 16. Jahrhunderte ab Gemeinderabbiner er-
standen, gingen die Lehrer neben ihnen her, war dem
Privatgelehrten nicht das Recht der Belehrung entzogen
und das Volk wendete sich noch ferner häufig an ihn.
Und diese Lehrer, denen weder Macht noch reiche Ein-
künfte winkten, die sogar nicht selten mit dem bittersten
Aphorismen. 13
Mangel kämpften und wo es galt, für den Glauben zu
dulden, stets an der Spitze standen, sie begeisterten sich
an der Lehre und trugen diese Begeisterung auf das Volk
über; ihr Lohn war die Befriedigung, die das Wissen
gibt und das Bewusstsein, für den Glauben zu wirken.
Sie wendeten sich nicht an das Gefühl der Schwachen
und Frauen, sie suchten nicht in geheime Verhältnisse
einzudringen, um sich zu Herren der Gewissen zu machen,
sie strebten überhaupt nicht darnach, die Menge an sich
zu ziehen: die Menge fühlte sich zu ihnen hingezogen,
war für sie durch die Weise ihrer Vertretung ihres
Glaubens mit Vertrauen und Hochachtung erfüllt und
und suchte gern Belehrung aus ihrem Munde. So hatte
das Judenthum seinen Schwerpunkt in sich, sein göttlicher
Gehalt begeisterte zur Belehrung und die Belehrung zu
empfangen: „gehest du durch Flammen fürchte nichts*
ich bin mit dir!"
Und was stellt dieser Vertretung des Judenthums der
Europa aufregende Vorgang des vollendeten Jahres gegen-
über? Die von dem höchsten Vertreter der Kirche aus-
gesprochene Behauptung, seine geistliche Macht sei be-
drohet, so die mit ihr verbundene weltliche Macht auf-
gehoben wird. Und für diese Behauptung sind Ströme
Menschenblutes vergossen worden, für die Erhaltung die-
ser weltlichen Macht werden Krieger angeworben, für
sie wird zu Spenden von allen Seiten aufgefordert und
bilden kriegerische Waffen und blutiges Eisen mit die
Basis der Kirche. Dem Judenthum unbegreiflich ! Das
Bestehen des Bekenntnisses in äusserer Macht begründet?
Der Glaube durch weltliche Macht gehalten? Das Juden-
thum, dem nicht nur weltliche Macht unbekannt, sondern
das auch kein Verständniss für „geistliche" Macht hat,
das Judenthum, das zu jeder Zeit in sich seinen Halt
suchte und fand, es darf mit Recht sagen: „die Kirche
legt Zeugniss von seiner Wahrheit ab"!
Das scheidende Jahr hat in Oesterreich die völlige
Gleichstellung der Juden gebracht, die auch in Deutsch-
14 Aphorismen.
land sich in naher Zukunft vollführen wird. Wo der
Staat sich von der Kirche emancipirt hat, ist diese Gleich-
stellung eine in sich berechtigte, durch kein irgend er-
denkbares Argument abzuweisende Forderung; und es
muss auch die Kirche in ihrem eigenen Interesse die Un
terdrückung der Juden zurückweisen, da, wie die Erfah-
rungen der Jahrhunderte lehren, jeder ungerechte Akt
gegen den Juden nur zur Glorification des Judenthums
beiträgt. — Aber ob seine Lehre, deren Quellen auch noch so
gelehrten nichtjüdischen Forschern unzugänglich sind, nicht
dem Staate Schädliches enthalten? Es hat diese Frage
eigentliche Staatsmänner nie beunruhigt; die Juden haben
sich stets als friedliche Bürger erwiesen und die neuere
Zeit berichtet, dass sie ihre Anhänglichkeit an das Vater-
land mit ihrem Blute auf verschiedenen Schlachtfeldern
besiegelten. — Richten wir nun das Auge auf das We-
sentliche dieser Lehre. Schon dass sie ihren Vertretern
weder weltliche noch geistliche Macht einräumt, ist wie
ein beredter Zeuge ihrer Anspruchslosigkeit so auch eine
Bürgschaft, dass sie ihrem Wesen nach nicht eine Pflanz-
stätte des Hasses und der Abstossung sei: ist es doch
nur die priesterliche Macht und die durch sie hervorge-
rufene Ueberhebung, die zur Unduldsamkeit führten und
das im Munde getragene Bekenntniss der Liebe in Ver-
folgung Andersglaubender umprägten. — Diese Lehre bean-
sprucht ferner nicht das Monopol des Himmels, sie will
nicht, dass der Weg zur Seligkeit nur durch ihre Pforten
gehe: „die Frommen aller Völker haben Theil an dem jensei-
tigen Leben" ist ihr Spruch (Talmud Synhedrin 105), sie
anerkennt die Göttlichkeit des Menschen, zu welcher Üon-
fession er gehöre. — Sie will sich ferner Niemandem
weder durch Gewalt noch durch Ueberredung aufdrängen,
sie sucht ihren Halt in der Ueberzeugung ihrer Bekenner
und nicht in der Ausbreitung ihres Reiches, Proselyten-
macherei liegt ihr ferne. * „Wer in das Judenthum ein-
treten will, lehrt sie, dem muss vorgestellt werden, dass
das Judenthum schwere Verpflichtungen auflege, dass
mit ihm vielfache Entbehrungen und herbe Erfahrungen
sich verbinden ; und nur wer dann noch auf der Aufnahme
Die Commentarien des Ephraem Syrus. 15
bestehet, dem ist der Eintritt zu eröffnen" (Talmud Je-
bamot 47). — Sie gestattet endlich die Lehr- und Mei-
nungsfreiheit im weitesten Umfange. Selbst als noch der
jüdische Staat sich der Selbstständigkeit erfreute und die
Lehre die Basis seines Bestehens abgab, erlitt nicht der
Gedanke, die Meinung Beschränkung. „Lehrte Jemand
in seiner Stadt, was den gesammten Gelehrten als Irr-
thum erschien, so ging man hinauf nach Jerusalem und
erholte sich Bescheid bei den dortigen gelehrten Höfen,
bis der Gegenstand an das grosse Synhedrin (den obersten
Gerichtshof für Religiöses und Rechtliches) gelangte Und
wenn selbst seinem Ausspruch der den Irrthum Lehrende
sich nicht fügte, blieb er unangefochten, es sei denn, dass
er das Volk zum Handeln nach seiner Irrlehre auffor-
derte" (Talmud Synhedrin 96). Welche Mahnung an
viele Zeloten unserer Zeit!
„Das Judenthum ist eine Wahrheit", so sagt es seine
Lehre und sprechen seine Schicksale. Es brechen ihm
bessere Tage an und auch die letzten Nebel werden
schwinden: die Wahrheit führt zum Siege.
Die Commentarien des Ephraem Syrus im Verhältniss
zur jüdischen Exegese.
Ein Beitrag zur Geschichte der Exegese.
Von Dr D. Gerson.
Zu den hervorragenden Denkmälern der wissenschaftlichen
Bestrebungen der syrischen Kirchenväter auf dem Gebiete der
alttestamentlichen Exegese gehören unstreitig die Commentarien
des Ephraem Syrus. Eine nähere Untersuchung über dieselben,
zunächst über die zum Pentateuch, dürfte daher, abgesehen von
den Resultaten, die auch für die moderne Exegese nutzbar sein
konnten, das geschichtliche Interesse gewähren, dass sie die
damalige Auffassung des A. T. an dem bedeutendsten der syri-
schen christlichen Exegeten nachweist. Hierbei wird es aber
16 Die Commentarien des Ephraem Syrus im Verhältniss
unerlässlich sein, zur genaueren Würdigung seiner Leistungen
auf den Zustand Rucksicht zu nehmen, in welchem sich die
Exegese in der damaligen Zeit überhaupt befand.
Schon der Gegenstand, mit dem es die christliche sowohl
wie die jüdische Schriftforschung zu thun hatte, brachte es oft
mit sich, dass die an sich verschiedenen Richtungen der Exe-
geten — so weit es unbeschadet ihrer besonderen hermeneutischen
Richtung geschehen konnte — auf einem neutralen Boden, wo
es ihnen um die allgemeinen, ethischen Wahrheiten der Bibel
zu thun war, sich begegneten. Indem die Exegese des Alter-
thums vor Allem diese letzteren dem Leser zum klaren Verstand -
niss zu bringen suchte, trat die wissenschaftliche Erforschung
des Textes zurück, und daher konnte es geschehen, dass die
christliche Exegese in die von der jüdischen längst betretene
Bahn einlenkte und jenes fertige Product der frei schaffenden
Phantasie aufnahm, das als Schrifterklärung im weitesten Sinne
(Hagada) einen wesentlichen Bestandttheil der jüdischen Exegese
ausmachte. Die phantastische Ausschmückung biblischer Er-
zählungen, die Verherrlichung biblischer Personen durch die
Sage, boten also den nächsten Berührungspunkt dar. Wenn
z. B. die jüdische Sage das Manna in der Wüste als wahre
Himmelskost schilderte, die jeden Geschmack befriedigt und
jedem Alter mundete1), oder den Tod des Jesajas mit dichte-
rischer Freiheit lebhat ausschmückte (Jebam. 49 b), so lag hierbei
die bestimmte Tendenz zu Grunde, durch die Grösse des Wun-
ders das Vertrauen auf den Gott der Väter zu erhöhen, oder
den gottbegeisterten Propheten und Herrn der biblischen Ge-
schichte zu verherrlichen und den Gottlosen (Manasse) zu ver-
dammen. Diese unverfänglichen weiteren Ausführungen waren
nun den christlichen Erklärern willkommene Ergänzungen, welche
') 8ap. Sal. 16, 20: xai SkoLfwv &qzov avzolq an ovQavov $nt(Mpag
«br<MOttf<tt<)»e, näoocv tiSovrjv lo%vovza xai itgog näaav ctQfioviov yevow,
*t Kxod, R, c. 25: pt? D^tD mpÜTl BOT üyu T»DpD TT] CTWU; cf.
SSlYi tu Natu. II, 9 § 89: '& VüVü TIN in lipnDW fltt^ inT 1K^
JKT5 'SSV n*^ ntfltt^, cf. Joma 75 s. Dass dieser Abschnitt ein Lieb-
tafijßsttaNUi der Leherendisten war, sieht man aus Mechilta Wajasa e. 4:
zur jüdischen Exegese. 17
sie — vielleicht oft ohne sich des jüdischen Ursprunges derselben
bewusst zu sein — weiter überlieferten. So schildert denn
Ephraem Syrus (gest. 378 als Diakonus von Edessa) die Wunder-
kraft des Manna mit denselben Farben wie die Talmudisten1),
und die lawinenartig anwachsende Jesaiassage dringt in den
christlichen und selbst muslimischen Kreis ein*).
Allein nicht blos in dem Aufnehmen eines fertigen Produc-
tes, auch in der Anwendung gewisser Interpretationsregeln
(z. B. des Notarikon*) zeigt sich der Einfluss der jüdischen
Exegese auf die Kirchenväter. Diese Interpretationsmethode
konnte um so leichter in christliche Kreise Eingang finden, da
sie einen bequemen Anhaltspunkt zu jeder noch so kühnen
exegetischen Spielerei darbot. Auf diese Weise deutet z. B.
Irenaeus die Anfangsbuchstaben des Wortes Jesus ()W) = Herr,
Himmel, Erde4), und Augustinus zerlegt das Wort Adam (ytöap)
in die Anfangsbuchstaben der Wörter dvcctol^, Üvaig, äpcvo? und
(uaiipßQta, wodurch er zu dem mit der jüdischen Erklärung zu-
sammentreffenden Resultate gelangt, dass der erste Mensch aus
der Materie aller Himmelsgegenden geschaffen worden sei6).
Erwägt man also den Umstand, dass die christliche Exegese
des A. T. überhaupt eine Tochter der jüdischen Schriftauslegung
ist, so wird es nicht befremden, auch bei Ephraem eine gewisse
Verwandtschaft mit dem Midrasch wahrzunehmen , deren Trag-
weite im Einzelnen nachzuweisen ein wichtiges Moment für die
Geschichte der Exegese bilden muss. Es konnte jedoch nicht
fehlen, dass durch den Einfluss dieses midraschischen Elementes
die Bestrebungen der Kirchenväter von der eigentlich wissen-
schaftlichen Erforschung der Bibel abgelenkt wurden, und das
um so mehr, da in der christlichen Exegese sich frühzeitig der
') Opp. ed. Bened. 1, 218 C: ^f o£Qx£o jl.;aa>oA J»j? v»Jjo
joof .f,Yi*> ^vT^k >&£A} lux» «>o)<k& «2bj? J&*;23; er. 256 D.
*> Gesenius Jesajas II S. 12 ff.
*) Notarikon findet sich schon in der Mischnah Sabbath 104 b, in
späteren talmudischen Schriften öfter, ibid. 55b, 105a, cf. Sifri 1 c.
") 8. Rosenmueller bist, interpr. in eccl. ebrist. II p. 192 n. 9.
*) S.Frankel, Vorstudien zurSeptuag. S. 185 und Tanchuma Pekuda:
'iji o^iyn mnn jotkd &m.
Fmnkd, Monatsschrift. XVII 1. 2
18 Die Commentarien des Ephraem Syrus im Verhältniss
von Philo in seiner ganzen Schärfe ausgesprochene Grundsatz
Geltung verschafft hatte, dass die Bibel durchweg auch noch
einen tieferen, durch Inspiration erschliessbaren Sinn enthalte,
dass jeder überflüssige Buchstabe, jeder ungenaue Ausdruck,
jede Zahl, jeder Eigenname u. s. w. nicht anders als allegorisch
aufzufassen sei1). Von dieser Grundanschauung aus gelangten
die Verehrer und Nachfolger Philo's zu jener abgeschmackten
allegorischen Exegese, welche zum grossen Theil die biblische
Wissenschaft beherrscht hat, bis mit dem Wiederaufleben der
Wissenschaften die Bibelexegese. sich der jüdischen Forschungen
des M.^A. bemächtigte9). Die einfachsten Erzählungen, die ge-
nauesten gesetzlichen Bestimmungen sollten nun auch — oder
ausschliesslich — einen allegorischen, auf die Mysterien der
christlichen Glaubenslehre bezüglichen Sinn enthalten, und die-
sen zu ermitteln, wurde nun Zweck der Exegese, mit welcher
sich demgemäss Polemik gegen Juden und Judenthum verband !
Je mehr es aber den Kirchenschriftstellern darum zu thun war,
im Judenthume eine Vorstufe des Christenthums und den engen
Zusammenhang beider aufzuzeigen, desto mehr mussten sie auf
die jüdische Erklärung des A. T. eingehen, um die Gegner von
ihrem eigenen Standpunkte aus anzugreifen und die christliche
Auffassung gegen die jüdische zu stützen. Und wenn es für
den heutigen Leser dieser polemischen oder exegetischen Werke
unzweifelhaft hervortritt, dass die Juden in Bezug auf Kennt-
niss und richtiges Verständniss des Urtextes ihren Gegnern bei
Weitem überlegen waren8), so waren die Kirchenväter selbst
l) Üeber die Exegese Philo's s. Frankel : Ueber palästinische und
alexandrinische Schriftforschung (Progr. zur Eröffnung des jüd.-theol.
Seminars) S. 25 ff. und vor. Jahrg.: Ueber die Ethik Philo's f.
a) Vergl. z. B. über Justinus M. Rosen mueller 1. 1. p. 192, über Cle-
mens AI. ib. p. 220 und 228 und über die kaum nennenswerthen,
durchaus unselbständigen Leistungen der christl. Exegeten der folgen-
den Jahrhh. bis tief in's M.-A Meyer: Geschichte der Schrifterklärung,
Bd. I S. 57 ff.
•■) So wird jeder unbefangene Bibelforscher Gen. 1,26 „Wir wol-
len Menschen machen" eher mit den Talmudisten nach biblischem
Sprachgebrauch gleichsam als Selbstaufforderung zu dem grossen
zur jüdischen Exegese. 19
sich dessen so sehr bewusst, dass sie aus ihrer Unkenntniss
oft gar keinen Hehl machten und sich auf mundliche Mittheihing
der Juden beriefen1). Bei diesen aber waren Sprachkenntniss
und traditionelle Erklärung der Bibel Beschäftigung und Besitz
jedes Tironen. Die ängstlichste Sorgfalt überwachte den über-
lieferten Text und Synagoge und Lehrhaus verbreiteten das
Verständniss desselben in die verschiedensten Kreise*). So be-
fremdend es daher scheinen mag, so steht es doch durch die
unzweideutigsten eigenen Zeugnisse fest, dass gerade die be-
deutendsten unter den christlichen Exegeten, Origenes und
Hieronymus, nicht nur ihre Kenntniss des hebräischen Textes,
sondern meist auch dessen Erklärung jüdischen Lehrern ver-
dankten*). Und lässt sich auch bei anderen christlichen Schrift-
stellern, wie Justinus, Clemens, Eusebius und A. kein solcher
directer Verkehr mit Juden nachweisen, so hat nichts desto-
weniger die Beurtheilung ihrer exegetischen Leistungen auf den
jüdischen Eiufluss Rücksicht zu nehmen und denselben mit in
den Kreis der Untersuchung zu ziehen4). Indessen mögen für
das Verhältniss der christlichen Exegese zur jüdischen einst-
weilen die gegebenen Andeutungen genügen.
Werke auffassen (v. Gen. R. c. 8 D^3 "IDN ">DN ,m\ l[?0: *Ü2 U1H ntß>J/J
■J^DJ), als ihren Gegnern Justinus M., Tertullian und Ephr. Syr. (p. 18 D)
beistimmen, die hier das Mysterium der Trinität angedeutet finden
(v. Rosenmueller 1. 1. II, 54 sq. und Knobel Genesis S. 17). Ebenso
hat die moderne Exegese sich beim 52. Cap. des Jesajas für die Auf-
fassung entschieden, die schon von Origines als die eines gelehrten
Juden mitgetheilt wird, welcher „den Knecht Gottes" als gleich dem
israelitischen Volke im Exile erklärte (s. Gesenius Jesajas 111, 165).
') V. Hieron. adv. Rufinum I, 3: Origenes et Clemens et Euse-
bins atqne alii complures, quando de scripturis aliqua disputant et
volunt approbare quod dieunt, sie solent scribere: referebat mihi He-
braeus, et audivi ab Hebraeo, et Hebraeorum ista sententia est.
*) Vergl. über diese exegetischen Vorträge Zunz Gottesdienstl.
Vortr. 324 und 333.
•) 6. Grätz, Gesch. der Juden IV, 279 und 459 (2. Anfl 250 und
379 f.).
*) Einige Parallelen aus Kirchenvätern und Midraschim hat zuerst
Dr. Graetz in dieser Monatsschrift Band 3 S. 311 ff. mitgetheilt; über
Eusebius s. z. B. die zu Jes. 7, 8 gegebene Erklärung in Gesenius
20 Die Commentarien des Ephraem Syrus im Verhältniss
Dieser Gesichtspunkt ist aber zumal bei dem vorliegenden
Versuche über Ephraem Syrus von besonderer Wichtigkeit.
Denn in Syrien und Mesopotamien, wo im 4. Jahrhundert die
wissenschaftlichen Bestrebungen der Juden in den zahlreichen
Gelehrteuschulen ihren Höhepunkt erreicht hatten, waren die
Bedingungen für einen derartigen Verkehr mehr als irgendwo
gegeben. Den Christen in Syrien wurde durch die enge Ver-
wandtschaft ihres Dialectes mit der damaligen Volkssprache der
Juden der Gedankenaustausch wesentlich erleichtert« Anderer-
seits waren die Letzteren selbst mit der syrischen Sprache so
sehr vertraut, dass sie dieselbe sogar als Mittel zur Herleitung
einer gesetzlichen Bestimmung (Halacha) anwendeten. Wo näm-
lich der hebräische Ausdruck der Schrift keinen Anhaltspunkt
zur Begründung derselben darbot, zog man das gleichklingende
syrische Wort zu Rathe, so dass z. B. Exod. 12, 4 nißCl bv IDDR
• T
(ihr sollt zählen) durch die Analogie des syrischen oodod (schlach-
tet) die Norm begründete: „Ihr sollt beim Schlachten schon
die Zahl der am Pascha Mitbeteiligten bestimmen1). Ebenso
wurde die syrische Sprache im Allgemeinen wegen der in der
Bibel vorkommenden Chaldäismen, die geradezu mit Syriasmen
identificirt wurden, von den Talmudisten hochgestellt und em-
pfohlen*). Es liegt daher an sich schon nahe, ebenso wie bei
anderen Kirchenvätern, namentlich bei Hieronymus, auch in den
Commentarien Ephraems, die eben den syrischen Text zur
Grundlage hatten (vergl. weiter), das Vorkommen jüdischer, tra-
ditioneller Erklärungen vorauszusetzen und seine Bekanntschaft
Jesajas. a. 1.; über Hieronymus s. Rahm er: Die hebräischen Traditio-
nen in den Werken des Hieron. Th. I. Quaest. in Gen., Fortsetzung
Monatsschr. 1866 S. 216—224, 460 470 und 1867 S. 103—108.
l) V. Pesacbim 61 a: IDlNff U1HD Hin 'OIID ))&*? 1D1N m IDDn
PIT r&B *b DD rP3Tli>; cf. MechiltaBo c. 4: riDDD fN FWDJ r)DDD3
oi m ml tnio ywh idw nw "m rwn hy iddd • • • po n^n; cf.
Jon, b. Us. a. 1. "pDDTI (ihr sollt schlachten).
•) V. Gen. R. c. 74: DWOJI! PTWOr T^JD ^p XTYID \ah VP 5>N
TOD h p^n n'apTW W» rrarraa; cf. J. Sotah c. VIII in . , J. Megil-
lihc. 1,11; Baba Kama 83a; Sotah 49b.
zur jüdischen Exegese. 21
mit denselben auf den Verkehr mit Juden zurückzuführen '), die
mit der syrischen Sprache vertraut und im Besitze der syr.
Bibelübersetzung waren*). Wenn ferner Ephraem der herine-
neutischen und exegetischen Richtung seiner Vorgänger Theodor
von Heraclea, Eusebius von Emisa und Diodorus von Tarsus
sich anschloss, die von der allegorisirenden Manier der Alexan-
driner sich abwandten und den Weg der historisch • grammati-
schen Interpretation einschlugen: so wird sich demnach das als
Resultat herausstellen, dass gerade wie bei den Alexandrinern
und den syrischen Exegeten des % Jahrh. (Theophilus und Ta-
tian), die von der LXX ausgingen, der Einfluss Philo's sich
geltend macht und zur Allegorie hinleitet8), so bei dem nach
allgemeinem Urtheile weitaus bedeutendsten syrischen Exegeten
die Entlehnung aus der dem Allegorisiren abholden jüdisch -
babylonischen Exegese. Denn nur aus dieser kann er die Tra-
ditionen geschöpft haben, die in der Pesch. entweder gar nicht
oder nur durch ein umschreibendes oder hinzugefügtes Wort
kurz angedeutet waren4). Wenn er gleichwohl nirgends aus-
drücklich diese Quelle angiebt, sondern nur ganz allgemein sagt:
„Einige" oder „einige Erklärer" sagen, so darf dies in Betreff
der Juden um so weniger befremden, da er auch sonst, wo er
') Cf. C. v. Lengerke de Ephr. Syri arte hermeneutica p. 17:
„verisiniillimum esse debet, Ephraemum maximani suae rerum scientiae
et ernditionis partera in Judaeorum consuetudine sibi comparasse";
cf. ibid. p. 20 und 204.
*j V. Perles: Meletemata Peschitthoniana Diss. inaug. Vratisl.
1859 p. 24.
•) V. Rosenmueller 1. 1. I. p. 198 sqq.
*) Derartige Stellen sollen, soweit sie bei Ephr. in Betracht kom-
men , im Verlaufe näher besprochen werden. Die Frage, ob die Pesch.
einen Juden oder Christen zum Verfasser habe, wird von Bleek (Einl.
ins A. T. 1865 S. 108 und 800) dahin erledigt, dass „ohristliche Theo-
logen der Syr. Kirche aus dem Ende des 2. oder Anfang des 3. Jahrh."
sie verfa&st haben ; jedoch kann durch dieses apodictische Urtheil we-
nigstens in Bezug auf den Pentateuch die bereits von R. Simon (hist.
crit. du V. T. p. 274) ausgesprochene und von Perles 1. 1. gründlich
nachgewiesene Ansicht, dass der Pentat. von Juden im 1. Jahrh. nach
Übl. Zeitr. übersetzt worden, nicht erschüttert werden.
22 Die Commentarien des Ephraem Syrus im Verhältniss
die Ansicht der Allegoristen (p. 6) oder der Häretiker (p. 13)
anführt, keinen Namen nennt. Unterlässt er es doch selbst, den
Theopilus v. Antiochien zu nennen, wo er offenbar auf seine
Ansicht hinzielt. Dieser hatte nämlich die drei Tage, die der
Schöpfung des Lichtes vorhergingen, typisch als Bilder der
Trias Gott, Logos und Weisheit aufgefasst1), welche Erklärung
von Ephraem mit den Worten „durch das Licht, das am ersten
Tage.geschaffen wurde, brachte die Erde Alles hervor, wie
Einige sagen, in der Trinität" (Jlo£&£bo) nur leise angedeutet
wird9). Oder, um noch ein zweites Beispiel anzuführen, warum
sagt er so ganz allgemein, Einige hätten Gen. 1, 2 in den Worten
DV6k rTn den heiligen Geist angedeutet gefunden8) und nennt
keinen dieser Erklärer?
Wenn also Ephr. es im Allgemeinen verabsäumt, die Quel-
len, welche er benutzt hat, anzugeben, so kann man es von
vornherein als ausgemacht gelten lassen, dass er Erklärungen,
für welche sich nur in der midraschischen Literatur die Quelle
nachweisen lässt, von Juden aufgenommen hat, die im 4. Jahrh.
zahlreich in Antiochien, Edessa und Nisibis lebten4). Denn, dass
er mit ihnen verkehrt haben muss, ersieht man aus den Stellen,
wo er entweder ausdrücklich (II 469 A) oder stillschweigend
gegen sie polemisirt (v. I 108 A, 178 F, 257 A, 378 E, 483 E,
523 E). Es kommt nun darauf an , festzustellen , wie weit sich
der Einfluss dieser jüdischen Exegese auf Ephr. erstreckt, und
in welcher Weise er den Anforderungen der historisch -gram-
matischen Interpretation gerecht zu werden sucht.
Dass er ebensowenig ausschliesslich und wahrhaft wissen-
schaftlich oder grammatisch zu exegesiren bemüht war, als er
sich ganz der christologischen oder allegorischen Schriftausle-
l) Ad Antolycum II, 15: tvnoi eioi xrjg TQiddog, xov teov, %al zov
loyov ccvzov ital zijs oocpiag avvov.
") V. opp. I, 10 B: knaf vj p ()tafOL>) Jf>L)i ^£o) fc&J* J&ola
P P ♦ ^ ^ * 0 ► 0 >» 91 P ► P ♦ ' ' ä ?> >> p r ^
)j>,OP 001*9)0, {p JtOjOSO JOOj QOJ ^p )l0UftAfcO )äk 20,20 >\D £jj O^.
3) Y. opp. I, 9B: 6£, yJn+CD lafoo; jLo* yJu).
4) V. J. Berachoth III: |WD3 mirD my1? TOytP THK3 ntPJ/D;
cf. Synh. 32 b: pnüZ) ^""l "HIN * * '\ cf. Peeachim 3 b, Kidduschin 10b.
zur jüdischen Exegese. 23
gung anschloss, die seit Ori genes in der christlichen Kirche
herrschend war, ist in der Anlage seiner Commentarien zum
Pentateuch ziemlich deutlich ausgesprochen. Er wollte zunächst
die pentateuchischen Schriften in der Fassung wiedergeben,
dass der Leser sie verstehe, über die göttlichen Wahrheiten
derselben belehrt werde und über unklare oder unvollständige
Berichte der Bibel Aufschluss erhalte. Er hatte also auch das
homiletische und paränetische Interesse im Auge. Ausdrücklich
bemerkt er, dass er diese Commentarien nur auf Bitten einiger
Freunde verfasst habe (I p. 1), denen er nicht hatte widerstehen
können. Während er demgemäss , seinem Zwecke entsprechend,
einige Capp. nur kurz wiedergiebt oder ganz übergeht (z. B.
Gen. 31 — 38, Exod. 25—40, Levit. 4—8, 12 — 14, 15—18), er-
zählt er andere ausführlich und flicht eigene Reflexionen und
Bemerkungen ein, z. B. über die Vorzüge des ersten Menschen
(22 C), über die Schlange, die er als Personificatioo des Satan
auffasst (27 E), über Thamar (90 sq.) u. a. m. Bisweilen legt er
den biblischen Personen Reden in den Mund, oder redet sie
selbst an und dergl.1). Vorzüglich verweilt er bei der Genesis
und besonders bei den ersten Capp., nicht bloss, weil er für
dieselben in seinen früher verfassten Reden wichtige Vorarbei-
ten hatte (p. 1), sondern auch, weil sie für die religiöse Beleh-
rung des Lesers reichen Stoff darboten. So zeigt er z. B. in der
Geschichte der Patriarchen das besondere Walten der göttlichen
Vorsehung, die sich den Frommen aller Zeiten durch Zeichen
und Wunder offenbart (56 B, 77 E, 87 B, 92 D, 99 B, 218 C).
Ebenso lässt er besonders in der Lebensgeschichte der Patriar-
chen und Patriarchinnen die reine Gottesverehrung derselben
und ihren Kampf gegen das Götzenthum hervortreten, z. B.
rechtfertigt er Rahel wegen des Diebstahls der Götzen damit, dass
sie hierdurch lediglich ihrem Vater den Gegenstand der Verehrung
') Thamar erbittet von Gott ein Zeichen (90 C), dessen Gewäh-
rung nnd Bestätigung vollständig durchgeführt wird (ibid.). Der von
Joseph seinen Brüdern nachgeschickte Diener hält denselben eine
lange Rede (99 E), die Frau des Potiphar erzählt diesem nachträglich
den wahren Sachverhalt (93 C, cf. Gen. R. c. 87), der Mutter Mosis
legt Ephr. ein längeres Gebet in den Mund (197 B) u. dgl.
24 Die Commentarien des Ephraem Syrus im Verhältniss
entziehen wollte (86 B, cf. Gen. R. c. 74)1). Im Grossen und
Ganzen jedoch neigt er sich mehr zur sachlichen , als zur alle-
gorischen Exegese hin, wenn er auch von der fast rationalisti-
schen Nüchternheit eines Theodor v. Mopsuesta (gest. 451) weit
entfernt ist. Namentlich bleibt er im Commentar zur Genesis
streng bei 4er Sache und fügt nur an verhaltnissmässig wenigen
Stellen christologische Deutungen und Bemerkungen hinzu (z. B.
Cp. 38 p. 89 sqq., c. 49, 10 ff. p. 108 und sonst, besonders häufig
in den Scholien p. 149 F, 150 B, 172 B)«). Aber gerade dieser
Mangel an einem entschiedenen exegetischen Prinzip Hess für
') Ebenso erklärt er Gen. 35, 4, am die Söhne Jakobs von dem
Vorwurfe zu befreien, sie hätten Götzen oder zum Götzendienst be-
stimmte Gegenstände bei sich gehabt: „Die Götzen, die ihr als Beute
von Sichern mitgenommen habt und die Ringe, die an ihren (seil, der
Götzen) Ohren waren" (88 E) cf. Jonathan a. 1. DDtf njJJÖ ]ü naTl
und die Erklärung des Bechor Schorr, mitgetheilt von Geiger DMGZ.
1861. S. 157.
*) Neben diesem fortlaufenden Commentare finden sich nämlich
noch Scholien von Ephr. zur Genesis (p. 116 — 194), in denen dieselben
Texte meist allegorisch erklärt werden. Da nun diese Art der Exe-
gese in den Comm. zu den übrigen pentateachischen Büchern öfter
wiederkehrt und kein Grund vorliegt, die Echtheit aller dieser mit
dem Namen Ephraems bezeichneten Scholien zu bezweifeln, so hat
die Annahme Vieles für sich, dass in denselben — vermischt mit den
Scholien des Jacob v. Edessa — Fragmente eines anderen Commen-
tars von späterer Abfassungszeit oder einer anderen Edition aus der
Hand Ephraems vorliegen (cf. Assem. B. 0. II, 129 und Pohl mann
S. Ephr. Syri textus in Codd. Vat Mscr. fasc. I p. 21). Zu Exod.
haben wir nicht ebenfalls Stücke aus einem zweiten Commentar (wie
Arnold in Herzog's R. E. IV, 89 annimmt), sondern eine durchaus
unkritische Zusammenstellung aus zwei verschiedenen Handschriften,
die von den Herausgebern oft mit unverzeihlicher Nachlässigkeit neben
einander abgedruckt wurden. So ist p. 228 B ein Scholion zu Exod.
20, 21, das p 221 F hätte folgen müssen, ebenso ist 223 D — 235 zu
Exod. 21, 39 und 30, 18, 22 nicht am gehörigen Platze; 268 E zu
Num. 20, 33 wäre nach p. 262 E einzufügen, endlich ist p. 149 E,
152 F, 157 D, 158 C, 161 E und 177 F der Name Ephr. vom Heraus-
geber willkührlich den Scholien vorgesetzt worden ; cf. Pohlmann 1. 1.
fasc. II p. 23 sqq.
zur jüdischen Exegese. 25
die Aufnahme auch der jüdischen Exegese freien Spielraum, so
dass die verschiedenen Bestandtheile derselben bald neben
einer allegorischen, bald neben einer rein sprachlichen Erklärung
ihren Platz finden konnten. Je weniger er ferner einen specifisch
wissenschaftlichen Zweck verfolgte, desto mehr nahmen seine
Commentarien nach Art der nichtkanonischen Apokryphen (z B.
das Buch Henoch und das Buch der Jubiläen) und der jüdischen
Uagadas die Form der Erzählung an, wobei an die Schriftstellen
eine freie Exegese oder Sage oder auch Homilie und Paränese
angereiht wurde.
Wenden wir uns nun nach dieser allgemeinen Charakteristik
zur näheren Vergleichung der Exegese Ephraems mit dem Mi-
drasch , zunächst mit Berücksichtigung seiner Commentarien zum
Pentateuch.
I. Hagada als biblische Sage bei Ephraem Syrus.
Die Hagada, inwiefern sie als freie Schrifterklarung sich
zunächst einen belehrenden, ethischen Zweck setzte, liebte es
bekanntlich, die Erläuterung der Schrift durch Sagen oder Er-
zählungen zu bereichern, die den Inhalt derselben amplificiren
und verdeutlichen. Diese Sagenbildung, die vor dem Zeitalter
der Apokryphen ihren Anfang nimmt und bei den! Juden nichts
als eine anspruchslose, homiletische Anwendung des Schriftverses
war, die neben der biblischen Erzählung und deren einfacher
Auslegung einherging '), trat nun frühzeitig aus dem ursprüng-
lichen Kreise heraus und wurde als fertiges Product in fremde
Literaturgebiete aufgenommen. Die Apokryphen und das N. T.,
die Kirchenväter und der Koran nahmen biblische Erzählung
und Sage, geschichtliche Thatsache und Legende ohne kritische
Unterscheidung auf, bereicherten den vorhandenen Sagenschatz
l) Cf. Sabbath 63 a, Jebam. 24 a: 'Dl M3WB "»TD N1W NlpD "pN und
über den Unterschied von tOtPD (einfache Exegese) und UTTH (freie
Deutung) Zunz L 1. 323 ff. Die freie Auslegung wird entschieden dem
Wortsinne entgegengesetzt und sogar als unkritisch bezeichnet Me-
chilta Wajassa c. 1 : <{? "IDN JJBW ^"l nn rhm £ NBO DV V1CM GBO
nbs 3td nb )ta\ ytea xbx mfcn nra pfcru xh™ "»jmon ityhti w
btcwn nx aipon nw d» inw oun b"r\ no «n tddd.
26 Die Commentarien des Ephraem Syrus im Verhältniss
mit neuen Zuthaten und verwertheten ihn ihrerseits zur religiösen
Belehrung1). So enthalten denn auch Ephraems Comm. derartige
l) Näher auf diesen Gegenstand einzugehen ist hier nicht 'der
Ort, daher mögen einige Belegstellen genügen. Der Tod des Henoch
(Gen. 5, 24) wird als Entrückt werden zu Gott gefasst von Jes. Sir.
49, 14 und Hebr. 11, 5; Ephr. lässt ihn und Elia in's Paradies versetzt
werden I, 47 E, cf. 324 E und II, 477 E. (Ueber die Fortbildung der
Henochsagc vgl. Geiger's Urschr. S. 198). — Sap. Sal. 10, 20 8im tovto
dUcaoi ioxvXsvaav dceßslg wird klarer durch die Parallele aus Exod.
R. c. 24: DSHD DDDD üA "[ÜJI 0*3 tmBDn HN yptn DVI n« nJ? yip
'Dl DJTD1D by iTPitP HD fei. — Dass in der allegorischen Auffassung
des Manna und des Wüstenbrunnens I. Cor. 10, 3, 4 eine Anspielung
auf die hagadische Erklärung liegt, bemerkt auch v. Lengerke 1. 1.
p. 28. — 2. Tim. 3, 8 'Iawrjg %al 'lap/fyqg {avtk(Szr\cav Mcovoet) sind
dieselben, die auch Menachoth 85a und Jonathan zu Exod. 1, 15
(D13D5 D^y als Rathgeber Pharaos und natürliche Gegner Mosis dar-
gestellt werden. — Ueber den Koran vgl. Geiger: Was hat Mohammed
aus dem Judenthum aufgenommen? S. 95 ff und Weil. Biblische Le-
genden. — Als Beispiel muslimischer Begründung eines Dogmas
durch die Bibel vgl. Abulfarag bei Pococke Specim. Hist. Arab. p. 7:
J^U^I, y.^ ,> >U\}yÜ\ J, J il o!;LÄl *X» tyb" 0t,B J^o»
t\+^ ^fi qI Jütj yj+tP \^ (Die muslimischen Gelehrten berufen
<.
sich auf Quellen der Erwähnung Muhammeds in den geoffenbarten
Schriften. In der Thora nämlich in dem V. (Deut, 33, 2): „Gott
kommt vom Sinai, kommt herab vom Seir und offenbart sich vom
Berge Paran(( sagen sie , sei eine Hindeutung auf die Offenbarung der
Thora durch Moses, des Evangeliums durch Jesus und des Korans
durch Muhammed.) Vollständiger, wenn auch in ganz anderer Weise,
ist die Deutung dieses Verses durchgeführt in Sifri zu Deut. 33 § 343:
'n Twfea xh biaun ioy^ min yrb n"2pn nbmn xi wd "n iüm
TjnwD mn rrny y\wb m nh wd "i notm . mwb '13 xhx nfcü
nr emp maaio «nw ^ny fi&£ m po tid jrwi w irc£ nr id$>
zur jüdischen Exegese. 27
hagadische (sagenhafte) Elemente, die, wenn sie auch bisweilen
als selbständige Fortbildung betrachtet werden und in seinem
reichen poetischen Gemütbe iure Quelle haben können, doch
oft so scharf ausgeprägt auftreten, dass man auf ganz directe
Entlehnung von Juden zu schliessen berechtigt ist. Wenn z. B.
Ephraem in poetischer Wendung vom Paradiese sagt: „es lag
auf der höchsten Höhe" (23 0) und: „nur seinen Fuss bespülte
der Sintfluth höchste Woge'1 (opp. III 563 B), so findet sich ein
Analogon hierfür bei den Taluiudisten , nach deren Atisicht die
Sintfluth nicht nach Palästina, dem Lande des Paradieses, drang1),
und bei den Samaritanern , welche behaupten, dass der Berg
Garisim von den Wassern der Sintfluth nicht überschwemmt
wurde*), ohne dass man gerade genöthigt ist, eine gegenseitige
Entlehnung anzunehmen. Allein , wenn man auch bei diesen und
ähnlichen Wendungen die Uebereinstimmung Ephraems mit dem
Midrasch für eine zufällige, nicht durch jüdische Quellen be-
dingte halten wollte, so sind doch Sagen, wie sie Ephraem von
Kain, Malkizedek, Abraham und Hur mittheilt, zu specieli und
stimmen zu auffallend mit den jüdischen überein, als dass diese
Uebereinstimmung bloss zufällig sein könnte.
Die Hagada fand in dem Ausspruche Lemechs Gen. 4, 23:
,]72fß^ 'FUnn ttPN n3 keinen anderen als Kain, der, indem er
mm • ■
von jenem umgebracht wurde, gemäss der göttlichen Verheissung
erst nach sieben Geschlechtern seine Strafe fand (v. Gen. 4, 15:
Cg? E?n$nttf ; Onk. a. 1.: nip lH?rP pH Xyiuf?)- Diese Erklä-
rung theilt nun auch Ephr. mit (45 B) : ^if )\^>\? ^ibcD Jjv»J
^]h\&SbL}. „Andere glauben, dass Kain nach 7 Geschlechtern
bestraft wurde" ; cf. Gen. R. c. 23 : nVlH 1 )b rbc\S\ m Pp ♦
Das siebente Geschlecht (von Adam) war aber Lemech und
dieser tödtete den Kain (44 B). Unter den jüdischen Quellen
hat zwar diesen letzteren Zug erst der Jalkut; allein, wer den
Geist dieses compilatorischen Werkes kennt, wird zugeben, dass
■) V. Sebachim 113b: btCMn pN^ ^IID TT N$>; cf. Pirke di
R. Elieser c. 23.
») V. Gen. R. c. 32: fin rp *6 * • * yw fmf? ^nw irb "1DK
28 Die Commentarien des Ephraem Syrus im Verhältniss
das Alter der Sage wohl noch Aber das 4. Jahrhundert hinaus-
reicht; denn schon Onkelos deutet sie in ihren Grundzugen an
(Gen. 4, 15) und Hieronymus erwähnt sie als bekannte jüdische
Tradition (s. Rahiner 1. 1. 18 ff.). Ephr. theilt nun noch eine
weitere Fortbildung derselben mit. Lemech war nicht bloss der
Mörder Kains, er tödtete auch einen seiner Söhne (46 D: >^£jo
o\2> J&o ^>\kk dk mit Bezug auf '■manb *&))• Wie hangt aber
dieser Zug der Sage mit der früheren zusammen? Die Erzäh-
lung im Jalkut c. 38 giebt darüber Aufschluss. Der blinde Le-
mech geht, gefuhrt von' seinem Sohne Tubalkain, auf die Jagd;
der Knabe erblickt den Kain, halt ihn für ein wildes Thier und
heisst seinen Vater den Bogen spannen und ihn erlegen. Als
nun Lemech gewahr wird, dass er den Kain getödtet habe, bringt
er vor Schmerz auch seinen Sohn Tubalkain um.
Auf eine andere Sage, die Malkizedek mit Sem identificirt,
hat auch v. Lengerke schon aufmerksam gemacht (1. 1. p. 24), und
in der That gehört sie zu den verbreitetsten des biblischen Sagen-
kreises. Der Talmud führt sie auf einen Autor des 2. Jahrh. n. d.
übl. Zeitr. zurück •)> und von dieser Zeit an erwähnen sie nicht
bloss die Midraschim (Gen. R c. 44 und 56, Lev. R. c. 25, Abot d.
R. Nathan c. 2, Pirke d. R. El. c. 8 und 27) und die Paraphrasen
des Jon. und Jerusch., sondern auch christliche Schriftsteller,
wie Hieronymus (Quaest. in Gen, opp. ed. Frf. t. III p. 137 D),
Epiphanius (adv. haer. XXXV, 6) und Ephraem. Die Sage
knüpfte nämlich an die poetische Auffassung des Ausdrucks
Gen. 3, 21 Tty nünp ■= TlN nttTO an»), wonach der erste Mensch
») V. Nedarim 32b: rf'J'pn WffO hxyüW *r\ 018*5 fTTO 'T TÖN
Tfby tä T° Nim 'NJff DPD PUiTD KWlfc; cf. Synhedrin 108 b, vrgl.
auch Jos. Ant. I, 10, 2 und B. J. 6, 10.
») Gen R. 21 : ÜTN *tQ lfo TW TtOCÜ 3TO WBD TW 'T hv ITITTTD
"ptWOfL Ob diese Rolle des R. Bieir, die auch Gen. R. c. 9 eitirt
wird, eine Thorarolle war, die derartige Randglossen enthielt, oder
eine selbständige Hagadasammlung, ist schwer zu entscheiden. Dass
übrigens die Hagada keineswegs eine Textesem endation beabsichtigte,
ergiebt sich aas den unzähligen Stellen, wo dieses freie Verfahren der
Buchstab en-Vertauschung oder -Umstellung angewendet wird. Es wird
dadurch lediglich eine Sentenz gleichsam an das Schriftwort angeknüpft,
wobei der gewöhnliche Ausdruck ist: • • • N7N * • • "Hpn 7N.
zur jüdischen Exegese. 29
gleichsam mit einem von Gott ausstrahlenden Lichtglanze be-
kleidet war, — eine Wendung übrigens, der wir auch bei Ephr.
begegnen; denn auch er rühmt den göttlichen Lichtglanz Adams,
dessen Strahlen die Thiere wie die Israeliten das strahlende
Antlitz Mosis nicht ertragen konnten (27 C) und das himmlische
Gewand (li*utim JajlAI), das Eva auch nach dem Genüsse von
der verbotenen Frucht nicht einbusste (26 F, Hl F, cf. II, 218 D).
Nun Hess die Sage den von Gott mit jeglicher Vollkommenheit
ausgestatteten Adam auch das himmlische Gewand des Hohen-
priesters von Gott empfangen, das von diesem auf Seth, Methu-
salah und Sem forterbte, womit offenbar nichts Anderes ausge-
druckt werden sollte , als dass der reine Gottesglaube sich unge-
trübt bei einem Stamme des Menschengeschlechtes erhalten habe,
cf. Ephr. opp. I p. 2 und 1 15 B und Num. R. c. 4: pttWVI GIN
"i wjro nöww rfcra rura n« um1?) • • • dm bw nra rvn
noö ei« nw jra • • ♦ nwb*) i)v nwro ww*6i nnb gv&k
poo ru rub poö niwinö n»w p'o nbvnrxcb pro rw rwb
TD1 Dtt^* War aber dieser Sem (Malkizedek) Hoherpriester,
der auf dem Berge Moria opferte1), so konnte man ihn auch,
da er Abraham noch um 35 Jahre überlebte, (vgl. Beer, Leben
Abr. S. 143) der Rebekkah in Kindesnöthen das göttliche Ur-
theil verkünden lassen; vide opp. I, 61 E, F und ibid. 79 D:
te&offf ji^i jl*} oj&ocri ^» £hi Joojj ooj . ooj )Oui jdjvÜL» r^oj
ofv^o Uhtoua ««ojc&j *~ai ;pj )ooj ««ofoV«) ooi J^ocbo . Jooj «»ojoaJJ
pf P O"*1 p ff y T m»T tOT ► V P P PP ^ >» P
POA. ,äJ JJ) . . . POJ'^J wJOO^ )»a joAd Joot JJ pOf ^J OOf . )ooj
^jaxL \astS iL)] ooj 0*1200 poj!pJ} oj»3 Jil^ om£o aonvN . „Dieser
Malkizedek ist Sem, der König war wegen seiner Würde, da
er das Oberhaupt von 14 Stämmen war, und Priester war er,
weil er von seinem Vater Noah (das Priesterthum) als Erbe
empfangen hatte. Auch lebte er nicht bloss bis zu den Tagen
Abrahams, sondern auch bis zu Jakob und Esau, den Enkeln
*) v- °PP- T P- 171 B) cf- Krke di R- El. c. 31: rOTDn tm (seil,
auf d. Berge Moria) PDIDTI K1P1 • * • DTlpD 13 3npD ptwnn DIN flVW
•Mai ro n lanpw.
30 Die Commentarien des Ephraem Syrus im Verhältniss
Abrahams und ihn ging Rebekkah fragen"; cf. Gen. R. c. 63:
nan ov bw wrrcb wn rabn *6 • •• • "i rw wirrt -fir\) *)•
Einen unendlich reichen Stoff zur Behandlung fand die freie
Hagada besonders in dem Leben Abrahams, dessen inniger
Glaube an ein höchstes Wesen und erhabene Seelenstärke der
Sage zur Erdichtung so mancher schönen Erzählung Gelegenheit
darbot. Auch Ephr. theilt von diesem Patriarchen eine Sage
mit, die in ähnlicher Weise wie der Midrasch seine reine Gottes-
erkenntniss und seinen Kampf gegen das Götzenthum verherr-
licht (p. 156 D). Zur Zeit des Therach verehrten die Chaldäer
den Götzen Kainan (^*x>)*), dem sie auch einen Tempel erbaut
hatten. Als nun wegen dieses sündhaften Götzendienstes eine
Heuschreckenplage ihre Felder heimsucht, schickt Therach sei-
nen Sohn Abraham hinaus, damit er die Heuschrecken vertreibe.
Abraham fleht zu Gott und die Heuschrecken verschwinden.
Zurückgekehrt bittet er den Vater, vom Götzendienste abzu-
lassen und den wahren Gott anzuerkennen, allein der alte The-
rach achtet auf diese Ermahnung nicht. Daher legt Abraham
Feuer in den Tempel, um ihn sammt dem Götzen zu verbrennen.
Da eilt Haran berbei, um wenigstens den letzteren zu retten,
aber er wird von den Flammen ergriffen und verzehrt. Daher
heisst es auch von ihm: „Er starb vor seinem Vater Therach"
(Gen. 11, 28). Als nun die Chaldäer erfahren, was Abraham
gethan, fordern sie, dass er ihnen zur Bestrafung ausgeliefert
werde; ihre Absicht wird jedoch durch die schleunige Auswan-
derung Therachs vereitelt. — Zwar finden sich Anklänge an
!) Diese Parallele zeigt die exegetische Richtung Ephraems im
Gegensatze zu der allegorisirenden um so deutlicher, da hier die alle-
gorisch-mystische Auffassung durch Hebr. 7, 3 (dnrarcD?, dfirjvooQ, ccysvsct-
Xoyrjvog pfas aQ%rjv t\^bqwv (ifas xkXog H%<ov xrX.) gegeben war oder
wenigstens sehr nahe lag. Von seiner eigentlich nüchternen Exegese
s. weiter.
*) Dieser Kainan ist vielleicht der biblische (Gen. 5, 13 und LXX
zu Gen 11, 12, 13), welcher nach der Sage gleich Nimrod abgöttisch
verehrt wurde. Oder sollte ^ljd aus >pJb corrumpirt sein und gleich
dem Arab. ^yy? hebr. yp.) (v. Arnos 5, 26) den Saturn bezeichnen ?
zur jüdischen Exegese. 31
diese Sage auch im Mid rasch (Gen. R. c. 38), wo der Tod Ha-
rans in ähnlicher Weise motivirt wird, aber die Darstellung im
Buche der Jubiläen stimmt bis auf einige unbedeutende Abwei-
chungen vollständig mit derselben überein. Dort wird nämlich
ebenso erzählt, dass Abraham durch sein Rufen die Raben ver-
scheucht habe, die das Feld seines Vaters verwüsteten (s. die
deutsche Uebers. v. Dillmann in Ewalds Jahrb. Bd. III S. 2)
und dass er hierauf seinen Vater ermahnte, den Götzendienst
aufzugeben1). Dann heisst es weiter (1. 1. S. 3): „Abraham stand
auf bei Nacht und verbrannte das Haus der Götzen und Alles,
was darin war, ohne dass die Leute etwas davon wussten. Und
sie standen auf bei Nacht und wollten ihre Götzen aus dem
Feuer retten. Und Aran eilte herbei, sie zu retten, da schlug
die Flamme über ihm zusammen und er verbrannte im Feuer
und starb in Ur der Chaldäer vor seinem Vater Therach und sie
begruben ihn in Ur der Chaldäer".
Ob nun Ephr. aus dieser Quelle direct geschöpft hat, lässt
sich durchaus nicht ermitteln, man müsste denn annehmen, das
B. d. Jub. sei im 4. Jahrh. bereits so allgemein verbreitet ge-
wesen, dass es nicht nur dem Epiphanius und Hieronymus
(vgl. Dillmann 1. 1. S. 89 f.), sondern auch Ephr. bekannt war.
Näher dürfte daher die Annahme liegen, dass der Verf. des B.
d. Jub. und Ephr. aus derselben Quelle, der jüdischen Hagada,
geschöpft haben9).
') Das B. d. Jub. (ibid. S. 2 und 89) fugt bei Erwähnung desselben
Vorfalles bei Therach hinzu: „Deswegen (sc. wegen des Zerstreuens
der Raben) nannte er seinen Namen Therachu. Das führt auf den
Ursprung der vorliegenden Sage, die an das Wort rnFI (der Zerstreuer)
etymologisch anknüpfte. Vgl. Beer, Leben Abr. S. 96.
*) Hiermit wird die Frage Über den Verf. des genannten Buches
nicht alterirt, mag er (nach Dillmann 1. 1. 88 ff.) im 1. christl. Jahrh.
zu suchen sein, oder genauer (nach dieser Monatsschr. 1856 S. 380 ff.)
in Leontopolis zur Zeit Caligulas gelebt und dem Priesterstande ange-
hört haben. Es soll hier nur das Resultat festgestellt werden, dass
die Hagada, der wir in Palästina und Babylonien begegnen, auch bei
den Juden in Aegypten heimisch war. Vgl. hierüber Frankel : DMGZ.
Bd. IV, S. 107 ff.
32 Die Commentarien des Ephraem Syrus.
Entschieden auf jüdischen Ursprung ist endlich die Sage
zurückzufahren, die Ephr. über Hur mittheilt1). Da derselbe
oft als Begleiter von Moses und Ahron erscheint, so sucht die
Sage ihn in irgend eine verwandtschaftliche Beziehung zu ihnen
zu bringen. Ephr, macht ihn zum Schwestermanne Mosis (I 219 C :
jiax» oj&~>\xd ^x>J? ^f-ojoLjj taulo), aber entweder ist er hier
ungenau berichtet, oder er begeht einen Gedächtnissfehler; denn
Hur kann nicht der Gatte der Mirjam und zugleich (nach I. Chrou.
2, 19) ein spätgeborener Sohn des Kaleb sein, der selbst 40 Jahre
jünger war als Moses (v. Jos. 14, 7). Es müsste dann Mirjam,
wenn sie auch nur 10 Jahre älter war als Moses (v. Exod. 1, 8),
50 Jahre älter als Kaleb, demnach mindestens 70 Jahre älter als
Hur gewesen sein. Die jüdische Tradition vermeidet diese
Schwierigkeit, indem sie die Ephrath der Chronik (ibid.) mit
Mirjam identificirt und Hur also zu einem Neffen Mosis macht
(v. Sotah IIb und Exod. R. c. 1). Wichtiger für unsern Zweck
ist die Ursache, die Ephr. für den Tod des Hur mittheilt. „Ah-
ron sah sich gezwungen, dem goldenen Kalbe einen Altar zu
bauen, als er sah, dass das Volk auch ihn sowie den Hur zu
steinigen suchte. Denn Hur soll (^£o|) in dem Aufruhr getödtet
worden sein, den das Volk gegen Ahron machte, weil er das
Volk vom Abfalle von Gott hatte zurückhalten wollen" (224 A).
In dem Scholion des Jacob v. Edessa z. St. wird ausdrücklich
bemerkt, dass diese Erzählung eine jüdische Tradition ist (273 C).
Dieselbe findet sich Synh. 7a: HN") * * * TOTO pH pTIN &TP1
vxb rmw -nn; cf. Exod. r. c 41 .- -nn arrby top raw nnw
b naw pn« bv «sm lmnm v6y viöj; tö • • • arb "iöw
'W KTTÜ *p pHK fiN-W lra "fr üW)V m P *lh WWW OttO
') Auch von Nimrod hat Ephr. einen sagenhaften Zag, für welchen
jedem mit der Hagada Vertrauten eine Hinweisung auf ähnliche Sagen
(Gen. R. c. 38 und Pirke di R. El. c. 24) genügen dürfte; v. opp. I p 154:
KUo ^ht ll^oo JoyK oauolj pj o*«x>J} vu>*Sa) Juaii&eo ^ rj yju\
Ar * p* +*9Jl**r*r h r * * o r * o
. IWo? qm'v^ «po^. )&*. 0 >popx> ,*» v^äj -ojcoj rj *«^x . oooj ^ooj
P v P p * p r A T 9 9* * ♦ >p* * ^ * P * p p
JJxuoo (äa JoOf ~OjOA»J} r) J^ 0) . o£*j o^i^ V^V-M) JJ Jjoj ^o
~ \ * *P 0 9 r . r * ► ► * _ ,P ,P PP, P ,P * r ► ► ,PP *
>fcck2>j Jtai ~op; **j^ £*oJ> lopai ^r • t»j)o £xy> auooj} . J^ax
r) ooj J2>) ja^jiJo Joe* jafij )rj |\-vfK Jüüa^Aj <pojaü\. £;» .
Analekten. 33
pHK fcTW« Noch weiter ausgeführt ist diese Erzählung Num.
R. c. 15, kurz angedeutet ist sie schon in der Pesch. durch die
Uebersetzung >\*>j , die eben der ursprünglichen Hagada K"W =
KH?1 entspricht.
(Fortsetzung folgt)
Analekten.
es zum Text der Uebersetzung des Onkelos
zum Pentateuch.
Der Text des Onkelos ist mitunter durch Glosseme und Ab-
schreibefehler entstellt, die zuweilen klar zu Tage treten, zuwei-
len aber sich auch den scharfsinnigsten Cominentatoren entzogen
haben. Als Aushülfe dient die Uebersetzung des Jonathan ben
Usiel zum Pentateuch, den Onkelos zur Grundlage seiner para-
phrastischen Version nimmt: aus ihm ist, was bisher noch wenig
beachtet wurde, an vielen Stellen der richtige Text des Onkelos
herzustellen. Wir werden hierauf anderswo zurückkommen und
heben hier zwei Stellen hervor:
Gen. 32, 11 nEfcCI ^DEl O^TOm ^DÖ übersetzt Onkelos JöÖ
|DB ^D&l plDPU Rarban im Commentar das. findet dieses auf-
fallend, da Onkelos gewöhnlich nENl "IDCl durch tOHtfpl DUO
wiedergibt. Noch mehr als PHDn für C^lDiTI (man findet zu-
weilen NIDn für 10n, vgl. Deuteron. 7, 9. 12) ist ])2& für
nöNn befremdend, da nHD durchaus nicht dem Begriffe nöK
entspricht. Jonathan hat in gedachter Stelle *?3fo) NDtö by&
H\SW)p* Dieses legt die Vermuthung nahe, dass ursprünglich
der Text des Onkelos ebenfalls so gelautet habe; ein Leser hatte
jedoch zu O^IDPin an den Rand bemerkt ^IDH» dieses plDn
kam in den Text, und da nun in der Uebersetzung drei Wörter
für zwei des hebr. Textes sich fanden , liess man die zwei ersten
stehen und strich das dritte Wort und so verblieb das fehler-
hafte pnü p-ion und fiel NBEflp (Bfltfp) aus.
3
34 Analekten.
Genes. 43, 2 l^J ittfKD hatte manches Manuseript des On-
kelos Ip^DD 13« Raschi verwirft diese Leseart als an dieser
Stelle unsinnig und die nur das. '24, 22 an ihrem Orte ist. Raschi
findet daher hier nur )WW "D entsprechend. Es bleibt jedoch
befremdend, wie ein Abschreiber hier auf das ft^ÖD gekommen
sei und es ist schwer anzunehmen , dass er sich von 24, 22 auf
43, 2 geirrt habe. Jonathan hat jedoch 42, 2 lpDD "D ♦ So scheint
es auch die Version des Onkelos gehabt zu haben; durch Ab-
schreibefehler wurde daraus V?BD Op^BD): Die eigentliche
Leseart ist also nicht U02RP sondern lpDD«#) F.
2. Curiosum.
In einem interessanten Aufsatz (Zeitschrift für Völkerpsy-
chologie Jahrg. 1867 Heft 2 p. 156 f.) bespricht Bastian die unter
dem Namen der Couvart bekannten, bei verschiedenen wilden
Völkern vorkommenden Gebräuche. Ihren Namen haben sie von
der seltsamsten aller dieser Ceremonien, dass sich der Gatte
an der Stelle der entbundenen Frau in das Wochenbett legt und
sie beruhen nach Bastian auf der Idee, dass vermöge einer Art
von Sympathie das Verhalten des Vaters um die Zeit der Ge-
burt seines Kindes einen bestimmten vortheilhaftcn oder nach-
theiligen Einfluss auf dieses ausübt. B. fahrt unter anderem
folgendes Beispiel hierfür an: „Sollte bei den Caraiben der
Ehemann einer schwangeren Frau den kleinäugigen Fisch Manati
essen (bemerkt du Tetre) so würde das Kind mit tiefliegenden
Augen geboren werden, sollte der Vater während der Schwan-
gerschaft der Mutter eine Schildkröte essen, so wird der Neu-
geborene taub sein". „Die Väter essen saure Trauben und die
Zähne der Kinder werden stumpf (nach R. Meier)'*. „Würde der
Kamschadale während der Schwangerschaft seiner Frau eine
Schlittenkufe über dem Knie beugen, so krümmt sich der Em-
bryo und die Niederkunft wird eine schwere seinu. Mit einigem
Erstaunen sieht der in jüdischer Literatur nicht ganz unbewan-
*) Ueber Glosseme im Onkelos zu Genesis vgl. 10 Jahrg. dieser
Monatsschrift.
Anale kien. 35
derte Leser einen ihm theueren Namen in die nicht schmeichel-
hafte Nähe von Karaiben und Kamschadalen „zwischen Tiger
und Leue mitten hinein" versetzt. Das Erstaunen verwandelt
sich jedoch sofort in ein herzliches Lächeln über den seltsamen
Schnitzer, der R. Meir den Glauben autbürdet, dass „die Zähne
der Kinder stumpf werden, wenn die Väter saure Trauben
essen". So arg ist dieser Schnitzer, dass nur die Achtung vor
dem hochverdienten Verfasser uns veranlasst, ihn überhaupt zu
erwähnen.
Zuerst nun haben wir Bastian die ihm gewiss erfreuliche
Mittheilung zu machen, dass jene Worte „des Rabbi Meir" auf
eine viel höhere Autorität zurückgehen, nämlich auf die Pro-
pheten Jeremia* und Ezechiel. „In jenen Tagen", so heisst es
bei dem ersten c. El V. 29, „wird man nicht mehr sagen: die
Väter haben saure Trauben gegessen und die Zähne 0er Kinder
sind stumpf geworden, sondern ein Jeder wird um seine Schuld
sterben; jeder Mann, der saure Trauben gegessen, dem werden
die Zähne stumpf werden". Und bei Ezechiel c. 18 V. 2 : „War-
um führt Ihr immer das Sprüchwort im Munde . . . : die Vater
essen saure Trauben und die Zähne der Kinder werden stumpf"?
u. s. w. Dem scharfsinnigen Ethnographen brauchen wir nicht
zu beweisen, dass die Propheten nichts jenem tollen Aberglauben
Aehnliches haben sagen wollen; dass wir hier nur ein recht
anschauliches und von den alten Hebräern gewiss oft gebrauch-
tes Spruch wort vor uns haben, das besagen soll: der Eine
müsse oft für die Sünde des Andern büssen, der ganz anschul-
dige R. Meir z. B. für den Irrthum Bastians. Denn sicherlich
ist es nicht die Schuld des R. Meir, dass die Angabe des Tal-
muds (Synh. 38 b) R. Meir habe in einer Fabel dies Thema be-
handelt, so gröblich missverstanden wurde.
Dass der berühmte Reisende nun eines so ungeheuerlichen
Schnitzers fähig war, ist auffallend, dass Männer wie Lazarus
und Steinthal ihn passiren Hessen, nur damit zu entschuldigen,
dass sie den Aufsatz B.'s. nicht gelesen haben. Wünschens-
werth aber wäre, dass man in Zukunft die einigermaassen be-
kannte Literatur der Juden mit etwas anderen Augen ansehen
möge, als die Sitten von Karaiben und Kamschadalen.
J. F.
36 Recensionen und Anzeigen.
Recensionen nnd Anzeigen.
Festrede bei der am 3. Januar 1861 vom Vereine zur Förderung
israel. Interessen in Leipzig veranstalteten Gedächtniss-
feier Moses Mendelssohns, gebalten von Dr. A. M. Gold-
schmidt. Leipzig. Fr. Nies'sche Buchdruckerei.
Mendelssohn ist bis auf die neueste Zeit mehr vom Partei-
ais vom wissenschaftlichen Standpunkte aus beurtheilt worden.
Die Einen sahen in ihm einen Reformator, Andere stellten refor-
matorische Einflüsse M.'s einfach in Abrede, ohne sich Rechen-
schaft darüber abgeben zu können, durch welche Leistungen,
wenn nicht durch reformatorische, sein Auftreten von so nach-
haltiger Wirkung für Juden und Judenthum sein konnte. Wir
fühlen uns deshalb veranlasst, auf eine Schrift aufmerksam zu
machen, welche, obwohl sie nur unter dem bescheidenen Namen
einer Festrede auftritt, in der selten etwas Neues gesucht wird,
dennoch mit der lange vermissten Klarheit und Bestimmtheit
entwickelt, worin der eigentliche Kern der Bedeutung M.'s liege
— und können wir wohl sagen — sogar einen neuen wissen-
schaftlichen Gesichtspunkt für dessen Beurtheilung aufstellt. Mit
dem gründlichen Nachweise, dass M. die unerlässlichen Eigen-
schaften eines Reformators, Negation und Opposition, gänzlich
fehlten, wird zunächst die früher allgemein verbreitete Ansicht
widerlegt. Die Ausführung fesselt um so mehr, als der Redner
auch auf den Ursprung dieser irrigen Meinung und auf die
falschen Anschauungen, die zu dieser geführt, genau eingeht.
Man wollte nämlich in M. durchaus den jüdischen Luther sehen
und als solcher musste er auch natürlich gegen eine Hierarchie
und gegen übermüthige Kirchenfürsten oppositionell auftreten.
Daher stellte man M.als Gegner des Rabbinismus und derRabbinen
dar, ohne zu bedenken, dass M. als Jude sich nicht die freie Be-
nutzung der,Bibel zu erkämpfen brauchte wie Luther, und dass die
Rabbinen des vorig. Jahrh. nicht ihre Stellung missbrauchten und
nicht einmal dazu die Macht besassen. — Worin aber liegt in
\
N
Recensionen und Anzeigen. 37
Wahrheit die Bedeutung M/s für seine Glaubensgenossen?
Nicht darin, führt der Redner aus, dass er Veränderungen in-
nerhalb des Judenthums anstrebte, sondern darin, dass er den
in seinem bisherigen Laufe von ihm nicht gehemmtan jüdischen
Geist mit dem deutschen Geist vermählte, dass er die jüdische
Religion mit deutschen Nationalitätsbestrebungen in Einklang
brachte, dass er die Juden in den Strom allgemeiner Kulturent-
wickelung trieb. Und dass diese seine Bestrebungen Nach-
eiferung fanden, kam gerade daher, dass er „sich als kein
Reformator geberdete", dass er selbst Vorurtheile nicht aus-
reissen wollte, welche in der Gesammtheit wurzelten, sofern
sie nicht gerade entsittlichend wirkten, dass er den Grundsatz be-
folgte, dass die Religion der allgemeinen Kultur nicht voraneilen,
sondern diese auf jene bestimmend einwirken müsse. Daher
liegt auch die Bedeutung M.'s für die Entwickelung des Juden-
thums nicht gerade in den spezifisch jüdischen Schriften, sondern
in der Gesammtheit seiner Werke, überhaupt nicht „in dem, was
er unmittelbar, sondern was er mittelbar für das Judenthum
gethan". Seine Leistungen für die deutsche Literatur und für
die deutsche Philosophie, da sie die grösste Bewunderung
seiner Zeitgenossen hervorriefen, wurden zu Leistungen für das
Judenthum, weil sie dem Kopfe eines Mannes entsprangen,
der sich seinen Glaubensgenossen durch die Weise, wie er das
Judenthum gegenüber Anmassungen und Beschuldigungen von
aussen vertrat und durch seine Anhänglichkeit an die äussern
Gebräuche sich ganz als einen der Ihren zeigte. — Bei dieser
gewiss richtigen Auffassung legt der Hedner nicht so sehr in
der Ausführung dieser Gedanken Nachdruck auf die jüdischen
Schriften, wie man es in der Regel thut, sondern mehr auf
diejenigen, über welche berühmte Zeitgenossen, wie ein Kant,
sich begeistert aussprachen; die auf das Judenthum sich bezie-
henden Schriften und (Korrespondenzen erscheinen in dem Lichte,
als wenn sie nur die Anhänglichkeit M.'s an seinen Stamm und
seine Religion documentirten. Ja, er geht in der Festhaltung
dieses Gesichtspunktes so weit, dass er sich durch die Ent-
schiedenheit seines Standpunktes den nicht ganz ungerechtfer-
tigten Tadel zuziehen könnte, einerseits die Pentateuch- und
Psalmenübersetzung, die doch gewiss die Verbindung des Ju-
denthums mit der deutschen Kultur beschleunigt hat, zu wenig,
38 Monatschronik.
auf der anderen Seite das Deutschthum M/s bisweilen zu sehr
hervorgehoben zu haben. Solche Einzelheiten thun aber dem
Ganzen keinen Eintrag; ein allgemeiner Gesichtspunkt für
die richtige Würdigung M/s ist hier jedenfalls in wenigen, sich
durch eine kernige und markige Sprache auszeichnenden Seiten
gegeben.
Monatsckrtnik.
Berlin. Durch die Berufung des Barons von Rothschild in
das preussische Herrenhaus ist nunmehr auch dieser Factor der
preussischen Gesetzgebung seines exclusiv christlichen Charak-
ters entkleidet worden und ist aus diesem Grunde der Eintritt
des genannten Herrn immerhin ein Ereigniss, das in den Anna-
len der Geschichte der deutschen Juden aufgezeichnet zu wer-
den verdient.
Mecklenburg1. Durch das vom Reichstage und Bundesrathe
des norddeutschen Bundes angenommene Freizügigkeitsgesetz
sind auch die Grossherzogthümer Mecklenburg - Schwerin und
Strelitz gezwungen worden, der Standeversammlung Vorlagen
behufs Abänderung der dort bestehenden Judengesetze zu ma-
chen. Von welchem Geiste die Regierung wie die Majorität der
Stände jedoch beseelt sind, erhellt aus den kleinlichen Einschrän-
kungen, die man zu Nutz und Frommen des christlichen Staates
aufrecht erhalten zu müssen glaubte. Besonders bemerkenswerth
in den interessanten Verhandlungen über diesen Gegenstand
sind die Worte des Mitgliedes der Ständeversanimlung, des
Landrathes von Oertzen — Kotelow, der den Untergang der bei-
den Mecklenburg gekommen sieht, wenn jemals ein Jude Mitglied
der Landschaft werden sollte.
Pesth. Das Gesetz über die politische Gleichberechtigung
der Juden ist in den letzten Tagen des Decembers von beiden
Häusern des ungarischen Reichstages mit ungemeiner Majorität
Monatschronik. 39
angenommen worden. In der Deputirtentafel brachte der Ab-
geordnete Koloman Tisza Namens der siebenten Abtheilung zu
der Regierungsvorlage ein Amendement ein , das allen Religionen
Gleichberechtigung in bürgerlicher Beziehung zuerkennt, zog
aber im Verlaufe der Debatte dieses Amendement vorläufig zu-
rück, um „die brennendste aller inneren Fragen, die der Israe-
liten", zuvor zu erledigen und durch seinen Antrag keinen neuen
Aufschub herbeizufuhren. In der Magnatentafel wurde die
Vorlage mit 60 Stimmen gegen 4 nach kurzer Debatte angenom-
men. Bemerkenswerth ist, dass unter den dissentirenden Mit-
gliedern sich kein Bischof befindet. — In Festh herrscht grosse
Freude über die gluckliche Lösung dieser Frage und man hegt
die gegründete Hoffnung, dass das Gesetz nicht nur auf dem
Papiere stehen, sondern stricte zur Ausfuhrung kommen wird.
Rumänien. Ein vertrauliches Rundschreiben des Ministers
des Innern, Stephan Golesco, an die Prafecten ist durch Zu-
fall in die Oeffentlichkeit gelangt und wirft ein schreckliches
Licht auf die Absichten der rumänischen Regierung hinsichtlich
der dortigen Juden. Das Schriftstück in scheinheilig heuchle-
rischem Tone abgefasst, erklärt die Juden für eine Landplage,
welche auszurotten die Regierung und ihre Beamten sich sehr
angelegen sein Hessen. Allein der Herr Minister rieth grosse
Vorsicht hierbei an, da blinder Eifer der guten Sache schaden
und Rumänien in den Augen der civilisirten Welt compromittiren
kOnnte. Das von einzelnen Prafecten und Unterbeamten an die
Juden erlassene Verbot, christliche Dienstboten zu halten, zeuge
von einem solchen Eifer und müsse daher zurückgenommen
werden. Im Uebrigen hoffe die Regierung, wenn sie von ihren
Beamten verstandig unterstützt werde, nach und nach unter ver-
schiedenen Vorwänden die Juden los zu werden, nur müsse
man ihr Zeit lassen und ihr nicht durch voreilige Handlungen
die Erfüllung ihrer hohen Aufgabe erschweren.
Dieses Schreiben, gegen dessen Echtheit bisher kein Zweifel
erhoben worden ist, charakterisirt zur Genüge die Absichten
der Regierung, und unter solchen Umständen haben selbst die
Worte des Fürsten, der vor einigen Tagen bei Eröffnung des
Landtages in der Thronrede seine humanen Gesinnungen gegen
die Juden zu erkennen gegeben, nicht den geringsten Werth;
40 Monatschronik.
denn entweder denkt auch er wie seine Räthe nur daran, den
Schein zu wahren, oder seine Absichten, wenn sie wirklich
gut sind, werden durch seine eigenen Beamten und Diener
vereitelt,
Wien. Durch das in den letzten Tagen des abgelaufenen
Jahres publicirte Reichsgrundgesetz für die im Reichsrathe ver-
tretenen Länder der Österreichischen Monarchie ist den Juden
die politische Gleichberechtigung mit den übrigen Staatsbürgern
zuerkannt worden.
Berichtigung.
Smmmmmmi
»*»^%
Die zu Wien erscheinende „Presse" brachte zu verschiedenen
Malen die Nachricht, es sei in dem jüd.-theol. Seminar zn Breslau
ein katholisches Mädchen ans Wien in das Judenthum aufgenommen
worden. Diese Mittheilung beruht offenbar auf irgend einer Ver-
wechselung, im Seminar wurde nie ein Christ oder eine Christin in
das Judenthum aufgenommen. Das Seminar verfolgt überhaupt nur
theoretisch -wissenschaftliche, aber nicht praktische Zwecke.
Breslau, 10. Januar 1868.
Dr. Z. Frankel,
Director des jüdisch -theologischen Seminars.
Emanuel Oaaund und Jean Faul.
Von Dr. M. Kayserling.
Mendelssohn und Lessing — diese beiden Namen
werden immer zusammen genannt, weil man den einen
ohne den andern kaum mehr denken kann — waren
durch die Bande einer so innigen Freundschaft verknüpft,
wie sie keine Zeit idealer aufzuweisen hat. In dem Masse
wie sie beide über das Gewöhnliche erhaben waren, tritt uns
auch ihre Freundschaft, ihr gemeinsames Wirken und
Schaffen verklärt entgegen: der bescheidene, liebens-
würdige, philosophische Mendelssohn und der ehrliche,
geistvolle Lessing! Gleicher Eifer für Wahrheit und
Geistesfreiheit hielt ihren Bund bis an 's Grab.
Ein Beispiel der Freundschaft anderer Art finden wir
zwischen Jean Paul und Emanuel. Dieses seltene Freund-
schaftsbündniss zwischen dem feurigeu, fesselnden, von
seiner Zeit bewunderten, ja fast vergötterten deutschen
Classiker und dem einfachen, mit äusserlicher Schönheit
und seltener Herzensgüte begabten, wohlunterrichteten
Juden Emanuel bietet gerade nicht wichtige und erfolg-
reiche litterarische und culturhistorische Momente, wohl
aber ein wahrhaft ideales Verhältniss , das der Betrachtung
in mehr als einem Punkte werth ist.
F r » n k e 1 , Monatsschrift. XVII. 2. 4
42 Emanuel Osmund und Jean Paul.
'Emannel Samuel mit dem späteren Zunamen
Osmund1) wurde einige Monate später als Jean Paul
(18. oder 26. Juni 1763) in einem Dorfe eine Stunde von
Schwarzach in der Nähe Bayreuths geboren*). Durch seine
Jugendfreundin Renate Wirth, des Postmeisters Tochter
in Hof, machte er im Jahre 17938) die Bekanntschaft
des damals nicht in den glänzendsten Verhältnissen le-
benden Hauslehrers Jean Paul. Schon am 3. September
1793 schreibt dieser an Renate: „Gestern ging ich unter
Finsterniss, Regen und Musik der Vogelsetzer -Armee
zum guten , guten Mandel — so nannten ihn die Freunde
— diese schöne Seele sollte nichts feil haben als — Wahr-
heiten . . . Wir discutirten fast bloss — ich konnte gar
nicht weg — ein alter Jude mit einem Barte, so lang
wie ein Kometenschwanz , kam dazu und sprach dazu und
recht gut"4). Jean Paul fühlte sich zu Emanuel mächtig
angezogen, dieser nahm die Freundschaft des ihm geistig
so weit überlegenen Schriftstellers mit der dem Juden
damaliger Zeit eigenthümlichen Schüchternheit an; sie
kamen, wie Emanuel selbst scherzhaft sagt, vom „hoch-
geehrtesten Herrn" zum „hochgeehrten Freund4', von da
zum „werthesten", zum „theuren", zum „schätzbaren",
zum „ guten ", zum „besten Freund u6). Am 30. October
1794 richtete Jean Paul von Hof aus den ersten Brief an
seinen „geliebten Emanuel", der sich in Bayreuth als
Kaufmann häuslich niedergelassen hatte, und den dieser
*) Den Namen Osmund (altdeutsch: Beschützer) nahm er 1813 auf
J. P&ul's Rath an. Lieb wäre es mir, schreibt dieser, wenn die Be-
hörden Sie anfielen nnd befragten, warum Sie denn keinen ordent-
lichen deutschen Namen gewählt, sondern einen verflucht fremden.
*) Jean PauVs Briefwechsel mit Otto, II, 79; Denkwürdigkeiten
aus dem Leben des Jean P. Fr« Richter (München 1863) 1, 61, 255, 261.
■) Förster, der Herausgeber der „Denkwürdigkeiten J. Pauls",
seines Schwiegervaters, setzt irrthümlich den Anfang der Bekanntschaft
ums Jahr 1797.
*) Jean Paul's Briefe an eine Jugendfreundin (Brandenburg 1858) 57.
») Denkwürdigkeiten I, 27.
Emanuel Osmund und Jean Paul. 43
14 Tage später mehr im Tone der Ergebenheit als der
Freundschaft erwiderte; es war immer noch ein geheim-
nissvolles Etwas, das es so leicht za keiner innigen An-
schliessung kommen liess.
Emanuel war ein Jude und ebenso vorurtheilsfrei wie
pünktlich und gewissenhaft in der Erfüllung seiner religiösen
Pflichten: er liebte und verehrte die Menschen, die sich als
brave Menschen durch Tugend auszeichneten und darum
waren ihm auch die Weihnachten, „ohne ihm zu nahe zu
kommen", nicht gleichgültig1); am Tage der Zerstörung
Jerusalems fastete er mit der höchsten Aufopferung9). Die
dreizehn Glaubensartikel Maimuni's waren, wie er bei
Uebersendung einer deutschen Uebersetzung des „Jigdal',
an Jean Paul sich ausdrückt, „die Säulen des Glaubens,
in welchem er das Licht der Welt erblickte, in welchem
er erzogen worden und sich erzogen hatte, in welchem
er lebte, um selig zu leben". Seine an Mendelssohn
erinnernde Maxime war: „Ich schäme mich nicht, die
kleinste und lächerlichste Ceremonie in Gegenwart eines
jeden christlichen Philosophen zu verrichten; ich mache
auch Alles, was nicht moralisch schädlich ist, mit und
sehe es gerne , wenn ich darüber zur Rede gestellt werde.
Bin ich auch als Jud gezwungen, Vieles mitzumachen,
so ist doch das Denken keinem Zwang unterworfen"3).
Emanuel war in der Thät ein denkender mit einem für
seine Zeit und seinen Stand ungewöhnlichen Wissen aus-
gestatteter Mann.. Schon der Umstand, dass er in der
Jugend schwerhörig wurde und sich eines Sprachrohres
bedienen musste, wies ihn unwillkürlich auf seine stummen
Freunde, die Bücher, hin, und so vertiefte er sich in die
philosophischen Schriften eines Kant, Mendelssohn, Herder,
und interessirte sich lebhaft für Alles, was Bildung und
Wissenschaft hiess. Jean Paul's Antrag, über philoso-
phische Materien mit ihm zu disputiren, wies er mit aller
*) Denkwürdigkeiten 1, 8.
*) Jean Paul's Briefwechsel mit Otto, II, 82.
") Denkwürdigkeiten, I, 24.
4*
44 Emanuel Osmund und Jean Paul.
Bescheidenheit ab; „Mandel ist der Mensch nicht, der mit
einem Richter über philosophische Gegenstände disputiren
kann und mag. Ich muss mir schon bei diesem Brief-
wechsel Se. Majestät den ersten König in Israel in's Ge-
dächtniss rufen, der auch nicht wusste, wie er unter die
Propheten kam, und ein altes Sprüchwort sagt: Zu viel
Ehre ist auch eine Schande"1). Mit desto grösserer Be-
reitwilligkeit suchte Emanuel, in der rabbinischen Literatur
nicht unbewandert, ihm wie früher seinem älteren Freunde,
dem Hofrath Schäfer, auf, was er in seinen jüdischen
Schriften für den christlichen Gaumen schmackhaft erach-
tete2), und hat dadurch in gewissem Sinne läuternd auf
den deutschen Classiker gewirkt Jean Paul war nämlich
zu Anfang der Bekanntschaft mit Emanuel nicht frei von
Vorurtheilen gegen die Juden; hielt er doch die Seele
seines jüdischen Freundes, dieses ,,echt biblischen Jona-
thans", „den er als einen moralischen Gott verehrte",
wie er sich später äussert, „für einen Juden zu edel!"3)
Er kannte, wie die Meisten seinerzeit, weder die Juden,
noch das Juden thum. „Ich wünschte", schreibt er am
3. April 1795 an Emanuel, „Sie theilten mir statt einzelner
Samenperlen Ihrer Rabbinen eine ganze Halsschnur in
Druckpapier eingewickelt fcu. Leider habe ich mehr über
die Juden als von den Juden gelesen; von der Mischna
könnte ich den 1. Theil in Raabe's Uebersetzung bekom-
men; ich weiss nicht, ob er die Gemara übersetzt hat:
sonst bat' ich Sie darum, wenn Sie ßie anders einem
Lutheraner leihen dürfen, besonders über die Seelen-
wanderung und Unsterblichkeit möchte ich Rabbinen
hören. Ihre Lehrer haben zwei Seelen, eine philosophische,
moralische, deren Sinnenblicke uns Moses Mendelssohn,
Herder und andere sehen lassen, und eine unbegreiflich
enge, eine Adensute, die mit der Nabelschnur in die
') Denkwürdigkeiten, I, 6.
•)I, 13.
•) J. Paul an eine Jugendfreundin 17, Briefwechsel J. Paul's mit
Otto, II, 292, III, 256.
Emanuel Osmund und Jean Paul. 45
Erde, und zwar in die palästinische, eingewurzelt ist. Sagen
Sie mir Ihre Meinung über den kleinherzigen Zwanggeist in
Vorschriften wie folgende: Wenn Einer am Sabbath ein
Geschwüre aufzwickt, um es zu öffnen, so übertritt er ihn,
weil es eine Art bauen ist; aber es schadet gar nichts,
wenn er's aufmacht, um die Feuchtigkeit herauszubringen
(M. Edajoth, Kap. 2. M. 5). So die Untersuchung im Ka-
pitel vorher, wie viel Todtengebeine dazu gehören, um
ein Haus zn verunreinigen — und so alle Bücher des Tal-
muds, die ich gelesen. Womit ein Katholik, ein Lutheraner
den Rabbi rechtfertigen muss, ist das: sobald einmal z.B.
der Glaube zulässig ist, dass ein Todter verunreinige: so
muss der Talmudist doch die Grenzen dieser Verunreini-
gung untersuchen dürfen, bis er heraus hat, dass ein Geräthe,
das ein Geräthe beVührte, das wieder ein anderes berührte,
das ein Todter berühret, im ersten Grade unrein sei. Und
wenn wir den Katholiken die Heilung durch Todtengebeine
glauben, so dürfen wir auch untersuchen, ob nicht Dinge,
die an andere Dinge gestossen, welche das Todtenbein
berührt haben, selber gesund machen können? Der Phi-
losoph kann dazusetzen: wenn einmal die moralische
Ergebenheit gegen den Schöpfer durch ein körperliches
Zeichen ausbrechen soll: so ist die Wahl des Zeichens,
da jedes Körperliche gleich unendlich weit vom Geistigen
absteht, gleichgültig, und zwischen Taufwasser und Be-
schneidung und zwischen dem Fasten am christlichen und
und zwischen dem Schmausen am jüdischen Schabbas ist
als körperliche Handlung kein Unterschied, ausser
dass die letztere Ceremonie ein wenig angenehmer ist.. Ihre
Religion überholt darin unsere, dass sie keine einzige
theoretische Unbegreiflichkeit und Kontradikzion wie un-
sere fordert. Ein Philosoph kann leichter ein Talmudist
als ein Orthodox sein. Gerade Religionen uud Völker
mit vielen scharf abgeschnittenen Oeremonien verwittern
später in Wind und Wetter der Jahrhunderte, abändere
mit weniger Ceremonien: so die Sinesen, Brammen,
Katholiken und Juden — je näher aber eine Religion (wie
die reformirte) der Philosophie kommt, desto öfter ändert
sie, wie die Philosophie selber, Körper und Kleid. Wenn
46 Emanuel Osmund und Jean Paul.
Sie wollen, so will ich mit Ihnen Briefe, d. h. Abhand-
lungen über die Offenbarung, über Wunder, Religion
wechseln. Aber Sie müssen mich vorher versichern, dass
wir in diesem Punkte nicht Kilajim sind, die die sechste
Mischna des 4. Kapitels in Kilajim so gut zusammenzu-
werfen verbeut, als wilde und cultivirte Bäume. Ich meine,
Sie sollen mir vorher Ihre Toleranz mit dem wildesten
Baum assekuriren , der vielleicht kein Baum des Erkennt-
nisses ist und der seine herben Holzäpfel noch fortträgt,
ohne dass ihm die Offenbarung viele Reiser inokuliren
könne. Sind Ihnen aber die freimüthigen Behauptungen
— die aber gleichwohl im unendlichen Tempel des Uni-
versums anbeten , der auf drei kolossalischen Säulen ruht,
auf Gott, auf Unsterblichkeit, auf Tugend — nicht zu
freimüthig, so fangen wir sie an.u
Wer erkennt nicht sogleich den heterodoxen Theo-
lögen, dem es wahres Vergnügen macht, über religiöse
Gegensätze zu disputiren?
Emanuel liess nicht lange auf Antwort warten. „Auf
Druckpapier kann ich Ihnen kein Armband, viel weniger
eine Halsschnur von meinen Rabbinischen Perlen senden;
doch können Sie auf Schreibpapier nach und nach einige
Loth Lotbperlen, vielleicht auch eine kleine Zahl Zahl-
perlen bekommen.
Die Gemara ist nicht übersetzt, wäre sie's, so wäre
sie es für den NichtJuden so gut, wie die Mischna. Warum,
Lieber! sagen sie: „leider! habe ich mehr über als von
Juden gelesen". Sie glauben nicht, wie sehr mir dies
leider! aufgefallen und wie ich es nicht aus den Augen
bringen kann. Die Mischna, die Gemara und andere der-
gleichen Schriften sind ohne Commentar nicht zu brauchen.
Von Unsterblichkeit und Seelenwanderung sagt die Ge-
mara nur wenig.
Die zwei Seelen meiner Lehren könnten sich wohl,
wenn Widersprüche die Verdoppelung bewirkt, noch öfter
verdoppeln. Aber wenn wir uns in ihre Bildersprache
gefunden, erscheinen sie uns anders. Vor Allem bedenken
Sie, dass der Talmudist eine Grösse darin sucht, die
äusserste Grenze eines jeden Dinges nicht nur, sondern
Emanuel Osmund und Jean Paul. 47
einen jeden Weg aus weitester Entfernung zu dieser
Grenze aufzusuchen, in der Uebertretüng eines ganz un-
bedeutenden Gesetzes schon die Verletzung der wich-
tigsten vorauszusehen. Darum sagt er: „Wer am Sabbat
ein Geschwüre aufzwickt, blos um es zu offnen (ohne
Noth), der übertritt das Gesetz (während die Oefihung
desselben zur Heilung in der Ordnung ist). Der Talmudist
gebraucht ein Bild; die Gemara will damit sagen: Wenn
ein Geschwüre ohne Noth aufzwicken schon eine Art
Bauen oder Arbeit, wie sehr ist dann des, Juden Pflicht,
jede Handlung, die er am Schabbas verrichten will, ge-
nau zu prüfen, ob sie nicht eine Art Handlung sei? Dann
aber ersieht der Jude zugleich aus dieser Stelle, dass er
im Falle der Gefahr sich über das Gebot wegsetzen kann.
Nach mosaischem Gesetze war vieles „unrein", worauf
man nicht mehr achtet. Uns macht jetzt nichts mehr
unrein und nichts mehr als andere Menschenkinder rein.
Bios die Nachkömmlinge Arons, die sich auf ihren Stamm-»
bäum noch etwas einbilden, und die bei uns auch. viele
Vorzüge haben, berühren — ohne Noth — keinen Todten
und betreten keinen Ort, wo Todte liegen. Ihre Recht*
fertigung dieser Verunreinigungslehre ist eben so prächtig
als wahr und die dazu gesetzte Meinung über alles schön
und richtig."
Unmittelbar nach Empfang des Briefes antwortete Jean
Paul seinem „guten Guten": „Ihr Brief ist für mich ein
Katheder oder vielmehr ein Hohlspiegel, der mir im
Bauche der Worte den abgeschiedenen Geist des Juden-
thums schwebend darstellt. Mein Brief soll ein Sekunda-
wechsel des Ihrigen sein, oder vielmehr eine zweite
Auflage desselben. Erstlich über mein „Leider habe
ich mehr über als von den Juden gelesen". Das kann
nicht heissen, als ich beklage es, dass ich die Unter-
drückten fast blos aus dem Munde der Unterdrücker kenne,
dass Christen die Portraitmaler der Juden sind, denen
nicht mehr zu glauben ist, als wenn Juden die Portrait-
maler der Christen sind. Denn der feine Geist jedes
Volkes — eines so unähnlichen zumal — verdampft, wie
jeder Spiritus, in allen Schilderungen; uffd nur aus der
48 Emanuel Osmand und Jean Paul.
Gesehichte, dem Leben und den Schriften des Volkes
selber ist sein Spiritus rector, sein Lebensgeist rein abzu>-
dunsten und zu kohibiren.
Allerdings haben Sie Recht, dass der Talmudist sich
in den äussersten Grenzen seiner Bestimmungen gefalle-,
auch darin haben Sie Recht, womit Sie ihn rechtfertigen,
dass einer nämlich, der über ein kleines Gesetz weg-
schreitet, endlich auch das grosse überspringe. Aber da-
mit ist der Talmudist wenig gerettet. Zwar wird man
tugendhaft auf einmal, d. h. durch einen plötzlichen
Entschluss, durch die sogenannte Bekehrung, die aber
noch keine Tugendfertigkeit ist, und lasterhaft wird man
allmählich, jeden Tag setzet eine trübe Welle neuen
Schlamm ab, und ich sage in meinen Hundsposttagen:
Die Tugend zieht nur durch Portale in uns ein, aber der
Teufel durch's Fenster und durch Sphinkter und alle
Poren. Allein ich behaupte, der Talmud entkräftet durch
Geremonien die Tugend. Man. kann nach dem Münzfüss
aller Ceremonien leben, ohne eine einzige Neigung —
was. gerade schwer ist — unter den Prägsack der Moral
zu bringen. Es ist dem eiteln Menschen leichter, die
Lumpen der Mönche anzulegen als ein simples Kleid.
Man sollte denken, wenn man lieset, dass so viele Bra-
mmen fünfzig Jahre lang in die Sonne oder auf die Nase
stehen r auf einem Beine stehen, Schlaf entrathen und die
höchsten Martern an sich fortsetzen, oder dass so viele,
unserer Mönche und Heiligen sich todt geissein, todt
beten, todt hungern — man sollte denken, sag' ich, solche
Aufopferungen müssten die kleinern, die die Tugend
fordert, voraussetzen , und es musste ebenso viele Tugend-
hafte, als Heilige und Märtyrer geben ... Und es ist
doch nicht so. Die Ursache ist: alle jene Büssungen,
jene Ceremonien vertragen sich leicht mit der grössten
Wildniss des Herzens, und es ist viel leichter, die ganze
Thora des Talmuds als ein einziges Reglement aus der
Thora des Gewissens zu befolgen. Dazu maeht der
talmudische Sachsenspiegel den Menschen kleinlich und
eng: die edle Seele steigt über religiöse Ceremonien so
gut als über bürgerliche und dringt in den reinen grossen
Emanuel Osmund und Jean Paul. 48
m
Himmel. Noch in der andern Welt werden wir auf unsere
Tugenden, Aufopferungen und Thränen in dieser ohne
Verachtung niederbücken ; aber vergängliche Dinge, solche
wie Enthaltung vom Todtenberühren, wo ebenso gut das
Gegentheil geboten sein könnte, müssen uns dort winzig
erseheinen, wie die warme Erdenkruste des Körpers, an
den sie gebunden sind. Ueberhaupt hängt Ihrer sonst
scharfsinnigen Nation: — deren Physiognomie durchgängig
die scharfe, mit vordringenden, festen Gesichtstheilen
schneidende des Scharfsinns ist (ich habe noch an keinem
Juden die ^ie eine Wanze gedrückte Kalmuekennase
bemerkt) — etwas Mikrologisches an, was ich gern zum
Sohne des Talmud und der Masöra machen möchte,
wenn es nicht der Vater beider wäre. — In der Kabbala
ist mehr Philosophie in Dichtkunst vererzt als in jenen
beiden.
Alles, was wir körperlich oder äusserlieh vor dem
Unendlichen tbun, kurz, was nicht Gedanke ist, also
alles laute Beten, Knien, Händefalten ist Ceremonie,
nicht Tugend (obwohl Aeusserung der Tugend) und alles
das könnte eben so gut im Gegentheil bestehen; es wäre
ebenso fromm, wenn ich beim Beten aufstände oder
niederfiele, den Kopf bedeckte, wie die Römer entblösste.
Also folgt daraus gegen alle Ceremonien — nicht das
Geringste. Wir armen, vom, Fleischpanzer umklammerten
Menschen, wir öden, in die scharfen Ketten geworfenen
Seelen, wir müssen, wenn unser edles Ich seine Flügel
aufschlägt, diese innere Bewegung durch eine äussere
unseres Gehäuses offenbaren. Wie? ist denn z. B. die
geringste Aehnlichkeit zwischen dem Druck der Hand
oder der Lippe und zwischen dem liebenden heissen Ge-
Ahle, das mit jenem Druck schmerzhaft -süss aus seinem
Kerker an den andern Leibeskerker der geliebten Seele
klopft? Wenn ich voll Liebe meine Arme um die geliebte
Gestalt herumlege, ist dann zwischen diesem Zeichen und
der bezeichneten Sache die mindeste Aehnlichkeit, da oft
der Groll ebenso gut umfasset um zu erwürgen? Konnte
das Schütteln des Kopfes, das bei allen Völkern Nein
bedeutet, nicht ebenso gut ein Ja anzeigen? Also da
50 Emanuel Osmund und Jean Paul.
unsere beklommene Seele keine Zunge und keine Farbe
für ihre Bilder hat, so verschmähe Niemand die Farbe,
die sie im Drange der Empfindung ergreift. 0, der arme
Mensch kann, wenn er auch den ganzen Tag darüber
philosophirt hat, dieser kann, wenn er draussen vor der
untersinkenden Sonne steht, die mild und gross zur an-
dern Halbkugel hinunterzieht und die der unsrigen an
den Blüthen und Bergen die Gesundheitsröthe eines sanft
erwärmten Tages nachlasset, und wenn er als ein Wunder
unter Wundern steht, als ein Glücklicher unter Glücklichen,
als ein einiger Geist unter den einigen Körpern um ihn
her, dieser Mensch kann Abends, wenn er endlich in den
Himmel, aus dem die Sonne gesunken ist, aufblickt zum
grossen glimmenden Blau, in dem entflogene Funken dea
Thrones eines Ewigen schillern, dieser umss, von der
Allgewalt der Schöpfung niedergedrückt, auf die schwachen
Menschenknie stürzen und beten: „Du Unendlicher, dein
Geschöpf sinket zusammen, wenn Du erscheinest, ach
ich werfe gerne dieses Angesicht aus Erde, dieses Herz
aus Erde auf Deine Erde nieder , denn ich will Dir nicht
danken, sondern nur zertrümmert und brennend und
verstummend reden". — 0! jedes Zeichen der Andacht
ist ehrwürdig, unter jedem Volk — wir haben alle das-
selbe Herz und denselben Gott, und unsere kleinen Ver-
schiedenheiten sind gewisslich diesem ewigen Geiste nur
— Aehnlichkeiten.
Ich habe mich in Flammen geschrieben über Dinge,
wo ich statt Zeilen Bogen brauchte, wie über mehrere
Dinge Ihres lieblichen Briefes. Leben Sie wohl, liebe
Seele!"1)-
Auf diesem Wege konnte und wollte Emanuel dem
Freunde nicht folgen, ohne die Ruhe seines Gemüthes
zu verlieren ; er mied es für die Folge , in seinen Briefen
religiöse Themata zu berühren und tischte ihm auch nichts
mehr aus dem Talmud auf. Erst nach anderthalb Jahren
(24. November 1796) gab er ihm wieder einige Legenden
') Denkwürdigkeiten I, 14 ff.
Emanuel Osmund und Jean Faul. 51
aus dem Talmud und dem Midrasch über die Offenbarung
zum Besten1). Diese gefielen dem die Gleichnisse über-
haupt liebenden Dichter so ausserordentlich, dass er „die
rabbinische Geschichte der Thora für den feinsten Umriss
ihres Zweckes und ihrer Schranken" hielt und er seine
Bitte „um halbe Seiten aus dem Talmud zumal über den
Tod" erneuerte7). Emanuel mochte ihm eine solche Bitte
nicht abschlagen und war ihm in der liebenswürdigsten
Weise zu Willen, in einem Gratulationsschreiben zum
Geburtstage (21. März 1797):
„Moses sagte am letzten Tage seines Lebens : „ich
bin heute 120 Jahre alt. David war an einem Sabbath
geboren und wusste, dass er genau 70 Jahre (die ihm
Adam von seinem Tag Gottes — 1000 Jahre — zukommen
lassen, weil er ohne diese grosse Generositö eine vor-
zeitige Geburt hätte werden müssen) zu leben hatte und
wieder an einem Sabbat sterben würde. Daraus folgern
wir, dass grosse Menschen am letzten Geburtstage ihren
ersten Ruhetag feiern. Sie, geliebter Einziger, kamen
einige Tage vor mir in die Arbeit. Wenn Sie nun auch
vor mir in der grossen Lehrschule frei gesprochen wür-
den? Dies müsste — nach uns — an einem Heute sein;
und ich, ich sollte Ihren zweiten Geburtstag nicht dort
erleben? Nein! das wird Gott nicht wollen, dass eines
seiner Geschöpfe so unglücklich sei, wie ich dann sein
müsste. Nehmen Sie sich wenigstens ein Beispiel an
einem unserer ersten Lehrer! Als er sterben und sein
Testament machen wollte, sagte er u. a.: „Joseph und
Simon (seine Schüler und treuen Diener) bedienten mich
bei meinem Leben; sie sollen es auch nach diesem".
Man glaubte, er meine die Leichendienste. Allein, sie
starben ein Paar Tage vor ihm, und nun wusste man,
dass er verordnet hatte, sie sollten ihn dort bedienen.
>) I, 57 f. Ich tlicile diese bekannten Legenden hier nicht mit,
sie befinden sich Talm. babli Sabbath 88 b, Jalkut 211a.
*) I. 59.
52 Emanuel Osmund und Jean Paul.
Beiläufig! Eiu gutes Zeichen für den Sterbenden iet,
wenn er lächelnd , hell oder das Gesicht in die Höhe (nur
nicht gegen die Wand !) oder nach den Umstehenden, wenn
er an einem Freitage, in der Nacht gleich nach dem Ver-
söhnungstage, oder an einer leichten Krankheit stirbt... ul)
Nur selten begegnen wir Emanuel in seiner einen
Zeitraum von über dreissig Jahren umfassenden Corre-
spondenz mit Jean Paul noch auf dem Gebiete der rab-
binischen Literatur, der er übrigens ebenso wenig untreu
wurde, wie er sich je den Gesammtinteressen seiner
Glaubensgenossen entzog; es gebührt ihm das Lob, dass
er in seinen freilich begrenzten Kreisen an der geistigen
und politischen Hebung derselben den thätigsten Antheil
nahm; durch Treue und Festigkeit im Glauben, durch
strenge Gerechtigkeit, Menschenliebe und Vaterlandsliebe
ging er ihnen als Beispiel und Musterbild immer voran.
Geliebt und geachtet von Allen, die ihn kannten — und
er hatte eine weitreichende Bekanntschaft, behauptete
doch der Herzog von Meiningen steif und fest, den Auf-
satz über die Juden in Herd er' s Adrastea hätte kein An-
derer als Emanuel geschrieben ! — lag ihm doch die Zurück-
setzung, welche die Juden im Allgemeinen erfuhren,
centnerschwer auf dem Herzen. „Ich kann nicht ohne
Rührung bleiben", schreibt er den 12. Juli 1795 an Jean
Paul, „wenn ich von der Tugend der Vaterlandsliebe
lese. Und doch ! den Juden und wäre er einer der ange-
sehensten, grössten, brauchbarsten, d. h. reichsten, kann
ich bei der jetzigen Lage der Dinge, nach welcher er
dem Staate nicht im mindesten nützlich sein kann, darf
und soll, nicht zum christlichen Tagelöhner hinauf
heben, auch nicht, wenn er die Ehre hätte, Hofjude
zu sein! (Wie hässlich klingt das in mein Ohr . . .)
Von Kindesbeinen an, d. h. so lange ich von Vaterlands-
liebe nur etwas hörte, war es mein Wunsch, sie an den
Tag legen zu können. Aber es war und ist nicht möglich"2).
>) Denkwürdigkeiten I, 61.
*) I, 32.
Emanuel Osmund and Jean Paul. 53
Wie dankbar bewies er sich för die kleinste den Ju-
den erzeigte Gunst! Ein Bayreuther Beamter, Kölle, er-
krankte. Er hatte för die Juden der Stadt so viel gethan,
dass mehrere för ihn um Genesung beteten. Kölle erfuhr
dies vor seinem Tode, liess der Gemeinde danken und
Lebewohl sagen. Emanuel setzte beides mit ein „paar
simpeln Worten" auf und liess es am Tage der Zerstörung
Jerusalems in der Synagoge vorlesen1).
Jede Nachricht über die Bessergestaltung der socialen
Verhältnisse der Juden beglückte ihn. Nachdem sich
Jean Paul in Berlin aufgehalten, bei „dem berühmten
Herz und dessen grossen gelehrten Frau" gespeist und
bei der Bernard -Gad „mit einem zu feurigen Herzen zu
kämpfen hatte", schrieb er an Emanuel: „Es wird Sie
meine Nachricht freuen, dass die Juden in Berlin den
aufgeklärteren Theil Berlins ausmachen — das? sie die
jüdische Noblesse heissen, fremde Künstler und Gelehrte
an sich ziehen — in Graun's Passion gegen sich selber
singen und zu witzig sind2). „Ja wohl freut es mich",
erwiderte Emanuel , „ dass die Juden in Berlin so glücklich
sind, wie bald mehrere werden müssen und werden, so-
bald nur die jetzige Jugend Aelternpflichten bekommt.
Die Juden werden Alles eher werden als Borger; aber
sie werden's doch. Die Juden werden wie die Christen
nützlicher und besser, wenn die Staatsverfassungen besser
werden. Gleichwohl kann und mag ich die Juden nicht
lossprechen von der Schuld selbstbereiteter Hindernisse"8).
Sobald sich irgend eine Gelegenheit bot, die Bildung
seiner Glaubensgenossen zu befördern oder sie mit christ-
lichen Freunden bekannt zu machen , so scheute er keine
!) Briefwechsel J. Paul's mit Otto, II, 82.
*) Denkwürdigkeiten I, 73. Seinem Freunde Otto meldete er
n. a. (Briefwechsel mit Otto, III, 362): „Die Juden und Jüdinnen sind
hier (in Berlin) so fein geglättet und zugeschnitten wie ihr Gold.
Eine Societät von vielen Tausenden zu ihrer Glaubens-Revolution geht
über Europa hin'4.
*) Denkwürdigkeiten I, 74.
54 Emanuel Osmund und Jean Paul.
Mühe und kein Opfer. Jean Paul lernte , wir wissen nicht
wie, eine jüdische Familie aus Königsberg kennen, er
erfreute sie durch einen Brief, der selbstverständlich nicht
unbeantwortet blieb. Emanuel wünschte, dass Jean Paul
der Königsberger Familie noch einmal schriebe, was der
sonst schreibselige Dichter aus uns unbekannten Gründen
zu thun sich weigerte. Emanuel ersuchte ihn mehrere
Male, auch der gemeinschaftliche Freund Otto legte sich
in's Mittel. „Emanuel wünscht", schreibt er am 9. Octo-
ber 1799, dass Du den jüdischen Eheleuten noch einmal
schreiben möchtest. Sein Brief sagt Dir, wie viel ihm
daran liegt. Erfülle seineu Wunsch .... Ausser der
erfreulichen Theilnahme an seinen bessern Religions-
genossen verdient die Frau recht viel Achtang und der
Mann hat einiges talmudische Aehnliche mit Emanuel,
besonders in der Stelle: mein Dank ist wortarm, aber
reich — an Dank, hätte ich bald gesagt, und im Gegen-
satz des aufklärenden 18. und des aufgeklärten Jahrhun-
derts, das diesem folgen soll. Für mich, da ich gewiss
weiss, dass Du an die Unbekannten schreiben wirst, bitte
ich, dass Du sie mit E. bekannt machest"1). Sieben
Wochen später berührte Otto diesen Punkt noch einmal:
„Wenn Dir E.'s Bitte und die meinige wegen des Königs-
berger Ehepaares schwer vorkommt, so lass sie Dir, ich
bitte Dich nochmals, nicht unthunlich scheinen. E. zweifelt
oder verzweifelt beinah an seinen Religionsgenossen und
wenn er dann nur etwas Erfreuliches findet, so erhebt
es ihn und er schätzt es dann höher als er sollte"2).
Nach Monate langem Zaudern gab Jean Paul endlich nach :
an demselben Tage, an dem Emanuel gefährlich darnieder-
lag, richtete der christliche Freund von Weimar aus am
letzten Tage des Jahres 1799 an das Königsberger Ehe-
paar folgendes interessante Schreiben:
„Ich will dieses Jahr mit keiner Schuld beschliessen,
die ich tilgen kann. Meine Sommerreisen und Herbst-
arbeiten haben mich bisher von der schönen Stunde
>) Briefwechsel mit Otto, III, 167.
*) Briefwechsel mit Otto, III, 198.
Emanuel Osmund und Jean Paul. 55
entfernt, liebenswürdiges Paar, worin ich mit Ihnen spre-
chen wollte. Gerade der entdeckte Unterschied unserer
Religion, wenn er noch einer ist, gab mir eine Freude
mehr und eine noch grössere Achtung für Sie, weil Sie
mehr Vorurtheile zu besiegen, haben, um uns, als wir,
um Sie kennen und lesen und lieben zu lernen.
Der Verstand Ihrer Nation wird einen immer reineren
und hohen Weg nehmen ; aber wie sich das Herz dessel-
ben wärmer und heiliger bilde, ist schwer zu prophezeien,
da zu dieser Bildung immer eine äussere Form — die
der Regierung, der Religion etc. — gehört. Die jetzige
ist die ungünstigste, die des kleinen Handels. Unser
ganzes Jahrhundert, zumal in England, trinkt aus dem
merkantilischen Giftbecher ; was aber Ihr Volk am tiefsten
zerrüttet hat, war die Notwendigkeit weniger des Han-
dels, als des kleinen, und die eines gegen Feinde.
Ich habe einen Freund unter ihrer Nation, Emanuel
in Bayreuth, mit dem ich wenige Freunde aus der mei-
nigen vergleichen kann, moralisch vollendet, stark und
weich, thätig und denkend, unerschütterlich und tolerant,
für die Erde und den Himmel gemacht. Seine Liebe für
sein Volk hatte, da er Ihren lieben Brief sah, viel Antheil
an der zweiten Antwort darauf.
Leben Sie getröstet vor dem dunkeln Anblick der
Zeit, und stellen Sie sich vor, um es zu werden, dass
das Jahrhundert nur eine Stunde in der Erdenzukunft
macht; und dann wird sie eine flüchtige Wolke, die über
die Erde wegweht, weniger irren.
Antworten Sie mir wieder und lieben Sie einander
unverändert fort, dann brauchen Sie keinen Wunsch. im
neuen Jahrhundert! "
J. P. Fr. Richter1).
*) Dieser Brief wurde von Jolowicz aus einer Autograplien-
Sammlung in der Ztg. des Juden ths. 1863, S. 711 zum ersten Male
yeröffentlicht, ohne aber auf seine Entstehungsgeschichte weitere
Rücksicht zu nehmen.
56 Emanuel Osmund und Jean Paul.
Um diesen Brief hat sich der schwärmerische Freund
mit seinen überschwenglichen Liebesversicherungen so
lange bitten lassen ! Mit welch seltener Liebe hing Ema-
nuel ihm und jedem Einzelnen seiner Freunde an! „Wenn
er den Himmel gekauft hätte, so schenkte er ihn seinen
Freunden, und böte sich nur aus, als Mietbemann darin
zu wohnen"1). So oft Jean Paul nach Bayreuth kam,
bot ihm Emanuel nicht allein „Bett, Tisch, Stuhl und
Lampe wie ein guter Jude lächelnd und freundlich au"*),
der gastfreie Freund hatte in seinem „ kleinen u Hause
ein besonderes Jean- Paul »Stübchen, auch wohl das blaue
Btübchen genannt, mit einem in's Kleinste gehenden Ameu-
blement hergerichtet, „nicht einmal Bindfaden , Barometer,
Himmelblau (an der Wand), Blumentopf, Lichtscheere,
Klavier, Obst, Bucher und gar nichts hat mein geliebter
Emanuel vergessen", berichtet Jean Paul an Renate, „und
hätte er Mond und Sterne gehabt, er hätte sie mit an die
Decke geklebt"8). Unverdrossen und mit unermüdlicher
Hingebung besorgte er für den an Bedürfnissen reichen
Freund die verschiedenartigsten Dinge ; er versah ihn mit
Kleidern, Federn, Papier, mietbete für ihn Wohnungen,
Kutscher und Aufwärter, wurde sein Rathgeber und Agent
in allen Geldangelegenheiten und jahrelang der Spediteur
der beträchtlichen Sendungen von Bayreuther Bier nach
Meiningen und Coburg, ohne das Jean Paul bekanntlich
nicht leben konnte. Aus Freundschaft für ihn nahm
Emanuel den jungen Herder in schwieriger Lage mehrere
Monate bei sich auf, eine Gefälligkeit, über die der zärt-
lich besorgte Vater hoch erfreut war und ihn veranlasste,
seinen Dank dem ihm persönlich bekannten und von ihm
geschätzten Juden in herzlichster Weise auszusprechen
(Weimar, 26. August 1799):
„Den herzlichsten Dank Ihnen, edelgesinnter Mann,
für die so liebevolle Aufnahme meines Sohnes; Dank,
wie er sich in Worten schwerlich ausdrücken lässt von
*) Jean Paul's Briefe an eine Jugendfreundin, 87.
*) Denkwürdigkeiten, I, 98.
•) Jean Paul's Briefe an eine Jugendfreundin, 90.
Emanuel Osmund und Jean Paul. 57
uns beiden Aeltern. Unerwartet frQh kam uas Ihre hilf-
reiche Stimme zu, hilfreich tröstend an seinem und meinem
Geburtstage; Ihr bereitwilliges edles Herz habe und ge-
niesse dafür den Lohn in sich. In zwei oder drei Wochen
kann er abgehen; dann schreibe ich mehr. Heute nur
Dank, Dank! Mit trenester Verpflichtung, lieber Emanuel,
Ihr
Herder1).
Vor keinem Opfer, das die Freundschaft von ihm
forderte, schreckte er zurück. Füf dßn gemeinsamen
Freund Otto, der auch zuweilen im blauen Stübchen
Quartier nahm, hatte er sich um eine Regimen ts-Quartier-
meister - Stelle beworben und die damals bedeutende
Summe von 3000 Gulden Caution für ihn erlegt*); einem
armen Kinde, das mit Otto verwandt war, gab er eine
ansehnliche jährliche Unterstützung8). Seine Wohlthätig-
keit war bekannt und so wurde er oft um Gefälligkeiten
angegangen, noch öfter betrogen4).
Die freundschaftliche Begeisterung steigerte sich und
die Freundschaft wurde noch fester geknüpft, als Jean
Paul sich verheirathete und bald darauf in Bayreuth seinen
Wohnsitz nahm. Sie sahen oder schrieben sich täglich,
theilten sich alle Briefe mit, die sie erhielten, machten
gemeinsame Spaziergänge, gemeinsame Reisen: Emanuel
nahm an Allem, was Jean Paul betraf, den innigsten
Antheil wie kaum ein zweiter und wurde lange von Keinem
mehr geliebt als von dem Freunde; zu seinem ersten
Kiade musste Emanuel Pathe stehen, Emanuel wurde es
genannt*).
') Denkwürdigkeiten I, 85, 89.
*) I, 104.
s) Briefwechsel J. Paul's mit Otto, III, 289.
«) Briefwechsel J. Paul's mit Otto, TU, 354,
*) Denkwürdigkeiten I, 113, 115.
F ra n k e 1 , Monatsschrift XVII. 2.
58 Emanuel Osmund uud Jean Paul.
Mit treuester Gewissenhaftigkeit wurden die Geburts-
tage der Freunde im Familienkreise gefeiert: bald schenkte
Emanuel eine Feuermaschine, bald einen Vogel, Rosen-
stoek u. dergl., wohingegen Dieser mit den Schriften des
Freundes gleich nach dem Erscheinen, mit von der Hand
der Gattin Jean Paul's gestickten Westen etc. überrascht
wurde. Zum Geburtstage des Jahres 1809 Hess Jean Paul
aus den Haaren seiner Kinder und deren Eltern einen
Haarring mit den fünf Anfangsbuchstaben ihrer Namen
für Emanuel anfertigen. Ich sah ihn — es sind Förster's
Worte — im Laufe dieses Sommers (1863) bei der Wittwe
Emauuel's in Mainz, die ihn als ein Heiligthum bewahrt
und der als solches gewiss in der Familie fort und fort
verehrt werden wird1).
Bis zu seinem 51. Jahre lebte Emanuel bei seinen
Eltern, da verlor er seinen Vater und kam bald darauf
zu dem Entschlüsse, sich zu verheirathen ; er that, wie
seine hierüber hoch erfreute Mutter an Jean Paul schreibt,
auf der Erde, was erst der Himmel erkennt — er liebte*):
in München , wo er einige Jahre früher mit dem „philoso-
phischen Patriarchen" Jacobi selige Stunde verlebte8),
verlobte er sich. Rührung und Liebe empfand Jean Paul
für die Unbekannte, die seinen Emanuel belohnen sollte
für sein Leben der Liebe4).
Emanuel verlebte recht glückliche Jahre, seine Ehe
war glücklich mit Kindern gesegnet. Seine Freundschaft
mit Jean Paul dauerte fort bis sie wenige Jahre vor dem
Tode des Letzteren gelockert wurde. „Seit anderthalb
Jahren ist — Emanuel von mir geschieden — ohne meine
Schuld. Nur zuweilen besucht ihn meine Tochter. Tren-
nung — eigentlich Verschiebung der Freundschaft durch
den Tod ist weniger schmerzlich", schreibt Jean Paul im
October 1824 an die auch inzwischen alt gewordene
>) Denkwürdigkeiten, XII, 216.
*) I, 263.
») I, 252.
«) I, 272.
Das judisch -theologische Semiuar zu Breslau. 59
Jugendfreundin Renate1). Zu Anfang des Jahres 1825
söhnten sich die alten Freunde wieder aus , die alte Liebe
schlug wieder in hellen Flammen auf. Wie herzlich gra-
tulirte Emanuel zum letzten Geburtstage: „Mein einziger
Richter, mein und der Meinigen rein und innigst Geliebter I
Schönes wollte ich Ihnen sagen und Gutes, nachdem ich
lange, mit der Feder in der Hand, gesonnen und bedacht
mich habe, wünsch' ich das Beste mir, uns: der liebe
Gott heile Sie, stärke Sie und lasse diesen gesegneten Tag
wie heute, mit Ihnen noch oft erleben uns, mich.
■
Ihr alter fünfköpfiger
Emanuel Osmund.
Das ist das letzte kurze Schreiben Emanuel's an Jean
Paul; acht Monate später wurde ihm der Freund entrissen.
Das jüdisch- theologische Seminar zu Breslau/)
Das Seminar begeht die vierzehnte, an das Andenken
seines Stifters, des sei. Königl. Commerzienrathes Jonas
Fraenckel, anknüpfende Stiftungsfeier. Auch dieses
Jahr kamen dem Seminar Zeichen des ehrenden Vertrauens
der Gemeinden in Berufung seiner Hörer als Rabbiner. Die
israelitische Gemeinde zu Stuhlweissenburg berief Herrn
Dr. A. Kohu t, die Gemeinde zu Saatz Herrn Dr. A. Frank,
die Gemeinde zu Worms Herrn Dr. A. Stein noch vor
seiner Entlassung, die Gemeinde zu Märkisch -Friedland
Herrn Dr. J. Horowitz, die Gemeinde zu Bereut (West-
Preussen) Herrn Dr. A. Blüh als Rabbiner; ferner wurde
der aus dem Seminar hervorgegangene Rabbiner zu Mär-
kiech-Friedland, Herr Dr. P. Buchholz, von der israeli-
tischen Gemeinde zu Stargard in Pommern als Rabbiner
berufen.
>) Jean Paul's Briefe an eine Jugendfreundin, 128.
*) Dem eben erschienenen Jahresberichte entnommen. 4
5#
60 Das jüdisch -theologische Seminar zu Breslau.
An dein herannahenden Stiftungstage werden die Herren
Dr. A. Vogelstein aus Lippe-Detmold und A. Sidon
aus Tyrnau in Ungarn entlassen werden. Herr Dr. A*
fitein aus Grombach in Baden wurde im Juli entlassen.
Ueber das zu Ende gehende Jahr ist ferner zu be-
richten:
An dem Seminar wirkten ausser dem Unterzeichneten
die Lehrer DDr. H. Grätz, B. Zuckermann, J. Freu-
denthal und D. Rosin.
Rabbinerseminar.
Dieses zerfällt in zwei Abtheilungen.
In der oberen Abtheilung las:
Der Unterzeichnete: Pentateuchexegese (bis Ende
des Sommersemesters) : Leviticus 12 — Ende des Buches mit
den älteren Versionen und Commentatoren. — Talmud
s tatarisch: Tractat Pesachim von 70 bis Ende des Trac-
tats. Ketubot 2 — 20. — Talmud cursorisch: Chullin
118 bis Ende des Tractats. Mo£d Katan 2—14. — Jore
Dea: 110 — 122. 201. — Einleitung in die Midra-
schim: Rabboth. — Mösaisch-talmudisches Crimi-
nal- und Civilrecht: Beweis. Eherecht. — Anleitung
zur schriftlichen Ausarbeitung talmudischer Themata.
Dr. Gr&tz : E x e g e s e : Pentateuch mit dem Commentator
des R. Samuel b. Melr (Raschbam), Leviticus zum Therl, Nu-
meri und ein Theil von Deuteronomium. — Jesaias c. 30 bis
Ende, Hosea, Joel, Arnos, Obadia, Jona und Micha, von
Hagiographen Threni. — Fortsetzung der exegetischen
Uebungen im ersten Coetus, Ausarbeitungen und Vorträge
nach gegebenen Thematen. — Jüdische Geschichte
verbunden mit Literaturgeschichte: von der Vertrei-
bung der Juden aus der pyrenäischen Halbinsel bis auf
die neueste Zeit (inclusive). — Beginn eines neuen Cyclus:
Biblische Geschichte bis zur Salomonischen Regierung. —
Fortsetzung der historischen Uebungen nach gegebenen
Thematen. Ausarbeitungen und Vorträge im ersten Coetus.
Das jüdisch -theologische Seminar zu Breslau. 61
Dr9 Zuckennann : Geometrie: Trigonometrie und
Stereometrie nebst Aufgaben. — Arithmetik: Gleichun-
gen des zweiten Grades, arithmetische und geometrische
Reihen und Zinseszinsrechnung. — Physik: Statik und
Mechanik fester und flüssiger Körper.
Dr. Freudenthal: Geschichte der jüdischen Religions-
Philosophie (fiir die reiferen Hörer.) -~ Griechisch: Thu-
kydides J. V. Plato, Gorgias c. 1—- 35. Grammatik : Syntax.
Alle 14 Tage Exercitien und Extemporalien. — Latein:
Horaz, ausgewählte Satiren und Episteln. — Geschichte
Griechenlands unter den Diadochen ; Roms unter den Kaisern
von Augustus bis Cons tantin. Römische Literaturgeschichte.
— Geographie: (1, und 2. Abtheilung combinirt): Asien.
Dr. D. Bosin: Pentateuch-Exegese (seit 31. Oct. 1867):
Einleitung in die exegetische Literatur. — Homiletische
Uebungen. — Griechisch: Sophokles An tigone von v. 451
bis Ende. — Homer, Hias Buch IV— IX. — Latein: Ci-
cero, De pratpre I, von cap. 21 an. — Tacitus, Agricola. —
Quintili^n, Institut, oral, üb X — Lateinische Stilübungen
(lat. Aufsätze, Exereitien u. Extemporalien).* — Deutsch:
Deutsche Stil- und fte^eübungen. Leetüre aus Lessing.
In der zweiten Abtheilung las:
Dr. Grätz: Talmud statarisch: Tractat Gittin von
p. 28 bis p. 65 mit Tossafot und Aschen. Ausarbeitung
talmudischer Themata aus demselben Tractat. — Talmud
cursorisch: Tractat Synhedrin vom Beginn des Sommer-
semesters von p. 23 bis p. 68.
Dr.Znckermann: Geometrie: Recfctfication und Qua-
dratur des Kreises, Trigonometrie bis zu den Functionen zu-
sammengesetzter Winkel. — Arithmetik: Potenzrechnung
und Logarithmen. — Physik: Wiederholung der Statik
und Mechanik fester Körper.
Dr. Freudenthal: Prophetenexegese: Richter c. 13
bis Ende. 1. Buch Könige c. 1 — 10. — Griechisch: Xeno-
phon, Cyropädie 1. I. und ausgewählte Stücke aus andern
Büchern. Plutarch Leben Agis' c. 1 — 12. — Grammatik: Un-
regelmässige Verba. Syntax: Repetitian der Formenlehre.
62 Das jüdisch -theologische Seminar zu Breslau.
Alle 14 Tage Exercitien und Extemporalien. — Latein:
Virgil, Aeneis II, 670 — III, 570. Ovid, Trisüen I, 1,
2 und 3. Livius I, 17 — 30 zum Theil. — Geschichte des
Mittelalters vom Untergange des weströmischen Reiches
bis auf Otto II. von Deutschland. Repetitiou der rö-
mischen Geschichte. — Geographie: Vgl. oben.
Dr. D. Rosin: Griechisch: Homer, Odyssee 1. IX. been-
digt, 1. X. bis XIV. — Latein: Lateinische Grammatik, ver-
bunden mit Exercitien und Extemporalien. Livius 1, 30—55.
— Deutsch: Göthe, Hermann und Dorothea, Gesang IV.
bis Ende. Schiller, Piccolomini und Wallensteins Tod.
Monatlich ein Aufsatz. Uebungen im freien Sprechen. —
Hebräisch: Hebräische Grammatik. Formen der festen
und schwachen Verba. Wöchentlich schriftliche Uebungen.
Gantor Deutsch leitet den Gesangunterricht
Das Seminar zählt fünfzig Hörer, und zwar einund-
zwanzig Preussen, einundzwanzig Oesterreicher, drei Ba-
denser, einen Würtemberger, einen Baier, einen Sachsen-
Meininger, einen Lippe-Detmolder und einen Russen.
Das Seminar gedenkt mit Wehmuth des, Ende des
Sommersemesters, verstorbenen talentvollen Hörers stud.
phil. W. Li ss er aus Ratibor.
Als Preisaufgabe zur Erlangung des Lehmann 'scheu
Prämienpreises wurde gestellt:
Die Religions-Disputation des R. Jechiel von Paris am Hofe
Ludwig's des Heiligen, ihre Veranlassung und ihre Folgen.
Zwei Arbeiten wurden überreicht. Sie zeigten von
Fleiss und Quellenstudium, doch konnte keiner von ihnen
der Preis zuerkannt werden.
Das Seminar beging am 27. (28.) Januar die Statuten-
massige Gedächtnissfeier des Stifters der Anstalt, des Hönigl.
Commercienrathes Jonas Fraenckel.
Am 22. März, als dem Geburtstage Sr. Majestät des
Königs, wurde ein feierlicher Gottesdienst in der Seminar-
synagoge abgehalten.
Das jüdisch -theologische Seminar zu Breslau. 63
Die Anstalt spricht ihren Dank für manche ihr gewordene
Beweise des Wohlwollens und der ehrenden Theilnahme aus.
Der zu Danzig voriges Jahr verstorbene Privatlehrer
Herr Selig Salomon vermachte in seinem Testament
dem Seminar ein Legat von 316 Thalern. — Frau Ro-
salie Zunz zu Dresden übergab dem Seminar zum An-
denkeil an ihren im Sommer verstorbenen Gatten, Herrn
Lippmann A Zunz, 100 Thlr. als Stipendienstiftung.
Die Herren Siegfried Cässirer und J. Cohn aus
Oberglogau, welche im Jahre 1866 ohne Nennung ihres
Namens dem Seminar durch Herrn Rabbiner Dr. M Joöl
von hier eine Stipendienstiftung von 350 Thlr, übergaben,
haben diese Stiftung, um 50 Thlr. vermehrt.
Beweise des Wohlwollens legten ferner an den Tag:
Herr Professor Lelia della Torre in Padua, welcher
der Seminarbibliothek mehrere von ihm verfasste Werke
abergab. — Herr S. Nissen von hier: pJTK rYQ. Pentapla
2 Bände und andere Werke. — Herr Professor Golden-
thal in Wien: Itm pK 1W2 • pTJPtfKb •nnöDTl 4DW2 Wip»
'DI * Ferner die neuerworbenen handschriftlich hebräischen
Werke der Hofbibliothek zu Wien und andere Werke. —
HerrH.M.Rosenberg in Kiew: TftKEW '1 V&mv Itthn.
— Monsieur Rodrigues k Paris: Sinai et Golgatha par
M. Graetz. Rodrigues L'origine du Sermon de la mon-
tagne. - HerrA. Merz b ach er in München: Q^IBID ^pnpi
pETOCOfcn ^KED HN£. — Ein Ungenannter: E. Weyden,
Geschichte der Juden in Köln; S. Hänle, Geschichte, der
Juden in Ansbach; L. Herzberg — Fränkel, Polnische Juden ;
Böttcher, Ausführliches Lehrbuch der hebräischen Sprache,
2. und 3. Heft. — Herr Friedlieber aus Eperies:
cnw ^a« n"w -ira a-iin wz ♦nnmft inn-
Durch freundliche Beiträge bezeigten ihre Theilnahme :
Herr Curator Dr. med. J. Lobethal. — Frau N. Merz-
b acher in München. — Herr W. Gutmann in Wien. —
Die israelitische Gemeinde zu Oppeln. — Herr
Rabbiner Dr. J. Perles in- Posen. — Herr Rabbiner
Dr. M. G ü d e m a n n in Wien. — Herr Prediger Dr. S. K o h n
in Pesth. — Herr S. K. Frankel in Prag. — Herr Stadt-
ratli B. Burchard in Landsberg a. W.
64 Die Commentarien des Ephraem Syrus im Verhältniss
Die israelitische Gemeinde zu Prag bat ein
jährliches Stipendium von 200 Fl. für einen am Seminar
studirenden Prager bestimmt. — Die Herren Vertreter
der israelitischen Cultusgemeinde zu Wien be-
stimmten ein jährliches Stipendium von 200 Fl. Ar am
Seminar Studirende. — Die Herren Repräsentanten
der auf dem flachen Lande wohnenden Israe-
liten Böhmens haben drei Stipendien zu je 200 FL für
am Seminar studirende böhmische Jünglinge errichtet.
Der zu Dresden im Jahre 1864 verstorbene Particulier
Herr Alexander Bernhard hat in seinem Testament
einen Theil der Zinsen seines Vermögens zur Unter*
Stützung von hiesigen israelitischen Gymnasiasten und
Seminaristen bestimmt In Folge dessen hat das zur Aus-
führung des Testaments gebildete Curatorium dem Semi-
nar für dieses Jahr 25 Thlr. überwiesen.
Hehrere Beförderer der jüdischen Wissenschaft zu
Preussisch - Stargardt ertheilen einem von daselbst das
Seminar Besuchenden ein jährliches Stipendium von fünfzig
Thalern. *
Breslau, im December 1867.
Dr. Z. Prankel,
Direetor.
Die Commentarien des Ephraem Syrus im Yerhältniss
zur jüdischen Exegese.
Ein Beitrag zur Geschichte der Exegese.
Vou Dr. D. Gerson.
(FortaetiUDg.)
Ausser diesen aus jüdischen Quellen entlehnten Erzählungen,
die bekannte biblische Charaktere mit sagenhaften Zügen aus-
statten, enthalten die Commentarien Ephraem s auch hinsicht-
lich der Auffassung, Darstellung und Behandlung biblischer
Personen Überhaupt gewisse mit der Hagada übereinstimmende
Elemente. Öiese pflegt nämlich, ebenso wie sie ausgeprägten
zur jüdischen Exegese. 65
«
biblischen Charakteren neue Züge andichtet, den weniger be«
kannten einen individuellen, eigentümlichen Charakter aufzu-
prägen, theils indem sie ungenannten Personen charakteristische
Namen beilegt, theils dadurch, dass sie einen seltener vor-
kommenden Namen mit einem anderen bekannten und hervor-
ragenden geradezu identificirt. Dieses letztere Verfahren der
"Hagadisten1) findet, sich auch bei Ephr., bisweilen sogar in
wörtlicher Uebereinstimmung mit den jüdischen Quellen, z. B*
Gen* 11, 29 „Jesca", sagt er, „ist Sara, sie wurde nämlich wegen
ihrer Schönheit so genannt". (59 E: >*^dj «*o* £a> o»JM? ]acbÜo
tzcvf kJ'J>L} öjv&ojl cf. 74 F, 156 C.) Hieron. bemerkt kurz: Sarai
cognomento Jesca dvtowpov (1. 1. 136 0), der genauer unterrich-
tete Ephr. gibt auch den etymologischen Grund dieser Identi-
ficirung an, die jedoch nur in der jüdischen Hagada und nur
in der talmudischen Sprache stattfinden konnte, v. Synhedrin
69 a: rT>EP3 pDD*iwW rOD1» KTpJ PlöVl fTW 1? TOD1»-, cf. Me-
gillah 14 a, Jonathan a. 1. und Jos. Ant. I, 6, 5: 'Aqavr\s pht notxa-
X&iuop vlbv Atotov %a\ Sccqccv wd MeX%ocv Qvyoniga,
Ebensor hat die Bemerkung, die Ephr. über Hagar macht,
in der hagadischen Exegese ihre Quelle. Gen. 16, Uv. Hagar
fugt er hinzu: „die Pharao ihr (der Sarah) nebst noch anderen
Mägden geschenkt hatte, am Tage da er sie zur Frau genommen.
hatte". (65 C: J»ao )SJj£~j? Ja*** £x <$£;& ö& Jooj oofJj jLsjo V^oJ
Jlbjf ojk. öpiQQjj.) Die Hagada findet dies in dem Worte *tän
selbst wieder, indem sie es in tTUN KD (dies ist der Lohn)
auflöst. Eine weitere poetische Fiction zur Verherrlichung
Abrahams ist der Zusatz, dass Hagar eine Tochter Pharaos ge-
wesen sei, v. Gen. R. c. 45 und Jonathan a. 1,
Von diesem exegetischen Hölfsmittel macht Ephr. bisweilen
recht geschickten Gebrauch , wo der Wortlaut des Textes schein-
bar einen Widerspruch enthält. Die verschiedenen Benennungen
der Frauen Esaus (Gen. 26, 34; 28, 9 und 36, 3), welche unsere
modernen Exegeten zur Annahme verschiedener Verfasser dieser
>) Vgl, tu B. die oben S. 29 angeführte Identificirung von Sem
and MeUrizedek. Aehnliche Beispiele hat Asaria dei Rossi im Meor
Enaim <\ 18 gesammelt, doch lassen sie sich noch unendlich verinpWu.
66 Die Commentarien des Ephraem Syrus im Verhältniss
Berichte veranlasst haben (s. Genesis v. Knobel S. 249 f.), ver-
einigt er durch die einfache Erklärung, Esau habe ausser den
beiden 26, 34 genannten noch drei andere Frauen gehabt, Basmath
sei nur der spätere Name der Machlath (174 F, cf. Jon. HfcEQ fY1
rhtyo KVl)> und der Sohn dieser Machlath sei jener Reuel , der
(36, 4) Sohn der Basmath genannt wird. Diese Erklärung, sie
mag befriedigen oder nicht, zeigt doch wenigstens, dass Ephr.
ebensowenig wie der Midrasch es verabsäumt hat, auch auf die
sachlichen Schwierigkeiten des Textes genau einzugehen, wie-
wohl ihre Erklärungen nicht immer den Anforderungen der
einfachen Interpretation entsprechen.
Weniger glucklich ist Ephraems Bemerkung zu Num. 10, 29 :
Reuel sei der Vater des Uobab gewesen und Hobab der Vater
des Jethro; Vater und Sohn heissen beide Schwiegervater des
Moses, obgleich eigentlich Jethro sein Schwiegervater war
(254 D). Ephr. hat übersehen , dass nach seiner Erklärung Exod.
2, 18 „ihr Vater Reuel" = ihr Urgrossvater (sc. nach der Geuea-
logie Reuel -Hobab, -Jethro etc.) aufgefasst werden müsste, was
doch wohl Niemand zugeben wird. Besser ist es, nach der
Hagada Jethro und Reuel für eine Person zu nehmen, obgleich
der Grund dieser Identificirung (v. Exod. R. cap. 1 : HT ^NIJH
bvb JT»"1 TWVffl VW) wenig befriedigt (vgl. Knobel Exodus
Seite 20).
Bisweilen geht die Hagada davon aus, dass sie ähnlich
klingende Namen verschiedener Personen als Bezeichnungen
einer und derselben betrachtet und das von der einen Bekannte
auf die andere überträgt. Dasselbe thut auch Ephr., und zwar
ohne Rücksicht auf Kritik und wissenschaftliche Exegese. So
identificirt er Hiob mit Jobab , dem Sohne Serachs (Gen. 36, 33)
und macht ebenso wie die bekannte jüdische Tradition (Baba
Bathra 15a) Moses zum Verfasser des Buches Hiob (opp. II, l:
«JVj v=> a£cl Vsv )voäod . . . o^fcaf Jjlq» ocLfi j£fca ; cf. 1 , 184 F,
Gen. R. c. 57 und Ibn Esra zu Geu. 36, 33). Hieronymus knüpft,
übereinstimmend mit einer anderen Tradition , an das im Buche
Hiob und in der Genesis 1. c. vorkommende Uz an, was auf
dieselbe Identificirung des Jobab mit Job hinausläuft (l. 1. pag.
140 A und 145 F; cf. LXX zu Hiob Cp. 42 a. E. 'Icaßaß 6 xoXotJ-
pevog 'laß). Wenn der Talmud (l. c.) das Buch Hiob als poeti-
sche Fiction bezeichnet, so ist hiermit die Frage nach der Person
zur jüdischen Exegese. 67
des Hiob und dem Verfasser des Buches, wenn sie noch auf-
geworfen wird, in das Bereich der freien Hagada verwiesen,
der es gestattet ist, je nach ihren Zwecken unbekümmert am
jede Kritik den ethischen Gedanken der Bibel zu deuten. Die
Hagada war eben das Gebiet, auf welchem der individuellen
Ansicht, der unkritischen wie der kritischen , der freieste Spiel-
raum gelassen war, weshalb denn auch in den Talmud en und
Midraschim neben den naivsten Anschauungen sich Aeusserungen
finden, die mit den Resultaten der modernen Forschung nicht
selten übereinstimmen. Die Kirchenväter aber nahmen den jü-
dischen Midrasch ohne kritische Prüfung, oft sogar ohne rich-
tiges Verständniss auf, und es darf daher nicht Wunder nehmen,
wenn auf Grund solcher Erscheinungen bei der Darstellung
ihrer Exegese auf „abgeschmackte Mahrchen" und „alberne
Fabeln" der Rabbinen weidlich geschimpft wird l). Doch kehren
wir zu Ephr. zurück, um seine Uebereinstimmung mit dem Mi-
drasch auch in Bezug auf die eigentliche Erklärung des Textes
zu verfolgen.
* IL Hagada als Exegese bei Ephraem.
Bekanntlich sucht der Midrasch oft, indem er die defective
Schreibart eines Wortes als Anknüpfungspunkt benutzt, eine
allgemein verbreitete Volksanschauung im Textworte wieder-
zufinden. Erklärungen dieser Art nimmt nun Ephr. ohne Rück-
sicht auf die Etymologie in seine Exegese auf, z. B. Gen. 1, 20
DWDH HN DV"6n N"n*1. Diese grossen thaninim (JxJI), meint
Ephr., sind Leviathan und Behemoth. Zwar werde das letztere
(Hiob 40, 15 und ip. 50, 10) alsLandthier geschildert; allein man
muss annehmen, dass sie sich gleichsam die Welt getheilt haben,
so dass Leviathan das Meer, Behemoth das Land bewohnt
(p. 18 A: idSoojao Jxvä 4Jg£> jIoYlf >po$k qJ&l) a^Zj? VÜ> xj \~&
\mzu2>). Woher diese sonderbare Erklärung entstanden ist, er-
giebt sich aus der Vergleichung des Midrasch Gen. R. c. 7:
frvfri rroro m avo oron n£K *crw *n am on» '»m, die
defective Schreibung der Pluralform D^3FJ deutet auf zwei
Thiere , die nur vereinzelt vorkommen : Behemoth und Leviathan.
») V. Rosenmueller 1. 1. 1 p, 172, Winer Bibl. Real-W. B. Art ür.
Q$ Die Commentariep des Ephrftem Syrua im Verhältniss
HAtte die Hagada einmal das Gebiegt der freien Auslegung
betreten, indem sie Zeitanschauungen an das biblische Wort
anlehnte, so machte sich auch der noch lebendige Sprachgenius
in der Weise geltend» dass die biblische Sprache als eine le-
bende behandelt und aus dem spateren Sprachgebrauehe erklärt
wurde , dass also der Unterschied zwischen dem Althebräischen
und Talmudischen nicht genau festgehalten und sprachliche
Erscheinungen dieses letzteren Idioms auf das erstere übertragen
wurden1)« I& der Sprache der nachbiblischen Zeit nahm man
z. B, (Jen. 2, ß D^^Ö Q*ch Analogie von p^ Ollpfc und ahnlichen
Ausdrücken in der Bedeutung „früher«, und daher übersetzte
es Onkelos durch pplp^ö, die Pesch. durch yx>to ;p, während
die LXX es durch *azä dvcczolag wiedergibt (Aq. anb a?gifc).
Durch jene Auffassung entstand aber natürlich die Frage: soll
t
dieses „früher" bedeuten vor Erschaffung der Welt, oder vor
der Schöpfung des Menschen? Für das erstere entscheidet sich
eine Hagada, die auch Hieronymus erwähnt (1. 1. 132 F), eine
andere berichtigt dieselbe dahin , dass die Schöpfung des Para-
dieses erst am dritten Tage stattgefunden habe (v. Gen. R. c. 15 :
dm bw hve& o-np -nao n« pro -o btmm *n tök oipö
npfaD py p wwa k-oj an* • • • ]wtr\r\ dh6 cmp vb* wi),
wie auch Ephr. annimmt (16 A, cf. 22 D: J&u^; ^1 )d^x> ;p vojto
Jooj opv J&JL?) und aus der biblischen Angabe, nach welcher am
dritten Tage Bäume und Pflanzen geschaffen wurden (Gen. 1,
11 sq.) mit einiger Wahrscheinlichkeit gefolgert werden kann.
Lässt ein Wort zwei Bedeutungen zu, so wählt die Hagada
vorzugsweise diejenige, an welche sich eine allgemeine Sentenz
') Der Grand dieser Eigentümlichkeit der Hagada ist eben in
den Bestreben zu Sachen, die traditionelle Bibelerklftrung durch die
jedesmaligen Zeitanschauungen, durch gleichklingende verwandte oder
auch aus fremden Sprachen hergeholte Wörter zu begründen (vgl. Zunz
1. 1. 327). Daher begegnet man so häufig der Uebertragnng der späteren
Bedeutung eines Wortes auf den bibl. Gebrauch, was dieser exegetischen
Richtung auch am nächsten lag. Vgl. z. B. Gen. R. c. 68 zu Gen, 28, 1 1 :
oSy hv iDipo ww oipo vw v*mp n"3p"n W idb> t»jdo no wd
im, demnach wird DlpDJ yjpj erklärt = er betete zu Gott, cf. Be-
rachoth 26a und Chullin 91 b.
zur jüdischen Exegese. 69
oder Moral passend anknüpfen lasst So z. B. liebten es die
Hagadisten, den ethischen Gründsatz PP* TflÖ • D*W JTTO3
*& pTflÖ (Sotah 8b , Megillah 12 b; cf. Luc. 6, ä8: r«5 yop ccvtd
ps*pp $ petQshs avtiji^tq^trfietai, v(uto) auf die biblischen Ereignisse
in ihrer Aufeinanderfolge als Ursache und Wirkung anzuwenden,
offenbar, weil diese Sentenz sich homiletisch und paränetisch
Huf die verschiedenste Weise ausbeuten Hess. Man zeigte Also
die göttliche Gerechtigkeit in der Gleichartigkeit des Vergebens
und der Strafe in dem Untergange der Egypter im Meere, weil
sie durch Wasser die Israeliten hatten vernichten wollen, oder
auf das Schriftwort angewendet: QJfc VO^Si Exod. 15, 8 von
Q^y (listig sein) abgeleitet „die Wasser waren klug" (Onkelos
*P& Ift'Qn), d. h. wie Mechiltha Beschallach c. 7 erklärt Wird:
nöx on nrb rmo rn niöw m&a d^ö »t» tdk nrni
niöny pas ytwy K"n crch rxonu nn> nn« *jk fc ntonru nan.
Die Pesch. hatte hier das hebräische Wort beibehalten (ao^ULj)*
und Ephr. unterlässt es nicht, den Gründsatz der strengen
Wiedervergeltung, den er in dem Sterben der Erstgeborenen
für das Tödten der hebräischen Knablein aufzeigt (p. 213 D) %
auch hier in dem Worte xnx (klug sein) durchblicken zu lassen
(216 E: <^v&taiv £» ax&Jj &sLjLa| yaä) jlo*a} o] . £& ojd*a ^lo^ab
£}? ;p ^soo» )op} ^»Jt ^Icäod yfOO&a; öß. „Durch deinen Hauch
sammelten sich die Wasser, entweder: durch den Wind, der
von dir ausging, wurden die Wasser gelehrt, sich zu theilen,
oder: durch den Befehl deines Mundes blieben sie wie gefesselt
stehen, so dass sie nicht weiter flössen".
Indem die Hagadisten mit der Exegese die religiöse Beleh-
rung zu verbinden suchten , machten sie oft durch eine geschickte
metaphorische Wendung einen Uebergang von einem Worte der
Bibel auf einen allgemeinen, ethischen Satz, der von eben diesem
Schlagworte ausging. So deuteten sie z. B. ^p| (Sand) Zugleich
als Bezeichnung für Israel, das an Zahl gleich dem Sande des
Meeres zu werden bestimmt war, um in Gen. 2, 12 den Gedanken
anzuknüpfen: „So wie man Sand von hier nimmt und ihn dort-
hin gibt, ohne dass ein Geräusch vernommen wird, so bleibe
l) Gf. Exod. R. c. 3: DJft3B1 tfÖ* httiw *|C& ÖTinnK TÖTM * • ■
Ol pn fe nDw rrw mos mh *mch tm.
70 Die Commentarien des Ephraem Syrus im Verhältnis s
diese That (die Tödtung des Mizri) unter euch verborgen und
werde nicht gehört"1), womit zugleich gegen die So oft gefahr-
bringende Angeberei gewarnt werden sollte. Diesen ethischen
Zug der Hagada verwischt aber Ephr. und gibt nur die müssige
poetische Ausschmückung. „Er tödtete ihn und verbarg ihn im
Sande, ihn, der das Volk bedrängte, das den Segen erhalten
hatte, sich gleich dem Sande zu vermehren ; am Ufer des Flusses
verbarg er ihn vor seinen Genossen, deren Leichname an die
Küste des Meeres ausgeworfen werden sollten" (189 E: o&fyb
Jiop r >\xj IL« T) W&i? 7^1)? Ji*/i Jooj JXXOJ oofc. lU^ Ojtt^O
Ou?&ftXk SOOJ vp^ POU ;9KTTM iL» ^XJ >£JOJ -O^O'^a* pyö JOOJ Oj;X%
>pop^jt). Dasselbe gilt von der Bemerkung, die Ephr. zu Exod.
4, 3 macht: Die Schlange, in welche der Stab Mosis verwan-
delt wurde, sollte ihm das Bild Pharaos vergegenwärtigen, den
der Prophet (Ez. 29, 3) mit einer Schlange vergleicht (203 B , cf.
Exod. R/c. 3: »q\ wrO *TipW HinB 1^3 ttPüfj flBön TDPÜ *]:£).
In ähnlicher Weise endlich erklärt Ephr. auch übereinstimmend
mit dem Midrasch, weshalb die Israeliten, als sie über das
Manna murrten, gerade durch giftige Schlangen bestraft wurden
(Num. 21, 6): „Weil sie über das Manna, die Speise der Engel
murrten, deshalb bissen sie die Schlangen, die Staub essen und
nicht murren (263 A : JloäJ ^uj o&L £&dj Jxw£ Ju» "^i a4*? ^1
^VO IJo Jväx ^ofj; cf. Num. R. c. 19: fofl TDPlb n&y OTUH
pws taw» twu kw renn cwtofc^ ^enm pn nx ptew
p^& psjnöi nn« pa ptewn jö ynon nnx gpü rra renn
renn.
Aus diesen Beispielen ersieht man bereits, dass Ephraem
die Exegese in einer freien, gewissermassen homiletischen Weise
handhabt, die von der Richtung seiner oben charakterisirten
Vorgänger wesentlich verschieden ist. Wenn nun die Hagadisten
zu dieser freien Textauslegung in vielen Fällen nur auf Grund
des hebräischen Textes und der hebräischen Sprache durch
*) Exod. R. c. 1 : OK1? nDN hrt? lhflMV blCMP *?V JTTOD3 UDD
tap> pfi ych unui )toQ &w oim mn hm no hto üAnn onx
j?Dt&r» xb) urw mn rem ,|dd,> p yotw.
zur jüdischen Exegese. 71
analytisches Verfahren gelangen, Ephraem hingegen seine mit
Jenen übereinstimmende Erklärung durch den syrischen Text
nicht rechtfertigt, noch rechtfertigen kann, sondern dieselbe,
ohne ihren Ursprung nachzuweisen, als fertiges Resultat auf-
nimmt, so liegt es auf der Hand, dass er sie aus jüdischer
Quelle entlehnt hat. Hierfür aber sprechen noch eclatanter
diejenigen Erklärungen Ephraems, die specifisch jüdische Tra-
ditionen enthalten.
Wenn auch in den Commentarien Ephraems zum Pentateuch
eigentliche philologische oder sprachliche Bemerkungen von
Bedeutung sich nur selten finden, so verrathen doch seine sach-
lichen Erklärungen oft einen nüchternen Sinn und richtiges
Verständniss. Einige Beispiele, zu denen gleichfalls die Paral-
lelen aus der midraschischen Literatur angeführt werden sollen,
mögen hierfür einen Beleg liefern.
Ephraem findet es auffallend, dass Gen. 1, 8 bei der Schöpfung
der Ausdehnung der Satz , Und Gott sah, dass es gut war"
fehlt, da derselbe doch bei allen anderen Tagen vorkommt,
beim sechsten sogar zweimal. Hierüber gab es schon zu Ori-
genes' Zeit haggadische Erklärungen, die dieser jedoch nicht
ausdrücklich mittheilt1). Die eine dieser Erklärungen wird von
Hieronymus*), die andere von Ephraem (p. 15 C) angeführt. Die
erstere betrachtet die Ausdehnung als Symbol der Theilung, Tren-
nung oder Spaltung (Hader), die andere findet diesen Schöpfungsact
darum nicht des besonderen göttlichen Lobes würdig, weil das
Werk dieses Tages, so lange die Sonne nicht war, noch unvoll-
ständig war, weshalb erst am Ende der Schöpfung durch den
Ausdruck „Und siehe, es war sehr gut" (Gen. 1, 31) auch die
Ausdehnung gesegnet wurde; v. Pesachim 54a: "iftfcü N^ttf B"]J"K
VVVn, fei "ITn 31B \D n; cf. Gen. R. c. 4: um *tb "«DTK töWll
') V. Epistola ad Afiricanum 4, 16: Kai iv tjj yevicei 8k ro slSsv
6 &sog oxt naXov htl r© ysvictcu ctSQ&aiut na$ !E/9oa/ot£ ov% ev^loxstai
xal nQoßlfiiut 8& hu naf avtotg ov ro vo%bv tovto; vgl. diese Monats-
schrift Bd. 3 S. 316.
*) V. opp. ed. Frf. t. VI p. 181 comm. in Aggaenm: „Neque enim
poterat secnndus dies, qui nunierum facit, qui ab unione dividit, quod
bonus esset, Dei sententia comprobari"..
72 Die Commentarien des Ephfaem Syrus.
Ein genaues Eingehen auf den biblischen Text zeigt Ephr.
auch da, wo er für unvollständige Angaben der Bibel den Grund
angibt, z. B. zu Num. 11, 26. Was die dort erwähnten Eldad
undMedad phrophezeiten, ergänzt er durch den Zusatz: „Moses
hat uns aus Egypten gefuhrt und Josua wird uns in das Land
der Verheissung bringen" (cf. 257 E: J*a&? oooj K\x>) &o ooj )}£
(i2Lo»j |*.uT^^a2D mqsuo ^'vo ^ <Q2>f; cf. Synhedrin 17 a: Hol
yntö tewn n« d^dö yrrnir nö rw» ucuro nwaa ; cf. Jon,
und Jerusch. a. 1. Sifri a, 1. und Num. R. c. 15l).
Deut. 33 im Segen Mosis ist der Stamm Simeon übergangen.
Das, meint Ephraem, dürfe nicht auffallen. Denn Simeon war
von Jakob wegen der Zerstörung Sichems verflucht worden und
hat, anstatt sich zu bessern, durch das Vergehen des Simri den
Tod von 24,000 Israeliten veranlasst. Hingegen hat der Stamm
Levi, der im Fluche Jakobs (Gen. 49, 5 ff.) mit eingeschlossen
gewesen, wiederum seinen Eifer für die göttliche Sache gezeigt,
erstlich, als er gegen die Anbeter des goldenen Kalbes auftrat
(Exod. 32, 26—29 und Deut. 33,9) und zweitens, indem Pinchas
den Simri tödtete : mit Recht also hat der Stamm Levi von Moses
den Segen empfangen (p. 291) ; cf. Ihn Esra zu Deut. 33, 6 und
Jalkut § 951 : nyttO rWÖ töjpi -»KW 13103 fffyw DB JHD ^
oip&i n« nfcro uro , 10*61 n»6 iöki "ib * nem ronan
jno xbw vh vb pww , fron pn« p ib6k p dtod 'rw crwa
•td».i lamm wh am 'w«f rrfrn im «i>K*
Zur genaueren Vergleichung dieser hermeneutischen Richtung
Ephraems mit dem Midrasch werfen wir noch einige Stellen
aus seinen Commentarien im nächsten Hefte anführen.
') Ob diese Erklärung auf Deutung des Notarikon D",|N'/i"jn//D
= D^JDb yttftfl* DVÄtf pb WDl PWh HB* beruhe, mag dahingestellt
bleiben.
(Vorteetsung folgt.)
Berichtigung. Im vorigen Hefte mos» es S. 16 vorletate Zeile
Hagadisten and nicht Leherendisten heissen.
Analekten. 73
A n a 1 e k t e n.
War Raschi das Targum zu den Hagiographen bekannt?
Gegen Zunz, der (G. V. S. 64 Anm. d) diese Frage verneint,
weist Chajes in Jmre Bina No. 4 Bl. 17 vier Citate aus dem
Raschi- Commentar nach, welche Raschi' s Kenntniss von diesem
Targum beweisen sollen. Von diesen vier Citaten nehmen
wiederum Notiz Rahmer in dessen Targum zur Chronik (S. 8
der hebr. Vorrede) und Frank bei Gelegenheit der in diesen
Blättern gegebenen Recension meines Raschi-Werkes (vgl. Jahrg.
1867 S. 277). Bei näherer Prüfung dieser Citate aber werden
wir sehen, wie der aus ihnen hergeholte Beweis vollständig fällt.
a. Die Stelle in Samuel I Kap. 11 V. 8 aus dem Targum
zu den Proverbien gehört Raschi gar nicht an, sie fehlt in meh-
reren von mir eingesehenen Handschriften und ist ein aus dem
Wörterbuche Kimchi's \vgl. dort s. v.pn) in den Raschi-Com-
mentar hineingetragener Zusatz.
b. Die Stelle in Megilla 13 b bezieht sich nicht auf das
eigentliche Targum zum Buche Esther, vielmehr auf das in
Midrasch- Manier abgefasste Targum scheni (vgl. das. Cap. 2
V. 5 und Raschi zu Megilla l^b), welches Raschi bereits früher,
nämlich zu Deuteron. 3, V. 4, mit Targum jeruschalmi benennt.
c. Der Commentar zu Taanith 18a führt wohl das Targum
zu den Psalmen an, nicht aber Raschi in der Parallelstelle zu
Rasch haschana Schlgw. l^ßru Ausserdem gehört der Com-
mentar zu Taanith in der uns vorliegenden Recension keineswegs
Raschi an, wie dies bereits von Chajes näher erwiesen worden
ist, und wie ich dies bei einer anderen Gelegenheit, nachdem
ich den der Münchner Bibliothek gehörigen Raschi-Codex näher
kennen gelernt habe, mehrfach werde unterstützen können.
d. Endlich fällt auch der Beweis aus Chagiga 22 b, da die
Stelle in dem erwähnten Codex (Seite 235 b) nicht anders lautet
als CD^tPW B25P1: v^n einem Späteren erweitert, heisst es nun
in dem gedruckten Commentar rb WTVV) D13"in * ^p rb E3SPV —
Frankel. Monatsschrift. XVII. 2 . Q
74 Analekten.
Würde Raschi das Targum zu den Hagiographen gekannt
haben, so hätte er gar oft Gelegenheit gehabt, dasselbe gleich
den anderen Targumin anzuführen. Wir weisen nur auf Bera-
choth 18b hin, wo Raschi aus den Halachoth gedoloth citirt
jDltfn r6lDn Ülp"0» wahrend der Aruch die Erklärung aus dem
Targum zur Schrifstelle, Höh. Lied Cap. 2 V. I, hat. Auch zu
Berachoth 18b würde Raschi nicht sagen VHp^ b^D)f da das
Targum zur Chronik I Cap. 11 V. 22 die H^nü richtiger wegen
der Verunreinigung durch die Berührung eines todten Gewürms
motivirt (vgl. auch R. Jesaja Pick's Bemerkung zur angeführten
Taluiudstelle).
Während der Verfasser des Aruch das Targum der Hagio-
graphen kennt und nicht selten citirt, war es seinem Zeitgenossen
Raschi nie zu Gesicht gekommen*), ähnlich wie R. Meir Rothen-
burg vom Targum jeruschalmi sagt „es findet sich nicht unter
uns vor", s. Orchoth Chajim § 3 der Mbltf fWlp niDS"!* Den
Enkeln Raschids jedoch war das Targum der Hagiographen be-
reits zugänglich; Sam. ben Meir erwähnt es zu Exodus 15, 2
und zu Levit. 20, 17, auch "R. Tarn führt im Sefer hajaschar § 520
eine Stelle aus dem Targum zu den Proverbien an. So hat
Raschi auch die Commentarien des R. Chananel noch nicht vor
sich gehabt"), während die genannten Enkel sie bereits vielfach
excerpiren, nur dass die Commentarien noch sehr selten waren
und ein Zeitgenosse des R. Tarn diesem gesteht „dass die
Schriften des R. Chananel in dieser Stadt nicht existiren und
er sie noch nie gesehen habe" (s. Sefer hajaschar Bl. 80 d).
*) Im Index zu Baba bathra 5 a Schlgw. N"QJ lN^l muss daher
statt n"'1 D^nn verbessert werden O 'N ^NIDt^. Die Emendation in
Raschi zu Psalm 74 V. 19, für Dmn ]\vk n"^ "J^tP TU"), welche zuerst
Mirr in seinem Athereth Zebi aufstellt, dann Luzatto im Ozar Nechmad
I S. 145 auch aus einer Handschrift nachweist, habe ich seither in
mehreren Handschriften bestätigt gefunden.
•*) Irrthümlich wird im Juchasin ed. London S. 218 die im Raschi
zu Joma 30 enthaltene Erklärung des R. Chananel so angeführt, als
gebe sie Ersterer selbst im Namen des Letzteren, während sie in den
Druck- Ausgaben als Interpellation bezeichnet ist, ebenso wie in Baba
bathra 5 a. Im Raschbara das. S. 30a ist nach der Lubliner Ausgabe
statt „Chanina" richtig „Chananel'1 zu lesen.
Recensionen und Anzeigen. 75
Erging es doch auch so den Commentarien Raschids selbst.
Maimon erwähnt ihrer nirgends, wohl aber sein Sohn Abraham
in dessen arabisch geschriebenen Pentateuch- Commentar, wie
Chwolson in der jüdischen Zeitschrift für Wissenschaft und
Leben Jahrg. 1865 S. 316 berichtet.
Dr. Berliner.
Recensionen and Anzeigen.
Frank und die Frankisten. Eine Sekten -Geschichte aus
der letzten Hälfte des vorigen Jahrhunderts. Von Dr. H.
Graetz. 126 S. gr. Oct.
Die zweite Hälfte des vorigen Jahrhunderts war als der
Zusammenstoss alter und neuer Zeit, Begegnung von dichter
Finsterniss und grellem Licht, reich an geheimnissvollen und
blendenden Truggestalten. Die Nachwelt hat manche dieser
Gestalten in ihrer ganzen Verwerflichkeit erkannt und sie ihres
Glanzes entkleidet, von manchen ist auch sie geblendet, umgibt
sie mit noch höherer Glorie, ist also noch heute das Spiel
jener Gaukler. Zu diesen gehört Jakob Frank, der durch den
blendenden Schein, mit dem er sich und seine schöne Tochter
zu umgeben wusste, der Phantasie reichliche Nahrung bietet,
und es hat noch in neuester Zeit die Romantik sich seiner be-
mächtigt und ihn theils in Aufsätzen, theils in vollständigen
Werken zum Tugendhelden, zum „Ideal gesinnungshoher Sitt-
lichkeit" gestempelt. An der richtenden schonungslosen Ge-
schichte ist es, über die romantischen Spielereien wegzusehen
und diese nebelhafte Gestalt nach ihrem eigentlichen Wesen
darzustellen. Der neueste Geschichtsschreiber der Juden, Herr
Dr. Graetz, hat dieses in obiger, das diesjährige Programm des
jüdisch -theologischen Seminars zu Breslau bildenden Mono-
graphie Unternommen und schlagend nachgewiesen, dass Frank
ein gewissenloser Betrüger war, der, von den niedrigsten Leiden-
schaften getrieben, mit Religionen und Menschen ein höchst ver-
dammenswerthes Spiel trieb und kein Mittel scheute, um zur
76 Recensionen und Anzeigen.
Befriedigung seines ungezügelten Ehrgeizes zu gelangen. — Frank,
eigentlich Jankiew Lejbowicz oder Lebowicz, im südlichen Ga-
lizien im zweiten, nach Anderen im dritten Decennium des
vorigen Jahrhunderts geboren, war ein durchaus ungebildeter
und unwissender Mensch; die Basis seines Ansehens bei seinen
Anhängern lag in dem Sabbatianismus , der zu jener Zeit viele
Bekenner in Galizien und Podolien zählte, dene.n es aber an
einem Oberhaupte fehlte, um das sie sich schaarten. Frank
fand bei seinem Auftreten Vieles vorbereitet, auch fehlte es ihm
in seinen Betrügereien nicht an Helfershelfern, einige Mitglieder
der Familie Schor standen ihm als solche zur Seite. Die rabbi-
nischen d. i. nichtsabbatianischen Juden wurden endlich auf
dieses Treiben aufmerksam, es fehlte nicht an Recriminationen
und Anklagen, sie und an ihrer Spitze die Familie Schor
wurden des unzüchtigsten Wandels angeklagt und überfuhrt)
und es sahen sich die Behörden zum Einschreiten veranlasst.
Da ertheilt Frank, der sich nach Chozim in Sicherheit
zurückgezogen hatte, seinen Anhängern den Rath, die Er-
klärung abzugeben, dass sie an eine Dreieinigkeit glauben und
den Talmud, der voll Irrthümer und Blasphemien sei, ver-
werfen; mehrere von ihnen nahmen aufsein Geheiss die Taufe.
Die Frankisten fanden nun an dem Bischof von Podolien,
Deinbowski, einen Gönner und brachten über die Juden unsäg-
liches Leid; sie klagten diese an, das Blut von Christen an ihren
Festtagen zu gebrauchen und veranlassten den Bischof Dein-
bowski, durch ein Edict die Verbrennung des Talmud anzu-
befehlen. Ein Frankist verbrannte den Talmud an einem jüdi-
schen Feiertage vor den Augen der Juden. — Doch Dembowski
starb, die Fraukisten geriethen in Noth, sie wendeten sich an
den Erzbischof von Lemberg, Lubienski, der aber wie der
päpstliche Nuntius zu Warschau das Lügengewebe durchschaute
und dass ihr christliches Glaubensbekenntniss nicht ernstlich
sei: er wies sie daher mit ihrem Gesuche um Schutz für ihre
Secte nicht vor. Frank nahm endlich auch die Taufe an, der
König August von Polen war sein Taufpathe (25. Nov. 1759)
•
Doch auch jetzt war der Argwohn , dass das angenommene
christliche Bekenntniss nur ein Deckmantel für geheime Pläne
sei, nicht beschwichtigt, und Frank wurde endlich gezwungen,
dieses in einem offenen Bekenntnisse abzulegen. Er wurde zur
Recensionen und Anzeigen. 77
Kerkerstrafe verurtheilt, die er dreizehn Jahre zu Czenstochow
erlitt. Als die Russen Czenstochow eroberten, Hess er erklären,
er und seine- Anhänger wollen sich zur griechichen Kirche be-
kennen. Er erlangte später seine Freiheit, ging mit vielen An-
hängern, denen er als gottgewordener Mensch, als „heiliger
Herr44 galt, nach Oe&t erreich und lebte mehrere Jahre in Brunn,
und als er diese Stadt verlassen musste, ging er nach Offenbach,
woselbst er Decbr. 1791 starb. — Dieses in kurzen Worten der
Inhalt dieser sehr interessanten Monographie ; der Verfasser hat
mit Wärme und an mancher Seite mit innerer Indignation ge-
schrieben, es ist der Ingrimm der Wahrheit, der spricht; und
dass der Verf. von Wahrheit geleitet wurde, beweisen die der
Schrift beigegebenen und ihren Werth erhöhenden Beilagen, die
Herr Dr. Graetz aus den seltensten und schwer zugänglichen
Werken gesammelt. Doch sind die Angaben mancher dieser
Beilagen mit Sorgfalt zu prüfen. So ist R. Jakob Emden in
seinen Mittheilungen nicht ganz zuverlässig; ein Mann von be-
deutender Gelehrsamkeit, ist er ein eifriger Zelot und bereit,
auf den leisesten Verdacht zu verdammen. Begeifert er doch
selbst den ihm weit überlegenen R. Jezechiel Landau und zieht
seine Orthodoxie in Zweifel! Und Emden, der heftigste Feind
des im Sohar wurzelnden Sabbatianismus, vermag nicht, sich
vom Sohar und der Kabbala loszusagen, während Landau offen
mit der Kabbala brach und auf den Sohar keinen Werth legte!
Es scheint, dass Emden auch gegen Jonathan Eibeschütz sich
in seinem Uebereifer schwer versündigt und ihm Mehreres auf-
gebürdet habe, das bei genauerer Prüfung schwindet; vielleicht
wird es uns gegönnt sein, an einer anderen Seite hierfür den
Nachweis zu liefern.
Kehren wir zu der Monographie zurück, so scheint bei der
Befriedigung, die sie gewährt, doch noch Manches dunkel. So
ist nicht abzusehen, wodurch Frank diesen imponirenden Einfluss
und das göttliche Ansehen bei seinen Anhängern gewann, von
denen er als Adonai' (S. 71) verehrt wurde, da er doch selbst
Idiot und, wie der Verf. mittheilt, wenig gewinnend war. Aber
es herrscht über das Treiben und Wirken der Sabbatianer über-
haupt so vieles Dunkel, dass dem Herrn Verf. kein Vorwurf
daraus gemacht werden kann, dass er nicht ganz das Räthsel-
hafte in der Geschichte dieser Secte gelöst. Ref. hatte in seiner
78 Recensionen und Anzeigen.
Jugend Gelegenheit in Prag die Sabbatianer zu beobachten;
ihre Zahl war zwar nicht gross, aber es herrschte unter ihuen
ein inniges Zusammenhalten. Ihr äusseres und häusliches Leben
war streng talmudisch religiös, ihre Orthodoxie erstreckte sich
sogar auf die Kleidung, sie waren mit dem damals den frommen
Juden erkennbar machenden Dreimeister oder einem dreieckigen
Hute,, unter welchem ein Käppchen, bekleidet. Auch heiratheten
sie Frauen aus frommen Häusern, die das Leben des elterlichen
Hauses weiter führten und ihre Männer waren mit ihnen hierin
ganz einverstanden. Der Umgang dieser Anhänger Sabbatai
Zewi's wurde gerade nicht geflohen, aber auch nicht gesucht.
Sie hatten ihre eigene von ihnen besuchte Synagoge in dem
Hause, des, wie es scheint, damals an ihrer Spitze stehenden
J. Wehl.; welche Gebete sie daselbst verrichteten, war nicht
bekannt, doch wurde allgemein — und wohl auch der Wahrheit
nahe — behauptet, der Tag der Zerstörung Jerusalems (9. Ab.)
sei ihnen ein Freudentag, da nach ihrer Behauptung der Messias
in der Person S. Zewi's gekommen sei. Auf das Gerede, dass
sie in ihrer Synagoge Orgien feiern, wurde nicht nur kein Ge-
wicht gelegt, sondern man betrachtete es als Verla umdung, da
ihr Lebenswandel sittenrein war und sie nach der Seite ihres
moralischen Charakters allgemeine Achtung genossen. Die da-
malige Lage der Juden in Oesterreich war durch viele Beschrän-
kungen sehr gedrückt und es gab manchen Schwachen, der sich
hierdurch zur Abschwörung des Judenthums drängen liess; von
den gedachten Sabbatianern hat nie Jemand das Judenthum ver-
lassen und auch ihre Kinder blieben treu dem Judenthum. Um
so befremdender scheint folgender dem Ref. aus Autopsie be-
kannter Zug. In katholischen Ländern läutet wie bekannt um
zwölf Uhr die Glocke, als Zeichen zum Gebet, gläubige Katho-
liken hören auf dieses Zeichen. Ref. ging einst des Vormittags
in einer Strasse, in die auch der obengedachte, seiner ganzen
Bekleidung nach, wie durch einen grossen, damals noch nicht
Mode gewordenen Bart den Juden repräsentirende J. Wehl. trat;
es läutete zwölf und J. Wehl. zog den Hut ab und ging so
durch die ganze Strasse! — Hiermit würde wohl zusammen-
hängen, dass manche Prager Sabbatianer — nicht nur der von
seinem Vater gesandte Herr v. P. (in der Monographie wird
ungenau angegeben, auch mit Willen seiner Mutter; seine Mutter,
Monatschronik. 79
Frau des äusserlich ganz rabbinischen G. P. war als echt ortho-
doxe Jüdin bekannt), sondern auch ein S. Zerk sich nach Offen-
bach zu dem das Christenthum bekennenden Frank begaben;
aber Frank trug das Christenthum öffentlich zur Schau und die
Prager Sabbatianer bekannten es nicht frei, Frank hasste und
verwarf den Talmud und seine Vorschriften, diese Sabbatianer
beobachteten sie , Frank wollte keinen Juden kennen, diese Sab-
batianer hingen an Juden und ihren orthodox jüdischen Frauen
und lebten ganz nach deren Weise! - Von diesen Prager Sab-
batianern ist noch zu erwähnen, dass, wie allgemein behauptet
wurde, sie sich täglich zur Stätte begaben, wo früher der Galgen
stand, und auch von Frank wurde Ref. von glaubwürdiger Seite
erzählt, er habe sich in. Brunn täglich mit glänzendem Gefolge
nach der Stätte des Galgens begeben, dort sei ein grosser Tep-
pich ausgebreitet worden, auf welchen er sich setzte und aus
einem Buche las.
Es bleibt also noch Manches in der Geschichte Frank's und
seiner Anhänger räthselhaft, doch fühlt sich der Geschichtsfor-
scher Herrn Dr. Graetz für das Dargebotene zum aufrichtigen
Dank verpflichtet und wird ihm gern das Verdienst zuerkennen,
in diesen mysteriösen Sagen aufgeräumt und die bodenlose
Verworfenheit Frank's nach authentischen Quellen überführend
dargelegt zu haben.
Mooatschronik.
Baden. Der bisherige Ministeriairath Elstetter ist bei der
vor einigen Tagen erfolgten Neubildung des Ministeriums zum
Präsidenten des Finanzministeriums ernannt worden. Das frei-
sinnige Baden, das schon seit längerer Zeit jüdische Richter
und Staatsanwälte besitzt, hat durch die Berufung Elstetter s
in das Ministerium nun auch den Ruhm für sich in Anspruch
zu nehmen, der erste deutsche Staat zu sein, der ein Minister-
portefeuille in die Hände eines Juden gelegt hat.
80 Monatschronik.
Berlin« Am 27. Januar starb hierselbst der Commercienrath
und Stadtrath Leonor Reichenheim, langjähriger Vertreter des
Kreises Waidenburg im Abgeordnetenhause und Mitglied des
constituirenden Reichstages des norddeutschen Bundes. Der
Präsident des Abgeordnetenhauses widmete dem Verstorbenen
Worte der Anerkennung für seine aufopfernde Thätigkeit als
Abgeordneter und speziell als mehrjähriges Mitglied der Budget-
Commission, und lud das Haus zurTheilnahme an seinem Leichen-
begängnisse ein. Zahlreiche Mitglieder beider Häuser des Land-
tages, Deputationen der städtischen Körperschaften und viele
andere hervorragende Männer gaben dem Entseelten das Geleit
zum israelitischen Friedhofe.
Paris. Herr -Michel Levy, Mitglied der medicinischen Aca-
demie und Inspector der Sanitätscommission im Kriegministe-
rium, ist zum Vicepräsidenten des Comite für Gesundheitspflege
und des medicinischen Ausschusses zur Leitung der Hospitäler
ernannt und zur Würde eines Gross - Offiziers der Ehrenlegion
erhoben worden*).
Prag. Die erste Ernennung eines Israeliten zum Auscultanten
im Justizfache ist dieser Tage vorgekommen. Dem Herrn
Dr. jur. Moritz Fischer aus Gaya in Mähren wurde vom k. k.
böhmischen Oberlandesgerichte eine Auscultantenstelle mit dem
Jahresadjutum verliehen. Es ist dies der erste Fall, dass das
Princip der Zulassung von Israeliten zum juridischen Staats-
dienste in praktische Anwendung kommt.
*) Diese Nachricht haben wir dem in Paris erscheinenden „Univers
Israelite" entlehnt. Wenn dieses Blatt sich darüber beklagt, dass in der
Monatschronik dieser Zeitschrift bisweilen Nachrichten enthalten seien,
die es zuerst gebracht, ohne dass wir es der Mühe werth hielten, die
Quelle anzugeben, aus der wir geschöpft, so vergisst dasselbe, dass
jede Chronik, die ja nicht den Anspruch macht, Originalberichte zu
liefern, ihre Nachrichten gewöhnlich den öffentlichen Blättern entlehnt,
ohne dieselben namhaft zu machen. In Deutschland wenigstens ist
dies allgemeiner Brauch, und wir werden daher bei diesem uns völlig
correct erscheinenden Verfahren auch in Zukunft beharren.
D. R.
Mendelssohn-Skizzen.
Von Dr. M. Kayscrling.
I. Ein Besuch Moses Mendelssohns in Friedrichsfelde.
Es war im Sommer des Jahres 1785 als Moses Mendels-
sohn in Begleitung seines Freundes Ramler eine Spazier-
fahrt nach dem von Berlin wenige Stunden entfernten
Friedrichsfelde machte. Dort weilte zur Zeit der Herzog
von Curland, dessen Gemahlin die Herzogin Dorothea
so wohl, wie ihre Schwester Elise von der Recke, eine
der edelsten Frauen ihrer Zeit, den jüdischen Philosophen
innig verehrten und e9 als einen seltenen Genuss betrach-
teten, den liebenswürdigen Gesellschafter in ihrer Nähe
zu haben.
Früher, als die Herzogin erwartet hatte, traf Mendelssohn
zum Besuche der beiden „unvergleichlichen Schwestern"
am Curischen Hofe ein. Sie waren gerade mit ihren
Toiletten beschäftigt und gaben ihrer Reisebegleiterin den
Auftrag, die beiden Söhne der Weisheit in den Schloss-
garten zu führen. Mendelssohn und Ramler lustwandelten
in dem herrlichen Park unter den schattigen Bäumen,
geführt von einer Dame, welche das dreissigste Jahr
noch nicht überschritten hatte. Voller Bewunderung der
Schönheiten der Natur und der mannigfach in ihr wir-
kenden Kräfte gingen sie stillschweigend neben einander,
bis endlich die anmuthige Führerin, welche in der Gegen-
wart dieser geistvollen Männer Gott und seine Welt leb-
hafter als gewöhnlich zu fühlen glaubte, nicht ohne Zagen
Frank el, Monatsschrift. XVII. 3. 7
82 Mendelssohn-Skizzen.
das Schweigen brach. „Mir kömmt das Niederhauen eines
grossen schönen Baumes beinah wie ein Mord vor", hob
die Dame an, „ein so wichtiges Product der Natur scheint
mir ein Baum zu sein." Das führte Mendelssohn auf die
Idee der Alten, auf die Bibel; er war nicht damit zufrie-
den, dass der Dichter für die Erhaltung des Baumes
ausser der innern Belohnung, gut gehandelt zu haben,
noch äusseren Wohlstand gibt, das hiesse, meinte er, die
Tugend zu einer feilen Dirne machen.
Sophie Becker, so hiess die Dame, war ein höchst
origineller Charakter. Sie befand sich gerade damals in
der Periode des Zweifeins und erschloss Mendelssohn ihr
ganzes Herz, er wurde ihr „theuerster Freund" sie ihm
seine „theuerste Sophie". Ihre Seele war von so mancher-
lei dunklen Vorstellungen und durch diese von so ver-
schiedenen Gefühlen bewegt, dass sie sich irgendwo
ergiessen musste Mendelssohn war der Erste, wie sie
in dem Briefe vom 24. December 1785 gesteht, von dem
sie glaubte, er würde sie verstehen, oder da, wo sie
sich selbst nicht versteht, Licht hinhalten können. In
Betrachtungen über Menschenschicksal versunken, fühlte
sie in ihrem Herzen eine Leere, sie konnte den Gedanken
Gott nicht mehr fassen, sie konnte nicht mehr beten,
hatte keinen Sinn mehr für den öffentlichen Gottesdienst
„So sieht es in meiner Seele aus, theuerster Freund, nur
Ihnen lege ich sie offen dar", heisst es in dem erwähnten
Briefe. „Rathen sie mir, auf welche Art ich es anfange,
meinem Herzen den Gott näher zu bringen, den mein
Verstand im Sandkorn wie in der Sonne anbetet"1).
Mit dieser liebenswürdigen Curländischen Freundin der
Skepsis, der die Unterhaltung mit Mendelssohn Balsam
war und sie zur reiferen Prüfung stimmte, mit dieser
„theuersten Sophie", welche den letzten köstlichen Brief,
den das Herz des Philosophen dictirte, als ein Zeugniss
inniger Freundschaft bewahrte, durchstrichen die beiden
Gäste der Herzogin den Hofgarten, bis sie selbst erschien.
') Moses Mendelssohn's ges. Sehr. V, 646.
Mendelssohn -Skizzen. 83
Die Morgenstunden vergingen schnell in traulichem Ge-
spräche und die Mittagszeit rückte heran. Da entfernte
sich Mendelssohn stillschweigend. Er ging in das nächste
Wirthshaus, wo er sich ein frugales Mahl bestellt hatte,
denn — es sind das Sophiens Worte — =• aus einem gewiss
sehr ehrwürdigen Grunde lässt sich dieser philosophische
Mann nie zu den Mahlzeiten der Christen laden2).
Nach Tisch kehrte Mendelssohn zu den Freundinnen
zurück. Ramler wurde aufgefordert, Etwas zu lesen, und
da gerade Nathan der Weise auf dem Tische lag, so
wählte er Etwas daraus. Während die Herzogin und
Elise von den Wahrheiten seiner Gedanken oder von
dem trefflichen Charakter des Nathan zur lauten Bewun-
derung hingerissen wurden, sass Mendelssohn mit verschlos-
senem Munde da, seine Seele schien sich bloss in das
Auge zurückgezogen zu haben. Um die ernste Empfin-
dung sanfter zu stimmen, trat endlich die Herzogin an
ihr Ciavier und spielte ein paar seelenvolle Arien. Am
Schlüsse derselben empfahl sich Mendelssohn, indem er
mit Thränen in den Augen versicherte, er hätte einmal
mit dem Geiste geschwelgt. Er hatte einen glücklichen
Tag verlebt.
II. Ein ungedruckter Brief Moses Mendelssohn^.
Auf das intime Verhältniss, in welchem Mendelssohn
zu dem Staatsrathe von Hennings nahezu dreizehn
Jahre gestanden, habe ich in mehreren Stellen meiner
Biographie hingewiesen und auch den grössten Theil des
zwischen ihnen gepflogenen Briefwechsels zum ersten
Male veröffentlicht (S 519 — 538). Erst vor einigen Mo-
iiaten erhielt ich durch die Güte des Herrn Prof. Watten-
bach in Heidelberg noch ein sehr interessantes Schreiben
Mendelssohn's an Hennings, das die Correspondenz ver-
vollständigt und hier seine Stelle finden mag.
') Briefe einer Curländerin, II, 172.
7*
8 t Mendelssohn -Skizzen.
Es lautet:
Ich bin einige Tage unschlüssig gewesen, ob ich Ihr
gar zu ehrliches Schreiben an M.3) abgeben soll. Der
beste Buchhändler, mein Theurer! ist Buchhändler, d. i.
in beständigem Kriege mit dem Schriftsteller, der also
seinem Widersacher nie zu viel trauen darf. Einem Buch-
händler sich unbedingt in die Arme werfen, heisst dem
Wolf den Schnabel gerade in den Rachen stecken. Dann
fordert der Storch Honorarium!
Das Schlimmste ist, dass sie mir den Auftrag gegeben,
die Geldsache abzurunden, mir, der ich zwar auch Kauf-
mann bin, aber diese Art von Handel am Wenigsten
verstehe und gar leicht überlistet werden kann. Ich fühle
es recht sehr, was ein edel denkender Schriftsteller empfin-
den muss, wenn ihn die Umstände nöthigen, die Arbeiten
seines Geistes feil zu bieten, das Verhältniss als Schrift-
steller mit dem Verhältniss als Verkäufer zu verwechseln.
Aber eben diese feinen Empfindungen pflegen sich die
feinen Buchhändler zu merken und zu ihrem Vortheil zu
gebrauchen, und mit mir ist ihnen dieser Kunstgriff noch
allzeit gelungen. Auch wenn ich den Handel nicht in
meinem Namen schliesse, fürchte ich, dass er ihm ge-
lingen werde, denn ich empfinde für meine Freunde, was
ich für mich empfinde und liebe es, auch in ihrem Namen
jeden Verdacht des Eigennutzes zu vermeiden. Mein*
erster Entschluss war also, den Brief zurückzuhalten und
8) Mauren, Buchhändler in Berlin und au^h Verleger Mendelssohn's.
Schon in einem früheren Briefe an Hennings vom 5. December 1783
(Biographie, 533) sagt Mendelssohn von Mauren: „Er ist noch nicht
Buchhändler genug, um unbillig sein zu können. Sobald er sich auf
Unkosten der Schriftsteller wird reich verlegt haben, wird er wahr-
scheinlicher Weise in die Denkungsart seiner Zunft einschlagen. Wenn
Sie Bedingungen machen, so lassen Sie ihn über das, was er an
baarem Gelde bezahlen soll, Wechsel ausstellen. Denn mil dem haa-
ren Gelde sieht es bei ihm, wie aus dem Vorigen erhellt, mehron-
theils misslich aus". Was Mendelssohn hier schreibt, stimmt mit dem
Obigen genau überein.
Mendelssohn -Skizzen. 85
Sie um gemessene Ordre zu bitten. Littera non erubescit,
dachte ich. Mau kann weit besser auf seiu Recht beste-
hen, wenn man etwas aufzuweisen hat, darauf man sich
stützt.
Indessen schien mir das Hin- und Herschreiben, zu-
mal bei jetzigem Eisgange, zu viel Zeit zu erfordern, und
ich entschloss mich, es zu wagen. Ich werde also heute
oder morgen Ihr Schreiben abgeben und sehen, wozu
sich M. entschliesset. Allenfalls schliesse ich bis auf
Ihre Genehmigung, wenn er sich unbillig zeigen sollte.
Alles dieses, mein Bester! belieben Sie in allen Fällen
nicht zu unterlassen. Bedingen Sie sich die Hälfte des
Honor. gleich nach dem Abdrucke des ersten Theils aus
und behalten den zweiten Theil so lange zurück. M. ist
ein junger Anfanger, der nicht viel Vermögen hat und
viel unternimmt. Es scheint ihm oft mehr an Fond, als
an gutem Willen zu fehlen. Vorsicht kann also nicht
schaden; von mir aber würde es unschicklich sein, irgend
ein Misstrauen dieser Art zu erkennen zu geben.
Und hiermit genug von der Geldsache! Ich habe Ihnen
noch ein paar Worte über die Laune zu sagen, mit wel-
cher Sie immer noch auf das Thun und Lassen der Men-
schen zu sehen scheinen. Immer noch schmollende
Philantropie , die auf der Neige steht, in Misantropie
herab zu sinken. Dieses ist mehrentheils der Antheil der
Besten unter den Menschenkindern. Sie suchen sich ein
Ideal von Menschen, spannen ihre Forderungen sehr
hoch und wenn sie diese Forderungen in der Welt Gottes
nicht erfüllt sehen, so kehren sie in sich zurück, schelten
bald die Welt, bald ihre eigene Philosophie und sind in
Gefahr, mit beiden in beständiger Uneinigkeit zu leben.
Aber in der That, mein verehrungswürdiger Menschen-
freund! geht es uns Allen so, nur so lange wir auf der
Schwelle der Weisheit stehen. Ein näherer Hintritt zum
Altare dieser Gottheit giebt eine weit bessere Aussicht,
bringet uns in Harmonie mit uns selbst und macht uns zufrie-
den mit Gott, mit seiner Welt und mit uns selbst. Wenn
Ihnen gleich diese Maximen jetzt trivial und abgedroschen
scheinen, so bin ich doch versichert, sie werden Ihnen
86 Mendelssohn - Skizzen. "
in einigen Jahren wahr scheinen, sobald Ihr guter Ge-
nius Sie durch Ihre eigene Empfindung darauf führen
wird. So natürlich ist dem bessern Theil der Menschen
dieser Kreislauf der Gesinnungen, sie kommen alle wie-
der auf den Punkt zurück, von welchem sie ausgegangen
sind , Menschenliebe. — In welchem Punkte dieses Kreises
Sie aber auch itzt stehen, so lieben Sie doch unstreitig
Ihren
Moses Mendelssohn.
Berlin, den 15. März 1784.
Dieser von Mendelssohn eigenhändig geschriebene
Brief mit der Adresse:
An
Herrn Etaatsrath Hennings
in
fr. Koppenhagen (sie)
Hamburg.
an dem sich auch — es sei das beiläufig bemerkt —
Mendelssohn's Siegel: ein verschlungenes MM. mit den
beiden darüber stehenden Buchstaben Tö (WlDJH nttffc)1)
befindet, zeigt uns den ganzen Mann: den uneigennützigen
Freund, den gewiegten Geschäftsmann, den Menschen-
kenner und Philosophen.
l) Am Schiasse eines Briefes Mendelssohn's an Elkan Herz in
Leipzig, in dem er den Rabbiner von Neuwied empfiehlt, bemerkt er:
nDlTTOfl lrnnDPOONim (Biographie 492), statt Abele Gumbinnen ist
dort Moses Isserleä zu lesen b"l JIDDH h)}J? "DJ1 p und geht daraus
unzweideutig hervor, dass Mendelssohn seinen Stammbaum bis auf
diese rabbinische Autorität zurückführte. Nun lebte gegen 1742 als
Drucker in Dessau RnpjTT WD YlHlD DDTlDDm anJH ]^pn p .T^N
h'\ aus dessen Officin u. A. der myn p~)p und priN p~)p (1742, 1748)
hervorgingen. Auch dieser fügt zu seinem Namen hinzu: nnDGPDD
h"W üblCFN WD T-ni1D 0DT1DDPI Wvn IßOn und ist soweit sicher
ein Verwandter — vielleicht Cousin — unseres Mendelssohn.
vom mosaisch -talmudischen Standpunkte. 91
und die Üeberzeugung von der Schuld des Angeklagten
musste eine so vollkommene, eine, wir dürfen sagen fast
untrügliche sein, wenn das „Schuldig4' ausgesprochen
werden sollte. Und doch war der Gewissenhaftigkeit und
ängstlichen Sorgfalt der späteren jüdischen Gesetzeslehre
und Gesetzesbücher für das Leben des Angeklagten selbst
durch diese Bestimmungen noch nicht Genüge geleistet;
die Bibel verlangt bei der Aburtheilung eines Verbrechers
nicht blos den Nachweis der Culpa, sondern auch des
Dolus, und dieser wird nach der Anschauung der Talmu-
disten erst dann für völlig geführt erachtet, wenn der
Verbrecher vor der Ausübung seiner That ausdrücklich
gewarnt und auf die für seine verbrecherische Handlung
angesetzte Strafe aufmerksam gemacht worden war. We-
nigstens hat die talmudische Speculation zu diesem Re-
sultate geführt, und wenn auch nicht mit Bestimmtheit
anzunehmen ist, dass zur Zeit, als das Strafrecht der
Juden noch praktische Geltung hatte, die vorherige Ver-
warnung des Verbrechers bei einem so schweren und von
dem moralischen Gefühle eines jeden Menschen gleich
sehr verurtheilten Verbrechens, wie der Mord ist, als
unerlässliche Bedingung zur Schuldigsprechung anerkannt
wurde, so zeugt doch der Umstand, dass die Forschung
zu einem solchen Resultate gelangen konnte, unserer
Üeberzeugung nach, unwiderleglich dafür, dass die Ge-
setzeslehrer von der Zweckmässigkeit der Todesstrafe
keine hohe Meinung hatten, und dass sie, trotz ihrer
überaus grossen Verehrung für die biblischen Gebote, es
mit ihrem religiösen Gewissen vereinigen zu können
glaubten, das biblische Gebot möglichst zu modificiren,
ja, dass sie im Sinne der heiligen Schrift zu handeln sich
bewusst waren, wenn sie die bereits sehr verclausulirten
Bestimmungen über die Anwendung der Todesstrafe noch
mehr einschränkten. Sicherlich ist auch aus diesem Ge-
sichtspunkte das Gesetz hervorgegangen3), nach welchem
die Todesstrafe an dem Mörder in dem Falle nicht zu
9) Synhedrin 78 a.
92 Ueber die Abschaffung der Todesstrafe
vollziehen sei> wenn der Ermordete nicht lebensfähig
gewesen, wenn er mit einer Krankheit behaftet war, die.
notwendigerweise auch ohne gewaltsame Tödtung in
kurzer Zeit sein Ende hätte herbeiführen müssen. Die
menschliche Gesellschaft war ja dann in Wahrheit nicht
durch das verübte Verbrechen um ein Mitglied beraubt
worden, Grund genug, um in einem solchen Falle die
Strenge des Gesetzes nicht zur Anwendung zu bringen.
Desgleichen soll nach talmudischem Grundsatze das Todes-
urtheil nicht gesprochen werden, wenn der Tod des
Mörders auf naturgemässem Wege in Folge einer Krank-
heit in kurzer Zeit eintreten muss; denn wenn die Welt ja
ohnehin durch die Hand der Vorsehung von diesem ge-
meinschädlichen Verbrecher befreit wird, weshalb soll
die weltliche Gerichtsbarkeit durch eine gewaltsame Hin-
richtung ihn um wenige Tage oder Wochen früher in's
Grab befördern? Die Abneigung gegen die Todesstrafe
war so gross, dass man das häufige Sprechen eines Todes-
Urtheils einem Gerichtshofe als Vorwurf anrechnete; in
der Mischna wird das Tribunal, das in sieben, und nach
der Meinung eines Lehrers sogar in siebzig Jahren ein
Todesurtheil gesprochen , ein verderbliches (mörderisches)
genannt. Ja, zwei berühmte, mit hoher Autorität be-
kleidete Gesetzeslehrer, Rabbi Akiba und Rabbi Tarfon
erklären ganz unumwunden, sie würden als Mitglieder
eines peinlichen Gerichtshofes niemals die Todesstrafe
verhängt haben. In dem Munde des Rabbi Akiba hat
ein solcher Ausspruch eine ganz besondere Bedeutung,
wir dürfen ihn nicht als blosses Resultat der Speculation
betrachten, das in der Praxis keine Anwendung gefunden
haben würde. Rabbi Akiba war bekanntlich ein begeis-
terter Anhänger Bar Kochba's und zählte mit zu den
Leitern des blutigen Aufstandes, der unter Hadrian den
Juden ihre politische Selbstständigkeit wieder verschaffen
sollte. Er hegte die feste Hoffnung, den jüdischen Staat in
seinem vollen Glänze wieder hergestellt und dem zufolge
auch das Criminalrecht der Juden, wieder in praktische
Wirksamkeit treten zu sehen ; wenn er daher den erwähn-
ten Ausspruch that, so bezeichnete er damit die Norm,
vom mosaisch - talmudischen Standpunkte. 93
nach welcher er in wenigen Jahren zu handeln entschlossen
war. Und wenn' auch die meisten Talmudlehrer dem
Rabbi Akibah in diesem Punkte nicht zustimmen, so
müssen *wir doch allen nachrühmen, dass sie eine Ver-
minderung der Todesstrafe sämmtlich angestrebt, dass sie
den Satz der heiligen Schrift „die Gemeinde suche den
Angeklagten zu retten" in seiner weitesten Ausdehnung
zur Geltung gebracht haben.
Bevor wir jedoch aus dem Gesagten die Nutzanwen-
dung für unsere Zeitverhältnisse ziehen, müssen wir
einen dunklen Punkt beleuchten, der das ganze Straf-
recht der Juden illusorisch zu machen scheint. Die Todes
strafe wurde, wie erwähnt, nur auf das durch Augen-
zeugen bewiesene Verbrechen verhängt, der vollkommenste
Indicienbeweiss, ja Selbstgeständniss, zogen die Todes-
strafe nicht nach sich. Soll denn aber in einem solchen
Falle das Verbrechen straflos bleiben? Darf die Rücksicht
auf einen bei dem vollständigsten lndicien beweise immer-
hin noch möglichen Irrthum in der Praxis so weit aus-
gedehnt werden, dass der menschlichen Gesellschaft gegen
heimliche Verbrecher kein Schutz gewährt werde? In
der Bibel fiudet sieh in der That keine Bestimmung für
solche Fälle und man hat ihr diese Mangelhaftigkeit viel-
fach zum Vorwurfe angerechnet. Allein man darf nicht
vergessen, dass die heilige Schrift nicht einen vollständigen
Criminal Codex liefern wollte, sie wollte nur die Theorie,
die Grundsätze feststellen, nach denen der Richter zu
verfahren habe, überliess aber die Erweiterung und Aus-
führung ihrer Bestimmungen dem Ermessen und der Ein-
sicht derjenigen Behörden, welche als Wächter des Ge-
setzes und Hüter des Staates eingesetzt waren. Bei der
offenbaren Abneigung des Gesetzgebers gegen eine häufige
Anwendung der Todesstrafe war es zur Zeit der mosai-
schen Gesetzgebung ja auch kaum möglich, eine geeignete
Strafe für den Mörder festzusetzen, dessen Verbrechen
zwar nicht durch Zeugen, wohl aber durch lndicien er-
wiesen war. Ausser der Todesstrafe finden wir in der
Bibel für die Uebertretung der Gebote nur noch eine
einmalige körperliche Züchtigung und bei unfreiwilligem
94 Ueber die Abschaffung der Todesstrafe
Morde die Strafe der Verbannung in eine Freistatt fest-
gesetzt; es leuchtet ein, dass diese beiden Strafen für
absichtlichen Mord nicht ausreichen, da durch sie ja
keineswegs die Unschädlichmachung des Verbrechers er-
reicht wird. Gefängnisse gab es im Alterthume nicht,
die Organisation des Staates war noch nicht so weit ge-
diehen, dass man es wagen konnte, schwere Verbrecher
jahrelang gefangen zu halten, der ganze Verwaltungs-
apparat des Staates war zu einfach, um dergleichen zu
ermöglichen. Dieser Umstand hat unseres Erachtens
wesentlich dazu beigetragen, dass in den meisten alten
Gesetzgebungen auch auf verhältnissmässig leichte Ver-
brechen die Todesstrafe, oder was derselben gleichkommt,
die Strafe der Verbannung gesetzt war. Die jüdische
Lehre wollte aber die Todesstrafe beschränkt wissen, eine
Verbannung aus dem Lande konnte sie ebenfalls nicht
verhängen, denn das hiesse ja, den Verbrecher aus der
religiösen Gemeinschaft ausschliessen , ihn der höchsten
Segnungen der Religion berauben, und wäre vom Stand-
punkte des Judenthums, das auch den Sünder als Bruder
ansieht, eine noch härtere Strafe gewesen als selbst der
Tod. Was blieb also anderes übrig, als den Gerichten
oder den vollziehenden Gewalten die Bestimmung der
Strafe anheimzugeben, die sie den Zeitverhältnissen ent-
sprechend für angemessen hielten? Und die Praxis wusste
auch bald dafür zu sorgen, dass das Verbrechen des
Mordes nicht straflos blieb, auch wenn die zur Aus-
sprechung des Todesurtheiles erforderlichen Beweise durch
Augenzeugen nicht vorhanden waren. „Wer ohne Zeugen
umgebracht hat (d. h. wer durch den Indicienbeweis als
Mörder überführt ist), den sperrt man in ein enges Ge-
fangniss und verabreicht ihm spärliche Kost u. s. w.tc,
setzt die Mischnah fest; man suchte also die menschliche
Gesellschaft auf geräuschlosem Wege von dem Verbrecher
zu befreien und wandte hierbei ein Mittel an, das zwar
nach unserer Anschauung der Hinrichtung fast gleichkommt,
das aber unter den damaligen Verhältnissen das einzig
mögliche war, wenn man einerseits die Gesellschaft
schützen, und andererseits das Leben des Verbrechers
Ueber die Abschaffung der Todesstrafe. 87
TJeber die Abschaffung der Todesstrafe vom
mosaiscil-taliiradiscilen Standpunkte.
Das heiligste aller Bücher, die Bibel, hat unstreitig
auch das eigenthümlichste Schicksal von allen erfahren.
Oder ist es etwa nicht ein ganz besonderes Schicksal
dieses Buches, dass seit Jahrtausenden seine Aussprüche
citirt werden einerseits zur Empfehlung alles Guten und
Edelen, zur Förderung friedfertiger, liebevoller Gesin-
nungen, und andererseits zur Erregung von Hass und
Streit, zur Rechtfertigung von Grausamkeiten und Gewalt-
taten aller Art, zur Unterdrückung von Recht und Frei-
heit? Mit der Bibel in der Hand treten die Vorkämpfer
wahren Fortschrittes kühnen Muthes den lichtscheuen
Bestrebungen ihrer Feinde entgegen, und mit dem Hin-
weise auf dieselbe Bibel wird der nur zu oft vom Erfolge
gekrönte Versuch gemacht, jeden Fortschritt zu hemmen,
sich der Einführung gerechter und heilsamer Zustände zu
widersetzen, der Aufrechterhaltung veralteter und ver-
derblicher Einrichtungen Vorschub zu leisten. Wenn wir
den Grund dieser seltsamen Erscheinungen zu erforschen
uns bemühen, so dürften wir ihn — abgesehen von den
Fällen, in welchen Böswilligkeit und Unehrlichkeit einzelne
Verse aus der heiligen Schrift absichtlich ihrem Zusammen-
hange entreisst und ihnen dadurch einen unrichtigen Sinn
unterschiebt — vorzugsweise in dem Umstände finden,
dass man theils aus Unkenntniss, theils aus einer falschen
Pietät viele in der Bibel unter bestimmten Voraussetzun-
gen und für bestimmte Verhältnisse erlassene Vorschriften
und Anordnungen ohne Weiteres auf unsere völlig ver-
änderten, ja oftmals geradezu entgegengesetzten Zustände
anwenden zu können vermeint. Dies gilt in ganz* beson-
ders hohem Grade von allen in das Gebiet der Politik
und des öffentlichen Rechtes einschläglichen Bestimmungen
der heiligen Schrift, und es heisst geradezu die Bibel in
den Augen des Volkes herabwürdigen, wenn man, wie
es noch jetzt in den meisten Staaten Europas von clercialer
88 Ueber die Abschaffung der Todesstrafe
o
Seite geschieht, mit Bibelversen die Nothweifdigkeit oder
Schädlichkeit einer politischen Massregel zu beweisen
sucht. Es trägt sicherlich nicht zur Hebung des Ansehens
der Bibel bei, wenn man beispielsweise eine nach den
heutigen Anschauungen völlig erlaubte Opposition gegen
die Regierung eines Landes , oder eine Kritik ihrer Mass-
nahmen durch den Hinweis auf die heilige Schrift, welche
Gehorsam gegen die Staatsbehörden lehre, als gottlos
und sündhaft darstellt, und diejenigen, welche so eifrige
Klage führen über den Mangel an Religiosität, der unserer
Zeit anhaftet, sind oftmals nicht frei zu sprechen von dem
Vorwurfe, durch allzu grossen Eifer für die Religion, durch
willkürliche Erweiterung der Grenzen der Religion, zum
Verfalle derselben wesentlich beigetragen zu haben. Wir
sind nicht gewillt, an dieser Stelle das Thema über die
Grenzen der Religion und Politik erschöpfend zu behan-
deln, wollen aber an einem eclatanten Beispiele, der
Frage über Abschaffung oder Beibehaltung der Todes-
strafe, nachzuweisen versuchen, dass ohne grosse Vor-
sicht und vor Allem ohne genaue Kenntniss der biblischen
Institutionen das Hineinziehen religiöser Momente in die
Tagesfragen zu Unzuträglichkeiten, zu falschen, dem
Geiste der Bibel direct widersprechenden Schlüssen führt.
Eclatant nennen wir dieses Beispiel, weil es auf den
ersten Blick den Anschein hat, dass in dieser Frage —
wir sprechen nur von der auf Mord gesetzten Todesstrafe
— die Zeitumstände Nichts geändert hätten und daher die
biblische Vorschrift und Auffassung hierbei noch völlig
massgebend wäre. Der Mörder steht zu der menschlichen
Gesellschaft noch heute in demselben feindlichen Verhält-
nisse wie zur Zeit der mosaischen Gesetzgebung; warum
sollte ihn nun nicht auch die Strafe treffen, die nach dem
geoffenbarten Gesetze auf sein Verbrechen gesetzt ist?
Diese mit einem gewissen Anschein von Berechtigung
ausgesprochene Ansicht hören wir nicht nur aus dem
Munde von Theologen, auch Juristen neigen sich derselben
zu, und ein neuerer Criminalist — Professor Hälschner
in Bonn — hat unumwunden erklärt, dass über die Recht-
mässigkeit der Todesstrafe ein genügendes Urtheil vom
vom mosaisch - talmudischen Standpunkte. 89
Standpunkte der Rechtswissenschaft und Rechtsphilosophie
überhaupt nicht gefallt werden könne; das könne vielmehr
nur geschehen, nachdem zuvor mehrere theologische
Vorfragen erörtert seien. Wir theilen diese Ansicht nun
ganz und gar nicht, sind vielmehr der Meinung, dass die
Lösung dieser wichtigen Frage nicht unbeträchtlich er-
schwert, dass der einzig richtige Standpunkt, von dem
diese Frage behandelt werden muss, nämlich der Stand-
punkt des Rechtes, der Zweckmässigkeit und der Huma-
nität verrückt wird, wenn man das Material zur Beant-
wortung derselben aus den in der Bibel speziell für den
jüdischen Staat erlassenen Rechtsvorschriften entlehnt.
Wenn man der Religion eine entscheidende Stimme bei
der Lösung von Rechtsfragen einräumen will, so muss
man jedenfalls die besonderen Verhältnisse in's Auge
fassen, welche für die biblischen Anordnungen massgebend
gewesen, darf aber keineswegs sclavisch den Buchstaben
der heiligen Schrift allein befragen. Ist es nun in der
That schon ausgemacht, dass, von religiösem Standpunkte
beurtheilt, die Frage über die Beibehaltung oder die Ab-
schaffung der Todesstrafe nothwendig im Sinne derer
beantwortet werden muss, welche der Aufhebung der
Todesstrafe sich feindlich entgegenstellen? Es leuchtet
ein, dass der kurze Wortlaut der heiligen Schrift uns
nicht in den Stand setzen kann, hierüber ein richtiges
Urtheil abzugeben, dass wir vielmehr die praktische An-
wendung, welche das biblische Gebot gefunden, die Art und
Weise, wie es zur Ausführung gebracht wurde, und endlich
die besonderen Verhältnisse berücksichtigen müssen, für
die es gegeben ist. Aufachluss hierüber können uns nur
der Talmud und die rabbinischen Schriften geben, die
das Strafrecht der Juden behandeln, und wir lassen des-
halb die. wichtigsten Bestimmungen über die Anwendung
der Todesstrafe nach talmudischen Grundsätzen1) hier
folgen.
') Nach „Frank ei, Der gerichtliche Beweis^.
90 Ueber die Abschaffung der Todesstrafe
Auf vorsätzlichen Mord stand als gesetzliche Strafe
der Tod, keine Zufluchtsstätte war dem absichtlichen
Mörder gewährt, ja selbst der Altar des Herrn bot ihm
keine Freistätte. Aber zur Verhütung von Justizmorden
hatte die Schrift die ausdrückliche Bestimmung erlassen,
dass die Todesstrafe nur dann zu erkennen sei, wenn
zwei Augenzeugen alle wesentlichen Momente der That
mit angesehen hatten und den Verbrecher bestimmt re-
cognoscirten. Ausserdem hat die Bibel an verschiedenen
Stellen2) es den Richtern an's Herz gelegt, ein sehr
strenges Zeugenverhör vorzunehmen, sodann die falsche
Zeugenaussage mit derselben Strafe geahndet, die auf das
bezeugte Verbrechen gesetzt war, und endlich den Zeugen
aufgegeben , bei der Hinrichtung zugegen zu sein und das
Urtheil vollstrecken zu helfen. Nebenbei erwähnen wir
noch, um falschen Anschauungen und Vorurtheilen entge-
genzutreten, dass von einer grausamen Hinrichtung in der
Bibel nirgends die Rede ist, dass qualificirte Todesstrafen,
langsame, martervolle Executionen nicht gestattet waren,
dass eine Verstümmelung der Leiche, ja, eine längere
Zurschaustellung derselben als eine Entwürdigung des im
Ebenbilde Gottes erschaffenen Menschen betrachtet wurde,
und dass auch der Verbrecher als unser Bruder angesehen
werden sollte. — Standesunterschiede gab es im Juden-
thume nicht, ein Recht galt für alle, kein Amt und
keine Würde schützte den Verbrecher, rechtlos war Nie-
mand, auch der Sclave nicht, und der an einem Sclaven
verübte Mord zog ebenso die Todesstrafe nach sich, wie
die Ermordung eines freien Mannes.
Aus dem bisher Gesagten erhellt zur Genüge, dass
eine stricte Befolgung der Vorschriften der heiligen Schrift
die praktische Anwendung der Todesstrafe auf die aller-
seltensten Fälle reduciren musste; das Verbrechen schleicht
im Dunkeln, die Gegenwart von Zeugen lässt den ver-
brecherischen Gedanken nicht zur Ausführung kommen,
») Deuter. 17, 7. 19, 19.
vom mosaisch -talmudischen Standpunkte. $5
nicht direct antasten wollte. Hätte man Gefängnisse wie
die unsrigen gehabt, in denen der Verbrecher unbeschadet
der öffentlichen Sicherheit sein Leben zubringen und sich
noch nützlich machen kann, so hätte man unbedingt die
durch Indicien überführten Mörder in denselben ihre
Strafe verbüssen lassen, ja, wir gehen noch einen Schritt
weiter, wir halten es für sehr fraglich, ob die heilige
Schrift bei ihrer Abneigung gegen die Todesstrafe über-
haupt eine Hinrichtung vorgeschrieben halte, wenn eine
anderweitige Unschädlichmachung des Mörders und zu-
gleick eine Befriedigung des öffentlichen Rechtsbewusstseins
zu erzielen gewesen wäre. Es zwingt uns wenigstens
Nichts, diese Frage ohne Weiteres zu bejahen; die den
Richtern so häufig anempfohlene Vorsicht bei der Sprechung
eines Todesurtheils und die Verseltsamung der Todes-
strafe bieten weit eher Anlass, die Frage im entgegen-
gesetzten Sinne zu beantworten. Wir finden ja in der
Bibel mehrere Rechts- Vorschriften, die nur durch die
Rücksicht auf die damaligen Zustände zu erklären sind.
So wird z. B. Niemand, der in den Geist der heiligen
Schrift eingedrungen ist, bestreiten können, dass sie der
Sclaverei abhold ist, dass sie .die persönliche Freiheit als
ein hohes, unschätzbares Gut auflfasst, dass sie das Auf-
geben der Freiheit missbilligt1), und dieselbe einem An-
deren gewaltsam zu rauben, als ein todeswürdiges Ver-
brechen ansieht. Und dennoch hebt sie in Anbetracht
der Zeitverhältnisse die Sclaverei nicht völlig auf, begnügt
sich vielmehr damit, das Loos der Sclaven zu mildern,
ihr Leben, ihre körperliche und geistige Wohlfahrt zu
schützen , die Zeit ihrer Knechtschaft zu beschränken und
vielfache Anordnungen zu ihren Gunsten zu treffen. Eine
ähnliche Beurtheilung, scheint uns, lassen die so sehr
verclausulirten und eingeschränkten Bestimmungen hin-
sichtlich der Todesstrafe zu, und wer sich aus religiösen
Gründen der Abschaffung der Todesstrafe widersetzt, ver-
kennt den humanen, Liebe athmenden Geist der Schrift
') Exodus 21, 6.
96 Ueber die Abschaffung der Todesstrafe
^
ebenso sehr wie einige fanatische christliche und jüdische
Geistliche in Amerika, die noch vor wenig Jahren znm
Gelächter der ganzen gebildeten Welt die Abschaffung
der SclaTerei ans religiösen Gründen fttr unzulässig er-
klärten.
Zum Schluss wollen wir — da wir ja nicht die Absicht
haben , alle juristischen und politischen Gründe Air oder
wider die Todesstrafe hier auseinanderzusetzen, uns viel-
mehr darauf beschränken,, die Frage Ober die Abschaffung
der Todesstrafe lediglich vom Standpunkte des mosaisch-
talmudischen Rechtes zu besprechen — noch auf einige
Umstände hinweisen, welche die Vollstreckung der Todes-
strafe in heutiger Zeit viel barbarischer und ungerechter
erscheinen lassen, als es im jüdischen Staate der Fall
war. Nach dem jodischen Criminalrechte wurde der
Mörder, wenn die Zeugen vernommen waren und die
Schuld des Angeklagten hinlänglich dargethan hatten, als-
bald verurtheilt, und das Crtheil in der kürzesten Zeit
vollstreckt Man ersparte dem Verbrecher eine längere
Beraubung seiner Freiheit, man ersparte ihm all die un-
säglichen Qualen und Marter, welche ihm die Gewissheit,
seines Schicksals verbunden mit. der Verzögerung der
Hinrichtung nothwendig bereiten müssen, man befolgte
aufs Strengste den Grundsatz, dass der Tod genügende
Strafe für das begangene Verbrechen sei, dass die ge-
waltsame Hinrichtung vollständige Sühne für das Unrecht,
gewähre, dass es zur Befriedigung des Rechtsbewusstseins
hinreiche, den Verbrecher aus der Welt zu schaffen. In
jetziger Zeit hingegen hat der Mörder zuerst eine lange
Untersuchungshaft auszuhallen, bis die Anklage zur Ab-
urtheilung durch die Geschworenen reif befunden wird,
nach Verkündigung des Urtheils. das ihm das Leben ab-
spricht, vergehen wiederum mehrere Wochen, bis das
Urlheil rechtskräftig geworden, sodann unterliegt es der
Bestätigung von Seiten des Staatsoberhauptes, die oftmals
erst nach Jahresfrist erfolgt Ein kleiner Formfehler fährt
nicht selten die Vernichtung des Urtheils herbei, und mit
dem Verbrecher wird noch einmal das ganze weitläufige
Verfahren von Neuem begonnen, noch einmal erwacht
vom mosaisch - talmudischen Standpunkte. 97
in ihm die Hoffnung auf das Leben, noch einmal wird
seine Hoffnung getäuscht, und nach mehrjährigem Kerker
wird ihm endlich das Glück zuTheil, sein Haupt auf den
Block legen zu djirfen und sein Verbrechen zu' sühnen.
Wahrlich] alle Folter- und Marterwerkzeuge, mit denen
man in früheren Jahrhunderten den Verbrecher peinigte,
die grausamsten qualificirten Todesstrafen, sie verlieren
das Schrecklicht, das ihnen anhaftete, wenn man an die
Qualen denkt, die den Mörder in dem gegenwärtigen
civilisirten Zeitalter erwarten. Kein Verbrecher, und
wäre er der verruchteste Bösewicht, hat durch seine That
eine solche entsetzliche Peinigung verdient; die Todes-
strafe, in dieser Weise zur Anwendung gebracht, verliert
ganz den Charakter einer Strafe und nimmt den dsr
Rache und Wiedervergeltung an.
Vom religiösen Standpunkte kann man daher der
Aufrechterhaltung der Todesstrafe keineswegs Vorschub
leisten , es sei denn , dass man dem Buchstaben der Schrift
zu Liebe ihren Geist zu verleugnen sich nicht scheut. Wer
es aber als seine Aufgabe erkennt, religiöse Belehrung dem
Volke zu ertheilen, humane Gesinnuugen zu verbreiten,
die Sitten zu mildern und Unrecht zu verhüten — der
suche den Theil des Volkes, der an Bluturtheilen noch
Gefallen findet, der die Hinrichtung des Mörders für not-
wendig erachtet zur Sühne des Unrechts, über die vielen
Unzuträglichkeiten und Ungerechtigkeiten aufzuklären,
welche die Aufrechthaltung der Todesstrafe nach sich
zieht, der suche den Vorkämpfern des Fortschrittes die
Wege zu bahnen und sein Scherflein beizutragen zur
Abschaffung eines Gesetzes, das in der Vergangenheit
nothwendig gewesen, in der Gegenwart aber schäd-
lich ist.
Frank el Monatsschrift XVn. 3. Q
o
98 Die Commentarien des Ephraem Syrus im Verhältniss
Sie Commentarien des Ephraem Syrus im Verhaltniss
zur jüdischen Exegese.
Ein Beitrag zur Geschichte der Exegese.
Von Dr. D. Gerson.
(Fortsetzung.)
Das Opfer Abels wurde wohlgefällig aufgenommen (Gen. 4, 4),
und das verdross Kain; dieser muss also die Bevorzugung seines
Bruders offenbar gesehen haben. Daher nahm Ephr. überein-
stimmend mit der Hagada an, ein Feuer sei vor den Augen
Kains vom Himmel herabgefahren und habe das Opfer Abels
verzehrt (ppp. I p. 40 F cf. 143 D : o£oj Ä&>jo jfaf IäLJo TtfN HTV
inrUÖ ron^ hei Raschi a. 1.). Diese Erklärung gewinnt an
Wahrscheinlichkeit durch die Vergleichung mit Lev. 9, 24 und
1 Regg. 18, 33 und wird auch von Theodotion (durch ivsnvQi^s)
Hieronymus (1. 1. A. III p. 133 D) und den meisten jüdischen
Exegeten gegeben.
Dass Kenaan von Noah verflucht wird, (Gen. 9, 25) obgleich
sein Vater. Harn sich vergangen hatte (ibid. 22) erklärt Ephr.
aus zwei Gründen, welche beide auch von der Hagada angegeben
werden.. „Einige sagen, weil Harn gesegnet worden war mit
denen, welche in die Arche gingen und wieder herausgingen,
deswegen' verfluchte er nicht ihn selbst . . . Andere hingegen
sagen: Da es in der Schrift heisst, Noah sah, was ihm sein
kleiner Sohn gethan hatte, so ist klar, dass es nicht Harn war;
denn Harn war der mittelste und nicht der jüngste, also sagen
sie „sein kleiner Sohn" beziehe sich auf Kenaan (p. 56 — 57 cf.
154 D und III 682 E) v. Gen. R. c. 36: QV^N ya*) 3YOV ^iv
. imd -im ittwi ^Eb ro-n cipnn rbbp pw r» nw n: n«
urb -rom mtn ]md. n&N n wo tm\ .
Die Ursache der Vertreibung Hagars giebt Ephraem also an:
„Nachdem Isaak beschnitten und entwöhnt worden war, sah
Sara den Ismael spotten am Tage des grossen Gastmahles,
das Abraham bei der Entwöhnung Isaaks gemacht hatte. Da
nun .Sara sah, dass Ismael ganz nach der Art seiner Mutter
schlug und ihren Sohn verspottete, wie Hagar sie selbst gering
zur jüdischen Exegese. 99
geachtet hatte und sie auch befürchten musste , dass nach ihrem
Tode Ismael nicht mit Isaak das väterliche Erbe th eilen, sondern
für sich als Erstgeborenen zwei Theile beanspruchen wurde,
so vertrieb sie Hagar" (75 D). In gleicherweise hebt auch die
Hagada, um diese lieblose That der Patriarchin zu rechtfertigen
oder wenigstens zu mildern, die übertriebenen Erbansprüche
Ismaels hervor und bringt die Vertreibung Hagars mit dem
Gastmahle in unmittelbare Verbindung, v. Gen. R. 53; cf. Hieron.
Quaest. 1. 1. p. 139 A: sive quod idola lutro fecerit . . . sive
quod adversum Isaac quasi majoris aetatis joco sibi et ludo
primogenita vendicaret.
Gen. 42, 24. Den Simeon behielt Joseph bei sich zurück,
weil dieser sich 'besonders grausam gegen ihn benommen hatte,
als er gebunden und verkauft wurde (96 B). Dass dies gerade
Simeon gewesen, weiss nur die Hagada, indem sie es in der
defectiven Schreibart des Wortes innp^ (Gen. 37, 24) angedeutet
findet; v. Gen. c. 84, Jonathan, Tanch. und Jalk. a. 1.
Nach Art des Midrasch liebt es auch Ephraem, wo die
Bibel ein Ereigniss einmal erwähnt, die öftere Wiederholung
desselben anzumerken und im Einzelnen durchzuführen. Hierher
gehört z. B. dass er zu Gen. 22, 1 (Gott versuchte den Abraham)
die 10 Versuchungen Abrahams aufzählt, nämlich: Gen. 12, 1
und 15; 13, 7 5 14, 23; 15, 6; 21, 10; 17, 11; 20, 12; 22, 2 und 24,
3 (p. 172 E; die talmudischen und midraschischen Angaben
hierüber s. vollständig bei Beer Leben Abr. S. 190 ff.). Ebenso
fasst Ephr. Num. 14, 22: „Sie versuchten mich schon zehn Mal"
nicht als biblische Redeweise für eine öftere Wiederholung,
sondern zählt die 10 Versuchungen auf, nämlich nach i/> 106 V.
7, 14, 16, 19, 24, 28, 32, 35 sq., 37 und 43 (p. 255 D), womit im
Wesentlichen übereinstimmt Erachin 15 a: YQ2 '2 0*M 'D G^D '3
hW2 'K Tbufo '2, d. i. nach dem Texte: Exod. 14,11,30; 15,23;
16, 2, 20; 17, 2, 32; Num. 11, 1, 4 und 14, 2, cf. Aboth di R. Na-
than c. 4r und Maimonides Comm. zu Aboth c. V.
Wenn bisher in der Exegese Ephraem seine so weitgreifende
Uebereinstimmung mit der jüdischen zu Tage getreten ist, so
lässt sich seine Abhängigkeit vom Midrasch dadurch zur völligen
Gewissheit erheben, dass er sogar halachische Erklärungen in
seine Commentarien aufgenommen hat.
8*
100 Die Commentarien des Ephraem Syrus im Verhältniss
Inwiefern es nämlich der hagadischen Exegese um religiöse
Belehrung zu thun ist, streift sie auch oft auf das Gebiet der
Halacha über, um eine gesetzliche Bestimmung, die sich im
Volke längst eingelebt hat, im Schriftworte angedeutet zu finden,
z. B. die Institution des Mincha - Gebetes in Gen. 24, 68 TVNfcj
~ T
welches Wort die Pesch. durch ^^ (um zu gehen) die LXX
durcli adoteaxficcu wiedergibt, während die Tradition es von rpfr
(i/> 102, 1) ableitet und durch „um zu beten" erklärt (daher Onk.
rtobüb cf. Berachoth 26 b und Chulin 91 b). Ephr. bemerkt zu
dieser Stelle, nachdem er den Wortlaut der Pesch. angeführt
hat: „d. h. um zu beten (a^x£); denn für „um zu gehen" sagt
der Hebräer „um zu beten"" (p. 173 A: a2&tO#L} ~oj y^«gK~
)P*,^y y&ftj a&d£). Dieser Sinn liegt aber in dem hebräischen
Ausdrucke nur dann, wenn man die traditionelle Exegese gelten
lässt. Diese muss also Ephr. offenbar erfahren haben ; denn hätte
er seine Erklärung unmittelbar aus dem Hebräischen geschöpft,
so hätte er das hebräische Wort selbst angeführt und auch nicht
psM,f (eig. tradidit), sondern c*.ho gesagt, also etwa: .»oj *sk~
)??-\?-n ou&a T\wb Q^opdLj1). Auch Hier. Quaest a. I. (1. 1. p.
140 G) erwähnt hier die jüdische Tradition, und ebenso lassen
sich mehrere Beispiele anfuhren , wo Ephraem stillschweigend
die jüdische Tradition aufnimmt, während Hieronymus sich aus-
drucklich auf Mittheilung der Juden (aiunt v. tradunt Hebraei)
beruft»).
>) Ueberdiess wird später bewiesen werden, dass Ephr. vom he-
bräischen Texte keine Eenntniss gehabt hat
*) V. Ephr. I p. 78 B zn Gen. 24, 2 „er beschwur ihm beim Bande
der Beschneidung". (Jooj ojJxf) ojl^ou? r? °°J ffifl^ cf- 104 C zu
Gen. 47, 29) vgl. Hieron. 1. 1. 140 D: Tradunt Hebraei quod in
sanctificatione ejus i. e. in circumcisione juraverit; cf, Jonathan a. 1.
und Schebuoth 35b. — Vgl. ferner die Entschuldigung, die Hieron.
für die That der Töchter Lots anführt (1. 1. 138 eo quod putaverint
defecisse humanuni genus) mit Ephr. p. 72 B and Gen. R. c. 51 and
Ephraems Erklärung zu Gen. 19, 12 (p. 71 D und 73 D) mit Gen. R.
c. 50: HWHM 'Dl niDTIN '3 b m niJ3'T und Hieron. 1. 1. p. 138 F
Nonnulli arbitrantur, illas quae viros habuerunt, in Sodomis reman-
sisse et eas exiisse cum patre, quae virgines fuerunt, quod cum
scriptura non dicat etc.
zur judischen Exegese. 101
Die halachische Schrifterklärung finden wir bei Ephraem
auch an folgender Stelle. Exod. 23, 18 erklärt er: „Entweder
ist dies jenes Gebot, es soll bei ihnen beim Schlachten des
Lammes kein Sauerteig gefunden werden (Exod. 12, 19), oder
sie sollen die Opfer nicht vermischen und das Blut eines anderen
Opfers zu dem ersten hinzubringen, das geschlachtet ist und
auf dem Altare liegt" (p. 222 C: h^J >po£> ^oftju 0; -oj *oj o)
jLxyo >fci f**\~h J»? >$uacDJO jJc& ^K^\*m fij oj . );x>J? 0^02
J*l^*x> ^ Jxvcdo jLcojf); cf. Mechiltha Mischpatim c.20: Enttfn fc«6
nrpai *6n ^ pa ^kumt» >an nan o"p pn pmn nocn nx
■»nat ci y#n p^ö npni; cf. Pesachim 63 a: «nny ny a^n wk
mya i&p «nnp -ijn man ua» nn«^ w p-mbi tonrc6 pnn.
Die zweite Erklärung Ephraems geht aus Pesach. 65a fin. hervor. (?)
Als fernere Belegstellen für das Vorkommen halachischer
Exegese bei Ephraem mögen noch folgende Beispiele dienen.
Lev. 16, 16 erklärt er: „Er soll sühnen die Unreinheiten
des Volkes, das oft mit Wissen oder ohne Wissen (in das
Heiligthum) hineingegangen, während es nicht reiß war von
Allem, wovrn das Gesetz ihnen befohlen sich rein zu halten"
^39 JJ p O^ CLX jtsX^ JJjO IkXftS ^JOJ JäDJ J2QX} Oflojx^ ^ jtSiLiJ
ouatAxb. Jcdoxu vpjf fOaj ^3 ^ p. 244 D); cf. Torat Coh. a. 1. ^y
cnaen i>a^ w *poa crfc jnu «h rwöioa impöb pwan
nNöiea -ptaa pwan *)» dtwwdöi • nw »vi natom; cf.
Lev. 24, 11 ist von einem Manne die Rede, der den Namen
Gottes lästerte. Die Rabbinen fanden in dieser Stelle, indem
sie das hebr. 3p*l in der Bedeutung „bestimmt und deutlich
aussprechen" (cf. Gen. 30, 28) erklärten, eine Begründung des
Verbotes, den Gottesnamen (Tetragrammaton ttTflÖDn Cttf P*
jm>v& v. Barhebraeus Comm. in Ps. 8, 2 D. M. G. Z. IV, 199)
auszusprechen, v. Synhedrin 56a und Tor. Coh. a. 1. Qttfn nN
UTOBbn ÜW m. Onk. a. 1. NQtf ni ty'np% Ephr. 249 B j&>Jx*
CQ~0 w-, JO^JJ QJOf.
? J
Num. 25, 7 erklärt Ephraem: Pinehas sagte zu den Midja-
nitern : gehet hinein und saget ihr, Pinehas will hineinkommen.
Als Simri das hörte, freute er sich, da er glaubte, die ganze
Gemeinde treibe Buhlerei. Da ging Pinehas hinein, durchbohrte
sie und kam heraus, indem er sie auf seiner Schulter trug.
102 Die Commentarien des Ephraem Syrus im Verhältniss
Deswegen bekommt der Priester das Schulterstück und den
Schenkel (266 C). Vgl. Synh. 82b und Num. R. c. 20, woselbst
die Erzählung ebenso drastisch durchgeführt ist, und zu dem
letzten Passus Chulin 134b -fl» yntH DnfcW W nniön W7TI
'Dl 1T3 HÖH np^ 1ÖW WH pl Tn; cf. Sifri zu Deut. 18, 3
§ 165.
Eine besonders frappante Parallele endlich findet in den
midrascbischen Quellen die ausführliche Erklärung Ephraems
über das Vergehen des Nadab und Abihu, von denen kurz er-
zählt wird , sie hätten ein ungehöriges, von Got,t nicht befohlenes
Rauchopfer dargebracht (Lev. 10, 1). Inwiefern sie nun den
Tod verschuldet, suchte schon der Uebersetzer der Pesch. zu
rechtfertigen , indem er nach Jk-v^oj JVqj die Worte o^op JJj ein-
schaltete „nicht zur gehörigen Zeit", da Rauchopfer nur an je-
dem Morgen und Abend von Ahron dargebracht werden sollten
(v. Exod. 30, 7). Mit dieser Erklärung begnügt sich jedoch
Ephraem nicht, sondern führt, nachdem er zwei Ansichten
widerlegt hat, noch vier andere Gründe an (249 E sq,) und zwar
völlig übereinstimmend mit den jüdischen Quellen1). Man ver-
gleiche die Worte Ephraems: „Nicht, weil das Feuer erlosch,
wie Einige sagen, auch nicht, weil sie von Wein berauscht
waren, wie andere sagen toj". . . o;»J* ^juJj ^f AÜi? Jtajj ^j dL
. . . o;X)J Jja*»J; T) oooj ^o? )^ko äo! mit Jalkut § 524 : )$TW p3
bwmw oiK ~\b w *n niDK ruw rm» vb) ivxnpn bj nyw ,
GMrnpn wy mh idmji mt w* *te: im twt «bn bwnn
Lev. R. c. 12 und Jalk. 1. c. 1DJM0 *6« pH« 5w V» TIÖ «^
pi ^nttff „sondern", fährt Ephr. fort, „aus vielen Gründen, wie
die Schrift andeutet. Erstens, weil sie fremdes Feuer brachten
zu dem, das damals vom Himmel herabfuhr und ihr Opfer ver-
zehrte", cf. Jalk. i. c. bv ronbi arm nwö mv rrcnn wn
H^iyn HN rotön „zweitens, weil sie Moses und Ahron gering
achteten und Specereien brachten, ohne dass sie von ihnen Er-
laubniss erhalten hatten", cf. Tor. Coh. a. 1. und Jalk. 1. c. tÖ
T21 ntP&2 D^Di> „drittens, „weil sie die Ordnung ihres Dienstes
l) Auf diese Parallele legt auch Herr Dr. Graetz besonderes Ge-
wicht, s. Monatsschr. 1854 6. 319.
zur j üdischen Exegese. 103
störten und zur ungehörigen Zeit Specereien brachten". Diese
Ansicht, der auch die Pesch. folgt, wird in den angeführten
Quellen auf R. Ismael zurückgeführt HTO tte'MlD^n „und
endlich viertens, weil sie in das Allerheiligste, eintraten, wohin
selbst ihr Vater Ahron nur einmal iui Jahre kbmuiefvdurfte"1);
cf. Tor. Coh. a. 1. und Jalk. 1. c. Q^xb) ^üb 1M32W bV-
Um das Verhältniss Ephraems zur Hagada auch nach einer
anderen Seite zu charakterisiren , heben wir auch einige von
seinen chronologischen Bemerkungen heraus.' "Zur Schöpfungs-
geschichte bemerkt er, die Welt sei im Nisan geschaffen wor-
den (9 A), die Sonne habe bereits am ersten Tage als feuriger
überall verbreiteter Lichtkörper, etwa wie die Wolkensäule in
der Wüste , die Welt erhellt (9 B, cf. 123 E), sei aber erst am
vierten Tage zugleich mit dem Monde am Himmel befestigt
worden. Damit nun der Unterschied des Sonnen*' lind Mond-
jahres ausgeglichen würde, habe der Mond seine Bahn mit dem
dritten Viertel begonnen, als die Sonne den vierten* er selbst
den fünfzehnten Tag zählte, wodurch denn auch #4s Geschlecht
Adams die Differenz von 11 Tagen zwischen dem Sonnen- und
Mondjahre lernen konnte (17 E). Dehn nicht die Ctialdäer haben
die Zeitrechnung erfunden, sie war vielmehr schon (lern Adam
und seinen Nachkommen bekannt, und man kannte' sie zur Zeit
der Sintfluth so genau, dass man die Daue*r derselben gerade
auf 365 Tage, vom 17. Ijar bis zum 27. des folgenden Jahres
(nach Gen. 5, 14 rf ooji} ^Ujr jl^oo), also auf ein volles Sonnen-
jahr oder ein Mondjahr und 11 Tage angeben konnte (53 F 152 A),
Vgl. Gen. R. c. 38: Wirb DT» fQ *6k Ißmb K"1p *p» m *6
tot *6k p«n mm wn t&nnb üv t"M b"n höVpan mm
*) u«j) \^ JLvdoj |taj c*aJ? ^ \^ . poV J^ÄÖJ r ) )£tQx> \^i> JJ)
p POOD3 dsjjo NpiojDo JjlqxL q£jl} ^.JLuj . \*A^ op ,^opyoj &o)o
{»CDS CkxJO ^OfJb*»fci} JllQft. CK^\^? &JLj . <VmT> JJ JICUGQ320 >pOM»
o^ Jaoj >&Ji )fcajo l^j JUjJ . Jxil j*aj ^ q^ ckxj \ij2»)j . ^pop^o 0;
104 Die Commentarien des Ephraem Syrus im Verhältniss
ruaSl bV C*W n^nn PTDTO UV l*1; cf. Bosch hasch. IIb Pirke
di R. Elieser c. 8 und B. d. Jub. 1. 1. II S. 240 und 246 1>.
Eine gute chronologische Bemerkung macht Ephr. zu Exod.
12, 40. Die '430 Jahre seien nicht von dem Zuge Jakobs und
seiner Ffctiilie nach Egypten zu rechnen, sondern von dem
Bündnisse, das Gott mit Abraham geschlossen hat (214 A, cf.
250 B). Auf dieselbe Weise wird der Widerspruch zwischen
Gen. 1.% 13 und Exod. 12, 40 gelöst Mechiltha Bo c. 14: mrO
iq) oroin "mmr "irw woi rw nw» jdtni uwbv ">öw in«
pnsp Tbu vbv. iy ruw cn&b» ifei nunp» w fl^pn* tjpd
cnron p nna mTMV-
Eine andere chronologische Notiz Ephraems dürfte, wenn
sie auch nicht zur Lösung einer Schwierigkeit geeignet ist, doch
zur Vergleichung mit anderen Angaben von Interesse sein. Von
der Sintfluth bis zu Abraham sagt er (156 B) sind 940 Jahre und
von Adain bis Abraham 3000 Jahre. Diese Angabe stimmt aber
weder mit dem hebräischen oder syrischen Texte, nach welchem
sich nur 1948 J. ergeben , noch auch mit der griechischen Ueber-
setzung überein und ist wahrscheinlich lediglich aus der dog-
matischen Tendenz hervorgegangen, Abraham als die Mitte der
6 Jahrtausende anzunehmen, die von Erschaffung der Welt bis
0 Auch t. Lengerke bemerkt, dass die Ansicht Ephraems, die
Welt sei im Nisan geschaffen worden, von den Talmudisten entlehnt
sei (1. 1. p. 20 sq.). Allein die Uebereinstimmang mit dem Mi drasch
liegt noch mehr in der Art, wie er die Dauer der Sintfluth berechnet.
Zur Annahme der Weltschöpfung im Nisan könnte Ephr. auch wohl
der Text der Pesch. bewogen haben, die Gen. 8, 14 nach rUj ]££oo
den Zusatz- v») oojj hatte, woraus eo ipso folgt, dass der erste Monat
Nisan war. Dass* dieser Zusatz ursprünglich in der Pesch. gestanden
und bereits Ephr. vorgelegen hat, beweisen ähnliche Zusätze, wie
Gen. 4, 8 Ephr. p. 43 D und LXX a. L; Gen. 41, 44 p. 93 B; Lev. 10,
1 p. 239 E; Num. 21, 18 p. 263 C.
*) Diese Erklärung ist zwar schon von der LXX in den Text
aufgenommen worden, was auch der Talmud (Megilla 9a, cf. Me-
chiltha I. c.) ausdrücklich berichtet; allein Ephr. kann hier nicht aus
derselben seine Erklärung hergeholt haben, da er in diesem Falle
nicht verfehlt haben würde, die abweichende Lesart des griech. Textes,
die er sonst bisweilen anführt (vgl. weiter) anzumerken.'
zur jüdischen Exegese. 105
zur Geburt Jesu verflossen sein sollen. Nach der Berechnung
des Hesychius, die sich auf die LXX stützt, soll Phaleg die
Mitte dieser 6 Jahrtausende bezeichnen ; es ist jedoch genügend
erwiesen, dass in der LXX die chronologischen Angaben bei
den Lebensjahren der Patriarchen vor Abraham wegen der er-
wähnten chiliastischen Anschauung gefälscht worden sind1).
«
Es ist also klar, dass weder die Berechnung des Hesychius,
die von dem hebräischen Texte um 1243 J., noch die des Ephr.,
die von demselben um 1052 J. differirt, Anspruch auf Genauig-
keit machen kann.
Viel häufiger als derartige ausführliche Exegesen der bibli-
schen Erzählung hat Ephr. kurze Bemerkungen, die den bibl.
Text entweder einfach paraphrasiren (s. z. B. Gen. Cap. 46 in it.
p. 103 C, cf. Pirke di R. Elieser c. 39), oder gleichsam mit Glos-
semen bereichert wiedergeben, z. B.:
Gen. 4, 7 HNttf D^OFl CK „Wenn du den Bruderhass fahren
lassest, so nehme ich dich wieder auf (&^jo), sonst lagert die
Sünde vor der Thür deines Herzens" (.p&j J&I ^i 143 A). Nach
dieser Auffassung könnte man nNttf (v. NttfJ seil, py) = „Ver-
gebung" nehmen, cf. Onkelos a. 1. ^h pDFIU/?.
Eine fast kühne Bemerkung macht Ephr. über die Gottes-
söhne (Gen. 6, 2). Als Seth, der den wahren Glauben dem Sem
und den späteren Geschlechtern überliefern sollte (1 C), sich von
den Kainiten getrennt hatte, nannten sich seine Nachkommen
nach dem Namen des Herrn, nämlich das gerechte Volk des
Herrn (Gen. 4, 26 p. 47 D)*). Diese Gottessöhne nun») heiratheten
l) S. Frankel Einfluss der paläst. Exeg. S. 71, Graetz in Frankeis
Monatsschr. 1853 S. 432 ff. und Rahmer a. a. 0. S. 21.
_.» » r 9» .0 vr ^ .. *. » .00 . o r ,» ^ ». + r » r 9
*) ;$ c*i2u A-jl Jooi jl'3? Vs^^d . JI;»} Jxuo |'*0M&. *»;& x?güqj
.9 0 .0 + r .o r * r o .0 0 » k *.iw*ip.ä
£;»} Jo-jj pax ^?cuoj Uv& P*^ >pö^ o***oZj K\ö io;.
*) DT&Nn \22 = jSSj (opp. I, p. 49 D) oder )0uo>ö\ jüö (opp. III,
p. 564 E), wie LXX (vidi xov frtov) und Pesch. in ihrer jetzigen Lesart
haben. Dass die erste Lesart in der Pesch. die ursprüngliche und
ächte ist, ergibt sich aus der Vergleichung des Onk., der Gen. 6, 2
H^0TÜT\ "03 übersetzt und des Midrasch Gen. R. c. 21: }}."■& N"ip i"2W"l
NJ^l *02. Aehnliche Stellen, die von Ephr. nach dem echten Texte
der Pesch. citirt werden, während unser heutiger Text -eine nach
der LXX geänderte Lesart aufweist, s. weiter.
106 Die Commentarien des Ephraem Syrus im Verhältnis s
später Töchter der Kainiten, und dieser Verbindung der Se-
thiten mit den Kainiten entstammte das Geschlecht der Riesen
(49 D, 146 B).
Ebenso kann man in Ephraems Erklärung zu Gen. 32, 25
einen kleinen Ansatz zur rationalistischen Exegese finden. Der
Engel, der Jakob erscheint, ist nach ihm entweder eine blosse
Vision Jakobs, damit er Esau gegenüber Muth bekommen sollte,
oder „weil er gelobt hatte, Gott den Zehnten zu geben und ihn
dem Esau gab" (p. 181 B, cf. 87 B, 88 B^ cf. Jeruschalmi a. 1.
xrwvb m&a «Sn ieki n-dj rmra rro» w*6ö wranNi
Indem Ephr. auf diese Weise die biblische Erzählung mit
erklärenden Zusätzen bereichert, stimmt er oft auffallend mit
den jüdischen Paraphrasten überein, z. B. Gen. 49, 7: „Ich will
sie vertheilen'-, „was auch geschah, da der Stamm Levi keinen
Länderbesitz, sondern nur einzelne Städte unter den übrigen
Stämmen hatte und der Stamm Simeon im südlichen und west-
» *
liehen Theile des Stammes Juda (s. Josua 19, 1—9) sein Gebiet
hatte" (187 D), cf. Jonathan a. 1.
Hiermit sind wir bei einem Capitel angelangt, bei welchem
die exegetische Richtung Ephraems am deutlichsten hervortritt;
denn bei der Interpretation dieses prophetischen Stückes zeigt
sich das Schwanken zwischen den verschiedenen exegetischen
Principien in der schroffsten Weise. Abgesehen von den ver-
schiedenen christologischen Beziehungen findet er im Segen
Jakobs theils Rückblicke auf die früheren Schicksale Josephs
und seiner Brüder, theils prophetische Hinweisungen auf die
spätere Geschichte der 12 Stämme. In letzterer Beziehung
nimmt er ebenso wie die Hagada meist die Richterzeit als histo-
rischen Hintergrund der Prophetie an, obgleich er diesen exege-
tischen Faden nicht festhält und auch aus späteren Zeiten histo-
rische Belege für die Erfüllung der Prophezei hung anführt.
V. 14 z. B. bezieht er auf Gideon (p. 109 B), wobei er freilich
übersieht, dass (nach Jud. 6, 15) Gideon aus dem Stamme Ma-
nasse war. Richtiger finden daher Jon. und Jerusch. den Hin-
weis auf denselben in V. 18 ibid.
Zutreffender ist seine Erklärung zu V. 16 sq. „Das ist Sim-
son, der Israel 40 Jahre regierte" (109 D). Ebenso Onkelos a. 1.,
zur jüdischen Exegese. 107
cf. Sotah 9b und Hieran. Quaest. in Gen. a. 1. Vollständig ist
die Parallele durchgeführt Gen. R. c. 98.
V. 19 paraphrasirt Ephr.: „Gad zieht an der Spitze der
Stämme nach Palästina und führt den Nachtrab hinter sich, so
wie die Ferse dem Haupte folgt" (HOC, cf. 188 B). Vgl. On-
kelos a. 1.
V. 21. „Naphthali etc. das ist Barak, der. frohe Botschaft
schickte Allen, die vor der Macht und Stärke Sisrahs geflohen
waren" (110 D). Vgl. Gen. R. 1. c. -)Wni HfctW JTW IT "IDltf
mm.
V. 27 bezieht er an einer Stelle auf den Apostel Paulus
(114C), an einer anderen auf die Besiegung der Inder, Sanhe-
ribs und Gog's durch Benjamin (sie! p. 112 B), ein anderes Mal
wieder auf die Vorgänge in Gibea (Jud. 21 , 21) oder auf Saul
und Amalek (188 D). Vgl. Gen. R. 1. c. Tanchuma und Jalk.
a. i. • • • enotorn rbw ro» wm ck orrorn vpw aw ywxt
*x\ bwtz/ ro uf k*n npan «"i*
Andere Stellen jedoch erklärt er durch Parallelen aus der
Geschichte der Söhne Jakobs, z. B. V7. 9: „Vom Morde der
Thamar und ihrer beiden Kinder hast du dich fern gehalten,
oder: am Morde Joseph's wolltest du dich nicht betheiligen*'
C107D, 187 D), vgl. Gen. R. 1. c. Ebenso bezieht er V 23 auf
die Feindseligkeit der Söhne Jakobs gegen Joseph (HOF, cf.
Onkelos a. 1. u. Gen, R. 1. c).
Denn dass diese Rede, so wie sie vorliegt, von Jakob theils
in Rückblick auf die früheren Vorgänge, theils in prophetischem
Hinblick auf die spätere Zeit gehalten worden, daran wagte
auch die Exegese der Kirchenväter nicht zu rütteln, und wenn
sie auch die historischen Beziehungen auf die Richterzeit im
Allgemeinen richtig erkannten und deuteten, so waren sie doch
weit entfernt von der modernen rationalistischen Exegese, die
wegen dieses auf eine bestimmte Zeit hinweisenden historischen
Hintergrundes gleich bereit ist, auch die Abfassung dieses
Stückes in jene Zeit zu setzen. — Dieser Mangel an kritischer
Schärfe schliesst jedoch nicht aus, dass unter den kurzen exe-
getischen Bemerkungen Ephraems sich einige finden, die auch
von der modernen Exegese aufgenommen zu werden verdienen,
z. B. Gen. 15, 6 „die Bereitwilligkeit', Isaak zu opfern, rechnete
Gott dem Abraham als Verdienst an" (77 D) np-ßf syr. Jjdojj
108 Die Commentarien des Ephraem Syrus im Verhältniss
hat also hier nicht die Bedeutung „Frömmigkeit", sondern
„Verdienst", cf. Onk. a. 1. I3fj? und Deut. 6, 25.
Zu Exod. Cap. 15 bemerkt Ephraem, das Lied sei als Wechsel-
gesang gesungen worden, indem das Volk jeden Vers, den
Moses ihm vortrug, wiederholte (216 B), cf. Exod. R. c. 23
c^n by wnnx nne« *p inw mwo « bv rmnen jtiöw.
Namentlich bemüht sich Ephraem, tropische Ausdrücke der
Bibel sachgemäss zu erklären, und dies thut er zuweilen mit
richtigem Verstandniss und feinem Sprachgefühl, z. B.
Deut. 32, 16: „Er Hess es Honig saugen etc. seil, wegen der
vielen Bienen" (286 E). Besser bezieht Jonathan diese Stelle
auf die Fruchtbarkeit des Landes (NJTTjpp Rttfjn )1fflV p\)lNl
PCS b% V^yyD*!). Hätte Ephr. vom Parallelismus der Vers-
' • • • •
glieder nur eine Ahnung gehabt, so hätte er aus dem zweiten
Hemistichion ersehen müssen, dass im ersten nicht an Bienen-
honig, sondern an Dattelhonig zu denken ist1). Denn den
Schluss des Verses erklärt er ganz richtig: „Oel etc. damit
sind die Oliven bezeichnet, die in dem gesegneten Palästina
auf den Bergen wachsen" (287 A); cf. Sifri a. 1. § 316: pxtn
DTin £« "HS «nöina.
Deut. 32, 32: „Vom Weinstocke Sodoms ist ihr Weinstock,
d. h. sie gleichen den Sodomitern durch ihre Thaten" (287 C),
cf. Sifri a. 1. § 323.
Deut. 33, 3: „Er liebte die Völker: Völker nennt er die
Stämme" (288 C), cf. Onkelos a. 1. WKattfr pJMn *)N»
Deut. 33, 17: „Des Reem Hörner sind seine Iförner, d. h.
so wie kein Joch auf das Reem kommt, so soll Ephraim nicht
unterworfen werden" (289 D)*).
') Falsch erklärt er übrigens auch den Tropus Deut. 33, 17: „Er
gibt den Zehnten mit erstgeborenen Stieren (289 D). Der Sinn ist
vielmehr: Er hat die Würde eines erstgeborenen Stieres. Cf. Gen.
27, 27: „Das gesegnete Feld nennt er das Land des Paradieses, oder
auch Maria, die gesegnete'1 (156 F). Hier ist nicht an das Paradies,
sondern an ein fruchtbares Saatfeld zu denken, vgl. jedoch Gen. R.
c 65 b"ta Niri tan py p noy hd:dj von hw apjr otn dem nj/aa
rm? rvno \n rm.
*) Andere, von richtigem Sprachgefühl zeugende Erklärungen s.
zu Gen. 49, 4 p. 105 F, zu Rum. 21, 7 und 23, 10, ferner zu Deut
zur jüdischen Exegese. 109
III. Ephraems Verhältniss zur Peschito,
dem Urtexte und der griechischen Uebersetzung und
kritischer Werth seiner Exegese.
Die bisherige Beweisführung für die Abhängigkeit Ephraems
von der jüdischen Exegese lässt sich nunmehr als historische
Thatsache feststellen und in ihrer ganzen Tragweite bemessen,
wenn nachgewiesen werden kann, dass er schon vermöge seiner
geringen sprachlichen Vorkenntnisse sich veranlasst sehen musste,
die traditionelle jüdische Exegese in seine Commentarien auf-
zunehmen. Und in der That verräth er in sprachlicher Hinsiebt
bisweilen so wenig kritischen -Sinn, dass er durch den Text
der Pesch. sich zu ganz ungereimten Erklärungen verleiten lässt.
So z. B. nimmt er Jjoqio (Gen. 9, 25, hebr. pn2) = Markt und
folgert daraus, dass damals schon eine Stadt existirt habe, also
mehrere Jahre nach der Sintfluth verflossen waren (56 BJ. Allein
das syr. (00*2» bedeutet in der Sprache des Uebersetzers wie
das chald. KpItPS des Onk. nur den Gegensatz zum Zelte „im
Freien". Aber auch wo die Lesart der Pesch. offenbar falsch
ist, beruhigt sich Ephr. bei derselben und citirt z. B. Gen. 47,
31 Ofl^cL ju( ^ *Ja> „er bückte sich zu Häupten seines Stabes",
wofür es nach dem hebr. und den Targg. ofdo'A heissen muss1).
26, 13; 32, 8; 33 V. 7 und 16, p. 282 E, 286 D, 289 C und 187 F, wie
auch die Erklärung anthropomorphischer Ausdrücke der Bibel, z. B.
Gen. 8, 2 ,,Gott roch etc. d. h. Gott sah die Aufrichtigkeit des Herzens,
mit der Noah das Opfer brachte" (54 D). Vgl. zu Gen. 11, 5 p. 58 E,
zu Gen. 18, 21 p. 69 E und zu Gen. 18, 24 p. 72 A.
') Derselbe Fehler ist übrigens auch in der LXX a. 1. (&ri tö
Sxqov xov Qdßdov avzov), und schon Hieron. (1. 1. III p. 147 F) macht
darauf aufmerksam, dass diese Lesart dem hebr. inadäquat ist, da hier
wie 48, 2 HpD nicht Ht3D gelesen und durch %Uvr\ übersetzt werden
muss. Dass hier die Lesarten von Abschreibern nach Hebr. 11, 21
geändert worden sind, haben Frankel (Vorstudien zu der Septuag.
8. 193 d) und Perles (Melet. Pesch. p. 31), ersterer in Bezug auf die
LXX, letzterer in Bezug auf die Pesch. nachgewiesen.
(Schluss folgt.)
110 Analekten.
A n a 1 e k t e n.
Das Grab der biblischen Esther in Hamadan*).
Als im Anfange dieses Jahrhunderts das Feld des westlichen
Asiens zum erstenmal in neuerer Zeit dem Forschungsgeist
abendländischer Reisenden erschlossen ward, ging man sogleich
daran, jeden Gegenstand aufzusuchen, der vergleichende Geo-
graphen in Stand setzen konnte, die Lagen der merkwürdigsten
Orte, von denen wir in der profanen sowohl als in der heiligen
Geschichte lesen, zu bestimmen. Sir Malcolm, sowie diejenigen,
die ihn auf seinen Gesandtschaftsreisen in Persien begleiteten,
Hessen keinen Stein unumgekehrt, um diesen Zweck zu er-
reichen, und die Nachforschungen Macdonald's, Kinner's und
Anderer waren so erfolgreich , dass im Laufe weniger Jahre der
Schleier gelüftet ward, welcher Hunderte von Jahren über die-
sem Theile der Welt gelegen und europäische Reisende konnten
die Genugthuung gemessen, dem Rückzugswege der Zehntau-
send zu folgen und die Plätze zu betreten, die Zeuge gewesen
von der Gefangenschaft der Kinder Israels.
Unter den andern Lagen, die zum Gegenstand der Nach-
forschung gemacht wurden, war die des Palastes Susan. Der
Aehnlichkeit des Namens wegen, vermuthete man eine Zeitlang,
dass die neueren Ruinen von Sus keine andere sein könnten als
diejenigen der Stadt, welche zur Zeit ihres Glanzes den Triumph
der Esther und die Schmach Hamans gesehen. Als aber neues
Licht auf die Frage geworfen wurde , sah man , dass ein anderer
Ort besseren Anspruch als die Ruinen von Sus darauf hatte,
die Sage „des Palastes" zu sein. Der Sage zufolge bestand in
Hamadan — das identisch ist mit Ekbatana — ein altes Grab,
welches man das Grab der Esther und Mardochai's nannte. Vor
*) Aus Chambers Journal.
Analekten. 111
einigen Wochen nun hatte ich Gelegenheit, dieses Grab zu be-
suchen, und es dürfte den Leser interessiren, zu erfahren, in
welchem Zustand ich es fand. Dass Hamadan eine Stadt des
höchsten Alterthums ist, zeigt der erste Blick. Die alten Baum-
gänge, die sich von der Stadt aus nach allen Richtungen hin
erstrecken, weisen auf das Vorhandensein einer gewissen Menge
Wasser, das in der dürren Ebene nur im Laufe vieler Jahr-
hunderte gesammelt werden konnte. In den Erdhügeln, die man
innerhalb der weiten Reihe der Stadtmauern findet, entdeckt
man von Zeit zu Zeit Gold- und Silbermünzen mit der Inschrift
Alexanders und der Könige, die man als die Vorgänger des
macedonischen Eroberers kennt; Tafeln, die in den malerischen
Thälern des Berges Elokud an den Seiten der Felsen einge-
hauen sind, enthalten Inschriften in der Schrift der altpersischen
Sprache, und endlich gibt es Hunderte von Juden daselbst,
deren genealogische Tafeln beweisen, dass sie von Juden ab-
stammen , die seit vielen Generationen in Hamadan lebten. Einer
dieser ehrwürdigen Abkömmlinge Israels geleitete mich an den
Ort, welcher der Gegenstand der Wallfahrt so Vieler seines
Volkes ist. In der Mitte eines offenen Raumes innerhalb der
Mauern Hamadans steht ein aus Back- und lebendigen Steinen
aufgeführter, gewölbter Bau, in welchen ein schmaler Thürgang
mit einer solid steinernen Treppe führt, die sich auf zwei An-
geln bewegt. Der Wächter des Platzes öffnete diese feste
Schutzwehr und führte uns in einen kleinen äussern Gang,
welcher, da er theilweise unter dem Boden ist, dumpf und
dunkel war; allein wir hielten uns nicht lange daselbst auf, son-
dern traten schnell in die innere Capelle, wo zwei Sarkophage
stehen, welche die der Esther und Mardochai's sind. Die Ca-
pelle ist klein und hat nur so viel Raum, dass man zwischen
den Gräbern hindurch und um dieselben herum gehen und dass
eine Versammlung von 20-30 Personen darin Platz finden kann,
um, wie es von Zeit zu Zeit geschieht, am Schrein der hebräi-
schen Fürstin zu beten, durch welche ihrem Volke die grosse
Wohlthat der Befreiung aus der Gefangenschaft (?) zu Theil
geworden. Die Gräber selbst sind aus geschnitztem Gold —
Wallnussholz, wie ich glaube — und man sagte mir, dass sie
die Asche der Todten, zu deren Andenken sie errichtet worden,
nicht enthielten, sondern dass die Heiligen, deren Namen sie
112 Analekten.
tragen, verrauthlich unter denselben ruhen. Es liegt nichts Un-
wahrscheinliches in der Thatsache, dass die Königin Esther
getrennt von ihrem Gemahl begraben worden, denn noch heutigen
Tages werden die Frauen "der Könige von Persien nicht in den
Capellen begraben, welche der Aufbewahrung der Asche der
Schahs geweiht sind und der Leichnam der Nachfolgerin Waschti's
dürfte aller Wahrscheinlichkeit nach bei ihrem Tode den Hän-
den ihres Volkes übergeben und im Grabe des -Hebräers Mar-
dochai beigesetzt worden seih. Die beiden Gräber sind mit
Inschriften in hebräischer Sprache und die Wände der Capelle
mit den Namen der Pilger bedeckt,- die von fern und nah ge-
kommen, um ihre Andacht an dem Grabe der hebräischen Kö-
nigin zu verrichten.
Ich verliess die Capelle mit dem Eindrucke, dass ich nie
etwas gesehen, was in so hohem Grade die Idee düstersten
Alterthums in mir erweckte. Das persönliche Interesse, welches
sich an den Platz knüpft, hat mehr Reiz als die grossen aber
unbestimmten Erinnerungen, die in der Seele auftauchen bei
dem Gedanken, dass man auf den Ruinen von Babylon oder
inmitten der sculpturirten Paläste von Ninive steht. Mein Füh-
rer wurde, als er sab, welches Interesse der Platz mir einflösste,
endlich mittheilsamer, als er anfangs hatte sein wollen. Er
sagte: noch innerhalb Menschengedenkens sei hier ein Galgen
gestanden, der auf Befehl der weltlichen Behörden von Hama-
dan entfernt worden, und die örtliche wie die jüdische Ueber-
lieferung behaupte, dass dieser Galgen der nämliche gewesen,
an dem der unglückliche Haman den Tod erlitten, welchen er
dem Juden zugedacht, der sich vor dem Feinde des verbannten
jüdischen Volkes nicht demüthigen wollte.
Dergleichen Ueberlieferungen dürften vergleichenden Geo-
graphen zur Rechtfertigung dienen, wenn sie Hamadan die Ehre
zu Theil werden lassen, die Lage zu sein, auf welcher der
Susan- Palast gestanden.
.«._*w/. _
Recensionen und Anzeigen. 113
Receosiooen und Anzeigen.
■no^ra ro^aon rowrra mmou bbv ansio <>p)-p-\ noo
ipw jpd^ö Tjn ruiön wwn p£*6 yp rüWE -p aro
niöbnn nwnouö romn pir^a ™d*ä& nwx Gneon
c^d onD.iD nai nwip:> ninn cy, dib-ü wtq "oran
d"t ncppn neo npjn «ran t aro kiö» roaw nwratt
-na^ nnym , apjn pjn *nö» d^w *nn ctodiöi maoa
nas njhn ^pw o"w Gewann nm ^ ^y «raun n«
.jww^atn i^p^T n&iw m&a wm jro ^kd")
Auch unter dem Titel:
Variae Lectiones in Miscboam et in Talmud ßabylonicum quam
ex aliis libris antiquissimis et scriptis et impressis tum e
Codice Monachensi praestantissiino collectae, annota-
tionibus instructae auctore Raphaelo Rabbinovicz. Pars I.
Tract. Berachoth et totus ordo Serai'm. Monacbi. H. Roesl.
1867.
Der babylonische Talmud, obschon von jeher Gegenstand
des fleissigsten und sorgfältigsten Studiums, theilte dennoch
scbon in früher Zeit das Schicksal aller litter. Werke: er war an
vielen Stellen durch Verschiedenheit der Lesearten und Ab-
schreibefehler entstellt. Die Verschiedenheit der Lesearten war
im Studium des Talmud selbst begründet. Dieses Werk, das
nur an der Hand des Commentators zugänglich, befand sich
lange Zeit ohne Commentar und nur die mündliche Erklärung
öffnete den Weg zu ihm. Aber auf diesem Wege gehet gar
Vieles verloren, die Zeit verlöscht Manches aus dem Gedächt-
niss, Anderes wird zweifelhaft, man weiss sich nicht mehr mit
Genauigkeit das Tradirte zurückzurufen und findet sich an
schwierigen Stellen rathlos. In solcher Verlegenheit nahm
mancher Leser Zuflucht zu Comhinationen; es war bekannt, dass
Vieles durch Abschreiber entstellt war, wollte nun der vorlie-
gende Text keinen Sinn ergeben, so combinirte mancher Leser
eine dem Zusammenhange entsprechende Leseart, die er als
Glossem an den Rand schrieb, zuweilen aber auch die alte
Leseart strich und die combinirte an deren Stelle setzte. Dieses
Franke!, Monatsschrift XVII. 3. 9
114 Recensionen und Anzeigen.
letztere höchst unkritische Verfahren drohete den ursprunglichen
Talmudtext ganz zu verwischen, und es sah sich daher R. Ger-
schom, die Leuchte der Gola (960— 1028), veranlasst, den Bann
gegen die auf solche Weise den Text Verbessernden, eigentlich
Verstümmelnden, auszusprechen. R. Saloino Jizchaki, Raschi
(1040 — 1105), der unübertroffene Commentator des babyl. Talmud,
erwarb sich nicht nur durch seinen Commentar, sondern auch
durch seine Feststellung der Lesearten unvergängliche Verdienste
um den Talmud, wobei er das des eminenten Erklärers und
Kritikers würdige Verfahren einschlug, die vorgefundenen fal-
schen Lesearten nicht zu streichen: er begnügte sich damit, die
von ihm als besser erkannte oder vorgeschlagene Leseart in
seinen Commentar aufzunehmen (vgl. R. Jakob Tarn, Vorrede
zum Sefer Hajaschar). Später wurden jedoch ohne Verschulden
Raschids die alten Lesearten gestrichen und die von Raschi als
besser erkannten an deren Stelle gesetzt, ein Verfahren, das
nicht nur sehr bedauerlich, sondern das auch mitunter die
Worte Raschi's selbst schwer verständlich macht, da an mancher
Stelle nicht abzusehen ist, wogegen Raschi eigen tlick kämpft.
Nur der Traktat Sota macht eine Ausnahme : hier wurden an
den meisten Stellen die alten Lesearten belassen (vgl. Monats-
schrift 1. Jahrg. S. 553).
Vergegenwärtigen wir uns, dass wohl eine geraume Zeit
verstrich, ehe die Codd. nach Raschi verbessert wurden und
die so verbesserten Codd. sich allgemein verbreiteten, erinnern
wir uns, dass die Raschi vorangehenden grossen Lehrer an-
dere Erklärungen und daher andere Lesearten hatten, gedenken
wir ferner, dass manche an den Rand geschriebene Leseart wie
so häufig, in den Text kam, so wird die Thatsache der Ver-
schiedenheit der Lesearten, wie sie sich im Vergleiche unserer
Ausgaben mit den Lesearten alter Autoren und nicht selten
zwischen den früheren Ausgaben selbst herausstellt, das Be-
fremdende verlieren und muss nur umsomehr bedauert werden,
dass in den früheren Ausgaben nicht von den Editoren ange-
geben wurde, nach welchem Manuscript, ob einem französischen
italienischen u. s. w. und aus welchem Jahre die Edition erfolgt
sei. Dass ferner die Manuscripte häufig durch Abschreibefehler
entstellt waren, wurde schon oben bemerkt; in den gedruckten
Ausgaben sind manche Fehler verbessert worden, die aber an
Recensionen und Anzeigen. 115
neu eingeschlichenen einen reichen Ersatz fanden. Diese Mo-
mente zusammen genommen machten schon lange den Wunsch
nach einem Manuscript aus früher Jeit rege, das wie voraus-
zusehen an Lesearten und Textverbesserung wohl reichlichen
Stoff bieten würde. Dieser Wunsch wurde noch lebhafter als
bekannt wurde, dass auf der Konigl. Bibliothek zu München
sich ein vollständiges Talmudmanuscript aus dem 14. Jahrh. be-
finde; der sei. Dr. Beer hat manche sehr beachtenswerthe Va-
rianten aus demselben im 6. Jahrg. dieser Monatsschrift mitge-
theilt. Herr Rabbinowicz hat es in dem Eingangs genannten
Werke unternommen , die Varianten des Münchner Codex mit-
zutheilen und er hat in dem uns vorliegendem ersten Theil, der
die Varianten zu Traktat Berachoth und der Ordnung Serann
bringt (auf dem hebr. Titelblatt ist dieses nicht angegeben, ge-
nauer ist hierin das lateinische Titelblatt und möge Herr R.
aufmerksam gemacht sein, in Zukunft eine Conformität zwischen
den beiden Titeln eintreten zu lassen) sich als einen durch um-
fassende Talmud - Gelehrsamkeit wie durch die sorgfaltigste
Genauigkeit zu diesem Unternehmen ganz passenden'Mann legi-
timirt. Der Herr Verf. ist auch noch weit über die Forderun-
gen hinausgegangen, die die Untersuchung dieses Codex an
ihn stellte: er hat noch drei ändere Manuscripte der Mün-
chener Bibliothek, zwei Manuscripte der Hamburger Bibliothek
und ein Pariser Manuscript, mehrere alte Ausgaben, ferner die
bei den ältesten und alten Autoren angeführten Talmudstellen
verglichen, und den reichsten Stoff zu Emendationen geliefert.
— Doch ehe wir zu den Varianten und Emendationen über-
gehen , wollen wir mit einigen Worten die von dem Verf. voraus-
geschickte Einleitung besprechen, die schon an sich ein treff-
liches Werk und Herrn R. als gelehrten und kritischen Biblio-
graphen documentirt.
Herr R. theilt vorerst mit, wie er bei der Vergleichung
dieses Codex zu Werke gegangen und welche Ausgabe er zu
diesem Zwecke zu Rathe gezogen. Hierauf folgt eine genaue
Beschreibung des Manuscripts, wie viel Seiten es enthält,
wie viele Zeilen jede Seite, die verschiedenen Schriftarten u. s.
w. Sehr bemerkenswerth ist die Aufeinanderfolge der Ord-
nungen und Traktate — niHJDiD G'HID — die von unseren
Ausgaben ganz verschieden und worauf schon Dr. Beer an der
116 Recensionen und Anzeigen.
Ö'
früher gedachten Stelle, die Herr R. nicht gekannt zu haben
scheint, aufmerksam gemacht. Auch ist, wie Beer sagt, „das
erste Blatt rO£IP halb weggerissen und in niD ist ein grosser
Blotlleck" (das. S. 457), Herr R. hat diese Notiz nicht mitge-
theilt. — Der Codex enthält neben deni*babyl. Talmud noch
verschiedene andere Werke, die auch Beer aufzählt; Beer theilt
ferner mit, dass nach der pttfftn rON^Öl Kn^lS e*n hebräisches
Gedicht 2"N i£ Sy folge. Herr R. macht hiervon keine Erwäh-
nung. — Hierauf gehet der Verf. auf die Zeit der Abfassung
des Codex ein. Dieser hat zweimal die Jahreszahl 103 = 1343
der übl. Zeitrechnung; das eine Mal zu Ende der Talmudtrak-
tate, wo der Abschreiber sagt: m^> ITlttfP DTlttQ CTIE^DI
WW ffwb XübW) HNO fW )büD, dann zu Ende der den Trak-
taten folgenden nnDEl D^lTtt VID/ woselbst es heisst: G^nft^DI
new *£*6 wbm n«ö roty raw ttnirfc dt» ntrw nynty^* Allein
auffallend ist, dass an einem gegen das Ende des Codex ge-
brachten Getformulars es heisst: tfflw -}rß ^y fcOrP" KTO t^HD
WW TU bV) und hier ist die Jahreszahl FWfcH FW
PUÖltfl O^W) D^X (1308) angegeben; nun wurden aber
die Juden im J. 1306 aus Frankreich vertrieben und kehrten
erst im J. 1360 zurück, daher sowohl die Angabe tt^ttfl HMD wie
früher angeführt, als FOftttn G^ttfttf im Getformular, unrichtig zu
sein scheinen. Dr. Grätz, Geschichte der Juden 8. Band S. 10
Anmerk. 9 meint, es sei bei der Angabe ttfbttfl HNE das Wort
CP"ltyy ausgefallen, wogegen Herr R. einwendet, dass, da die
Angabe wbw) HWD sich zweimal wiederholt, schwer anzunehmen
sei, dass Ü'HItfy zweimal ausgefallen. Noch unhaltbarer wird
diese Hypothese durch die Jahreszahl des Getformulars D^ttfttfl
rUÖtW dieser Get wurde, wie angegeben wird, geschrieben
in NHÖ ttniD» also Juden in Paris im J. 1308! Herr R. schlägt
daher Folgendes vor, um aus der Verlegenheit zu helfen: dass
der Codex zu Paris geschrieben sei, ergibt sich allein aus dem
Getformular, bei den beiden anderen Stellen, die das Jahr HNO
tl^ttn haben , findet sich keine Ortsangabe. Nun pflegt bei For-
mularen Ort und Zeit fingirt zu werden, die Angabe *)j) W~)&
im Getformular ist daher von keinem Gewicht und besagt durch-
aus nichts über Ort und Zeit der Abfassung des Manuscripts.
Diese Lösung scheint eine recht glückliche. Die Frage nach
dem Orte der Abfassung des Manuscripts ist eine subordinirte :
Recensionen und Anzeigen. 117
Herr R. entscheidet sich aus manchen Gründen für Deutschland
und theilt hierauf geschichtlich mit, wie es nach der Bibliothek
zu München gekommen ist.
Herr R. gibt hierauf die ferner von ihm benützten Manu-
scripte an. Diese enthalten nur einzelne Traktate, manches
nur einen, andere mehrere Traktate y zuweilen neben voll-
standigen Traktaten auch Bruchstücke. Ein Manuscript ist
nach dem Dafürhalten des Herrn R. aus dem 11. Jahrhundert
und enthält Theile aus Traktat Pesachim und ein Bruchstück
aus Traktat Chagiga. — Ein anderes Manuscript wurde nach
der Angabe des Abschreibers zu Gerona J. 4944 = 1184 ge-
schrieben und enthält die drei Traktate 3"2 ft"2 p"D* Diese
beiden Manuscripte zählen wohl zu den ältesten vorhandenen
Talmudmanuscripten.
(Schluss folgt.)
Notizen.
Lieder zu Ehren Sabbathai Zwi's.
In einem Manuscripte, das mir in diesen Tagen zu Händen
gekommen ist, finden sich mehrere Lieder (Piutim) auf Sabba-
thai Zwi, die vielleicht der Veröffentlichung nicht unwürdig
sind. Das Manuscript ist eine Art nj\) (Djonk) d. i. eine Art
Hauspostille , wie sie die türkischen Juden anzulegen und worin
sie allerlei Piutim und Lieder aufzunehmen pflegen. Das mir
vorliegende Manuscript ist, nach den Handschriften zu urtheilen,
im Besitze von verschiedenen Eigenthümern gewesen. Es be-
finden sich darin ungedruckte Lieder von Israel hagara, Abtaliun
b. Mardechai, Jakob Amron und vielen Anderen, mit Angabe
der Melodie (]r6)i nach welcher sie zu singen sind. Auf dem
ersten Blatte finden sich als Titel die Worte: Qvpttfl Q^COVD
IMfcfl^ VUftD- An einer anderen Stelle finden sich die Jahres-
angaben bbttfbh, ^hhtt'S, Wbht welche den Jahren 1661, 1670,
1671 gew. Ztr. entsprechen würden. Die meisten Lieder be-
ziehen sich auf den Messias und die Wiederaufbauung Jerusa-
lems, Viele von ihnen haben das Akrostich Sabathi, doch ist
es deshalb nicht unbedingt ausgemacht, dass sie sich auf den
Pseudomessias dieses Namens beziehen , da der Akrostich auch
118
Recensionen und Anzeigen.
den Namen des Verfassers, der bei den meisten Liedern akro-
stichisch angegeben ist, bedeuten kann. Die folgenden Lieder
jedoch haben wie verschiedene andere unzweifelhaft Sabbathai
Zwi zum Gegenstande:
tw m") m ds yqip
n:n ron -w m m
'Di m *as tqt&
"iDi m ras toip
'di m mi va»
o:b ivp mm« dt» k
min p«i cti p*o
mn pw dw .paö
(Hier ist vermuthlich
ein Vers ausgefallen.)
Wien im Februar.
I.
nm w» nein rar
^n ^ n:n n:n
nmni vdw Tn» cp
IL
tinp i« o^yte ü^u
*) 'di -in &o th ron
^sc ^p bnn mwa
rroM bnr *o l&w
'di run
^axn p«a nu/1» dw
>ns ^nrni rrron
'dt Pün
'dt run
Dr. Gödemann.
!) Die Worte "Hl u. s. w. haben an sich keine Bedeutung, sondern
dienen nur wie unser tralala zur Ausfüllung der Melodie. Sie finden
sich so und ähnlich noch an vielen Stellen der Handschrift und sind
auch heute noch, wie mir Herr Chacham Baruch mittheilt, bei den
türkischen Juden in Gebrauch.
*) Siehe die vorhergehende Anm.
Monatschronik. 119
Monatschronik.
Berlin. Der vor einigen Wochen geschlossene Landtag be-
schäftigte sich in seinen letzten Sitzungen mehrfach mit Petitio-
nen über jüdische Angelegenheiten. Eine Petition aus Nakel,
dahin gerichtet, die Inspection der dortigen jüdischen Elementar-
schule dem evangelischen Geistlichen zu entziehen und dem
Ortsrabbiner zu übertragen, wurde mit grosser Majorität nach
kurzer Debatte der Regierung zur Berücksichtigung überwiesen,
desgleichen ohne Debatte eine Petition , in welcher die Abschaf-
fung des Eides more judaico erbeten wurde.
Der Cultusminister Tiat in jüngster Zeit mehrere Rescripte
erlassen, die Anstellung oder richtiger die Nichtanstellung der
jüdischen Candidaten des höheren Schulamts sowie die Zulas-
sung derselben zur Abhaltung des Probejahres an christlichen
Lehranstalten betreffend. Nur ausnahmsweise soll es gestattet
sein, Juden an christlichen Lehranstalten unterrichten zu lassen,
und auch dann nur in solchen Fächern, die eine confessionelle
Behandlung nicht zulassen. Auch wird in einem dieser Re-
scripte ausdrücklich erklärt, dass jüdische Philologen durch
das Ablegen des Oberlehrerexamens nicht das Recht erwerben,
an christlichen Schulen ihr Probejahr abzuhalten, sie werden
vielmehr sämmtlich auf die jüdischen Realschulen in Frankfurt
am Main verwiesen.
Buoharest. Der preussische Minister der auswärtigen An-
gelegenheiten Graf Bismarck hat dem Präsidenten der Alliance
Israelite zu Paris auf deren Verwendung für die Israeliten in
Rumänien unterm 22. Februar ein sehr verbindliches Antwort-
schreiben übersandt, worin mitgetheilt wird, „dass die königl.
Regierung ihren Vertreter in Bucharest aufs Neue angewiesen
hat, dass derselbe seinen ganzen Einfluss anwende", den Israe-
liten Rumäniens den Schutz zu Theil werden zu lassen, „wel-
chen sie in allen Ländern, in welchen die Gesetzgebung auf den
Grundsätzen der Humanität und Civilisation beruht", gemessen.
Weiter heisst es: „Ich bin zudem fest überzeugt, dass die
Absichten des Fürsten Carl vollständig mit unseren Wünschen
120 Monatschronik.
übereinstimmen und Se. Hoheit mit festem Willen die Ent-
wickelung der Verfassung des Landes herbeiführen wird, durch
welche die Regierung die Ausübung eines gleich wohlwollenden
Schutzes für alle Klassen der Bewohner und in einer schnelle-
ren Weise, wie in der Vergangenheit, gesichert wird".
Diese Ueberzeugung des Herrn Ministers vermögen wir
leider nicht zu theilen, ein vor Kurzem veröffentlichtes Schreiben
des Fürsten Carl beweist vielmehr, dass derselbe von grossen
Vorurtheilen gegen die Juden beherrscht wird, und dass die
rumänischen Juden ihr Heil nicht von ihm zu erwarten haben.
Wien. Zu Anfang dieses Jahres trat Herr Joseph Werth-
heimer, der 35 Jahre hindurch Vertreter der israelitischen
Cultusgemeinde und eine lange Reihe von Jahren Praeses des
Vorstandes derselben gewesen war, von seinen Ehrenämtern
zurück. Die gemeinnützliche Thätigkeit Werthheimer's ist nicht
nur für die Wiener Gemeinde sehr segensreich gewesen, son-
dern hat auch viele österreichische Gemeinden indirect geför-
dert, indem die durch Werthheimer in's Leben gerufenen In-
stitutionen auch an anderen Orten Nachahmung fanden. Darum
hat auch der Rücktritt Werthheimer's von seinen Aemter.n eine
mehr als locale Bedeutung und einen Jeden, der an dem Auf-
blühen der Wiener Gemeinde Interesse nimmt, wird es mit
lebhafter Freude erfüllen, wenn er erfährt, in wie ehrender
Weise die Verdienste Werthheimer's von der Wiener Gemeinde
gewürdigt worden sind. In einer vom Gemeindevorstand sowie
von den Vertretern der Synagogen und Wohlthätigkeitsanstalten
unterschriebenen Adresse wurde dem scheidenden Präses der
Dank votirt für seine Leitung der Gemeindeangelegenheiten und
insbesondere für die wesentlich seinen Bemühungen zu dankende
Gründung der Kinderbewahranstalt, des Handwerksvereins und
des Vereins zur Unterstützung hülfsbedürftiger Waisen. Die
Wiener Cultusbeamten überreichten ebenfalls eine Adresse uud
Hessen zum beständigen Andenken das Bild des hoch verdienten
Mannes in Erz prägen. Der #Secretair der Gemeinde, Herr
Dr. L. A. Frankl hob in besonderer Ansprache die Bedeutung
Werthheimer's als Schriftsteller und Vorkämpfer für die Eman-
cipation der Juden hervor.
Sie Alliance Univers. Israölite und die Juden Rumäniens.
T(om Heraasgeber.
Im Jahre 1867 traten zu Paris einige junge Männer zusam-
men, um einen Verein zu bilden, der sich zum Ziele setze,
die verletzten Rechte der Juden auch in den entferntesten
Ländern zu vertreten, den Juden, wo sie je über Ver*
folgungen zu klagen haben, mit Rath und That beizu-
stehen und ihre Klagen vor die Mächte Europas tond vor
die noch grössere Macht, die Oeffentlichkeit, zu bringen
und ohne Unterlass für den Frieden und die Freiheit der
israelitischen Glaubensgenossen seine Stimme zu erheben.
Dieser Verein sollte selbstredend die Juden in den un-
civilisirten oder halbcivilisirten Reichen im Auge haben; in
den auf Civilisation basirten Staaten bedurfte es nicht einer
Vertretung von aussen: die Civilisation schliesst Verfolgung
und Verkümmerung der Rechte einesTheiles der Bürger von
selbt aus. Und weil die Vereinsthätigkeit barbarischen
und halbbarbarischen Staaten gelten sollte, dürfte einem
derartigen Verein nicht genügen, seine Aufmerksamkeit
auf den politischen Zustand der Juden in diesen Ländern
zu richten, sondern es wäre nicht minder durch zu er-
richtende Schulen und zweckmässigen Unterricht für ihre
geistige Hebung zu wirken und sie unter den Barbaren
zu Civilisirteu, unter den an roher Körperkraft Mächtigen
zu Geistesüberlegenen zu machen und ihnen eine Waffe
zu geben, die, sie selbst stärkend und kräftigend, ihnen eine
Abwehr gegen das wilde Toben ihrer Feinde werde. Der
Frank el, Monatsschrift. XVII. 4. ]0
122 Die Alliance Univers. Isra61ite
Gedanke fand Anklang, es traten treffliche Männer jeder
Confession zu einem solchen Vereine zusammen, denn
er galt dem Menschen, nicht der Confession, er galt
wegen ihres Glaubens Verfolgten und Beeinträchtigten,
es galt dem blutigen Fanatismus seine Opfer zu entreissen
und es galt nicht minder niedrigen Leidenschaften ent-
gegenzutreten, die gern den Glauben zum Deckmantel
ihrer im Finstern schleichenden Pläne nehmen. — Der
Verein nahm, da er für die Juden auch in den entfern-
testen Gegenden wirken will, die Benennung Alliance
Universelle Israälite an, und er hat durch seine nach
zwei Richtungen hin sich entfaltend^ Thätigkeit, Eintreten
für das Recht, Errichtung von Schulen, sich bereits
viele Anerkennung erworben; es haben sich in den ver-
schiedensten Ländern Zweigvereine gebildet und der Ver-
ein zählte beim Ablaufe des vergangenen Jahres 6826
Mitglieder.
Es ist eine merkwürdige Erscheinung, dass die Juden-
hetzen in Europa dem Laufe grosser Ströme folgen.
Was weiss nicht der alte Vater Rhein zu erzählen, wie
oft färbten sich seine Fluten mit dem Blute der Juden
und welches Wehklagen vernahm er von seinen Ufern
herüber! Das Unrecht ist zum grossen Theil gesühnt,
andere Geschlechter von anderen Gesinnungen beseelt
bewohnen die von ihm durch rauschten Städte
und Länder, und er wird nicht mehr in seinem Laufe
von dem Jammergeschrei wegen ihres Glaubens
Verfolgter gestört. Auch die Donau war häufig trauriger
Zeuge blutiger Verfolgungen und sie blickt mit stillem Seuf-
zen auf den Rhein, der in der Gegenwart nicht sein
Auge den Vorgängen an seinen Ufern zu verschliessen
braucht; noch sind die Gestade der Donau in ihrem
untern Laufe so ungastlich wie ehedem und es hausen
noch heute daselbst Bosheit und Barbarei, sie ver-
nimmt zwar das moderne Geklingel „Constitution, Selbst-
bestimmungsrecht", aber diese Rufe sind um so wider-
licher, als sich durch sie die barbarische Gesinnung ge-
steigert und das moderne Gewand eine selbst von der
früheren Zeit nicht gekannte Mord- und Raubgier verbirgt.
und die Juden Rumäniens. 123"
Mit den Vorgängen in Serbien wurden die Leser dieser
Monatsschrift aus aktenmässigen Quellen, die die Alliance
Universelle veröffentlichte, bekannt gemacht; wir lassen
nun die Alliance über die Ereignisse in Rumänien sprechen
und fügen manchen späteren Vorfall an, der dem Bericht-
erstatter der Alliance noch nicht bekannt sein konnte.
Am 19. December v. J. fand eine Generalversammlung
des Vereins statt. Herr M. N. Leven, Secretär des Ver-
eins, verlas einen Bericht über die Arbeiten des Central-
comites. Wir heben hier seine Thatigkeit nach der poli-
tischen Seite heraus, von der wir einen kurzen Auszug geben,
um ausführlicher über Rumänien sein zu können.
„Die Juden Persiens, beginnt der politische Bericht,
sind die unglücklichsten im Orient» Die Regierung dieses
Landes ist ohnmächtig dem Fanatismus eines Pöbels gegen-
über, der stets bereit ist, den Juden seine Verachtung für
ihre Schwäche fühlbar zu machen und sich zu den
barbarischsten Ausbrüchen hinreissen lässt. Sie. erinnern
sich des schrecklichen Vorfalles zu Balfarusch: achtzehn
Israeliten wurden ermordet, und die Gefahr einer all-
gemeinen Niedermetzelung nöthigte die Ueberlebenden,
ihr Heil in der Bekehrung zum Islam zu suchen. Wir
haben ihre Klagen vor die ffegierungen Persiens, Eng-
lands und Frankreichs gebracht, und diese Unglücklichen
haben die Erlaubniss erhalten, zu ihrer Religion zurück-
zukehren. Es wurde ferner die Bestrafung der Mörder
anbefohlen und der Stadt Balfarusch eine Steuer zu Gun-
sten der Juden auferlegt.
In der Türkei findet man noch fanatische Muselmänner
in den entfernten Gegenden des Reiches, doch die Re-
gierung zügelt den wilden Fanatismus. Die Juden zu
Erwil beklagten sich über die Ungerechtigkeit des Pascha,
der ihnen schwere Frohnden aufbürdete und systematisch
die ernstesten Vorstellungen zurückwies ; zu Naplus schloss
der Gouverneur durch eine willkürliche Verordnung die
Synagoge; zu Zliten im Regierungskreis Tripoli hatten
Fanatiker die Synagoge angezündet. Wir brachten
diese Vorfälle zur Kenntniss des türkischen Ministers des
Auswärtigen , Fuad Pascha , bei seiner Anwesenheit
10*
124 Die Alliance Univers. Isrelite
zu Paris; er liess uns ungesäumt mittheilen, es sei ein
Befehl nach Constantinopel ergangen, „eine strenge Unter-
suchung in Zliten einzuleiten, die Schuldigen zu bestrafen
und der Gemeinde die erlittenen Verluste zu ersetzen."
Die Untersuchung hat auch stattgefunden und unterstützt
von der englischen und französischen Regierung gelangte
sie zu einem die Juden befriedigenden Resultate. Es
wurde anbefohlen: 1. der Wiederaufbau des verbrannten
Tempels auf Kosten der Muselmänner; 2. die Bezahlung
einer Schadloshaltung für die zertsörten Bibeln, die Be-
strafung des Kadi, seiner Beisitzer und aller jener,
die die Muselmänner gegen die Juden aufgestachelt hatten.
In Konstantinopel wurden unsere gewöhnlich daselbst
in Ruhe lebenden Glaubensgenossen durch einige Tage
in Unruhe versetzt; der Zorn der Griechen brach näm-
lich gegen einen Juden los, den sie beschuldigten ihre Religion
beleidigt zu haben, und man befürchtete Gewaltauftritte.
Auf die Bitte unseres Comitös intervenirte der Patriarch
von Konstantinopel und die Ruhe wurde wieder hergestellt.
ZuMarocco hat das Raub wesen grausame Leiden den Ju-
denbereitet. Riffpiraten griffen im vergangenen Mai die Juden
und Mauren von Tetuan an. Zwei Juden wurden am
Eingange der Stadt angefallen, einer von ihnen, Pariente,
ein österreichischer Schützling, ermordet, der andere, Asulai,
Dolmetscher des französischen Consulats, als todt zurück-
gelassen. Die Mörder, die Strafe fürchtend, wiegelten
ihre Stämme gegen die Stadt auf; diese belagerten sie
und drohten durch mehrere Wochen Jeden zu tödten^
der es wagen würde, vor die Thore hinauszugehen.
Ein unglücklicher Familienvater ging mit seinem Sohne
hinaus, um im Felde zu arbeiten; sie wurden beide ge-
tödiet. Auf die Reclamationen der englischen und fran-
zösischen Regierung durch ihre zu Tanger residirenden
Repräsentanten sendete die maroccanische Regierung einen
Pascha nach Tetuan mit den strengsten Befehlen gegen
die Räuber. Der Pascha konnte ihrer nicht habhaft wer-
den, er zündete das Dorf an, das im Verdachte stand,
ihnen eine Zuflucht gewährt zu haben. Die französische Regie-
rung verlangte eine Geldentschädigung für Asulai und erhielt
. und die Juden Rumäniens. 125
sie auch; die Familie des Pariente hat noch keine Ent-
schädigung bekommen, doch wird ohne Zweifel die öster-
reichische Regierung ihr eine solche verschaffen.
Zu Tunis hat unser Comitö an dem französischen
Generalconsul eine energische Stütze gegen Gewalthand-
lungen gefunden, über die sich die tunesischen Juden ernst-
lich zu beklagen hatten. 80 hielt ein Vornehmer zu
Tunis mehrere junge Mädchen in seinem Hause einge-
sperrt, um sie zum Islam zu bekehren. Der General-
consul verwendete sich und die jungen Mädchen wurden
ihren Familien zurückgegeben. — Die tunesische Regie-
rung selbst ist wohlwollend gegen unsere Glaubensgenossen.
Auf Ansuchen des französischen Generalconsuls hat die
Regierung ein Grundstück zum Baue einer Schule ge-
schenkt; unser Localcomitö wird sie errichten, sobald es sich
von der Sorge über das Elend der Juden befreit sehen
wird. Die Mildthätigkeit der dortigen (reicheren) Juden
erschöpft sich, ohne diesem Uebel Abhülfe zu bringen, sie
haben sich mit einem Aufruf an Europa gewendet und
es sind in mehreren Ländern Subscriptionen eröffnet worden.
Doch es ist nicht in Asien und Africa, wo wir dieses
Jahr am meisten für den Schutz unserer Glaubensgenossen
zu thun hatten.
In Europa ist die religiöse Freiheit das Fundamental-
gesetz der meisten grossen Staaten; zwei kleine Staaten,
Rumänien und Serbien, stossen es unter dem Einfluss
der verwerflichsten Leidenschaften hartnäckig zurück.
Die Furcht vor kaufmännischer und industrieller Con-
currenz der Juden, die Gier nach deren Vermögen, die
durch den Wechsel der Gesetze bedrohete Gewohnheit
an Erpressungen vertritt daselbst die Stelle des Fanatis-
mus; sie bedienen sich der Freiheit, die ihnen Europa ge-
schenkt, um die Juden zu unterdrücken, und das gegen
die Handlungen der gehässigsten Verfolgung protestirende
Europa wird kaum gehört.
Der Redner gehet nun zu den unseren Lesern be-
kannten Vorgängen in Serbien über und schliesst mit
den Worten: „Wir sind selbst vor einigen Monaten zu
dem in Paris anwesenden Fürsten von Serbien gegangen.
126 Die Alliance Univers. Israälite
um von ihm die Emancipation der Juden zu erbitten.
Er hat uns erklärt, das einzige Hinderniss gegen diese
Emancipation liegt, wie es die serbischen Minister dem
englischen Generalconsul erklärt haben, in der Handels-
eifersucht der Kaufleute, die die Vertreter des serbischen
Volkes bilden und die Juden als Concurrenten, die bessere
und billigere Waare verkaufen, zurtickstossen. Er erwarte
von einer liberalen Kammer die Emancipation, die er
selbst wünscht und die er vorbereitet, indem er bei allen
Gelegenheiten den Juden Beweise seiner Achtung an den
Tag legt." Docfi die entmuthigten Juden gedenken dieses
unwirthüche Land zu verlassen und Europa wird das
traurige Schauspiel haben, die Serbien zugesicherte Frei-
heit habe nur gedient, um es zu der Vertreibung eines
Theiles seiner redlichen, friedfertigen und fleissigen Ein-
wohner zu kräftigen.
„Ein anderes Land, beginnt nun der Redner, welches
wie Serbien sein Dasein dem Protectorat der Grossmächte
verdankt, Rumänien, hat durch seine Barbarei gegen die
Juden sie in Erstaunen gesetzt und sie gegen sich erregt
und aufgebracht. Unsere Glaubensgenossen, von lange
her in diesem Lande ansässig, bilden einen beträchtlichen
Theil der Bevölkerung; man schätzt ihre Zahl auf mehr
als 300,000. Ein ausgezeichneter Eingeborner, der frühere
Minister Epureano, sagte vor dem Hofe zu Jassy, wo-
selbst er dös Vagabundirens angeklagte Juden verthei-
digte (vgl. weiter): „Die Juden arbeiten, ihnen verdankt
das Land seinen Handel, seine Industrie, seine Credit»
anstalten, seine Verbindungen mit dem Occident; sie
haben das Monopol jeder wie immer gearteten Production,
denn die Rumänen ziehen jeder Art von den Juden betrie-
benen Arbeit öffentliche Aemter (Stellenjägerei) vor."
Ein französischer Schriftsteller, der genug lange sich im
Lande aufgehalten, um die schlimmsten Vorurtheile zu er-
fassen, Herr Desjardins, verkennt ebenfalls nicht, „dass die
Juden gewerbfleissig, sittlich, geduldig, über jede Be-
schreibung öconomisch und unermüdlich arbeitsam sind."
Sie sind also nützliche Bürger und die Rumänen hätten
sie brüderlich behandeln sollen.
und die Juden Rumäniens. 127
Der vor einigen Jahren erfolgte Beginn einer liberalen
Regierung Hess ihre bürgerliche und politische Emanci-
pation hoffen. Sie war vorbereitet durch die diplomatische
Convention vom Jahre 1858, welche die bürgerlichen
Rechte allen Rumänen ohne Unterschied des Glaubens
sicherte, durch die Gesetze des 1864 veröffentlichten bür-
gerlichen Gesetzbuches, aufgenommen in dem Constitutions-
entwurfe von 1866 und den Kammern vorgelegt; man
liess sie aber fallen unter dem Drucke eines Aufstandes.
Die Regierung gab nämlich in ihrer Schwäche einem
Aufstande nach, welchen sie in einem öffentlichen Akten-
stücke als durch fremde Intriguen hervorgerufen erklärte,
und diese Schwäche stachelte die Feinde der Juden auf.
Diese Feinde, unterstützt von allen Intriguanten, von allen
Feinden, von den Journalen der entgegengesetztesten
Parteien, die die Juden „als ein Geschlecht von Vagabun-
den darstellten, das seit achtzehn Jahrhunderten von
Land zu Land irrt, um sich mit der Arbeit der christ-
lichen Bevölkerung zu mästen": diese Feinde predigten
Beraubung und Austreibung der Juden aus dem Lande.
Die Regierung glaubte durch Duldung dieser wilden Auf-
regungen einen Beweis ihrer Achtung vor der Freiheit
zu liefern, An Minister vermeinte einen Akt politischer
Geschicklichkeit in diesem Nachgeben auszuführen.
Sie kennen das Rundschreiben, welches die durch die
diplomatische Convention vom Jahre 1858 und durch den
Artikel 1912 des bürgerlichen Gesetzbuches abgeschafften
Gesetze und Verordnungen wieder in's Leben rief und
den Präfecten bekannt machte, dass den Juden verboten
sei, in ländlichen Gemeinden zu wohnen, Gast- und
Schankwirthschaft zu betreiben und Felder zu pachten, und
welches die strenge Ausführung dieser aufgehobenen Verord-
nungen anbefahl. Dieses war eine Vernichtung aller mit Pri-
vaten und mit dem Staate eingegangenen Pachtverträge, eine
Vertreibung der Juden aus dem Besitze, ein Nieder-
schlagen aller erworbenen und von der früheren Regie-
rung geachteten Rechte»
Die beraubten, aus den Gemeinden gejagten Juden
wurden nun Vagabunden, Umherirrende. Den Präfecten
128 Die Alliance Univers. Isra&ite
nnd anderen Administrationsbeamten wurde jetzt die Voll-
streckung aller durch das Criminalgesetzbuch ebenfalls
abgeschafften administrativen Massregeln gegen das Vaga-
bondiren durch ein anderes Rundschreiben anbefohlen.
Diese willkürlich wieder in's Leben gerufenen Gesetze
gaben der Einsperrung und Ausweisung der Juden einen
Anschein von Gesetzlichkeit, ihre Ausführung wurde den
wüthendsten Judenfeinden überlassen.
Am 23. Mai benachrichtigte uns eine Depesche aus
Jassy, die Juden, Arbeiter, Hausbesitzer, Handeltreibende
seien ohne Unterschied des Alters überfallen, gefesselt,
gemissbandelt und unter dem Jammergeschrei ihrer Frauen
und Kinder, das kein anderes Echo fand, als das wilde
Lachen eines wahnsinnigen Pöbels, in's Gefangniss ge-
worfen worden. Die Consuln protestirten. Der Minister
versprach mehrere Juden in die Municipalcommission
aufzunehmen, die, freilich ungesetzlicher Weise, beauf-
tragt war, ein Statut über das Vagabondiren zu entwerfen;
die Commission wollte sie nicht aufnehmen. Die Consuln
erhoben von Neuem Protest.
Die Presse von ganz Europa sprach ihren Unwillen
aus, die Regierungen erhoben Einspruch. Aus dem
Kabinet des Kaisers erging auf Einschrdlten unseres
Präsidenten die merkwürdige Depesche, welche erklärte,
dass eine Regierung, welche eine solche Verfolgung
dulde, sich in die Acht der Nationen erkläre. Die eng-
lische und die österreichische Regierung machten dem
Fürsten energische Vorstellungen, die aufgeregte öffentliche
Meinung Europa's, sowie die Haltung der Regierungen
beunruhigten die rumänische Regierung; sie leugnete die
Verfolgung, gab die Verordnungen, die sie hervorgerufen,
bald als Gesundheits-, bald als polizeiliche Massregeln
an, die gegen alle Vagabunden ohne Unterschied der
Confession ergriffen worden waren, ja sogar als Mass«
regeln für das öffentliche Wohl gegen die Intriguen
Russlands. Und um diesen Versionen Glaubwürdigkeit
zu verschaffen, verfolgte man drei und dreissig Juden
wegen Vagabondirens ; alle wurden von dem Gerichtshof
zu Jassy verurtheilt; neunzehn legten Appellation ein,
und die Juden Rumäniens. 129
der Appellhof sprach das Nichtschuldig über eilf Ver-
urtheilte aus. Drei von ihnen wurden von Epureano
vertheidigt; er erhob ihre Vertheidigung bis zur Höhe
einer politischen Debatte, in welcher er das Benehmen
der Regierung besprach und schon aus dem Gesichts-
punkte der Landesinteressen scharf beurtheilte. Es war
auch fast überflüssig, die Verurtheilten zu vertheidigen,
denn sie waren nicht Vagabunden, sondern betrieben
Handwerke, der eine von ihnen war Schneider, der andere
Schuhmacher, der dritte Böttcher; sie hatten bis zu dem
Tage gearbeitet, an welchem man sie aus dem Hause
ihrer Meister riss, um sie ins Gefäugniss zu werfen. Da
nun das Gesetz nur die für Vagabunden hält, die weder
Metier noch Domicil haben, musste die Verurtheilung
fallen: die drei Verurtheilten wurden freigesprochen.
Die Verfolgung hörte jedoch nicht auf. In Varlui
wurden einige in Freiheit gesetzte Juden von Neuem
eingekerkert, in Bakeu ergriff die Nationalgarde die Waf-
fen, um die von den Dörfern verjagten und daselbst eine
Zuflucht suchenden Juden zurückzustossen ; in Jassy
wurde ein Jude gemeuchelmordet, der den Gefangenen
Nahrung brachte. — Die Alliance theilte diese neuen
Handlungen der Barbarei den Regierungen und der
Presse mit.
Die französische Regierung machte neue Vorstellungen
beim Fürsten; in England wurde die Regierung von bei-
den Kammern interpellirt. Im Oberhause eröffnete der
ehrwürdige Lord Redcliff de Stratfort am 11. Juli die Dis-
cussion. Er sprach seinen Unwillen über die Wahrneh-
mung aus, dass die Verfolgung sich heimlich fortspinne
und die rumänische Regierung, indem sie einen Minister,
der die Verfolgung anbefohlen, an der Spitze der Ge-
schäfte läset, der Meinung der Grossmächte Trotz biete.
Er führte die Geschichte der Juden an, belobte ihre fried-
lichen Sitten und drückte sein Mitgefühl für ihre Leiden
in folgenden schönen Worten aus : „Ich denke, dass die Juden
ebenso gegen Verfolgung empfindlich sind wie die ersten
Christen und dass der Unterschied der Religion nicht die Sym-
pathie vermindern darf, welche derartige Leiden einflössen.
130 Die Alliance Univers. Israelite
Ich werde im Gegentheile sagen, dass ein Volk* welches
wie dieses, ausgeschieden von den anderen Völkern, der
Verachtung und der Verfolgung zur Zielscheibe gedient
hat, unser ganzes Mitgefühl verdiene."
Der Graf Denbigh fügte hinzu: „Ich bin schmerzlich
ergriffen von der Weise, in der die unglücklichen Juden
behandelt wurden, und noch mehr, da ihr Verbrechen
darin bestehet, friedliche und fleissige Menschen zu sein,
die ihre Waaren billiger als die anderen Einwohner ver-
kaufen/4 Er endigte mit den Worten: „Es gibt nichts
Unglücklicheres zu allen Zeiten als Verfolgungen, und
jetzt öffnet sich eine Aera, in welcher die Bekenner aller
Religionen Gott nach ihrem Gewissen anbeten können,
ohne hierin gestört zu sein, und dieselben bürgerlichen
und politischen Rechte besitzen sollen." Der Minister ver-
sprach dem Hause, die Correspondenz vorzulegen; es
werde aus ihr die Haltung der Regierung entnehmen.
In dem Hause der Gemeinen machte Sir Francis
Goldsmid die Mittheilung dieser traurigen Vorgänge; der
Minister, Lord Stanley, nahm, nachdem mehrere Redner
gesprochen, das Wort und bezeichnete diese Verfolgung
als „das Resultat einer Meinung, die vor drei oder vier
Jahrhunderten herrschte und gegenwärtig zahlreiche An-
hänger in Rumänien hat, dass man durch die Verfolgung
Andersglaubender die eigene Immoralität sühne." „Dieses
Volk," fuhr er fort, „ist unlängst etnancipirt worden und
ist, da es aus einem untergeordneten Zustand hervor-
gehet, glücklich, eine Glaubensgemeinde zu finden, gegen
die es ähnliche Verfolgungen ausüben könne, wie es sie
selbst erlitten." — Den 6. Juli theilte Lord Stanley dem
englischen Generalconsul zu Bucharest mit, dass die Ver-
folgung der Juden in der Moldau in den beiden Häusern
eine Verhandlung hervorgerufen, welche die Regierung Ihrer
Majestät im Interesse der Fürstenthümer und des Fürsten
durch wirksame Massregeln gegen die grausame Verfol-
gung, deren Opfer die Juden gewesen, als überflüssig
gewünscht hätte.
Die österreichische Regierung erhob ebenfalls Ein-
spruch mit neuer Energie.
und die Juden Rumäniens. 131
Die Verfolgung schien nach diesen wiederholten Pro-
testen aufzuhören, der Fürst bereiste die Moldau, um sie
zu beruhigen. Dem Minister der auswärtigen Angelegen-
heiten, der durch einen mit Recht eines guten Rufes sich
erfreuenden rumänischen jüd. Glaubensgenossen einen Schritt
bei unserem Präsidenten gemacht hatte, empfing von uns
einen Entwurf der Maassregeln, durch deren Erfüllung wir
unsere Klagen bei den Regierungen und unsere Angriffe in
den Journalen einzustellen bereit wären, da kam die Nach-
richt von der schrecklichen Ersäufung zu Galacz.
Zehn unglückliche aus dem Lande ausgestossene Juden
wurden am 14. Juli in einem kleinen Schiffe auf das
türkische Ufer übergesetzt. Unter diesen armen Leuten
befand sich ein so schwacher Greis, dass zwei Soldaten
ihn anfassen mussten, um ihn ins Schiff zu werfen. Statt
diese Juden der Wache zu Zatoca zu consigniren, setzten
die mit der Ausführung beorderten Soldaten sie auf die
Galacz gegenüberliegende unbewohnte und von Wasser
überschwemmte Insel aus und warfen sie, wie sie es
früher gethan hatten, in den Sumpf. Einer von ihnen
kam daselbst um, über die anderen erbarmten sich die
türkischen Soldaten und führten sie nach Galacz, in der
Absicht, sie der vor dem Hafen postirten Wache zu über-
geben. Allein statt die Unglücklichen aufzunehmen,
stiessen sie die Soldaten mit Kolben und Bayonetten ins
Wasser. Zwei Juden, der kranke Greis und ein junger
Mann, suchten sich vor den Bayoneten in das Schiffchen
zu flüchten, es gelang ihnen aber nicht und sie ertranken
in dem reissenden Strom. Kein Versuch wurde von den
Soldaten znr Rettung der vor ihren Augen unweit des
Ufers ertrinkenden zwei Menschen gemacht Ein kleines
in der Eile ausgerüstetes Dampfschiff, der der österreichi-
schen Donaugesellschaft gehörende Mercur, kam zu spät,
um noch retten zu können. Die anderen Unglücklichen
wurden endlich, nachdem sie einige Zeit im Wasser ge-
lassen wurden und den Sonnenstrahlen ausgesetzt waren,
aufgenommen und ins Gefängniss geworfen.
Die ganze civilisirte Welt protesürte gegen dieses
Verbrechen, doch schon früher hatten sich die gesammten
132 Die Alliance Univers. Israelite
Consuln zu Galacz versammelt und schrieben (16. Juli)
an den Präfecten: „Wir wissen nicht, ob sich unter diesen
Juden ein fremder Jude befindet, allein wir halten es der
notorischen Verfolgung gegenüber, die in diesem Lande
die Juden trifft, -für unsere gebieterische Pflicht, im Namen
der von uns vertretenen Regierungen laut gegen diese*
barbarischen Handlungen zu protestiren, deren Verant-
wortung gegenüber der civilisirten Welt wir Ihnen, Herr
Präfect, und der höheren Autorität überlassen.44 Dieser
Protest wurde von allen zu Bucharest residirenden General-
consuln beim Fürsten erneuert, und sie verlangten drin-
gend unter Geltendmachung der von der Regierung ver-
kannten Gesetze der Menschlichkeit, dass alle gegen die
Juden erhobenen Massregeln suspendirt werden.
Die rumänische Regierung schob vor jeder Unter-
suchung das Verbrechen von Galacz auf die Türken und
befahl dann erst eine Untersuchung einzuleiten, welche
denn auch die Schuld der Türken und die Unschuld
aller rumänischen Beamten nachwies. Die Türkei be*
schuldtgte nicht die Rumänen, sondern schlug eine noch-
malige Untersuchung durch eine aus Rumänen und Tür-
ken gemischte Commission vor, welche die Wahrheit an
den Tag bringen würde. Die rumänische Regierung wies
diesen Vorschlag zurück und die türkische Regierung
brachte diese Weigerung zur Kenntniss aller europäischen
Mächte; dieses war ihr einfacher Protest gegen die
falsche Zuschiebung dieses Verbrechens. Die rumänische
Regierung aber bestrafte auch nicht die Urheber und der
Präfect Lucazco behielt weiter seine Präfectur.
Wir befanden uns unter dem Eindrucke dieses schreck-
lichen Ereignisses, als der damals zu Paris weilende
Secretär des Fürsten von Rumänien in unsere Mitte trat
Er sagte, dass er zwar ohne Auftrag der Regierung, aber
in der Absicht, ihr zu dienen, uns die Eindrücke, die das
Gesammte dieser Ereignisse auf ihn gemacht, wiederzu-
geben und die unserigen entgegenzunehmen wünsche.
Er bot Alles auf, um das Schauderhafte dieser Ereignisse
abzuschwächen und versicherte uns der guten Gesinnun-
gen des Fürsten gegen die Juden, an denen wir doch nicht
und die Juden Rumäniens. 133
gezweifelt hatten. Aber uns lag daran, dass die Regie-
rung ihre Handlungen mit diesen Absichten in Einklang
bringe; unser Comitö verlangte in einein an den Fürsten
gerichteten Schreiben die Absetzung des Präfecten von
Galacz, die Entfernung des Ministers, die Zurücknahme
seines Rundschreibens, die Anerkennung der den Juden
nach der diplomatischen Convention vom J. 1858 zu-
kommenden bürgerlichen Rechte durch eine Regierungsakte,
endlich den Kammern ein Gesetz vorzulegen, welches
den Juden die politischen Rechte einräumt
Einige Tage später kündigte man die Entlassung des
Ministers an; es war eine der öffentlichen Meinung ge-
gegebene Genugthuung, doch nicht ausreichend, denn die
auf die Verfolgung der Juden erpichtesten Regierungs-
beamten wurdfen in ihren Stellen belassen und säumten
nicht, durch die Ungestraftheit ermuthigt, die Verfolgung
vom Neuen ins Werk zu setzen. So befahl Präfect
Lupazco im Monat October, die Juden aus den Nachbar-
gemeinden von Galacz zu verjagen, der Bürgermeister
von Jassy rief ein Gesetz vom Jahre 1744 ins Leben,
das den Juden das Halten christlicher Dienerschaft ver-
bot; ein Gerichtshof weigerte sich unter dem Vorgeben,
dass weder ein hypothekarisches noch ein Eigentums-
recht den Juden gehören könne, eine Hypothek auf den
Namen einer jüdischen Gemeinde einzutragen.
Die Regierungen wurden von diesen Hergängen be-
nachrichtigt und die Journale nahmen ihre Polemik von
Neuem auf; da kam Bratiano nach Paris. Einer unserer
Glaubensgenossen, ein Freund Bratiano's, erhielt von ihm
gute Versprechungen für die Juden und Bratiano wollte
sie uns wiederholen. Eine Conferenz fand zwischen ihm
und uns in Gegenwart des Herrn • Cretzulesco, Agenten
der Fürstenthümer zu Paris, statt, die vorgefallenen Er-
eignisse waren Gegenstand einer, wie leicht zu denken,
mit Hitze geführten Debatte. Bratiano versprach aus-
drücklich, die rumänische Regierung werde von nun an
keine Plackerei der Juden gestatten und werde alle unsere
direct an den Agenten der Fürstenthümer gerichteten
Reclamationen befriedigen. Dieser Weg der Versöhnung
134 Die Alliance Univers. Isra&ite
werde, wie Bratiano sagte, bald in die vollständige Eman-
cipation der Juden ausmünden "
Wir haben dieses Versprechen entgegengenommen:
seine treue Ausführung ist im Interesse Rumäniens wie
zur Ehre der rumänischen Regierung unerlässlich.
Soweit der vom Herrn Leven, Secretär der Alliance,
am 19. December abgestattete Bericht. Hören wir, wie
Bratiano sein Versprechen gehalten. Am 25. December
fand durch die Machinationen Bratiano's in der mol-
dauischen Stadt Berlad ein Pöbelauflauf gegen die Juden
statt, wie solche nur das Mittelalter kannte. Der Bericht-
erstatter der hebräischen Wochenschrift „Hamagid" theilt
hierüber Folgendes mit:
„Bratiano kehrte von Paris, woselbst er sein Wohl-
wollen für die Juden betheuert, zurück ' und gelangte
wieder an die Spitze der Regierung. Um diese Zeit
wurden die Kammern in Bukarest eröffnet. Die Majorität
der Abgeordneten ging nicht mit der Regierung und
namentlich sprach der Abgeordnete Epureano harten und
bitteren Tadel über das Verfahren Bratiano's gegen die
Juden aus. Bratiano löste am 3. November die Kam-
mern auf und entsetzte die den Juden nicht abholden
Beamten, und unter ihnen den Präfecten von Berlad,
Wasiliko Romili, ihres Amtes, um an ihre Stelle seine
Creaturen, „die Rothen," zu setzen, die die Wahlen in
seinem Sinne beeinflussen sollten. Zu diesem Zwecke
schickte er um diese Zeit den Mönch Warnan nach
Berlad. Dieser Mönch predigte gegen die Juden und
wiegelte die Menge gegen sie auf, ein leichtes Mittel, die
Pöbelgunst zu gewinnen. Er wurde auch am 14. Decem-
ber zum Abgeordneten gewählt, das Volk führte ihn die
darauf folgende Nacht im Triumphe durch die Strassen
und er hielt nun wieder eine der blutgierigsten Reden
gegen die Juden. Die Juden schwebten diese Nacht in
grässlicher Todesangst.
Am 25. December erbrach der Gastwirth, bei welchem
der Mönch sich einlogirt hatte, die Thüre seines Zimmers,
da er schon zwei Tage nicht herausgekommen war, und
fand ihn unter Schmerzen sich windend auf dem Boden
und die Juden Rumäniens. 135
liegen. Er sagte aus, er habe vor zehn Tagen in einer
christlichen Herberge ein Fleischgericht gegessen und
empfinde seit damals grosse Schmerzen. Er starb bald
darauf und man streuete das Gericht aus, die Juden
hätten ihn vergiftet. Der Pöbel stürzte hierauf gegen
Abend in die Häuser und Gewerbelocale der Juden,
plünderte und raubte, wobei nicht eine Thüre oder
eine Scheibe verschont blieb, ergoss sich von da in
die Synagogen und wüthete gegen die Bibeln und
sonstige Gerätschaften. Die Juden flohen voll des
tiefsten Schreckens, versteckten sich in Kellern; manche
wurden auf der Flucht von dem wüthenden Haufen
schrecklich gemisshandelt, ein alter Mann fiel entseelt
hin. Inzwischen sass der neue Präfect Dimitrote Müller
gemüthlich im Theater und weder er noch die sonstigen
Beamten thaten den Plünderern Einhalt. Als sie endlich
glaubten, das Volk habe seine Raubsucht befriedigt, er-
mahnten sie es mit zahmen Worten, abzulassen und nach
Hause zu gehen/'
Hören wir, was weiter erfolgte. Die Nachricht von
dieser Unthat kam schnell zu den Ohren Montefiore's,
der im Sommer des vorigen Jahres ' ungeachtet seines
hohen Alters sich nach Rumänien begeben hatte und den
der Fürst mit den Versicherungen seines Wohlwollens für
die Juden entliess. Montefiore verfügte sich unmittel-
bar zu Lord Stanley, der gegen diesen Auftritt reclamirte.
Im vergangenen Februar erging an Montefiore ein Schrei-
ben des Fürsten Karl, contrasignirt vom Minister Golesco,
„es werde den Juden der ihnen zugefügte Schaden ersetzt
und ihr früheres Besitzthum wieder hergestellt werden.
Doch sei zu bemerken, dass nach einer angestellten Unter*
suchung die Provocation von den Juden ausgegangen sei/4
Wir halten diesen Nachsatz eines der rotheg Clique
angehörenden Golesco würdig, aber, wir müssen es mit
Bedauern sagen, eines aus Hohenzollern stammenden
Fürsten unwürdig. Bratiano und Genossen mögen mit
frecher Stirne behaupten, eine Untersuchung sei ange-
stellt worden, die die Schuld auf Seite der Juden nach-
gewiesen, aber wer war unparteiisch genug, um über die
136 Die Alliance Univers. Israelite
Provocation auszusagen, und wer waren die Unter-
suchungsrichter? Etwa der Präfect Müller und die
Polizeiagenten, die ruhig dem Auflaufe und der Plünderung
zusahen? Liegt nicht die Provocation sonnenklar zu
Tage in den fanatisch-aufwiegelnden Reden des Sendlings
Bratianos, des Mönchs Waman? Und rnuss nicht dieses
Ministerium, so ihm nicht jedes Schamgefühl fremd, in seinem
Innersten erröthen, dass es solche Beamten angestellt,
dass seine. Verwaltung durch derartige Ausbrüche ge-
brandmarkt und für immer geschändet werde? Auch zu
Galacz wurde eine Untersuchung angestellt, „die die
Schuld der Türken und die Unschuld sämmtlicher rumä-
nicher Beamten erwies," auch dort dasselbe frevelhafte
Spiel, und die Minister sind so sehr ihrer dem Souverän
des Landes schuldigen Achtung uneingeäenk, dass sie
ihn seinen Namen unter dieses Document setzen lassen?
Ein derartiger Frevel grenzt an Hochverrath, dessen sich
schuldig zu machen ein Bratiano, so es seinen Plänen
gilt, nicht beanstanden dürfte. Wir wollen aber auch
gegen diesen Mann gerecht sein. Es mag ihm nicht mit
seinen zu Paris gemachten Betheuerungen, er meine es mit
den Juden gut, Ernst sein; seine Aufreizung zur Juden-
verfolgung, die von ihm veranstalteten Judenhetzen und
andere unmenschliche Massregeln : sind das Spiel
seiner Politik: hierdurch wird die grosse Masse ge-
wonnen, die dann gefügige Abgeordnete in die Kammern
schickt. Doch wehe den Männern, die auf solchem blu-
tigen Wege zur Macht gelangen, wehe dem Lande, dessen
Bürger auf solchem Wege zu beeinflussen sind, wehe der
Freiheit der Constitution, die sich auf derartigen blutigen
Unterlagen aufbauet. Constitution, Selbstbestimmungs-
recht, welcher Hohn im Munde dieser Barbaren, welcHe
schneidende Waffe in der Hand dieser unreifen Horden,
die das Spiel einiger gesinnungs- und gewissenlosen
Ehrgeizigen 1
Einen freundlichen Punkt in diesem Blutmeere bildet
die oft wiederholte Versicherung des Fürsten Karl von
seiner freundlichen Gesinnung gegen die Juden: sie legt
ein erhebendes Zeugniss für die Güte des Herzens ab.
und die Juden Rumäniens. 137
Doch Regententagenden und RegentenpQichten geben weit
über das Herz hinaus; was für gut erkannt wurde, muss
mit Kraft ausgeführt werden, zu der mannhaften Gesinnung
soll in dem mannhaften Regenten sich die mannhafte That
gesellen. Die Krone darf nicht durch einen Bratiano be-
sudelt werden, der Thron eines deutschen Fürstensohnes
darf nicht auf Blutmenschen, wie Lupzaco und den ihm
gleichgesinnten Präfecten aufgebauet werden, die Hand-
habung der Gerechtigkeit darf sich nicht auf auferlegten
Geldersatz — die Sühne für vergossenes Blut, für Leben
und Gesundheit untergrabende Todesangst! — beschrän-
ken : ein starkes Gesetz, ein starker Fürst, der sein Wort,
der die Verfassung zur Wahrheit macht, so verlangt es
Mannes- und Fürstenehre.1)
Wir wenden uns von diesen traurigen Begebenheiten
ab und heben, soweit es der Raum gestattet, manches
Erfreuliche aus der ferneren Thätigkeit der Alliance
heraus. Der Verein hat einen Herrn Joseph Halevi
nach Abyssinien geschickt, um daselbst Erkundigungen
einzuziehen über die Falascha, einen jüdischen Stamm,
von welchem einige protestantische Missionäre und Herr
d'Abbadie berichteten (vgl. 2. Jahrg. dieser Monatsschrift
8. 425 ff.). Herr Halevi, mit geschichtlichem und litera-
rischem hebräischen Wissen, ferner mit Kenntniss meh-
rerer ethiopischen Mundarten ausgerüstet, begab sich
nach Egypten, wo ihm die jüdischen Glaubensgenossen
nützliche Fingerzeige gaben. Er ging hierauf nach Mas-
sua, von wo er am 7. October 1857 folgenden Brief an
das Centralcomit6 der Alliance schrieb: „Sie haben
meinen Brief vom vorigen Monat empfangen und Sie
wissen, dass ich mich zu Suaukin auf einem Segelschiffe
') Vgl. Monatsr hronik.
Frankel MonaUschrifL XVIL 4. U
138 Dfc Alliance Univers. Israfelite
nach Massua einschiffte. Ein conträrer Wind hat unsere
Reise verzögert, und als wir endlich ankamen, machte ich so-
gleich dem französischen Consül, Herrn Hunzinger, meine
Aufwartung, der mir einige nützliche Mittheilungen über
die von ihm durchstreiften Gegenden machte; über die
Falascha wusste er jedoch unglücklicherweise nichts Neues
zu sagen. Auch die Priester der katholischen Mission,
die schon mehrere Jahre in Abyssinien lebten, wussten
mir über die Falascha nichts weiter zu berichten, als
dass zahlreiche jüdische Colonien jenseits des Tacasse
leben. Sie erz&hlten mir, dass, als sie vor sieben Jahren
ihre Kirche baueten, sie »ich veranlasst sahen, zwei
falaschische Maurer aus dem Innern zu holen, da die
christlichen und muselmännischen Maurer sieh untauglich
zeigten. Die Priester können nicht genug die Redlich-
keit und das tiefe religiöse Gefühl dieser Juden loben.
Auf meinen Excursionen im Norden, wo die Agaou-
(Belem-) Sprache von einem Theile des aus Süden ein-
gewanderten Volkes gesprochen wird, vernahm ich, dass
die Falascha im Umgange mit ihnen die Agaousprache,
mit ihren christlichen Nachbarn die Amaharra-Sprache
sprachen. Die Agaousprache scheint die Sprache der
Eingebomen vor der Einwanderung des Volkes Geez
(semitische Ethiopier) gewesen zu sein und es ist Grund
zu der Muthmaassung, dass die Ankunft der Juden in
Abyssinien viel früher als die der herrschenden Nation
erfolgt sei.*) Weitere Untersuchungen werden vielleicht
einiges Licht auf dieses geschichtliche Problem werfen.
Als ich nach Massua zurückkehrte, hörte ich, dass sich
daselbst zwei junge von den englischen Missionären be-
kehrte und von dem Negus Theodorus verbannte Fala-
*) Vgl. die Stelle der Monateschrift, auf die im Text hingewiesen
wurde. Ich glaube dort wahrscheinlich gemacht zu haben, dass die
Falascha ein Zweig der egyptischen Diaspora seien. Dafür spricht auch,
dass sie die Weisheit Salomonis, das Bach Tobias, Judith u. s. w. als
canonisch anerkennen. Vgl. das. 8. 427 f.
. and die Juden Rumäniens. 139
scha befinden, loh machte ihre Bekanntschaft; man
erkennt trotz ihrer dunkeln Farbe den jüdischen Typus,
aber sie sind so unwissend, dass man von ihnen nichts über
ihre besonderen Gebräuche erfahren kann. Die jungen Leute
wurden im Alter von fünfzehn Jahren von den Missio-
nären verfahrt und aus dem Schosse ihrer Familie ge-
rissen. Der weniger Unwissende, der sich der Sohn
eines Hohenpriesters nannte, hat mir eine kleine Hymne
in Geez oder Agaou dictirt, die sich im Morgengebet
findet Die abyssinisohen Juden haben den Gebrauch
der Meturgemanim beibehalten; sie singen eine Hymne
in Geez oder Agou, hierauf übersetzen sie sie in die
Yulgärsprache, damit das Volk sie verstehe« Folgen-
des iat die Ueberaetaung der gedachten Hymne: „Er-
höre, o Ewiger, mein Gebet! Höre, o Ewiger, auf
meine flehende Stimme! Durch Deine grosse Macht hast
Du uns, o Ewiger, aus Egypten geführt und das Heer
Pharao's untergehen lassen. Da hast uns in der Wüste
ernährt, Du hast uns durch eine Wolkensäule des Tages
und eine Feuersäule des Nachts geführt Wer ist Dir
gleich, Dir, der gerecht ist in der Versammlung der Hei-
ligen? Welcher Gott ist wie unser Gott? Du bist von
aller Ewigkeit und Deine Jahre sind ohne Ende. Gedenke,
o Ewiger! des Gesetzesbundes mit Moses, den Du auf
Horeb hast bekannt gemacht. Lobet Gott in allen Jahr-
hunderten. Amen, Amen8)".
Der französische Consul zu Bagdad, Hadjoute Pellissier,
richtete den 14. Decbr. folgendes Schreiben an A. Cremienx,
Vicepräsidenten der Alliance:
„Herr Vicepräsident! Ich war gestern mit wahrhaftem
Vergnügen bei der jährlichen Sitzung der Schule der
•) Die Hymne bestehet fast durchgehend wörtlich aus Psalmen-
stellen, welches sehr beachtenswert^ nur wäre zu erforschen, ob sich
nicht bei dem jungen Falaschah der Einfluss der Missionäre geltend
gemacht.
11*
140 Die Alliance Univers. Israelite.
Alliance (zu Bagdad) gegenwärtig und ich fühle mich glück-
lich, Ihnen sagen zu können, dass die Schüler in einem
Jahre in den drei Abtheilungen bemerkenswerthe Fort-
schritte gemacht haben. Mein ehrenwerther englischer
College hat die Schüler auf Englisch, ich sie auf Fran-
zösisch ausgefragt, und wir haben in beiden Sprachen in
den verschiedenen Unterrichtszweigen die befriedigendsten
Antworten erhalten. Dieses glückliche Resultat ist dem
unermüdlichen Eifer und der vollständigen Hingebung
des Herrn Lurion (Lurje), Präsidenten des Comites zu
Bagdad zu verdanken, welcher 'das grösste Lob verdient
und Anspruch auf den Dank des Vereins hat. Er kämpft,
ohne Jemanden zu verletzen, geduldig gegen den Fana-
tismus und die beschränkten Ideen« der eingebornen
Juden und bringt sie allmälig dahin, den Nutzen der
unter seiner Leitung sich befindenden Schule anzuerken-
nen. Diese Schule, welche, wie ich, Herr Vicepräsident,
nicht anstehe auszusprechen, um Vieles vorzüglicher als
die verschiedenen christlichen Schulen zu Bagdad ist,
verdient das besondere Wohlwollen des Centralcomites,
und es wäre nur gerecht, sie durch ansehnlichere Mittel
aus Europa zu ermuthigen.
Ich endige, indem ich Sie, Herr Vicepräsident, ersuche,
sobald als möglich einen Nachfolger des Professors Nerson
nach Bagdad zu senden. — Zwei Schüler der ersten Ab-
theilung, der junge Saul Sommer und Isaak Schameye,
unterrichten französich und englisch in der dritten Ab-
theilung
Empfangen Sie u. s. w.
Hadjoute Peilissier".
Die Commentarien des Ephraem Syrus. 141
Sie Commentarien des Ephraem Syrus im YerMltniss
zur jüdischen Exegese.
Ein Beitrag zur Geschichte der Exegese.
Von Dr. D. Gerson.
iSchloss.)
Die hier folgenden 2 Beispiele werden es vollends zur Ge-
wissheit machen , dass Ephr. die Pesch. geradezu missverstanden
hat, wo ihn die Vergleichung des Urtextes oder der LXX das
Richtige hätte lehren können.
Deut. 32, 34 ist ^£J? durch ^ox übersetzt, das ganze He-
mistichion lautet: «*2ox ;*£) Jof „siehe, es ist aufbewahrt bei mir".
Ephr. nimmt dieses ~jqx = Volk und erklärt: „es (das Volk)
ist jetzt geschützt in seinem Besitze vor diesen", (p. 287 D :
^4 £ ojlolw <L* Jiloi ;4* ta *>*)• Ibid. 41 qWk W^p)),
was Onk. durch üWjK, die Pesch. durch )chjtj wiedergibt, er-
klärt Ephr.: „Er übergab sie (die Hebräer) den Medern, Chal-
däern und Assyriern" (287 E). Er hat also jc&tf als Aph. (tra-
dam) statt )&*)* (persolvam, retribuam) gelesen1).
Nach dem Gesagten dürfte man nun geneigt sein zu erwar-
ten , dass Ephr. sich an die Pesch., die er ausdrücklich „unsere
Uebersetzung" (Niuaax> I p. 380 A) nennt, sklavisch gehalten hat
und sich berechtigt glauben, nach seinen Citaten den Text der-
selben zu emendiren. Allein auch hierin ist er ein Gewährsmann,
auf den man sich nur mit der grössten Vorsicht verlassen kann.
Zwar haben seine Commentarien in der That stets die Pesch.
zur Grundlage, da seine Citate die ursprünglichen Zusätze*),
•) Als falsche Erklärungen der Pesch. bei Ephr. vgl. noch 75 A
zu Gen. 20, 16 and 265 C zu Nam. 24, 10.
*) Gen. 4, 8 )&jo2^ fj'J p. 41 D; Gen. 41, 44 .;•&£? Cro2> *$&& Jj)
p. 93 B; Lev. 10, 1 opp fij p. 293 D; Lev. 21, 20 zu frV? W>?fl
r
zwei ü cbers. p. 246 C; Nam. 21, 18 1>\& bzx&lfiQo £ p. 263 C.
142 Die Commentarien des Ephraem Syrus im Verhältniss
Abweichungen vom hebräischen Texte1) und hebräische9) oder
chaldäische Wörter*) enthalten, die sich auch in unserer Pesch.
finden. Aber an vielen anderen Stellen wiederum weichen seine
Citate von unseren Lesarten ab , ohne dass ihnen unbedingt der
Vorzug vor den letzteren gebührt. Diese Varianten bei Ephr.
sind nämlich theils durch willkürliche Zusätze zu den angeführ-
ten Stellen4), theils durch offenbare Flüchtigkeit beim Citiren
der Verse aus dem Gedächtnisse*) entstanden. In anderen Fäl-
len stimmen sie mit der LXX überein, wo die Pesch. dem Hebr.
>) Gen. 49, 25 "qtf riNl Pesch. nnd Ephr. p. 111 0 -^SLf; Exod.
14, 25 va>Jo 215E (-»d*i = IDNn); Nnm. 5, 28 J/TJ n}T)TJ] ßaj pjto
252 C, et Jon. IDT -ga "Q^nni; Num. 10, 11 DnbJ£ jhaB& 254 D;
Num. 16 1 trp ng2 ^iljo 260 B, cf. Onk a. 1. ; Num. 31, 28 tf DHO
niNp ^aal 4 JtW£» 268 A; Deut 32, 18 7$np *£&*} (tic!) p.
286 C; Deut 33, 2 nnw opaxo 2880, vgl. auch Gen. 47, 31 p. 89 B
und 104 C.
*) Gen. 1, 2 ojcoo ojot p. 6E; Gen. 28, 19^)LrJ 178 F; Gen.
49, 25 J^flll C; II Regg. 3, 4 jJxJ 523 E; Jes. 10, 26 fco* II p.
39 B, cf. Wisemann: Horae Syriacae p. 122 sqq. n. Perles 1. 1. p. 26.
•) Gen. 1, 1 &?, welches Ephr. für eine hebr. Praep. = dem syr.
\l hält (116 D \k a*£Wd cvLß cnJLf jLbx Jxw* IqxuJo £o {.£ jfof).
Er verwechselt also hier das Chaldäische, die Volkssprache der He-
bräer mit dem Hebräischen. Vgl. Joh. 5, 2, wo 'Eß^dCazl ebenfalls
die chald. Volkssprache bedeutet, cf. Act. Ap. 21, 40 und 22, 2 und
Lightfoot horae hebr. q. 1005. — Dan. 8, 2 opp. II, 217 A.
4) Gen. 1,2 zu rj fcoooil ergänzt Ephr. )££} 8C; Gen. 18, 15
wA^^sv erg. «jä-ä «dL 69 C; Ex. 9, 16 7*xvjöjerg. j!u;~a 210 A; Ex.
14, 15 bjf fijo ]üqd erg. ^ paj? 214 E, cf. Gen. 31, 46 p. 86 E; Gen.
45, 9 p. 101 D; Gen. 48, 1 p. 104D; Ex. 15, 11 p. 216 F. u. a. m.
Vgl. auch oben 8. 105.
») Gen. 31, 24 jSjlA Jxyi \i=^ £ Ephr. 86 A J»^o jktfr £
jlVc£j£; Gen. 49, 17 #oJ \^j £<w p. 109 E /LVK*r, Deut 23, 24
JsZ jL*£? J»^ p. 281 C .,£>£ lb, cf. Lev. 23, 24, 27, 40 p. 248 C;
Dent 30, 4 p. 286 A.
zur jüdischen Exegese. 143
näher kommt1), oder endlich mit dem hebr. Texte, wo die
Pesch. die Lesart der LXX wiedergibt*). In diesem letzteren
Falle nun kann kein Zweifel darüber obwalten, dass Ephraems
Lesart den Vorzug verdient und dass die Uebereinstimmung
der Pesch. mit der LXX zum grossen Theile von Jacob von
Edessa herrührt, der nach dem Zeugnisse des Barhebraeus (v.
Assem. B. O. II, p. 336) die Pesch. nach der LXX oder nach
der hexaplarisch-syrischen Uebersetzung redigirt hat, zumal,
da sich. sogar an einzelnen Stellen nachweisen lässt, dass Jac.
v. Edessa noch die achten Lesarten vor sich gehabt und ver-
ändert hat1). Es bleibt aber noch die Frage: wie steht es mit
den übrigen Varianten bei Ephraem? Sind, seine Lesarten immer
die ursprünglichen, oder hatte die Pesch. schon zu seiner Zeit
Emendationen von einer anderen Hand erfahren? Oder rühren
jene Varianten daher, dass Ephr. ausser der Pesch. noch einen
anderen Text, den hebräischen oder griechischen benutzt hat?
Für die Benutzung des Urtextes oder der LXX würden we-
nigstens die Stellen sprechen , wo er sich auf den Efenrit (££ax),
l) Gen. 49, 6 Pesch. J*ojl oySi ^fcxwao = Tir npj/, Ephr.
187 B JtoÄfc. o£l >po* uo;z>o = LXX hsvQoxoTtrjöav tccvqov; Exod. 24,
15 P. jicÄ> jc&gdo Ephr. 223 C erg. ßa^ ^ojuo = LXX. cf. Exod.
15, 15 p. 217 B )£&, Exod. 37, 1 p. 228 D jfrW tf> J&Jb und Deut.
23> 4 °V^)? ^1 mit LXX a. 11.
v) Gen. 4, 8 P. )Lix2o ± iv nsdtat, Ephr. 41 E J&u»a = iVip;
Gen. 6, 2 p,oj& Jld = vloi tov Veov, Ephr. 49 D und 146 B )2!$
vgl. S. 105; Exod. 15. 21 «~oju = a6m[u*, Ephr. 216 B Q~AL = Wtf;
y 50, 10 P. $4o pQ^>f )woor = h xotg oq&si ml ßosg, Ephr. 18 B
*) So ist Gen. 28, 9 für foyött* ra rhr\0 die Lesart J&xo in
der Pesch. (nach 36, 3) geändert, nicht die ursprüngliche, wie Perles
1. 1. p. 35 annimmt; denn Ephr. and auch Jac v. Edessa müssen die
•Lesart &Jx> noch gehabt haben, wie man ans der Erklärung Ephr.
(174 F) und der des Jac. v. Edessa (175 C) ersieht. Ebenso hatte
Jac. v# Ed. Gen. 36, 2 für JiJD» m die ächte Lesart >p^ L*=> (ib.),
wofür unsere Pesch. = LXX ^ hat.
144 Die Commentarien des Ephraem Syrtis im Verhältniss
.00 r,
resp. Jarooio (J»jgl) ausdrücklich beruft; es ist also, um Ober
sein Verhältniss zur Pesch. in's Klare zu kommen, zuvörderst
das zu diesen Beiden zu erledigen.
Obgleich nun die Anfuhrungen des Ebroio bei Ephr. nicht
selten sind, so beweist doch keines dieser Citate eine eigent-
liche Kenntniss des Hebräischen, kaum eine oberflächliche Be-
kanntschaft mit dem hebr. Texte1). Denn kein einziges gibt
ein hebr. Wort syrisch transscribirt wieder, fast alle beziehen
sich auf Eigennamen oder solche hebr. Wörter , die in der Pesch.
selbst beibehalten worden waren. Sind nun diese Citate des
Hebr. nicht aus Autopsie und Kenntniss des Hebr. zu erklären,
so muss entweder Ephraems Text syr. Glossen aus dem hebr.
Originale gehabt haben*), oder Ephr. eiti rt den hebr. Text nur nach
mündlicher Mittheilnng. Dieses letztere ist man aber darum an-
zunehmen genöthigt, weil es sich sonst in keiner Weise erklä-
ren Hesse , dass sein Ebroio mit dem hebr. Texte oft gar nicht ,
übereinstimmt, vielmehr ihn gerade so wiedergibt, wie die. tra-
ditionelle Exegese ihn erklärte und die Targomim (des Onk. oder
Jon. b. Us.) übersetzten.
So bemerkt Ephr. z. B. zu Gen. 24, 63: o^opcfv? *»oj ;*! «s&«»
Cl^L k&J *Rj*£ (p. 173 A). Diesem oXjrtv entsprechen aber nur
Onkelos a. 1. (HK^) und die Tradition (Berach. 26b, vgl. S. 100).
Ist es denkbar, dass ein Glossator diese traditionelle Ueber-
setzung angemerkt hat, oder liegt nicht vielmehr die Annahme
näher, dass Ephr. aus derselben Quelle, der er die Kenntniss
der Hagada verdankte, auch diese Varianten geschöpft hat?
*) Den Ebroio citirt Ephr. Gen. 31, 24 p. 139 A; Gen. 24, 63 p.
173 A; Gen. 25, 25 p. 173 C; Gen. 26, 33 p. 174 C; Gen. 36, 24 p.
184 D; Deut. 9, 25 p. 273 C; Jos. 13, 6 p. 303 C; Jos. 15, 2 p. 305 B;
Jud. 5, 29 p. 316 A; I. Sam. 3, 11 p. 340 D; I. Sam. 14, 4 p.357F;
I. Sam. 21, 8 p. 376 E; I. Sam. 23, 28 p. 379 E; I. Sam. 24, 4p.380A;
IL Sam. 19, 36 p. 423 A; I. Regg. 7, 21 p. 460 A; I. Regg. 18, 44 p.
498 F; IL Regg. 3,4 p. 523 E; II. Regg. 3, 15 p. »24 A; II. Regg. 8,
10 p. 539 D; Hiob. 26, 13 opp. II p. 18 E; Jes. 17, 9 p. 48 C; Ez. 7,
17 p. 172 D ; Arnos 6, 1 p 263 C und Jonah 3, 4 cf. Assem. B. O.
I, 70.
*) Rödiger in Herzogs Real-Encykl. IV 8. 87 und Lengerke comm.
crit. p. 19 sq.
zur jüdischen Exegese. 145
Man vergleiche ferner p. 173 C zu Gen. 25, 25: );*a>j )&&£ «Sfe~
jT£ax ;»)Pu£a>)*„Für Ringe von Haaren sagt der Hebräer JUL&odJ*4.
Die Pesch. hatte hier durch Jvaxaoj JAjbjx. die jüdische Auffassung
ausgedrückt, die auch Jonathan durch Avj (geringelte Fäden)
wiedergibt; der Hebräer aber, der n*fjK durch JU(^a>f erklärt,
• • •
ist nicht schwer zu finden, v. Synh. 44 a und cf. Jon. Gen.
9, 25*").
Zu Gen. 36, 24 bemerkt Ephr. : „Das ist Ana , der die Quel-
len in der Wüste fand . . . für er fand die Quellen sagt der
Hebräer er fand die Kiesen in der Wüste>" (p. 184 D: JÜ ooj
,p r ,»P r r (* r,p .00 * .P r .P .p r .P r ^ r •*
h-yrr» J<PJ^ <-o*J yo| l*;^ £n «2fc~ . . . Jv^^ Jx» o^ w*3aJj
Aber welcher Hebräer sagt denn dies? O^pVI ist die verbürgte
Lesart, die auch Hieron. hatte (v. opp. HI p. 145 E), und dafür soll
es im Hebräischen „Riesen" heissen? Allerdings, und zwar
nach der traditionellen jüdischen Erklärung; denn so hatte es
auch Olkelos übersetzt (WD:i)> weil er CWi — D^NH (Gen.
13, 5) nahm. Dieses N'^Stt des Targum also, syrisch )^tl hält
Ephr. auf Grund mündlicher Mittheilung für das entsprechende
hebräische Wort für £x> o£, oder vielmehr JxüDofc. , welche ächte
Lesart er nicht mehr kannte*).
l) Im bab. Talmud ist bekanntlich N^tETN oder vhwDX {<noXr\)
der eigentliche Ausdruck der Vulg&rsprache für das chald. DvJ oder
KD vi In der Pesch. findet sich dieses Wort unseres Wissens nir-
gends, das. ist rmN durch JUfaoJ (Jos. 7, 21) oder );2&» 1. Regg. 19,
19 und II. Regg. 2, 8) oder J^ (Jonah. 3, 6) oder Juodj t>*» (Zacb.
13, 4) übersetzt
*) Dass £x> o^. durch Flüchtigkeit der Abschreiber aus (jedoo^
entstanden ist, beweist Perl es L. 1. p. 9. — Dass dem Ephr. schon
offenbar corrumpirte Lesarten vorgelegen haben, zeigt auch 58 B
Jäb, wofür es nach dem Hebräischen Gen. 10, 10 (&3 heissen moss
(cf. 154 A), oder — da dieser Fehler auch auf Rechnung des Editors
gesetzt werden könnte — seine Bemerkung zu I. Sam. 23, 28 p. 379 E:
\£o v£ (sie) -oj jLv^x VoxifiD yL jlq^sSj JäJd *«ojo; aber *aja> be-
deutet im Hebr. gar nicht Fels, sondern hier stand für nifc&nön ]/ta
vwie V. 20 ibid. zeigt) Jl<^&} >&cd und daraus wurde )lq^A v
146 Die Commentarien des Ephraim Syrus im Verhältnis*
Auch die Variante Epbraeins j£q^£ ^Ü für ßot »«?» (Gen.
49, 23 p. HOF) wird man vergebens wo anders als bei Onkelos
und der Hagada suchen. Denn seine Worte jiq^d *<&£ vjo
~o»QOjo ^ojovood ojlqAd «jq Vsv >pjf ~oja»| ~oj p ~oj Ja*A3
„Wenn jlq^d <aL=> steht4' (seil, im Hebr. oder nach dem Hebr.
zu übersetzen ist) etc. haben nur dann einen Sinn, wenn man
für c^n ^I?3 die Uebersetzung des Onkelos Kn1llfo ^}H sub-
stituirt, cf. Gen. R. c. 98.
Dasselbe gilt von der Anfuhrung des Ebroio zu Num. 19, 17
£*2ü? vof^xati fc» J&I Js» «2tu* „Für lebendiges Wasser sagt der
Hebräer sprudelndes Wasser". Das hebr. Q»n Q^D bedeutet
aber gar nichts andere« als fc~, und nicht der hebr&ische Text,
sondern Onkelos und Jonathan haben dieses ^>*v? Joo JFI2MD nfc*
weil es so die Halacha erklärte, v. Pesachim 34b und Sotah
15 b1).
Da also Ephr. den hebräischen Text nicht verglichen, noch
weniger aber selber ein Targum benutzt hat, so kann er nur
derartige Lesarten durch Mittheilung von Juden erfahren haben.
Dass diese Emendation richtig ist, beweist I. Sara. 23, 19, woselbst
der Uebersetzer nVTCöD ebenfalls unverändert wiedergegeben hat,
nämlich Lojjßa corrurapirt loVxo. — Wir beschränken uns hier
übrigens auf den Pentateuch, da wir es nur mit den Commentarien
zu diesem zu thun haben; aber auch sonst ist anter Ebroio, wie sich
leicht zeigen läset, nicht der hebräische Text zu verstehen, sondorn
der von einem Hebräer dem Ephr. mitgetheilte Targumtext, v. p.
524 A zu II Regg. 3, 15 Cg)D) jx>f ojXjf yof (aqoj . Jaoo* ^t oU]
00 % ¥ 0 T 00 % T *h0 w p wa
pt^x V»)? f*J )vo o) WQ^? Ja.aaj. ist aber nichts anderes als Cither-
spieler (v. «axu = yü) und das angeblich hebräische Wort Jvo hat
nicht der hebräische Text, sondern der des Jonathan b. Usiel a. 1.
mtoa kuA jn'T «"oa*
') Das oben erwähnte Scholion fehlt in unserer Ausgabe, findet
sich jedoch cod. Vat. 103 fol. 23 b (s. Pohlmann 1. 1. II, 28). Der
Herausgeber hat nicht nur einzelne Scholien, sondern ganze Stacke,
die dem Ephr. angehören, ohne Grund ausgelassen. So ist opp. II
p. 93 1. 37 zu sappliren fol. fc)9— 216, e. Pohlmann ibid. p. 22, 30
und 31.
zur jüdischen Exegese. 147
Denn er lässt den hebräischen Text Dinge sagen, die nur der
traditionellen jüdischen Exegese angehören. So sagt er auch
z. B. zu Deut. 9, 25 „Wo es in der Pesch. heisst Ich betete, da
steht im Hebräischen Ich fastete" (278 C fco.; uLjf '♦»)? v*I*S&~
)f(^v%, c*j&3). Das ist geradezu unwahr; denn wo die Fesch,
fco. hat, ist das hebräische Wort ^DHN oder ^&2ntt, nirgends
Steht im Hebräischen ein Wort, das dem syrischen *ä£ ent-
spricht. Wohl aber könnte die von Ephr. angedeutete Erklä-
rung auf Derach; 30h zurückgeführt werden , wo der Ausdruck
i>IT! in ähnlicher Weise gedeutet wird1).
Die nähere Prüfung der Anfuhrungen des Ebroio hat erge-
ben, dass Ephr. kaum eine oberflächliche Kenntnis s des Hebr.
besessen hat, also auch den hebr. Text nicht gelesen und mit
der Pesch. verglichen haben kann. Dieses Urtheii wird durchaus
nicht alterirt, wenn man die Stellen in Betracht zieht, wo er
hebräische Wörter der Pesch. erklärt; denn entweder sind dies
solche Wörter, die mit geringer Veränderung auch im Syrischen
vorkommen*), oder die Erklärung ist eben auf Mittheilung der
") Vgl. noch 139 A zu Gen. 3, 24: rm tor& £p) . && (0*.
>^g %$s> pj) J2>) }ooj $B) Juan*? 1**^» Jj~ luOJj ^ jk) Jüjj
JLOO| Jä&OjteD} Jft*£k. )3L£D} JJLOQOJ JöOJ )j~ JLLj JdLUo JaL»t;&. Jooj
'•»)PjL^i^Jto JrtoJ j£o;a v2tL» •♦-! ^v^x . ^o»J^~. Diese Erklärung
hat mit dem hebräischen 2TD gar nichts zu thun, denn dieses Wort
bedeutet niemals „Trugbild". Sie hat nur dann einen Sinn, wenn
man sie auf tDH? bezieht und annimmt, Ephr. habe die im Talmud
mitgeth eilte Erklärung gehört, nach welcher bei 3"inn ür& an Sinnes-
täuschung zu denken ist (v. Synh. 67 b pi D^DBO nPJrtD &K DTTODflfel
TOOnnon T\m ürf? rwi 1D1N NVI). Da nun hier ffir rm 'b in der
Pesch. J&;*!} Jlul stand icf. Onk. N3"in ^Jtf), die Erklärung also gar
nicht zutreffend erscheinen musste, so bezog Ephr. jene rein etymo-
logische Deutung auf das schwierige Wort J^o;s*
*) Vgl. z. B. die Erklärung des Wortes DIN = jjl&fjo &Ax
(129 A); <M**»£ = Joj&f jL£ (178F, 522 F); I. Sam. 3, 11 ~of'cu?oJ ^
(340 D) *fa» j£ax Aj? JjJ ^ac*? pf U^ >*i; I. Sam. 21, 8 Joe* j£>,
wofür Ephr. die ächte Lesart £u hatte v. 376 E tju jL£a£ l£o L-Jz
Jh9 H 9 T ♦ 9 999
J^at px ^. ~oj J*»iqL (der Uebersetzer hatte in der Bosch. ;jj bei-
148 Die Commentarien des Ephraem Syrus im Verhältniss
jüdischen Tradition zurückzufuhren1). Es bleibt nun noch zur
kritischen Würdigung seiner Commentarien zu untersuchen, wie
weit seine Kenntniss und Benutzung der LXX sich erstreckt.
Zwar findet sich in den Commentarien zum Pentateuch die
griechische Uebersetzung nirgends ausdrücklich citirt*), jedoch
muss Ephr. sie wohl gekannt haben , wie sich aus dem Scholion
zu Gen. 1, 2*), einem ungedruckten Scholion zu Gen. 41, 454)
und mehreren stillschweigend nach der LXX citirten Stellen5)
ergiebt. Ob nun. diese Benutzung der LXX dadurch zu erklä-
ren ist, dass Ephraems Text mit einzelnen syrischen Glossen
aus den griechischen Uebersetzungen versehen war6), oö^r dass
er durch Kenntniss des Griechischen zur Vergleichung der-
selben befähigt war7), kann hier, wo nur die Commentarien
zum Pentateuch in Betracht gezogen werden sollen , nicht ' ent-
behalten, weil er "igttt = des Festes wegen versammelt nahm (cf.
Ge8eniu8 W. B. s. v.) I. Regg. 7, 21 rpL nnd pö = ^33 und Jpo
(460 A) cf. Kimchi a. 1.
0 Vgl. aasser den oben S. 142 Note 2 angeführten Stellen noch
Gen. 6, 16 p. 147 E: jftop» xjojoj |j£.oj and Onk. a. 1. "llnj, ferner
Lev. 24, 11 p. 249 A.
*) Sonst citirt er den Jaunoio L Regg. 14, 3 p. 480 B; Arnos 6, 1
opp. II p. 263 C; Zach. 11, 15 II, 304 C und Jonah 3, 4 v. Assem. B.
0. I, 70.
*) V. p. 116 E: VD) Jjv-J ^j U~»J* • l*o**o J*j. ^?Qjo» • ojoöo OfOL
|£jl0&> JJo Jft»duj*JUD JJ hooi o*JbLf Jxif LXX aoQcczog cnuxzaaxivccczog.
4) Bei Pohlmann 1. 1. I, p. 22 aus Cod. Vat. 103: ybf ^ jLjal
JiüdJl; jLu£> JatSbfcoo cv&J? *.o* sa^oaoijj Jjop ^;a£j» L-J~> A*a>JJ ;
cf. LXX a. 1. 'Aoeved1 &vyateQa IleT£<pQTJ ItQicog 'HXuonolsmg.
») Gen. 6, 2 opp. III 564 E puo»& Jos vlol zwo fcov ; die echte
Lesart fö" hat er I, 49 D und 146 ß ; Gen. 6, 3 ^£o> jiliLai 146 D =
iv tolg äv&Qcbwoig tovxoig, nach der Pesch. citirt er dieselbe Stelle p.
49 C. Ueber Gen. 49, 6 s. o S, 143 Note 1.
•) S. Herzog's Reai-Encyclop. IV S. 87.
7) V. 8ocr. Hißt. Eccl. II, IX sha tä ^UrpHov ncudev&elg naQcc
rc5 trpi%avtaL h 'ESiajj htiBr^jfiavtt ncudevrjj cf. Assem. B. 0. I, 48.
Wäre diese Frage ausser allem Zweifel (vgl. jedoch dagegen Tillemont
m6m. eccl. t. VIII Note XII p. 1280), so könnte man auch allenfalls
annehmen, dass er wie Chrveostomus and Theodore* (cf. Ernesti narret.
zur judischen Exegese. 149
schieden werden und muss der weiteren Forschung über seine
exegetischen Schriften vorbehalten bleiben. Was hier als wich-
tiges Resultat hervorgehoben werden muss, ist, dass diese
Commentarien, wenn auch ihr Werth nicht auf Vergleichung
des Urtextes und der Versionen beruht, doch für die Berichti-
gung und das kritische Verständniss der Pesch. ganz unschätzbar
sind. Nur darf hierbei nicht ausser Acht gelassen werden, dass
Ephraems Lesarten nicht unbedingt Anspruch auf Glaubwürdig-
keit und Ursprünglichkeit machen können, sondern nur dann
vor den unsrigen den Vorzug verdienen, wenn sie dem Geiste
der Uebersetzung, wie er im Grossen und Ganzen sich dar-
stellt, entsprechen.
Hingegen hiesse es den Werth der Commentarien über-
schätzen , wenn man an dieselben mit der Voraussetzung heran-
ginge, in ihnen eine reiche Ausbeute für die eigentlich wissen-
schaftliche Erklärung des Urtextes zu finden. Denn zu einer
gründlichen philologischen Forschung fehlte Ephr. einerseits
der wissenschaftliche Geist eines Hieronymus, andererseits lag
sie überhaupt nicht in dem Plane, den er bei Abfassung dieser
Commentarien befolgte. Daher ist er z. B. in Bezug auf geo-
graphische Bemerkungen nur dann zuverlässig, wenn sie die
Gegenden des Euphrat, die er aus eigener Anschauung kannte,
betreffen1). In vielen anderen Beziehungen ist seine Unselbst-
ständigkeit und Abhängigkeit von der jüdischen Exegese im
Einzelnen nachgewiesen worden. Wenn also Ephr. auch oft
richtige Erklärungen bietet, so kann doch das endgiltige Urtheil
über seine exegetische Leistung derBewunderung, die man ihr bis-
her gezollt hat, nur in sehr eingeschränktem Maasse beipflichten.
crit. de interpr. mess. in dessen opusc. theo!, p. 524) sich der Hexapla
des Origenes bedient und aus derselben die Kenntniss des Ebrolo
geschöpft habe.
*) 80 trifft er offenbar das Richtige, wenn er Gen. 10, 10 die
Namen Jüoo ;d) ^V| — Edessa, Nisibi$ and Ctesiphon (^£^v> , |co;f
* ♦ ^ ►
v. -ftp*** ^ ~ojto|, cf. Jon. und 'Jenisch. a. 1. und Gen. R. c. 37) er-
klärt (p. 58 B und 154 A), während er andererseits %. B< die Flüsse
Gichon und Pischon (Gen. 2, 11) mit Nil und Danubins identificirt
(23 B), wo man weit eher an. Indus und Oxus zu denken hat (siehe
Knobel Genesis 8. 29 ff.).
150 Analekten.
A n a 1 e k t e n.
1. Ein vergessener Rabbiner ans der Zeit der
französischen Revolution.
Unsere Zeit darf mehr als jede frühere es sich zum Lobe
anrechnen , dass sie die Männer nach Verdienst ihrer Leistungen
für Judenthum und jüdisches Schriftthum nach Gebühr würdigt
und nicht blos diejenigen, welche in ihr gelebt und gewirkt
haben, sondern auch alle Diejenigen wieder in Erinnerung zu
bringen sucht, über welche die undankbare Mitwelt mit Still-
schweigen hinweggegangen ist Wie mancher redliche Arbeiter
im Dienste des Judenthuws ist heute, kaum noch dem Namen
nach bekannt l
Es. erscheint als ein Act der Pietät, einem Manne ein Denk-
mai zu setzen, dessen von den Bibliographen, so weit mir
bekannt ist, mit keiner Silbe gedacht wird.
R. Isaak Lunteschütz — das ist der Name des verges*
senen Rabbiners — war ein Urenkel des berühmten Predigers
Salomon Ephraim Luntschütz1) und Sohn eines sonst
unbekannten Jakob Samuel ben Aron Luntschütz. Von
seinem Leben wissen wir nichts, als was er uns selbst erzählt.
In seiner Jugend gefahrlich erkrankt, wurde ihm der Zuname
Abraham beigelegt; später verschlang er eine grosse Nadel —
ilbTW brO bw OHO — von deren Folgen er gerettet wurde.
Isaak bekleidete längere Zeit das Rabbinat Westhafen bei
Strassburg und hatte während der französischen Revolution,
namentlich unter der Gewaltherrschaft Robespierre's viel zu lei-
den, er büsste nicht allein sein Vermögen, sondern auch auf
vierzehn Tage seine Freiheit ein. Er berichtet selbst darüber:
dnyb n&a njn mn din vbv Dips ote -oa b)pwn . . •
bv ray rww wäd .töd vnso nnvw rem ndn renoa
*n idnm wi DJ si» rraö -«wn *pan bz cm wn
am 'b dv ny "ftpn renn rb am rvoa-i roron» rrnnn von
■) w nWo, Vorrede: onDK nMny ^jd • • • Tonn inan ypr
Analekten. 151
.♦•♦*) An einer anderen Stelle schildert er die unsäglichen
Leiden, denen die Juden in der Revolutionszeit ausgesetzt waren :
rorotf \frcb crw« v»n orwottnö . niwpaa bmono can
• ruiia nav pa^pi mntpn raxtaa nrmni rww rv»aa jt*d^
nmrfc iana n:ao nn d» rrppnn ta ntDifc w iwdn rrn &6 ca
^bö -nra rrn tan rw» ]5r©m «rpi n^enn i^dk . ♦ ♦ bxwb
roDon8).
R. Isaak Luntschütz ist Verfasser mehrerer halachischer
Werke; unter dem Titel: pflSP EmaK naia schrieb er Novellen
zu n^Dia TD und unter dem Titel pn2P taf llw Novellen zu KM
&CJP!JD> dieselben wurden nie gedruckt; von einem anderen gros*
seren Werke erschien nur etwa ein Drittel im Druck unter dem
Titel: Sp Tons nforo aicoi nn&N& -W9 bb)D *dp n^ta
. • ♦ . KMMTO '"nWCl mpffll D"D1 n^pDD ^ta (Rödelheim,
Heidenheim, 1813).
Ehe noch das Werk im Drucke beendet war, erhielt er das
durch den 1813 erfolgten Tod des Rabbiners Raphael Ris er-
ledigte Rabbinat der schweizerischen Israeliten, das er aber
nur etwa zwei Jahre bekleidete, denn schon am 24. Elul 1815
wurde er aus dem Leben abberufen.
Kayserling.
Zur Geschichte der jüdischen Aerste.
Abraham da Fonseca, einer der ersten Grunder der
wohlthätigen Anstalt „Maskil el dal" in Amsterdam, Verfasser
des 1667 zu Amsterdam gedruckten Werkes QniaK ^JJ> welcher
später als Chacham der portugiesischen Gemeinde in Glückstadt
lebte und den 27. Juli 1671 in Hamburg starb, war der Stamm-
vater einer Familie, in welcher die medicinische Kunst sich von
Vater auf Sohn vererbte.
Von Abraham's Söhnen bildete sich
Josua da Fonseca
als Art aus und practicirte in. Hamburg. Dessen Sohn
*) Das. 29a, 30a.
■) Das. 30 a.
152 Recensionen und Anzeigen.
Joseph da Fonseca
promovirte den 31. Juli 1683 mit der Dissertation „De Dysen-
terie (Lugd. Batav. 1863. 4.) in Leyden.
. Joseph hatte zwei Söhne „Abraham und Jacob:
Abraham da Fonseca
schrieb „De Peste" (Lugd. Batav. 1712. 4.) und Hess sich nach
der Promotion in Hamburg nieder;
Jacob da Fonseca,
geboren zu Hamburg 1699, promovirte am 13. September 1719
mit der Dissertation „De Chilificatione" (Lugd. Batav. 1719. 4.)
und starb in seiner Heimathsstadt den 13. Januar 1754.
Sechs Monate vor dem Tode Jacob's , den 4. Juli 1753, pro-
movirte
Abraham da Fonseca de Mattos
zu Leyden mit der Dissertation „De Fractura" (Lugd. Batav.
1753. 4) und starb in Hamburg gegen 1809.
«
Kayserling.
Reeensienen and Anzeigen.
Auch unter dem Titel:
Variae Lectiones in Mischnam et Talmud Babylonicum et. et.
Auetori Raphaelo Rabbinovicz. (Schluss.)
In dem darauffolgenden Abschnitt der Einleitung geht der
Herr Verfasser über auf die verschiedenen Ausgaben des Tal-
mud seit seinem ersten Erscheinen im Druck bis auf die neueste
Zeit. Dieser sehr interessante und belehrende Abschnitt sichert
dem Werke auch abgesehen von seinem sonstigen wichti-
gen Inhalt einen bleibenden Werth und darf zu den schätzens-
werthesten Erzeugnissen auf dem Gebiete der Bibliographie
Recensionen und Anzeigen. 159
gerechtet werden. Von dem Talmud wurden zuerst nur einzelne
Traktate gedruckt und zwar zu Sonoino in der Lombardei durch
Josua Salomo , Sphn des Israel Nathan. Im Jahre 1484 erschien
zu Soncino Traktat Berachot, dem in dem Zeitraum von etwa
36 Jahren andere 24 Traktate folgten. Schon im Jahre 1473
waren mehrere hebräische Werke, als die Bibel, Aruch, Jad
Hachaaaka des Maimonides u. a. im Drucke erschienen; dass
der Talmud später und auch dann nur langsam erschien, lag in
der über ihn verhängten Verdammungsbulle Gregor'« IX. im
Jahre 1239» die von Clemens IV. im Jahre 1264 wiederholt
wurde. Durch die Bulle des fanatischen Gregor IX. wurden in
Frankreich Tausende von Talmudexemplaren und andere hebr.
Werken dem Seheiterhaufen übergeben und sogar der Besitzer
des Talmud war mit Todesstrafe bedroht. Die Bulle gerieth
»War allmälig in Vergessenheit, dennoch wagte Niemand mit
einem Talmudwerke öffentlich hervorzutreten. Den Talmud um
die&e Zeit in. Druck zu legen, war also ein gefährliches Unter-
nehmen und konnte deshalb auch nur langsam vorgeschritten
werden. Auffallend saheint jedoch, dass zu Constantinopel und
Saloniki, wo kein Verbot gegen den Talmud bestand und hebr.
Werke , wie Alfasi, Sifri, Mechilta u. a. schon vom Jahre 1509
ab im Druck erschienen, vom Talmud auch nicht ein Traktat
gedruckt wurde« Herr R. meint (kommt aber hiervon zurück),
dass vielleicht einzelne Traktate gedruckt wurden, die aber
dmeh fleissiges Studium bald abgenützt sieh nicht auf die Nach-
welt erhielten; Folgendes dürfte jedoeh zu erwähnen sein. Der
frühere ConstanÜnopier und Saloniker Druck war schlecht^ das
Seminar besitzt das CFJHt PtOTTP TVW '0 gedruckt au Oonstantinopel
im Jahre 1602. Das Werk ist kaum lesbar« Papier schlecht,
die Buchstaben schwach ausgeprägt und in einander verschwom-
men, und selbst noch spätere türkische Druckwerke lassen
Vieles hinsichtlich der Typen und deren Ausprägung zu wün-
schen: auf welcher Stufe mag die Typographie in der ersten
Zeit ihrer Einführung m die bcbr. Litteratur in der Türkei ge-
standen haben! Es ist ferner leicht zu ermessen, dass in
der zu jener Zeit an Künstlern gewiss armen Türkei der Guss
der Typen mit viel grösserem Geldaufwand als in Italien, über-
haupt in Westeuropa verbunden war«, der Druck des Talmud
würde also ungemeine Kosten verursacht haben und konnte
Frankel, MonaUachrift. XV1L 4. 12
154 Recensionen und Anzeigen.
theils weil nach den grossen Druckkosten ein hoher Preis ge-
setzt werden musste, theils wegen der gedachten Undeutlich-
keit nur auf geringen Absatz bei der Menge, gegenüber den
Abschreibern, die deutlich und billig schrieben, rechnen. Wenn
Mechilta, Sifri u. s. w. gedruckt wurden, so ist erstens deren
Umfang nicht so gross wie der des Talmud , dann ist der Druck
auch nicht so beschwerlich und an Undeutlichkeit leidend, da
der Talmud mehrere Druckarten zugleich, eine für den Text
und andere für die Gommentatoren erfordert. Hieraus dürfte
sich also der Rückstand der Türkei am Drucke des Talmud
erklären»
Kehren wir zu Westeuropa zurück. Der Sonciner Heraus-
geber, Josua Salomo, siedelte im Jahre 1489 nach Neapel über
und beendigte daselbst im Jahre 1492 den Druck der Michnajot
mit dem Commentär des Maimonides. (Dieses Werk ist im
Besitze des Seminars und wurde seiner in dieser Monatsschrift
9. Jahrgang ausfuhrlich Erwähnung gethan.) Um dieselbe Zeit
erschienen auch zu Lissabon einige Talmudtrakte im Druck,
auch wurde in Soncino der Druck des Talmud durch Gerschom,
den Neffen von Josua Salomo, fortgesetzt. Herr R. hat mit
grossem Fleisse mehrere Traktate der soncinischen Ausgabe
verglichen und bringt viel Bemerkenswerthes über die sich in
ihnen befindenden Lesearten, Jahr des Druckes, Correctoren
u. a. — Im Jahre 1520 hob Leo X das alte Verbot auf und ge-
stattete den Druck des Talmud. Von da ab beginnt eine neue
Aera und ist der eigentliche Druck des Talmud von dieser Zeit
ab zu rechnen , denn nun erst erschien der Talmud vollständig«
Der erste Herausgaber des vollständigen Talmud ist Daniel
Bomberg, Venedig, begonnen 1520, beendigt Spätherbst 1522.
Wir bemerken hier, das Seminar befindet sich im Besitze der
ersten Ausgabe des jerusal. Talmud, Venedig, Daniel Bomberg.
Die Jahresangabe fehlt; doch wird auf dem Titelblatte Gott ge-
dankt dafür, dass er Kraft gegeben „unsern (den babyl.) Talmud
zu vollenden" (j^n «"MObn Köbtt*6 *6n ich 3HH), und am
Ende des Werkes heisst es : „so wie wir diesen Talmud vollen-
det, möge es uns auch gelingen, den „Jad" zu vollenden1,
Ct»ö tjötw nwia^ö ronm dp brar\ T"»n 'übarab row
TOJ ^llttm)- Dieser „Jad", in dessen Besitz sich ebenfalls das
Seminar befindet, erschien im Jahre 1424, woraus mit Gewissheit
Recensionen und Anzeigen. 155
zu schliessen, das der jerus. Talmud, der wie aus den ange«
führten Stellen zwischen dem babyl. Talmud und dem Jad er«
schien, im Jahre 1523 an's Licht trat; hieraus ergibt sich aber
auch die Richtigkeit der Behauptung des Herrn R., der babyl,
Talmud sei im Herbst des Jahres 1522 und nicht wie Stein-
schneider meint, im Frühling des Jahres 1523 vollendet worden,
da von da ah ein zu kurzer Zeitraum für den in demselben
Jahre erschienenen jerus. Talmud verbleiben würde.
Diese Bomberg'sche Ausgabe, der zwar noch Manches aber
in Betracht des Ganzen nicht Bedeutendes abgeht (es fehle«
die Traktate Q^n 'D N"l 'Ott JW *T1 nHK) zeichnet sich durch
Schönheit des Druckes und des Papieres aus und überragt, wie
Herr R. versichert, hierin alle späteren Talmudausgaben. Sie
ist der Sonciner (insoweit diese Traktate brachte) nachgedruckt,
doch sind, hier auch , wie Herr R. mit vielem Fleisse nachweist,
andere Manuscripte benutzt worden. (Für die zu Soncino nicht
erschienenen Traktate ist dieses selbstverständlich.) Sehr zu
bedauern sind die vielen Druckfehler im Ascheri dieser Aus-»
gäbe. — Eine zweite Ausgabe erschien bei Bomberg im Jahre
1528 — 1531, die ganz wie die erste, nur reicher an Druckfehlern
ist. — Im Jahre 1546 — 1551 erschien bei Marco Antonio Giusti~
niani, Venedig, eine vollständige Ausgabe des Talmud (mit
k"i 'Döi }ro '-n mm die mao -w vvwo pm -rft&nn n-noa
nsiw bin inaö nn ywro "i mrm c^dehö oipö ntciöi
fpVl bV CnnJD brachte. Nach der Seitenzahl dieser Ausgabe
sind alle späteren Ausgaben gedruckt und ist sie gewissermassen
als die editio princeps zu betrachten» Auch Bomberg benutzte
in der von ihm im Jahre 1548 veranstalteten dritten Ausgabe
die Ginstinianische.
Aber es war wieder über den Talmud der Feuertod ver-
hängt. Drei getaufte Juden, unter ihnen ein Enkel des Gram-
matikerks Elias Levita, denuncirten beim Papst Julius III. den
Talmud als christenfeindlich und blasphemirend , und so wurden
auf dessen Befehl im Jahre 1553 viele Tausende Talmudexem-
plare in Rom, Venedig und anderen italienischen Städten ver-
brannt. In der Geschichte des Talmud vergegenwärtigt sich
die Geschichte der Juden! — - Doch wie die Juden trotz der
blutigsten Verfolgungen und errichteten Scheiterhaufen nicht
vernichtet werden konnten und hier ausgestossen anderwärts
156 Recensiänen .und Anzeigen.
«ich erhoben, so richtete sich auch der Talmud wieder auf:
schon im Jahre 1559 begann in Lubün der Druck des Talmud,
und von da ab erschienen in Polen mehrere Ausgaben. Diesen
Ausgaben sind die Venetianef (Giustiniani) zu Grunde gelegt,
Manuseripte standen t wie Herr R. behauptet, trotz manchen
Angaben auf dem Titelblatt nicht zu Gebote, aber der Mangel
an Majtuscripten Wurde reichlich durch die scharfsinnigen krl*
tischen Textesverbesserungen des R. Salomon Luria tywiffä
ersetzt und ein lesbarer Text hergestellt. (Auch R. Samuel Edels
K"W*ti1& hat ein grosses Verdienst durch seine Textesemenda*
tionen zu einigen Traktaten; auch hat er ein Talmudmanuscript
besessen.) *«- Später wendeten sich die italienischen Juden, die
den Talmud nicht aus Polen beziehen konnte, an Pius IV. und
an das Tridentinische Concil; durch viele Bestechungen erhiel*
ten sie im Jahre 1564 die Erlaubnis« , den Talmud zu drucken»
doch sollte er erst die Gfensur zu Rom passiren, auch dürfe das
Werk nicht die Aufschrift „Talmud" führen* Sa erschien nun
im Jahre 1578^-1581 eine Talmadausgabe zu Basel mit grossen
Censurlficken (Feuertod und Censurqualen !), mit der Aufschrift
Geniara, die Benennung „Talmud" war (wie lachet* lieh!) verpönt*
Auch ist in der Baseler Ausgabe der Traktat Aboda sara weg«
gelassen«
Herr R. zahlt nun die ferneren Ausgaben des Talmud bis
auf die neueste Zeit auf. Die vollständigen Talmudausgaben
belaufen sieh in ihrer Oesammtheit auf fÖnfundvierzig, einzelne
Traktate sind unzähligemal gedruckt worden* Das jüdische
Nationalwerk ging aus allen Verfolgungen siegreich hervor!
Nachdem Herr R. in einem anderen kurzen Abschnitte einige
alte Druckwerke besprochen , geht er zu dem eigentlichen Werke*
der Vergleichung des Münchener Manuscripts mit unseren Aus-
gaben über. Die Varianten sind zahlreich. Herr R. versucht
theils durch Parallelstellen aus anderen Talmudtraktaten, theils
aus Anführungen bei früheren Autoren die richtige Leseart zu
eruiren und legt hierbei eine ungemeine Belesenheit in der tal-
mudischen und nachtalmudisohen Litteratur an den Tag. Zu
bedauern ist* dass Herr R. nicht die eigentlichen Grundzüge der
Varianten festgestellt hat. Diese sind: der Münchner Codex
hat manche grössere Stellen, die in unseren Ausgaben fehlen,
vgl. S* n% K"P 202, 208 u. a.; der Münchner Codex hat ein
Recensfcnen und Ankeigen. 157
erklärendes Wörtohen oder einige erklärende «Wörter, die m
unseren Ausgaben fehlen Und umgekehrt; der Münchner Codex
veriirt mitunter in der Aufeinanderfolge der Stellen ; der Münch-
ner Codex variirt» durch Angabe mancher Wörter und klei-
neren Stellen , die wesentlich «um Verständnis* beitragen oder
einen anderen Sinn ergeben ab die unserer Ausgaben. Hin«
sichtlich der grösseren Stellen ist offenbar dieser Codex, ver*
gleicht man ihn mit Raschi au den betreffenden Orten, nicbt
nach 'Raschi's £u»endetionen (vgl. vor. Heft S. 114) abgeiasst,
sondern nach einem früheren glossirtton Text; diese Stellen sind
nämlich Glossen aus dem Halachot Gedoiot, die Raschi (und
Tosafot) mit Recht aus dem Text entfernt wissen wollte. Hin«
sichtlich der anderen Varianten ist zuweilen unseren Ausgaben
zuweilen diesem Codex der Vorzug zu geben, wie Herr R. an
den betreffenden Stellen bemerkt.
Auf das Einzelne der Varianten einzugehen, würde den
Raum einer Anzeige überschreiten und scheint auch überflüssig,
darnach unserem Dafürhalten Herr R. meist das Richtige ge-
funden: wir verweisen daher auf das Werk selbst, doch mö-
gen hier einige Bemerkungen folgen. S. 32 zu NH 'O hätte Herr
R. in der Anmerk. p auf Rapoport verweisen mögen, der in
seinen -jnyn 5>W fM In 'Tl nnhn schlagend dargethan hat,
dass diese Stelle interpolirt sei. Herr R. scheint überhaupt mit
der neueren jüdischen Litteratur nicht bekannt zu sein, was bei
ihm um so mehr zu bedauern, als er nicht zu jenen Talmud-
gelehrten gehört, die für eine wissenschaftliche Behandlung des
Talmud keinen Sinn haben. — S. 192 Anmerk. J wäre Aruch
anzuführen gewesen, der die Leseart flfcDDTtO hat, also unsere
Ausgabe' WDDfTlD richtig O und p verwechseln sich häufig
in der Aussprache), und ist das tt&pOID des Manuscripts ein Ab-
schreibefehler. — Zu bedauern ist ferner, dass nicht an der Spitze
der Seiten fortlaufend Blatt und Seite des Talmud angegeben sind:
dieser Mangel erschwert sehr das Aufsuchen, und da das Werk
nicbt zum Durchlesen, sondern zum Benützen beim Studium
bestimmt- ist, so war die resp. Seitenangabe des Talmud an jler
Spitze jeder Seite ein umso dringenderes Gebot. S. 206 ist so-
gar die Blattzahl des Talmud durch Druckfehler falsch ange-
geben, für n"b mnss sein n"b> nun muss der Leser durch
mehrere Seiten auf diese Seite zurückgreifen, und hier findet
158 Monatschronik.
er sich wieder «athlos! Wir hoffen, Herr R. wird diesem Uebel-
stand in den folgenden Theilen abhelfen.
Wir scheiden von dem Werke mit vieler Anerkennung für den
Verfasser und dem Wunsche, das Publikum möge ihn durch
zahlreiche Theilnahme in seinem schwierigen Unternehmen unter*
stützen» Erfreulich ist zu melden, dass, was in unserer Zeit
so selten, diesem Unternehmen auf jüd. wissenschaftlichem Ge-
biete ein grossherziger Mäcen in der Person des Herr A. Merz-
bacher zu München erstanden ist« Herr Merzbacher streckte,
wie der Verfasser in der Widmung berichtet, die ganzen Druck-
kosten vor, kaufte alle zu dieser Arbeit ndthigen Werke an
und förderte durch Bürgschaft bei der Königl. Münchner Bi-
bliothek und in anderer Weise das Werk.
Das Werk ist trefflich in Druck und Papier ausgestattet;
Druckfehler sind selten*).
Frankel.
Monatsehronik.
Bukarest. Der Kammer wurde von dreissig Mitgliedern ein
Gesetzentwurf hinsichtlich der Juden Überreicht, der eine gänz-
liche Austreibung der Juden in Rumänien beabsichtigt. Wir
heben einige Punkte hervor: Kein Jude darf sich ohne beson-
dere Bewilligung in einer Stadt ansässig machen. Die Ansässigkeit
in einem Dorfe, und sei es auch nur auf kurze Zeit, ist durchaus
untersagt. — Kein Jude darf ein Grundstück weder in Städten
noch in Ddrfern kaufen. Hat ein Jude dagegen gehandelt, so
wird das Grundstück verkauft: ein Drittel erhält der Denun-
ciant, zwei Drittel fallen in den Armenfonds. — Kein Jude darf
ein, Grundstück, Mühle, Wirthshaus u. s. w. pachten. — Kein
*) Im vorigen Hefte ist 8. 116 Z. 10 für 103 = 1343 zu lesen:
103 s 1243.
Monatschronik« 159
Jude darf Victualien und Getränke an einen NichtJuden ver-
kaufen. — Die bisher in Städten und Dörfern bestehenden jud.
Gemeinden werden aufgelöst. — Alle bisher zu Gunsten der
Juden erlassenen Gesetze sind als aufgehoben zu betrachten.
Herr von Bismark liess dem Fürsten von Rumänien dringend
von der Sanctionirung dieses Gesetzes abrathen, und auch das
Wiener Cabinet liess energisch dagegen protestiren. Bratiano,
auf dessen Veranlassung, wie der Correspondent der hebr.
Zeitschrift „Hamagid" mittheilt, dieser Gesetzentwurf über-
reicht wurde, beeilte sich mit der entgegenkommenden Versi-
cherung, die Regierung werde nicht den Entwurf genehmigen.
Auch wurde das Gesetz von der Kammer selbst, hinter der
Bratiano steht, verworfen. Ein sprechendes Zeichen für die
Reife des Volkes und seiner Vertreter ist; der Präsident der
Kammer befand sich unter den Unterzeichnern des Gesetzent-
wurfes. Wie mag nun der Herrscher an der Seine Über den
von ihm hingeworfenen Feuerbrand „Nationali tat" urtheiien!
Und welche Früchte der „Constitution"* bei diesem Volke, das
solche Vertreter in die Kammer schickt!
Zu derselben Zeit wurde bekannt, dass im Bezirke Bakeu
Judenverfolgungen stattgefunden. Die Regierung verlegte sich,
ganz eines Bratiano würdig, aufs Leugnen: aber die Consule
fast sämmtlicher Mächte Europa's, der englische, österreichische,
französische, russische, griechische u. s. w., bestätigten in einer
4
zu Jassy den 15. April aufgenommenen Protokoll, dass Juden-
verfolgungen stattgefunden. Abermaliges energisches Einschreiten
der Mächte. Sir Francis Goldsmid brachte in diesen Tagen im
englischen Unterhause diese Angelegenheit zur Sprache und
wies nach , um wie viel diese christliche Herrschaft der früheren
mahomedanischen nachstehe. Lord Stanley erwiderte, dass ihm
sowohl das Leid der Juden wie die Schmach , die durch solche
Vorgänge auf die Christen falle, sehr nahe gehe und fügte
hinzu, dass er eine energische Note an die rumänische Regie-
rung erlassen, der er allein die Schuld zuschreibe: der Fürst
Karl, so sei er überzeugt, stehe diesen Vorgängen fern. — Diese
Ueberzeugung wird auch allgemein getheilt, nur klagt man von
mancher Seite den Fürten der Schwäche an: er muss die Bra-
tiano, Golesco und Gesellen entlassen und darf vor den Folgen
der Umtriebe dieser Elizun nicht bangen.
160 Monatschronik.
Pilsen. In diesen Tilgen wurde Dr. H. Vogelstein au«
Lage in Lippe-Detmold, froherer Hörer des Seminars zu Bres-
lau, einstimmig sunt Prediger in hiesiger Gemeinde gewählt.
Posen, Den Sabbat vor dem Passachfeste wurde die hiesige.
Gemeinde in tiefe Trauer versetzt. Der Rabbiner M. Löwen-
stamm bestieg die Kanzel, doch mitten im Vortrage stürzte er
hin vom Schlage geröhrt und gab sogleich den Geist auf. Die
Gemeinde erleidet in ihm einen grossen Verlust: sein biederer
Charakter, seine umfassende Gelehrsamkeit, seine unsägliche
Herzensgüte hatten ihm allgemeine Liebe und Verehrung er-
worben: in ihm ging einer der würdigsten und gelehrtesten
Rabbiner zu Grabe, sein Andenken wird langein der Gemeinde
fortleben.
•
Wien« Der Prediger Herr Dr, M. Gudemann erhielt diese
Tage ein Schreiben von dem Culturvorstand der jüd. Gemeinde,
in welcher ihm unter Anerkennung seiner Amtstätigkeit mit-
getheilt wird, der Vorstand habe beschlossen, ihm eine Gehalts-
zulage von 900 Fl. zu geben.
Druckfehler«
& 44, Z. 8 stets ttwhte ües tischte. & 44, Z. 31 statt Sjnnenblieke
lies* SonnenUicke. & 44, Z. 33 statt Adensate lies* Adne sute. S,
49, Z. 23 lies als entblösste. S, 50, Z. 11 statt einiger, einigen lies
ewiger y ewigen. 8« 58, Z. 26 nach glücklich ist ein Komma an setzen.
Voltaire und die Juden.
Von Dr. Graetz.
Seitdem der sinnvolle Psalmist der Stufengesänge jenen
geflügelten Vers gedichtet hat: „Vielfach haben sie mich
'-*• ' von meiner Jugend an angefeindet, konnten mich aber
- - •~rS doch nicht überwinden", — es sind mindestens 2300 Jahre
•-.z~l *- her — wje viei Judenfeinde sind seitdem aufgetaucht, ohne
_...*->■ (ja8S es ifynen gelungen wäre, ihre giftigen Velleitäten zu
realisiren! Wenn das Sprichwort Wahrheit enthält: viel
Feind, viel Ehr', so gebührte dem jüdischen Volke viel
Ehre. Denn unstreitig hat kein Volk auf Erden so viele
Feinde und, fügen wir hinzu, so wenig aufrichtige Freunde
- gehabt, wie das jüdische. Es liesse sich eine ansehnliche
Galerie füllen mit Charakterbildern aus allen Zeiten und
Zonen von dem Urtypus des Judenfeindes Harn an bis
auf einige Mitarbeiter der Kreuzzeitung und des Vater-
landes und den rumänischen Minister Bratiano. Das
grösste Contingent hat Deutschland geliefert, ich meine
S/äffc von systematischen, ehrlichen Judenfressern, welche, wenn
0jp* nicht den Untergang, so doch die Demüthigung der Juden
p>4 als einen besonderen Kitzel empfanden. Indess hat jede
-1/0* Nation, mit der die Söhne Israels in Berührung kamen,
einige Muster aufgestellt. Nur bei Wenigen derselben ist
man im Stande, die Genesis ihres Judenhasses so zu ver-
folgen wie bei Voltaire, dem gefeiertsten Schriftsteller des
achtzehnten Jahrhunderts, der dieses Jahrhundert gewisser-
massen nach einer Seite hin geschaffen oder ihm sein
Gepräge aufgedrückt hat.
Frank el, Monatsschrift. XVII. 5. \%
162 Voltaire und die Juden.
Ist es nicht eine beachtenswerte Erscheinung, dass
Voltaire, dieser Apostel der Humanität und der Toleranz,
der zuerst seine gewaltige Stimme gegen die Vorurtheile
in jeder Gestalt erhoben hat, dass gerade er die gröbsten
Vorurtheile gegen die Juden hegte, sie verbreitete und, wenn
es auf ihn angekommen wäre, eine Razzia gegen sie aufge-
stachelt hätte! Dieses physiologische Räthsel löst ein Blick
in seinen inneren Charakter. Friedrich der Grosse, der ihn
mit Ehren und Aufmerksamkeiten aufgenommen und ihn dann
mit Schimpf fortgejagt hat, kannte diesen Apostel der
Humanität recht gut, als er von ihm und zu ihm sagte:
Jede seiner Schriften verdiente ein Denkmal, und jede
seiner Handlungen ein Brandmal. Gewiss, die Natur hat
wenige Erscheinungen in die Welt gesetzt wie Voltaire,
in dem zwischen Gesinnung und Phrase eine so tiefe
Kluft lag. Wenn der Witz gerade da herausgefordert
wird, wo das Erhabene niedrig erscheint, oder die Klein-
lichkeit sich grossartig geberdet, so bot gewiss keiner
mehr als Voltaire Gelegenheit für die bissigste Satyre
und den kaustischen Witz. Sein schmutziger Geiz, sein
kleinlicher Charakter, seine kindische Verbissenheit stan-
den in einem grellen Gegensatze zum Pomp seiner philo-
sophisch aufgebauschten Redensarten. Bei all' seiner
Klugheit und Verschmitztheit verstand er doch nicht, die
Blosse seiner Charakterlosigkeit zu verhüllen, oder viel-
mehr seine Eitelkeit hielt es nicht für nöthig, sie zu ver-
hüllen. Er glaubte eine exceptionelle Stellung einzuneh-
men und sich über die hausbackene Moral hinwegsetzen
zu dürfen.
So viel man weiss, kam Voltaire zwei Mal in Conflict
mit Juden und zwar mit Geldjuden, und weil er, wie er
behauptete, von ihnen beschwindelt wurde oder, wie es
sich wenigstens einmal herausstellte, weil er einen Solchen
beschwindelt hat, ergoss sich seine Galle gegen die Ge-
sammtjudenheit, gegen die Juden der Gegenwart und
Vergangenheit, begeiferteer auch das jüdische Alterth um mit
cynischer Rohheit. Als er wegen eines Streites mit einem
Seigneur aus Paris verbannt worden war und in London
lebte, machte er, obwohl noch jung (1726 — 1729) Geld-
Voltaire und die Juden. 163
geschalte mit einem portugiesischen Juden, den er einmal
Medi na und das andere Mal Acosta nennt. Nach
Voltaire's Erklärung habe er bei diesem jüdischen Banquier
auf einen Wechsel von 20,000 Frank den grössten Theil
dieser Summe verloren $ weil der Acceptant Banquerout
gemacht habe. Er wäre gar nicht so sehr auf den Ban-
queroteur böse gewesen, nachdem dieser ihm erklärt
habe: dass es nicht seine Schuld sei, dass er vielmehr
unglücklich wäre, dass er niemals ein Sohn Belials ge-
wesen, dass er vielmehr immer getrachtet habe, als Sohn
Gottes, d. h. als ehrlicher Mann, als guter Israelit zu
leben. ,.Er rührte mich", so fährt Voltaire in der Erzäh-
lung fort, „ich umarmte ihn, wir lobten Gott zusammen
und ich verlor achtzig Procent". — In dieser epischen
Ruhe erkennt man noch den Schmerz, den der am Gold
hängende Dichter über den Verlust empfunden haben
muss. Ob Alles so gemüthlich zugegangen ist, wie er es
darstellte, und überhaupt ob er an einen Juden auf die
angegebene Weise Geld eingebüsst hat, darf man Voltaire
nicht aufs Wort glauben. Die Wahrheit war nie seine
inspirirende Muse gewesen. Er blieb stets ein Jesuiten-
zögling.
Voltaire's Verlegenheit und niedrige Gesinnung traten
ganz besonders bei seinem Processe mit dem Berliner
Juden Abraham Hirsch oder Hirschel an's Licht,
der damals eine cause celebre war, ihm die Ungnade des
Königs zugezogen und ihn mit galliger Verbissenheit gegen
die Juden im Allgemeinen erfüllt hat. Das Kammerge-
richt hat zwar aus Schwäche und Rücksichtsnahme auf
Voltaire's Berühmtheit den jüdischen Gegner scheinbar
verurtheilt; aber die öffentliche Meinung und der König
haben den Stab über Voltaire gebrochen; daher war seine
Erbitterung nur noch gesteigerter. Wiewohl dieser Pro-
cess im Allgemeinen bekannt ist, so ist er doch nicht in
seiner Entstehung, seinem Verlaufe und seinen Folgen
so klar auseinandergesetzt worden, dass daraus die ganze
Verworfenheit Voltaire's kenntlich wäre.
Selten ist ein Dichter so glanzvoll empfangen worden,
wie Voltaire am Hofe Friedrich's des Grossen. Der
13*
164 Voltaire und die Juden.
König, damals noch voll jugendlichen Enthusiasmus, be-
wanderte dessen sprudelnden Witz, Leichtigkeit der
Versification und Anmuth des Styles, und der Hof, sowie
die gebildeten Kreise blickten mit einer Art Vergötterung
auf den französischen Schriftsteller, dem der Eroberer
Schlesiens seine Huldigung darbrachte. Voltaire aber, der
sich hinter dem Rücken des Königs über dessen hol-
prige französische Verse lustig machte, gedachte die
Huldigung auszubeuten, um politische Intriguen mit den
auswärtigen Gesandten gegen Preussen anzuknöpfen und
sich zu bereichern. Als Mittel zu seiner raschen Berei-
cherung wollte er ein sächsisches Papier benutzen, das
damals 35 Procent unter Pari stand. Friedrich hatte
nämlich im Dresdner Frieden sich ausbedungen, dass dieses
Papier, die Steuerscheine, den preussischen Inhabern
voll ausgezahlt werden sollte, dagegen hatte er, um
die sächsische Kasse vor Defraudation zu schützen, ein
Verbot ergehen lassen, dass kein Preussischer Unterthan fer-
nerhin diese Steuerscheine ankaufen dürfte. Auf seine
Ausnahme-Stellung vertrauend, hoffte Voltaire das könig-
liche Verbot übertreten und sich durch Ankauf des Pa-
pieres, das ihm pari ausgezahlt werden würde, bereichern
zu können. Zu diesem Zwecke Hess er den Juwelier
Abraham Hirschel zu sich kommen (Nov. 1750), mit
dessen Vater er bereits Geldgeschäfte gemacht hatte, und
forderte ihn auf, für ihn Steuer§cheine in Dresden zu
kaufen, und da dieser Bedenken trug, das königliche
Mandat zu übertreten, versicherte er ihm : „dass er klug '
genug sei, nichts ohne Einwilligung des Königs zu unter-
nehmen^ dass er ihm, wenn er seinen Auftrag gut aus-
führen würde, seinen Schutz zuwenden und ihm vom König
einen schmeichelhaftenTitel verschaffen würde. Durch Vol-
faire's Ansehen beim König gedeckt, glaubte Hirschel auf
dieses Geschäft ohne grosses Wagniss eingehen zu dürfen.
Der philosophischeDefraudateurwar klug genug, sichDiaman-
ten im Werth von mehr denn 18,000 Thlr. als Sicherheit
geben zu lassen, für die Wechsel auf seinen Namen aus-
gestellt, die er dem Juden zum Einkauf der Steuerscheine
übergeben hatte.
Voltaire und die Juden. 165
Der Brotneid, diese niedrige Leidenschaft, welche die
Juden, ehe sich ihnen die Schranken der Gewerbefreiheit
öffneten, gegen einander bewaffnete, führte alsbald ein
Zerwürfniss zwischen Voltaire und dem jüdischen Juwe-
lier herbei. Ephraim Veitel, zweideutigen Andenkens
in der Geschichte, der Finanzmann Friedrich des Grossen?
der nicht ohne Wissen des Königs die Ephraim iten
prägen Hess, später ein Wohlthäter des redlichen Hart-
wig Wessely, damals noch nicht bei Hofe accreditirt,
beneidete Abraham Hirschel um dessen Verbindung mit
Voltaire, wusste diesem zu insinuiren, dass er durch diesen
Agenten keine Steuerscheine erlangen werde, weil er an
den Dresdner Hof Diamanten verkaufte, und erbot sich,
ohne Profit und ohne Wechsel, nur um die Gunst der
Protection für Voltaire Scheine zu besorgen. Voltaire,
hocherfreut über dieses Anerbieten, avisirte seinem Ban-
quier in Paris, seine dem jüdischen Agenten übergebenen
Wechsel nicht zu respectiren und annullirte den Vertrag,
den er abgeschlossen hatte. Hirschel hatte aber bereits die
Wechsel bei einem Banquier discontirt und gerieth durch
den Protest gegen dieselben in Misscredit. Voll Unwillen
über den Streich, den ihm Voltaire gespielt, kehrte er
nach Berlin zurück, machte dem speculirenden und wort-
brüchigen Philosophen Vorwürfe und drohte mit Anzeige
bei dem König. Diese Drohung wirkte, Voltaire ging
auf einen Vergleich ein und kaufte Hirschel einen Theil
der Diamanten ab, welche dieser bei ihm verpfändet
hatte, mit denen Voltaire — auch nicht sehr gewissenhaft
— inzwischen seine Brust geschmückt hatte* Vorsichtig
wie er war, hatte Voltaire die Diamanten bei einem be-
glaubigten Juwelier abschätzen lassen. Er liess sich auch
von dem Verkäufer einen Schein ausstellen (19. Dec),
dass er so und so viel taxirte Bijouterie-Stücke von ihm
um einen bestimmten Preis gekauft habe.
Hatte es Voltaire gereut, dass er dem Agenten für die Steuer-
scheine einige Entschädigung hatte gewähren müssen, oder
speculirte er auf einen Gewinn im Geschäft mit einem Juden,
dem man im Falle eines Processes wenig Glauben schenken
und kaum dessen Eid acceptiren würde? Genug, kurz nach
16G Voltaire und die Juden.
dem Abschluss des Vertrages Hess er sich von demselben
neue Diamanten bringen, auch einen werthvollen Spiegel
liefern, und erklärte darauf: Diese müssten den Aus-
fall und den Verlust decken, den er durch Hirschel beim
Ankauf der ersten Stücke erlitten habe und um so und-
so viel äbervortheilt worden wäre. Um sicher zu gehen,
hatte der Lehrer der Moral und Philosophie einige werth-
volle Juwelen mit anderen minder werthvollen vertauscht,
um behaupten zu können, sie hätten nicht den stipulirten
Werth gehabt. Er hat sich also geradezu einen Diebstahl
erlaubt. Um sich endlich gegen die Entdeckung zu
sichern, dass er Steuerscheine bestellt hatte, fälschte Vol-
taire das Schriftstück, das er von Hirschel in Händen
hatte. Er setzte im Anfang hinzu: Als Zahlung von
3000 Thlr., die ich schuldig war (pour payment de
3000 R. par moy düs) und veränderte das Wort taxirt
(tax6) in taxirbar (taxable). Ausserdem zog er in Ge-
genwart seines Bedienten dem Hirschel einen Ring vom
Finger, mit der Behauptung, er gehöre ihm und sei ihm ent-
wendet worden, und misshandelte Hirschel noch obendrein
auf brutale Weise. Er durfte sich das Alles erlauben, in
der Hoffnung, als Poet. und Kamnierherr des Königs un-
verantwortlich zu sein, besonders da ihm Prinzen, Mar-
schälle, Staatsminister und Herren vom ersten Range
huldigten, und er sie mit Herablassung behandeln durfte.
Sollte ein so tief unter ihm stehender Jude es wagen, ihn
zu belangen? J
Indessen hatte sich Voltaire doch verrechnet. Er hatte
viele heimliche Feinde, welche ihm seine exceptionelle
Stellung zum König beneideten, oder die er durch sein
egoistisches, herzloses Wesen verletzt hatte. Diese hetzten
Hirschel, so bald dessen Beschwerde gegen Voltaire be-
kannt worden war, dem Könige die ganze schmutzige
Geschichte vorzulegen; sie scheinen ihm dabei behülflich
gewesen zu sein. Friedrich, den die Affaire anwiderte,
wies sie vor Gericht und Voltaire, dem es nicht gelungen
war, die Geschichte niederschlagen zu lassen, beeilte sich,
Hirschel zuvorzukommen und als Kläger gegen ihn auf-
zutreten (30. Dec): dass dieser ihm Wechsel, welche er
Voltaire und die Juden. 167
ihm zum Einkauf von Diamanten und Pelzwerken
übergeben habe, ohne den Auftrag ausgeführt zu haben,
vorenthalten und nicht zurückgeliefert habe. Voltaire
brachte überhaupt so viel Unklarheit in den Process hin-
ein, dass die Richter selbst den Faden verloren. Diese
waren der Grosskanzler Cocceji, der Präsident von
Jariges und der Geheimrath Lop er. Voltaire liess kein
Mittel unversucht, um die Richter für sich zu gewinnen
oder sie mit dem Gewichte seiner Stellung einzuschüch-
tern. In den französischen Akademiker Maupertuis
drang er, seine Sache dem Präsidenten Jariges ans Herz
zu legen, und da dieser sich nicht hineinmischen mochte,
wurde er ihm ein Todfeind. Dafür wusste er durch an-
dere angesehene Persönlichkeiten auf die Richter einzu-
wirken. Ein unparteiischer, rechtskundiger Mann, der
Kainmergerichtsrath Klein, erklärte nach Einsicht der
Akten: dass dieser Process auf eine durchaus un-
regelmässige Weise geführt wurde1). Wenn auch
der König strenge Gerechtigkeit in dieser Sache geübt
wissen wollte, so scheint das Collegium doch darauf Rück-
sicht genommen zu haben, den Günstling des Königs nicht
als einen gemeinen Betrüger zu entlarven. Voltaire fuhr
fort, alle Welt zu terrorisiren. Durch den Minister von
Bismarck erwirkte er gleich darauf einen Verhaftsbefehl
gegen Hirschel (1. Jan. 1751), angeblich weil dieser die
Wechsel nicht sofort ausgeliefert habe, was streng genom-
men erst nach gelalltem Urtheil hätte geschehen können.
Der Grosskanzler Cocceji entschuldigte sich später, dass
der Personalarrest gegen Hirschel ohne sein Wissen ver-
fügt worden sei; der König selbst missbilligte in hohem
Grade diese Willkür; nichts desto weniger blieb der Betro-
gene in Haft, bis er Caution stellte2). Diese Verhaftung
hatte aber die nächste Folge, dass Hirschel's Vater vor
Schrecken den Geist aufgab.
l) Die Akten dieses Processes sind zusammengestellt in Kleines
Annalen der Gesetzgebung in den preussischen Staateu B. II. 8. 215?
271. Das oben angeführte Citat das. S. 248.
■) Das. S. 233, 255 fg.
168 Voltaire und die Juden.
Dieses ungerechte Verfahren, das dem König durch
Voltaire's Feinde getreu hinterbracht wurde, versetzte ihn
so sehr in Zorn, dass er Voltaire den Befehl zugehen
lassen wollte, innerhalb 24 Stunden das preussische Land
zu verlassen. Erst allmälig ist er von dieser Strenge ab-
gekommen; aber der betrügerische Dichter durfte nicht
nach Potsdam kommen, sondern musste in Ungnade in
Berlin bis zum Austrag des Processes bleiben. — Es ist be-
kannt, dass der junge Lessing damals von Voltaire engagirt
wurde, die von jenem für das Gericht ausgearbeiteten Schrift-
stücke aus dem Französischen in's Deutsche zu übersetzen.
Als armer Literat musste er damals einen Handlanger für Vol-
taire's Gemeinheiten abgeben. — Unterstützt wurde Voltaire
nur noch von Ephraim Veitel, welcher den von ihm abhängi-
gen Goldarbeitern beibrachte, auszusagen, die von Hirschel
an Voltaire gelieferten Bijouteriestücke hätten nicht den
vollen Werth — eine schlechte Bundesgenossenschaft!
Der Process machte damals grosses Aufsehen. Vol-
taire's Feinde dictirten dem Angeklagten Hirschel ein Ex-
pose des Processes in französischer Sprache in die Feder,
welches geeignet war, ihn mit Schmach zu bedecken.
Der Abgott des Publicums wurde seines Flitters entkleidet
und in seiner hässlichen Blosse gezeigt. Die Einleitung
— Factum als Prolog dienend — verdient gelesen zu
werden:
„Billig denkendes Publikum! Ich bin Jude und der
„Mann, gegen den ich plaidire, ist ein Dichter, Arouet de
„Voltaire. Der Gegenstand meines Processes, den ich
„mir erlaube deinem Urtheil zu unterwerfen, wird im
„Stande sein, seinen Character zu enthüllen und dich er-
nennen zu lassen, wie gefährlich es ist, mit ihm zu thun
„zu haben. Ich werde nicht gleich ihm das Publicum
„durch ein Promemoria zu verführen suchen, das er für
„die Richter mit Lügen und Beweismitteln, den Thatsachen
„entgegengesetzt, ausgefüllt und dem Grosskanzler über-
leben hat. Ich werde nicht, wie er, an alle Thüren
„pochen, um meine Sache persönlich zu empfehlen. Ich
„kann nicht gleich ihm einem Buchhändler einen schwar-
„zen Anzüge entlehnen, um an den Hof zu gehen und
Voltaire und die Juden. 169
„mich den Prinzen und Prinzessinnen zu Füssen zu werfen,
„um ihren Schutz anzuflehen. Es kann mir nicht einfallen,
„wie er, meinen Richtern vorzuschreiben, was sie thun
„oder lassen sollen. Ich werde niemals wie er wagen, in
„einem Schriftstücke Wörter auszustreichen und ganze Li-
„nien zum Nachtheil meines Gegners hinzuzufügen* Endlich
„werde ich auch nicht die Unverschämtheit haben, gleich
„ihm meine Richter der Unwissenheit zu zeihen und zu
„behaupten : man müsse zu seinen Gunsten die eingeführ-
ten Gesetze ändern, Gesetze, dazu bestimmt, das Glück
„der Gesellschaft zu begründen, den Kleinen gegen den
„Grossen und den minder Reichen gegen den in Ueber-
„fluss Lebenden sicher zu stellen. Nein, ich achte dich,
„gerechtes und hellsehendes Publicum, zu sehr, als dass
„ich daran denken sollte, dich zu täuschen und mich durch
„Verlogenheit auszusetzen, deinen Unwillen, deine Gleich-
gültigkeit gegen meine Streitsache oder gar deine Ver-
achtung zu verdienen. Ich bin Kaufmann; 2000 Thaler
„können mich weder ruiniren, noch mein Glück begrün-
den; dieses hängt vielmehr von der guten oder schlechten
„Meinung ab, die du von meiner Geschäftsführung haben
„kannst."
„Ich schwöre bei dem Allerheiligsten , bei dir selbst,
„dass ich zu den Umständen nichts hinzufüge, und nichts
„von ihnen abziehe, welche Gelegenheit zur Klage gegeben
„haben, wozu ich mir die Freiheit genommen habe,
„sie Seiner Majestät vorzulegen, bei dem Process, in den
„ich durch das unwürdige Verfahren des schmutzigen
„und verachtenswerthen Menschen und Dichters der Hen-
„riade hineingezogen worden bin. Verzeihe den von dem
„Schmerze dictirten Ausdrücken eines Sohnes, dem die
„grausame Rache Voltaire's so eben das Theuerste ent-
„rissen hat, einen Vater, der seine Kinder zärtlich liebte
„und von ihnen geliebt wurde, der zugleich ein guter
5,Bürger und — ich darf es aussprechen — von allen
„denen geachtet war, denen er bekannt war. Ja, ich be-
„weine diesen Vater, den die Undankbarkeit, der Geiz
„und die erwiesene Schelmerei mir eben für immer ent-
rissen hat Die Bewachung, die man mir ohne Wissen
170 Voltaire und die Juden.
„des Grosskanzlers durch Voltaire's Ueberrumpelung ge-
geben, hat meinein Vater den plötzlichen Tod zugezo-
„gen. Wird Herr Voltaire entartet genug sein, um ruhig
„die Wehklagen mehrerer Waisen anzuhören, um ohne
„Gewissensbisse die Thränen und die Verzweiflung einer
„ganzen Familie zu sehen , das alleinige Werk von
„Voltaire's Schwindeleien ! Nochmals verzeihe, Publicum,
„dass mein wundes Herz mich vergessen lässt, was ich
„dir schulde, nämlich lediglich von meinem Processe zu
„sprechen, und dass ich statt dessen den unersetzlichen
„Verlust eines so guten Vaters beweine. Wer kann so
„stoisch abgehärtet sein, um die Thränen zu verdammen,
„die mir beim Niederschreiben dieses Processes aufs
„Papier fliessen?u3). Weiter setzt diese angeblich aus Hir-
schers Feder geflossene Schrift die Händel sammt Voltaire's
Schurkerei und Brutalität ruhig auseinander. Diese Schrift
wurde in Umlauf gesetzt, vielfach gelesen, commentirt,
gelangte natürlich auch in die Hand des Königs und
bereitete seinen Feinden eine höhnische Schadenfreude.
Er. beklagte sich über die angeblich „verläumderische
Schrift" beim König; aber dieser würdigte ihn kaum
einer Antwort.
Um so mehr lag Voltaire daran, vom Gerichte aus
wenigstens Recht zu behalten. Das gelang ihm auch in-
sofern, als das Collegium scheinbar den verklagten Hir-
schel verurtheilte (18. Febr. 1751): die Wechsel heraus-
B) Dieses Factum servant de prologue und das Expose* da proces
wurde nach Friedrich's Tod unter seinen Papieren zugleich mit der
gegen Voltaire gerichteten satyrischen Comödic: Tautale en proces
gefunden und als Schrift des Königs in den Oeuvres posthumes de
Fräderic le grand zuerst 1788 in Basel gedruckt. Es stammt aber
schwerlich vom König selbst, sondern hatte wohl einen von Voltaire's
Feinden zum Autor. Voltaire beklagte sich beim König: Pourquoi
dicta-t-on ä Hirsch el nne lettre calomnieuse adressee & votre MajestcS?
(Friedrich's Gcsammtwerke ed. Preuss. T, XXII p. 260.) Dieser Passus
kann sich wohl nur auf dies Promemoria mit der Einleitung beziehen.
Voltaire selbst würde nicht die Unverschämtheit gehabt haben, dem
Könige davon zu schreiben, wenn dieser selbst es in Circulation ge-
setzt haben sollte!
Voltaire und die Juden. 171
zugeben — die eigentlich Nebensache waren — und 10 Thlr.
Ordnungsstrafe zu zahlen, weil er Anfangs seine Hand-
schrift verläugnet hatte. Dagegen ist zwischen den Zeilen
des Urtheils zu lesen: dass das Gericht Voltaire der
Fälschung der Schriftstücke und des betrügerischen Ver-
tausches einiger Bijouteriestücke für verdächtig erklärt
und wegen des ersteren Punktes ihm einen Reinigungseid
aufgelegt hat. Voltaire machte aber alle Welt glauben,
dass er den Process gegen den Juden glänzend gewon-
nen hat, und zeigte es auch dem König an. Dieser gab
ihm aber auf eine unzweideutige Weise zu verstehen,
dass er ihn durchschaut hatte: „Ich bin sehr zufrieden,
dass diese hässliche Geschichte zu Ende ist", schrieb er
an Voltaire. „Ich hoffe, dass Sie künftighin keinen Streit
mehr haben werden, weder mit dem alten, noch mit dem
neuen Testament. Diese Arten von Händel brandmarken
sehr und mit dem Talent des grössten Geistes von Frank-
reich werden Sie die Schandflecken nicht zudecken, welche
dieses Benehmen ihrem Rufe aufgedrückt hat". Voltaire
war gezwungen, sich mit Hirschel zu vergleichen und
musste Geldopfer bringen.
Heimlich schrieb König Friedrich eine versificirte sa-
tyrische Comödie französisch über Voltaire's Habsucht,
Geiz und Schelmereien unter dem Titel: Tantalus im
Process. Der Dichter Voltaire figurirt darin unter dem
Namen Angoule-Tout, der den Mammon, seinen
Genius, anbetet und vor Aller Blicken in einem Sack ver-
birgt; der jüdische Juwelier heisst Rabin et. Er wird
zu Angoule-Tout mit Preciosen in Werth von 18000 Thlr.
bestellt. Dieser nimmt sie dafür an, giebt ihm dafür einen
Wechsel, den er aber unter der Hand mit einem falschen
Scheine vertauscht. Von seinem Vater auf den Betrug
aufmerksam gemacht, eilt Rabin et zum Dichter und ver-
langt seine Diamanten wieder. Darauf Angoule-Tout:
Wachen, ergreift mir diesen Diebesmeister,
Der unbestraft des Königs Palast durch Schelmen-
streiche besudelt, er verdient eine Zwangsjacke.
Werft ihn hinaus, ohne Schonung hinaus.
172 Voltaire und die Juden.
Rabinet:
Ja, ja, ich gehe. Diese Betrügerei
Soll der Fürst erfahren.
Er ist gerecht und weise und wird
Genugthuung mir nicht versagen.
Angoule-Tout:
Wachen, haltet ihn fest, lasst ihn nicht fort,
Nehmt ihm den Ring, der Schelm hat
lim mir gestohlen, ich schwör's.
Rabinet:
Der Ring gehört mir, lasst mich sprechen,
Seit sechs Jahren trage ich ihn am Finger,
Hab' ihn in Prag gekauft.
Mag er mir meine Diamanten wiedergeben,
Die er verheimlicht, oder ich zeig's dem Fürsten an.
Angoule-Tout steckt darauf die Diamanten in den Sack,
in den er seinen Genius Mammon eingeschlossen hat.
Rabinet beklagt sich beim Richter, meldet, dass sein
Vater vor Gram gestorben ist. Der Richter (Abime-
Louche, der Schieler?) will die Sache im Auftrage des
Fürsten untersuchen und droht Rabinet:
Wenn du verlierst, so gilt's dein Leben,
Einen Günstling darf man nicht unbestraft beschuldigen.
Beide Parteien werden darauf vorgeladen. Angoule-
Tout zeigt die gekauften Diamanten, aber sie sind ver-
tauscht, die echten hatte er in den Sack gesteckt. Der
Richter will den Sack untersuchen lassen, aber dagegen
sträubt sich Angoule-Tout. — Will Rabinet den Eid für
seine Aussage leisten, so entgegnet ihm der Sachwalter
des Dichters: ,,nein, nein, wir lassen einen Juden nicht
zum Eide zu".
Wiederholentlich spricht Angoule • Tout : „Wie, ein
Jude soll mir Händel machen? Mich vor Gericht laden,
mir gegenüber treten?" Darin lag die bodenlose Ge-
Voltaire und die Juden. 173
meinheit Voltaire's, dass er seine eximirte Stellung und
die gedrückte Lage der Juden nach dem damaligen bar-
barischen Gesetze zu seinem Vorth'eil ausbeuten wollte.
Das Stück: Tantalus im Process hat als poetisches
Product einen sehr geringen Werth, aber als historische
Urkunde ist es wichtig, wie der König Friedrich Voltaire
als gemeinen Betrüger und Fälscher erkannt hat. Der
Bruch zwischen dem königlichen" Gönner und ihm datirt
von dieser Zeit an. — Hat sich Voltaire später an dem
König durch ein gemeines Pamphlet gerächt, worin er
ihm die unfläthigsten Dinge aufbürdete, wie sollte er die
Juden verschonen, von denen Einer Veranlassung zu sei-
ner Schmach war? Sich an dem einen Juden zu rächen,
durch den er gedemüthigt worden war, schien ihm zu
geringfügig; das ganze jüdische Volk sollte dafür büssen,
dass ein Sohn desselben zu Voltaire's Entlarvung beige-
tragen hatte. Und nicht blos die Juden seiner Zeit, son-
dern die der vergangenen Zeiten, das ganze jüdische Al-
terthum sollte dafür gezüchtigt werden. Sein Hass gegen
die Juden und das Judenthum hatte dieselbe Quelle wie
sein Hass gegen Friedrich den Grossen. Freilich durfte
er sich gegen jene mehr erlauben; sie waren schwach
und konnten ihm nicht Stillschweigen auflegen. Die bib-
lische Literatur schmähte er zwar von seinem ungläubigen
Standpunkte aus, als bequeme Zielscheibe, da, wo er das
Christentum nicht erreichen durfte. Seine Beschränkt-
heit nahm ihn ebenfalls dagegen ein, da er für die he-
bräische Poesie eben so wenig Verständniss hatte, wie
für die griechischen Tragiker, wie für Dante und Shake-
speare. Aber gegen das Judenthum bewaffnete ihn noch
etwas ganz Anderes als sein Unglaube, seine satyrische
Laune und seine gewissenlose Schmähsucht. Es war
verbissener Ingrimm. Jede Persönlichkeit des alten Te-
staments erinnerte ihn an Juden, und bei Juden dachte
er an Acosta in London und Abraham Hirschel in Berlin,
die ihn, wie er meinte, um Geld und Ruf gebracht haben.
Wo Voltaire nur Gelegenheit hatte, von Juden alter oder
neuer Zeit zu schreiben,' tauchte er seine Feder in Galle
und bedauerte es fast, dass er die Juden nur mit der
174 Zur Geschichte der Juden in Posen.
Feder verfolgen, konnte. Am giftigsten sind seine Artikel
gegen die Juden gehalten, die er in das Dictionnaire phi-
losophique 1756 einrückte. Es seien hier einige Stellen
ausgezogen, welche einen jüdischen Schriftsteller zur Ab-
wehr herausgefordert haben.
(Schluss folgt.)
Zur Geschichte der Juden in Posen.
Von Dr. Berliner.
Zur Ergänzung des von Dr. Perles in diesen Blättern ver-
öffentlichten" Materials (vgl. Jahrg. 1865 S. 171) theile ich das
Sendschreiben der Gemeinde zu Posen aus dem Jahre 1738 mit,
an die Gemeinde zu Berlin gerichtet, und den Aufruf der Letz-
teren zur Hülfeleistung für die bedrängte Schwestergemeinde.
Beide Schreiben in doppeltem Exemplare bilden die inneren
Deckelblätter eines hebr. Buches, das Herrn Michel Levy in
Inowraclaw gehört. An mehreren Stellen bereits lädirt, habe
ich den Text, so weit es sich thun Hess, durch eine gegen-
seitig sich ergänzende Vergleichung der beiden Exemplare her-
zustellen gesucht, die dennoch noch fehlenden Wörter aber
durch Punkte bezeichnet.
vnub n&vvb pinya p"pi> pne ?"? vrbaw mjw pnyn
:aorb pira
oa^t« i»n pa ^y bi 'n n« wpai pis* «in wtot ww
irittD rrw nmaon rwy dwto iw «i run ' wnö*6
dm ^nw in ' mipa pa nm ua!> patwai ww iaiaö
•ww mm Kipön nwa
Vy pnh n£r& ~n"n"Di o"D"n im n*op^ unipi utnp "oytt£ -od pjn
rwrn wm nonn N"y rwnpn lrn^np rrto t"di «ipi mw w
dni it; ruow rpip wtoip noin Gins an^iy nw aipo iron tfty
p ijti Ton ' niNDn rm» ' mtayi iu pKn b «wo w nWa fcntpa
Zur Geschichte der Juden in Posen. 175
nopntai toot nr« ano nta fe lnon nyoi epjidwi p n^» cnrDwan
hdd rfoo hdd r&N UD3D man nmi ufcy najn lTjn itdiddi mran nroa
hp -133 wn ipwn rnWy dt infen prraw $>Nnt^ Nnvoy ^n*^ fem
ton fiDiwn nx oa* ^nto*» ^3 fe utiki pmo^ yotw rw^n nuy
mWy ^DJnnh ^unr6 ' "jtwo arrop irc£ ldito pn • ^: btu3 *jto
rrosn ny-in onatwiD ^p onsy td1» 'n ' v^d iDiponi cmpty
nnmn nosy nS^yoiTO twi umy run ny -it^Ni unjwn ytp
nwD3 i3tr ny3 ton nn roji umy "oao napo nrmm nroTO
' ua uy lpw mjiDJi rmra nrom nny hdd iNWDipn n» ödb*£
tkbo arm rmhya-rnW own mm djtn id^nh «nn iroa orrap T"3jn
'n inj p «h • rnaam whvh mDjp na^o onta cwp a*uya «nen
ümrr^ innfc Nfe> npim Krüitaa am» wym iKwsip n» in» nfe
Dnrui ariDJi jron '•fe nsno ^y nano pyn -iniwi dd33 Don n^ hy
-hwpn hunm to ihnh^ nferaoi orptf£ rm ton pyrn rvnyn nrai fe
IDT OKI 1D 1DDD "031 GM ilfera tf£y ^tOlDt^ HD Wy "1331 • flT
pw 'nn rnNUin • mS ym 'oi pym3 V'n mro my N3^ nw^D-un*
unono fei uro pn^ am nfe "133 td mn tdh wmdh rw«^ trr $>n5>
' ur™ Tife -inbo *& umn pn *fe3 ratra tddd uyo tmp '•fe
crano fe« n"3in ny udtü itik» ^y cwnwn tro^ nj btw nw nyfeoi
uruw iDDt rww nnp{> npira d^ d^jn anwun sin '■dAip mrny
puhwo my3 naino nnan nTpei» rrrpDDi nyb nyo rwyj no yn: tb
fem iyjj D^on3 ^dtd rwa kvi it rany N^n tt N3i» mnoo ^»n rmpo
OTW ^ip rnjn yt^n3 mWy D^hynon p onopj mpr 'n irn*n ^y
u»j»y un»j 3"y * idnd3 my ü^irun o^iDn njw TÄon p a^pyia
b^n «hn nmji Dmja norn npnu iJDy iBfjw ^n-ib^ ^3 tj»pw ^k
üTOttn D^ni "i-ny» l^rw nx »nw inw 'n *pa w* in3i33 it n3nD3
rwan mooi n^«3 i»j n^ ^n * 'dt '«d^ ^"un d» Wvn pp a^Dp^
D33^ imy^ unw pfei 3"y ^ttn D^oys uro up^n yan^ otd. ^y
ffoiDD man iw< nnx rfaD^o D"n mn ^jd^ üronn d^^dd mm mnen
uoy awi^ i^nn 133 dwd nt^N3i diddi rwwa yrn spjwn crjnvi ottüi
noi» (?) pno onow D^nnon^ nüJipoi nu jind rwp rn^D D^oyo noDTia
Sy o'^Vi ^nD"» nvyon hn:i nwn ayD3 dj üDy 3^n^ unya «J
rn^i-u mpnm manp rwnp n^np^ non ravoa it wm^a dtod
176 Zur Geschichte der Juden in Posen.
rattfo crom njw v*? nmzb »öd q tw yvo uro« i*ycw nuap
■W wn ruo ono Kai myo nyoh -rj£ upnn nya rov6 crwtmn
•vi *®y 1 jfcyi non um -mmA uns mim rcum ^nt p n Wn uia« nxT
•racr na morA bv n^ inen "ubd oto tiöV^ uro mm *& .wo
ah von1» rm ind'1 ro ipan rfaa ran hd fe tFptwfo ctotä hn na
n^ vm u^y "»nid r£vu dt£» nyio» nmn \bn vh noipn V'n mm
artob &mnü\ uams yimNa JS& apru • tjdnd ampon ornry id^jt
dn onafc» pi cran^ iny« ymr& tf^y omom kj noa* «nfo royora
a^D httoon Tüh OTnxMD "ra "jyDh ' i^ddi ufchy iyD^> mytb t6
nhtyün nam nnna rovoi nnyn nrcu v'Dy i»b wraa ~i»Na aipyn
nhin ra rr^i ran rTOtt£ oa^Day innpn nrwn unx 10 ^n now
rnonp yDnpD vnT nöN £na Dwani or»jy nonoi d^d» ^nw iwdj
dnt n»d^ rmt^ or& mm $>nt £ti nr" onow Nato N^ys^ tidn
rrtar£ unpro xai> unjw ranp 'n rur o^y$> *A ■o tn& $>n anw
rann mm : tffoaA d£» dw vtwid nw (d:p) 'n • runa nfcia
"in iym lyo^ utwtdt nsDa nnDt^ piDua hra uya üa$> rofe ^y pipn
p-inDi nyiier» i£ 'n mo«n onn mWr hör» ma otw t fey o pirw
DipDD -wn onunuyi onpnu am üaa$> n^vai oina upuk Dolomo
»pyi hu» ^3 iwä nDjo onown h^n unan^ Dipo urw onima
hd oant^N naiD • • • • di^ oa^ rj-ü« DiDnn nah u^ in"1 nv ^«1
rix pwm • • • • ia?ni nyon fa dd^i ind rann oaiat^ oa^p^n aito
a^mNjn T'an npipn Noaa i&h man • • • m» • • • ♦ ^ wn Nan
p//pD — vpnjD D^Jnn D^N-I d^k nyi^ d^dudi o^mon cypjwm
p"D^ n"än amo o 'n w ovn fip ptio
dn^i : n"o n^^d ^oy^ : pjio a^ imm mnio anra ppßr dnj
dnji : Wt W» min"» YiniD i^pn njio p "otid my»n
Wi . prw iTa bo*d D^itWD
DDT»Dn lllOn "TD p pPßP DN3 : Wt felD 1H lYrQ pJ DNJT
♦ ^'ut apy»
trn iPpn dnj : nffnhn (sie) -nwmD n"n$>3 apy ^Dpn dnji
Zur Ge^hiph^e der ^uden >u P/open, 177
Ythjd, n"i& p *pv phd 2 Hb Tijph* t*rn&a arftzH qjo
ww yvp w> 5jy^p 5f jn p"p *wa rrny« ry^aa rafap
: f jr» pimya p"p &rws» ow t>», .twbp r^npn wgp-
^3? *8»*n:?> f F D^nn B^iDri pva^ t*?q tjrnsi
pÄ-jn t'9 w*n fu 9T^ Tfföö na"ay «be^n yw
: vir» ronörn b"sn
wwo ' pwp (sie) Wip ynD Tpo igryi w n j«n njrpp
twnp Tan vbn ' nüjpt Km runp ' nyjrr p#w rns ' ny*np dtö
«wd imrn rjnn nroyon Tyn ' lyotwi n5>.t ynn «£n dd^
' nrwnip npn crow ' im^h um rrby wk rann -px ' apy\ njjinp rofon
nuy prg iy •d ddkq isia -uwe nrompn nnpvi rwwn ' yüvü *nn
n*»DK pnx V3 ty nWy mui aan tonn düdpo omuio pnyi ' dvd:
ton ' m iton pjno fe rn cpte l?y Ip* ^firn xw ?&y i>y Vpi yy
o^ym ' ]«fo now b \©a nnnptn rann jnjnri fe«ra nann -cd
la^n mnna ODDa ' nny om nort ton nitp© j V*n lyo^ niwi
SKn üäföai ' rtf'ya fry*^ nH -*$& >6 otid v*£ ^V obitd nwinna
anaa nwaöa otwi iura oytr1 dp anp •o btoj; ton oma ronn rmn
an niwd üi>o ifep nb ' rjDD ddn ^a narn narmy t« dn q:dn hr\
onny no am a"jn ' V'n aDDBnD nw^ Nun xb) x®n a"y nwamn
^k N33 ^m ' ro: ny n-o wa o i^yvirn mno vshn by -mxb
u^nfvip fflö FTiüb i>^ «pyro ' mtynji wp nny d^vök np^en -iddh
wan w^yai ' npwi ^y •»■nt^y^ oya ü^aunon ai» "niy^ y'anaa mark
1 q'nat^ jtp vv\ ' r\T*\ rm$> rgv ßTOöJP wan "itw< n« J3^dd p
nno üi?öO «nnn unna yp)n ott« fo ' hion p£> ^na >np kivibi
onw 'n ^ riwn .k^ ^ oma» *n nniyi> D^i^n iDtp ' u»o nyio
o^i #. npn^ miön oar-than oa^N n^ icften xm ' aar? r^ttn
' "imKn n^a ^n powi fe otti ' onenpn nvojan ^naa iD^n nunj
TV ^nrp yh üh ptc üfü* ini^n to mhw oa^yo omp ntt^K ipsi
iido^ njn jyc^ orw Erroötf Dipoa i«aT ^npn n^ w ' Nfeyia
F r a n k e 1, M onatasehria XVII. 6. 14
178 Erklärung -zweier der Mischnajot, Ediot 1, 5 und 6.
rp2 nnu bw *fo -onä "üw&üo fon t mnn xb) ' p: bx myon
ny nnn mo« rftntM * itfiDDa mso TayivSn £ arm ' nteafc rnriK
an« *)w . vn o^po pro fam vw -my hsn tpon fan ■prrp .16
rranpn cmyn fc* ' myi rmrra mjrotf n ijidd onr£n man +2 um
' twdi pm ah ai> x5>a -mj£ ' nxo uap] inte oao mpimm aybx
jfah'*vsp "dwi ' ntero- finn ny n5> ' -iYne* annty v'a. otw -nmai
wai aanra : mon -dd#D3 ito*' k*:i*nrßA- idk* pv'*i ton*
i"d d*t:ui crwp* min- nwih mthnn YdH-"' 'rrim- 'bicw yrih
i>y crwan V-ü swnn o^ann-o^ran hriwon w rpniD fsr» urtoip
ywA di npnua anaiD ^n ty Dinnn
• öNöBna^no yh ro dnj ~ ' : rt"D BNütnatan iwbtp itopn
" : ifina bts*b dn j ' : W? wfo yb mtry* Yino n"n$> p wo ibpn "
•.DBn^D huru dxj : jtodnpid ^d tri vi *a«
:" *poy ibhf oto : tDNtDttna^nö wid i^pn
:*^n DiTok
(Soe^t?) ütPiT TND
:*"w ru*iDm untapn na"tPN-i nd^d ^tid ppri
• N"y pha p"p no f"oi pn pvi ^nw -ryan .
fpWi D*rov rraa p^o^ n"sn W>n man wn" pha p^p r© ddtj
Erklärung zweier der Mischnajot Ediot I, 5 und 6.
xb* robri p*n bwri' , panttn pa tviti nai p^a» nto^i n
^iöw. Yn\i nan- n« Yä nfcn^ am , ^mr] nana ■
brn vm ny rran Ya nan teab i?ia^ Ya p«ty , rhst -
paöa »6 ^a« naana t»o ^ru t».# pasai r»ana t»ö .
'Di teal? ^ u^ .. .
panan pa TPPn nan prom p»^ p dm m.m "1 tok "i
nana '^ nöto # ^aip» w na an«n lötr d«v n^a^
Erklärung zweier der Mischnajot Ediot I, 5 und 6. 179
Diese für Geschichte und Verständniss der Mischna wichti-
gen Mischnajot bieten jede fiir sich und in ihrem Zusammen-
hange, in welchen sie durch das D"K des R. Jehuda offenbar
gebracht sind, Schwierigkeiten, welche durch die Commentato-
ren nur noch vermehrt scheinen.
Maimuni erklärt: Warum ist die Einzelmeinung neben
der der Majorität erwähnt, da ja doch die letztere nur als
Norm gilt? Damit, wenn ein Gerichtshof einst dieser Einzel-
meinung folgen sollte, ein späterer nicht von derselben abgehen
darf, es sei denn, dass er grösser als diese an Weisheit und
Anzahl u. s. w. Darauf fragt R. Jehuda: Warum sind denn
aber diejenigen Einzelmeinungen erwähnt, die in der Mischna
bereits - ausdrücklich widerlegt GTPOn1) und nach welchen sich
also kein Gerichtshof mehr richten wird? und antwortet: Da-
mit, wenn Jemand etwa von seinem Lehrer diese Einzelmei-
nung in dem Glauben empfangen, dass keine Majorität ihr ge-
genüberstehe, und dann findet, dass die Praxis damit nicht
übereinstimmt, er aus der Mischna erfahre, dass seine Tradition
die beseitigte und widerlegte Meinung eines Einzelnen sei.
Es sprechen also nach dieser Erklärung die beiden Misch-
najot von zwei verschiedenen Arten der Einzelmeinung, die
erstere von solchen, die ohne Widerlegung, neben die der
Mehrheit gestellt sind, die letztere hingegen von solchen, die
bereits in der Mischna ihre Widerlegung erfahren« Abgesehen
davon , dass in der Mischna keinerlei Andeutung für diese
Distinction spricht uod 1DDH JÖ "1DH 1p^> ist ja jede Einzel-
meinung neben einer Majorität eo ipso widerlegt, da ja einmal
feststeht D^lVl ,|,,OT3 rOÄI« Da ferner auch derjenige Ge-
richtshof, der gegen die frühere Praxis die Einzelmeinung zur
Norm erheben will, bedeutender sein muss als derjenige, von
dessen Beschlüssen er abgeben will, so bedarf es ja nicht der
Erwähnung der Einzelmeinung, um ihn dazu zu befähigen, und
endlich sieht man nicht ein, warum nach der Erklärung Mai-
muni's der Grund des R. Jehuda nicht auch für die erste Mischna
genügt.
*) Durch diese Erklärung des ÜTPUn fällt der Einwand des R. Lipp-
man Heller z. St gegen Malm. weg.
14*
180 Erklärung zweier der Mischnajot Ediot I, 5 und 6.
Rabed nimmt die Worte aus der Tosifta zu Hülfe: T^^
OVbV BOT «W CTl^y und erklärt: Warum ist die Einsei-
meinung neben der Ansicht der Majorität erwähnt, da ja die
Norm der letzteren folgt? Damit ein Gerichtshof zur Zeit
der Noth auf dieselbe sich stützen könne, was nicht der Fall
gewesen wäre, wenn diese Meinung nicht einen Platz in der
Mischna gefunden hätte, da ein Gerichtshof die Beschlüsse des
andern selbst zur Zeit der Noth, wenn er nicht bedeutender
ist als der andere nur dann umstossen kann, wenn er an ihre
Stelle die gegen dieselben geltend gemachte oppositionelle Mei-
nung zu setzen hat. R. Jehuda aber gibt einen andern Grund
für die Erwähnung der Einzelmeinung an und sein D"# bezieht
sich auf das in Mischna 5 erwähnte niTO *6* roin pKI bWl
pailpÜ* Da ja die Norm nach der Majorität sich richtet«
warum ist die Meinung des Einzelnen erwähnt? Damit wen«
Jemand diese von seinem Lehrer empfangen, er aus der Misehaa
ersehe, dass sie nicht die massgebende ist.
Es würde also auch Rabed die Regel *D1 b&b bw Y2 pK
die Ausnahme erleiden, dass zur Zeit der Noth dies wohl ge-
schehen kann, wenn die abweichende Meinung des betreffenden
T'Ü bereits als abweichende Meinung in der Mischna mitge-
theilt ist. Allein auch hiergegen muss geltend gemacht werden
IDDil p *lDn 1pny> da in der Mischna kein Anhaltspunkt dafür
sich findet. Die Hauptschwierigkeit aber bietet nach der Er-
klärung Rabed's das 3"N des Rabbi Jehuda, da seine Aeusse-
rung ja nicht auf den Grund der vorhergehenden Mischna
sich bezieht, sondern vielmehr gegen denselben polemisirt,
weshalb dieselbe auch mit zu Mischna 5 hätte gehören müssen
und zwar in der Form : 'Dl DIN TDK* ütW TÖW HTTP "1
wie dies gewöhnlich bei divergirenden Meinungen der Fall ist.
R. Obadja di Bartenoro folgt Maim. und R. Jomtob Heller
beschränkt sich auf die Kritik Beider.
Alle Schwierigkeiten sind jedoch gehoben, wenn man die Worte
der Mischna 5: T>bv "pÖEF TWl nai DH T3 HKT CtW noch
zur Frage nimmt und folgendermassen erklärt: Warum ist
die Meinung des Einzelnen neben der der Majorität erwähnt,
da ja die Norm nach der Majorität sich richtet, ein Gerichts-
hof aber, der die Einzclmeinung in der Mischna vorfindet, auf
Erklärung zweier der Mischnajot Ediot I, 5 und 6. 181
diese sieh stützet* könnte? Antwort: Das ist nicht zu befürch-
ten» da ja ein Gerichtshof nur dann die Beschlösse eines andern
umstossen kann, wenn er an Weissheit und Anzahl ihm über-
legen ist, was aber nicht vorkommen wird, denn CMTOKTi DK
'Dl ÜK WQtihto \D3l). Darauf fragt R. Jehüda: Wenn dem
so ist) dann ist ja die Eiazelmeinang ganz! unnütz mitgetheilt
rp&2/? und antwortet.' Wenn Jemand sie als Tradition sollte
Erhalten haben, wird man ihn bedeuten: Du hast die Meinung
eines Einzelnen gebort!
Dr. B.
Nachwort des Herausgebers.
Die vorgedachten zwei Mischnajot sind in alter und neuer
Zeit vielfach besprochen worden. Das eigentlich Schwierige
liegt in den Worten p CK Mischnas, und diese Schwierigkeit
fand noeh nicht jhre Lösung. Ein genaues Eingehen auf die
Redaction der Mischna dürfte eine einfache Lösung bringen.
Die Redaction der Mischna wurde, wie bekannt, von
R. Akiba begonnen, von R. Meir fortgesetzt, von R, Jehuda
Hanasi vollendet. Aber auch durch R. Jehuda Hanasi war sie
noch nicht ganz abgeschlossen; seine älteren Schüler machten
Zusätze zu dem Werke ihres Lehrers, die sie der Mischna
einverleibten. (Vergl. Ausführliches Fraokel Hodegetik zur
Mischna J. 215 f.)« — Eine solche Zusatzmischna ist Mischna
6 und sie bezieht sich wie Mischna 6 zu Mischna 4.
Mischna 4 wurde die Frage aufgeworfen ^*OT VQtt DÄTI
rbuib &TI '»KÖtt? Und es wurde geantwortet: rvnrb Kl£h
'DI 0WM1. Hieran knüpft nun Mischna 5 die fernere Frage:
pÄHön P TW» nn pDIO ."ftfo? Mischna 4 hat Aufschluss
*) Daher die nftchdrucksvölle Wiederholung in der Mischna: (Jeher-
trifft er ihn an Weisheit und nicht an Zahl, an Zahl und nicht an
Weisheit, kann er nicht aofheben, bis er ihm in Beiden überlegen ist,
um die Unmöglichkeit de» Falles klar zu machen* Yefjgb ü"Vl ♦
182 Analekten.
gegeben feil ^KÖttf 11D1 H3W Hob; aber warum auch ausser
7XXI Wfcttf, warum sogar fOntSI pa TiTi"! n31? Und es wird
geantwortet 131 H«T GKW.
Miscbna 6 schliesst als spaterer Zusatz an Misebna 4 an:
es werden die Worte des mirP tm\ wiedergegeben, fax. .ebea-
falls an die Miscbna 4 anknöpfte und dieselbe Frage wie (die
von ihm nicht gekannte) Miscbna 5, nur in etwas veränderten
Worten tfxsb • • • • p OK) aufwarf, wenn f&r Jfcffi '«BW
die Antwort TOT? gegeben wird, warum diesem gemäss *H31
'131 TTPP1? Und er beantwortet sie >:« "]3 CttC! "ÄP CNtf
Die Differenz zwischen der Beantwortung der Mischna 5
und Mischna 6 ergibt sich, folgen wir mit einiger Modifikation
der Erklärung Rabed's, in folgender Weise. Nach Mischna 5 kann
ein späterer Gerichtshof von dem früheren Gerichtshofe ab-
weichen, wenn dieser schon zu seiner Zeit, und sei es auch
nur von einem Einzelnen Widerspruch gefunden hat1). Die
Meinung des Einzelnen wird also angeführt, um vielleicht einst
einen Anhalt zu bieten. — Mischna 6 ergibt das gerade Ge-
gentheil: die -Meinung des Einzelnen wird angeführt, um Spä-
teren, die etwa auf diese Meinung verfallen könnten, zu er-
kennen zu geben, sie sei schon, in früherer Zeit aufgetaucht
und sei verworfen worden.
Analekten.
1. Geschichtliches.
a. R. E 1 i a k i m in S p e i e r.
Im 6. Band der Geschichte Seite' 78 erwähnt Dr. Grätz neben
den drei bekannten Lehrern Raschids noch einen vierten Lehrer,
den R. Eliakim in Speyer. Von den in der hierauf bezüglichen
Anmerkung bezeichneten Citaten ist es aber nur die eine Stelle,
x) Den Rabed veranlasste zu seinem Zusatz plTTPI nytP3, weil es
gewöhnlich heisst pmn nj»Q xtyt TlDD^ Vlbü KlTl nNTD, allein an den
Stellen, wo dieses Kifl 'HD vorkommt (Vgl. Berachot 7a Glosse), spricht
nur ein späterer einzelner Autor, nicht ein Gerichtshof \f\ tm
Aaalekten; 183
nämlioh Pardes 49», in der R. Eliakim in Speyer genannt wird,
jedoch ohne dort in irgend einer Beziehung mit Raschi zu ste-
hen. Dass R. Eliakitn nicht der Lehrer, wohl aber ein Studien-
genosse Raschi's war, geht aus dem historischen Responsutn des
R. Salomo Lotria No. 29 hervor; es ist dasselbe auch in dem
oben angeführten Bande S. 395 abgedruckt und lautet dort, die
betreffende Stelle (Absatz, 6) W^ DJf fep vfon D^K "l DJ1„
"(?) DmD 'HO ttn^D (?) pl TOWfiD. Die Fragezeichen finden
ihre Erledigung durch Asulai crfwUH ÜXÜ s; v, i]£n D^p^K WOTV
wo es heisst TlöhnnD D^lTD rBDTN UFVD1 * Von diesen Tal-
mud-Commentarien citirt der Verfasser des Or sarua den Com-
mentar zu Menachoth mehrere Male im Abschnitte über p^DH
und den zu Arachin im 2. Theile S., 106; der zu Joma ist im
Codex München No. 216 von Bl. 120 an enthalten, trägt die
Ueberschrift {flfl Q^p^M ,m\b &DV TODÖ ttTPD und beginnt mit
den Worten: WÜWö OTW OTÄ ^O iT» Dlip QW njDW
«in vnnn nna ]ro )b p^pnw • kiö» moa pime • in^ö
. Eine Erklärung zu Nasir 49 wird auf den Namen des R. E 1 i a -
kirn iin- angeblichen Raschi zu Nasir 43b citirt. ' Der liturgischen
Anordnungen- unseres- R. öiakim wird im Pardes 42 a* 44c und
48 a erwähnt; der im Parde$ 20a und 20 d genannte '*) p-JH iTlftD
D^bx -Hiid-QW^K "1 H11Ö im Mainz, -auch- im Or sarua Theil I
S. 106 und Theil II 173 und im Mordechai zu Moed Katan
S.-300c erwähnt dürfte wohl mit R. Eliakim ben Josef in Mainz
— dem Lehrer und Schwiegervater des Rab'n (s. dessen Zofnat
Paneach § 10) — identisch sein,. Der Vater unseres • R. Eiiassim
des- Zeitgenossen Raschrs und Schwiegervaters des R. Isaac b.
Ascher halevy ia Speyer (vgl* Salomo Loria in dem erwähnten
Responsum), war R. Meschullam halevyj wie Dr. Zunz in dessen
„zur Geschichte und Litteratur" S. 31 angibt und zwar nach
einer von H. J< Michael erhaltenen Notiz , wie mir der Verfasser
auf- meine Anfrage mitgetheilt hat. —
b. Ä. Samuel ben Meier.
Die in der Antwort des R. Tarn an R. Elieser ben Nathan
in Mainz (s. Rab'n S. 148b) vorkommenden Worte:
w* DKpa- o no . vam bwow vom rvon w nmro»
"D»r6 nw b*rw> n»r"W
184 Altalekien.- ••
glaubt Dr. Wie*** in der öebr; Bibltogrtfpfeie des tit. Stein*
Schneider Band VI 3, llfr so Verstehen zu dürfen? dass R. Sa>
müel befi Meier znr Zeit m eiber CrknlnaJ-ÜntersuchtJug sieh
befunden hübe — QKpQ soll das lateiiiisehe ifl cMs oder du»
italienische in easo sein ■«. demrtacb die Bitte ,• dttss der Hort
Israels des in einen Crfminälfäll Verwickelten feuin Leben ge-
denken und ihn aus der Gefahr erretten möge* gerechtfertigt
w&re. Dr. Wiener wßnScht nurf Näheres zu bissen öbei^ den
Unfall, von welchem R. Samuel befreiten Wofde und um dessen
willen die Familie des R* Meiler In banger Sorge lebte; —
Vergleichen wir aber die ganze Stelle im j*DfcO mit dem
Sefer haja schar des It. Tarn S. 72 bf so werden wir mit der
Herstellung der richtigen Leseart zugleich das richtige Ver-
standniss derselben erzielen und hierdurch auch die Ünhaltbar-
keit der Conjectur des Dr. Wiener erfahren. Nach gegenseiti-
ger Vergleich ung lautet die Stelle richtig:
TD ETI TW MTW (*m S. h. falsch TOVm) 1ö3 pWtt *3 &
inn Ö«a S«f«r bajaäebar falsch TWftf "iSSrCl) CM "W "TOfl
tä* p* (RaVn falsch in« mn m v/t-imr) jm« npfotot
tot* rtftrr^ fl^jinatb pr«r '•* shrt *w nwr» mtw WTipn
Ü^^Pin Ht ntotö («H« beiden letzten Wörter fehlen bei
fiab'n) QifclrT» "1 TWTI tf m R*t>'ä riJOto EMS} Ö*Tn (fehlt
im S< h.) HW M *)K torw* tob (httT «fehlt bei fcab'n) *&
wäm <im s. h. falsch jfiea) -nrtot tftn an ntt tof
Qißf»3iy otik ^te jun tfi awk (im 6* h. onwrt yete)
dwi towj «to W& *6# a« »Äb'ii om o») *w nö
(ini 8. h, NTW) *& *]Ki OTDMK fÄl O^ptfc OTOn
WH3N (die drei letzten Wörter fehlet! im & h.) I^W *BÖ
•frlt mp> ffl*W (!ft VfflJ WM *BÖ im & h falsch) <oä«
CPHN Jöp apjn (im Rab'n fafebh rtttfy ^W) «913 W iatD
ET1K liya 'O (im Rab'n falsch flpit «fön *3 und das An*
dere bis nmifl fehlt) yajf p fl« OT© pw *1 Sin
OTrora nnjn wo thö .wra gtbw onan T>m (lies
Ävmniä) ran uw w f1* n («<* ty» uay) y^y -nro
•> Aöhhllöh kla^t R. Tarn im ßef er hajasebar S. 81 c U 1^ Sty lnh
^W WPI.
% Analektgn. 185
tiia Rab'n frfy hrrtrrtj wan ,*Tjbi (fe> öi h. f*is«Miöh
twnD üapa rs r© twt imiöW- ("«» s. h. taps) w»
D»nb u-opp !*tw* tbi *iöv (**« B*b'n falschlich nw
Wir sehen nunmehr, dass der Schlusssatz Qvyrb ülDP —
wie es auch im Rab'n heissen muss — nicht die leiseste An-
deutung auf einen Unfall des Raschbam enthält, nichts anderes
ais eine Phrase ist, die in ähnlichen Wendungen in den Gut-
achten des R. Tarn am Schlüsse eines jeden Bescheides häufig
wiederkehrt. Dass aber bei "Töiy UBH DNDD O» a& einen
Ortsnamen gedacht werden muss — gemäss der dort in der
Hebr. Bibliographie im Namen des Dr. Zunz gegebenen Mit-
theilung ist nach pfcO ms. Qttp2 zu lesen und mit Gaen zu über-
setzen — geht aus einer anderen Stelle im Sefer hajaschar her-
vor (§ 595), wo von Jemandem, der sich in Auxerre befunden
hat, mit den Worten berichtet wird lölj; Jvft miH^Kü ^3.
Ebenso erwähnt £L 'tarn bei einer anderen Gelegenheit die Ab-
wesenheit des R. Samuel in ähnlicher Weise (Kerem Chemed
VII S. 45 aus ms. DWWTI nDlOTI) : ' '
um , uro Tpmön irwm > thrh vja rwrv *w*o„
wahrscheinlich zu feiner tlftbbfaer »Versammlung während der
Messzeit in Troyes, wie H aus MordeChai Oittin § 455 S. 203 a
EHTÄ) pW bvj WöM vermtttbet Werden könnte. Solche Syno-
den zur Messzeit finden wir später auch in Polen, vgl. hierüber
Dr. Perles in seiner Geschichte der Juden in Posen S. 365.
Ör. Berliner.
a^MMH
2. Zur Geschichte der jüdischen Aerste.
iForteeteungi)
Jüdische Aerzte in Amsterdam.
Wir fibergehen hier die bekannten jüdischen Aerzte Amster-
dams» wvlohe zum TbeÜ einer früheren Zeit angehören und be-
reits mehr oder Weniger ausführlich behandelt wurden. Wie
186 Analekten.
Abraham Zacuto, Joseph Bunno, u, A^-und wenden uns den
weniger bekannten oder bis. jetzt wo hl- völlig unbekannten zu:
Isaak Semacb Abaab
dichtete ein lateinisches Gratulationsschreiben an Benedict de
Castro, das der Monomachia des Besungenen vorgedruckt ist1);
Isaaks Bruder,
Daniel Semach Aboab,
verheirathete sich 1668 mit Rebecca Jacob Lopez und war Arzt
an der „Temine Derech".
Abraham Gomez de Sosa (Sossa),
Vater des Isfiak und Benito (Baruch) Gomez de Sosa*), war
Leibarzt des Infanten Ferdinand, eines Sohnes Philipp III. von
Spanien, welcher gegen 1632 zum Gouverneur der Niederlande
ernannt wurde. Abraham Gomez de Sosa starb August 1667,
seine Ruhestatte schmückt folgende Grabschrift:
rü)U PÜTO! QTDK KM WM
Monumentum
Clarissimi Viri Abraham
Gomez de Sossa Fer
Dihandi Principis Hispaniärüm
Pro Rege Belgii Gubernatoris
Medici qui ex hae meliorem
Vitam Immigravit XXI Rosho
Des Elul Quod Patris Sui
amantissimi
Plae
MeMorlae Ponem DUM
Cü ra Vit DIC a VItq
FL ens LI bens qua
IshaC GoMez Sossa1).
") Monatsschrift IX, 96.
■) ßepharditrf, 292.
■) Diese so wie die folgende Grabschrift wurden von Herrn D. H.
de Castro in Amsterdam, = die er dem N. Isr. Wenkblad 2. Jahrg.
No. 44, die zweite erst jüngst 22. März 1868 auf einem besonderen
Blatte — nritgetheili. Herr de Castro hat sich der ebenso schwierigen
als verdienstvollen Arbeit unterzogen, die Chrahschriften des Onder-
kerker Friedhofs bei Amsterdam zn entziffern und zu sammeln. -
Analekten. 187
Drei Monate froher als Abraham Goraez -de Sossa verschied
Jacob Morenu,
ein vielgesuchter Arzt Amsterdams, Die ihm gesetzte Grab-
schrift lautet:
< #
Jahacob Morenu Doctor Medicus — Arb (or flumo c) ondita
decus emico.
irw ne Q"n ym mfth
«te im? bj mm v
wi wa!? gh pnsn ddwö
Isacidis Jaceo Froles Generosa Medela M
Aetera qjuae tuleram cordibus arbor humO
HAlo decus radiosq licet sub mamore claudaR
Condita nam caelis emico clara eaquE
. Obtulit arbor humo decus ipsaq condita in EdeN
Bis lex vitaque lux emico mente man U4).
S.
De clarissimo Varao
Temente de Deus o Dor
Jahacob Morenu que'partio
Desta para melhor vida
Em 29 d. Sivan Ao 5427.
In Amsterdam wirkten ferner als A erste'
Abraham Froys,
ein Schüler des vor 1693 verstorbenen Abraham Keynosa,
mit dem Arzt
Ar,a.ham Gutierrez, .
Mitglied der Academie de los Floridos, und erster Art der An-
stalt Maskil el Del, an der mit ihm zugleich als Aerzte wirkten
Aron Mendes Henriques,
*) Diese lat Grabschrift ist wahrscheinlich ebenso wie die vorigen
von dem „famoso Boeta latinö" Isaac Gomez de Sossa veriasst.
188 Recensionen und Anzeigen.
Salomon de Rocanori,
Sohn des bekannten
Isaäk de Rocamora,
und Moses Orobio de Castro,
4
Sohn des berühmten
Orobio de Castro.
Kayserling.
Recensionen und Anzeigen.
Stimmen vom Jordan und Euphrat von Dr. Michael
Sachs. Erster Band, mit Beitragen von Moritz Veit.
Zweite Auflage. — Zweiter Band , herausgegeben von Prof.
Dr. M. Lazarus. Berlin, Louis Gerschel, Verlagshand-
lung. 1868.
Das in dieser Monatsschrift (Jahrg. 1853 S. 113 ff.) bereits
besprochene Buch liegt in zweiter Ausgabe vor. Der Wunsch
des verewigten Verfassers am Schlüsse seines Vorworts : „Möge
dem Büchlein Gunst und Liebe entgegenkommen!" — hat die
wohlverdiente Erfüllung gefunden. Schon seit einigen Jahren
war dasselbe gänzlich vergriffen, ungeaohtet der sehr starken
ersten Auflage , auf welche seine aussergewöhnliche Verbreitung
schon schliessen lässt. Die vorliegende Ausgabe ist aber nicht
lediglich eine Wiederholung der früheren. „Noch unendlich
viel mehr", heisst es in jenem Vorwort, ,»als hier geboten wird,
darf, wenn neben dem herrschenden Golddurste, dem mit dem
Fluche des Midas behafteten, ein Durst nach dem edlen Erze,
das in jenen reichen Geistesschach ten vergraben liegt, sich
regen sollte, dem redlichen Sucher verheissen werden". — Den
Beweis für die Wahrheit dieser Verheissung hat der Verfasser
selbst an seinem Theile thatsächlich geführt, indem er die in
vorliegender Ausgabe den älteren Arbeiten angereihten Stücke
verfasste, welche hier zum ersten Male dem Drucke übergeben
Rezensionen und Anzeiget*. 180
worden sind. Da nun die erste Ausgabe in dieser Monatsschrift
eingebend besprochen worden ist, so werden wir uns mit dem
Hinweis auf das Neue begnügen, welches die gegenwärtige
uns gebracht hat. —
Wir finden zwar keinen Grund, weshalb der Verewigte
Etwas von dem jetzt erst erscheinenden Theile hätte zurück-
halten mögen, glauben aber doch,, dass der geehrte Heraus-
geber auf irgend eine Weise die Stücke und Partien hätte
kenntlich machen sollen, die er, und nicht der Verfasser, an
die Oeffentlichkeit gebracht hat. Eine Vergleiehung der ersten
mit der vorliegenden Ausgabe zeigt, dass in letzterer als neu
hinzugekommen sind:
1) Sprüche, Nr. 154—214 (Bd. I S, 241—255);
2) „Macht und Recht" (das. S. 256 f.);
3) Sagen aus dem Leben Abrahams (Bd. II S. 1—56);
4) Stücke verschiedenen Inhalts (das. S. 189 — 244);
5) Wieder*» Sprüche (das. S. 245—247);
6) Anspielungen auf das Hohelied StlomQ's (das. £♦
249-292);
7) Anmerkungen und Quellenangaben zu den neuen
Stücken des zweiten Bandes, eingereiht unter die den
Verfassers in der ersten Ausgabe (Bd. II & 293. 300—301).
Wir haben alle Ursache, diese hinzugekommenen Stücke
mit Freuden zu begrüssen. Sie schliessen sich würdig den
älteren an und bezeugen, gleich jenen, den feinen- Takt, die
reiche Begabung, die fromme und edle Sinnesart des leider zu
früh Heimgegangenen Verfassers« Vermöge einer gewissen Con-
genialität war es ihm vergönnt, die poetischen Momente in den
agadischen Ueberlieferangen unserer Alten mit sicherem Blicke
zu erkennen, geistvoll auszufuhren und in wunderbar zutreffen-
dem Ton und Ausdruck .darzustellen, ohne dem nahe liegenden
Fehler anheimzufallen, der freilich nur einem in wissenschaft-
licher Zucht und Einsicht minder bewährten Bearbeiter wider-
fahren konnte, — den Fehler, Eignes unberechtigter Weise
hineinzutragen und den Alten eine ihnen wirkäieh fremde An-
schauung oder Empfindung anzudichten. Allerdings bat der
190 Recensionen und Anzeigen.
Verewigte, seiner Erklärung im Vorworte getreu, zumeist das
kurz Angedeutete weiter ausgeführt und bisweilen dem in be-
stimmtem Zusammenbange auftretenden Gedanken eine allge-
meine Fassung, die derselbe beanspruchen durfte, gegeben;
allerdings bat er — was auch ganz in der Ordnung ist — aus
der reichen Fülle der Stoffe mit Vorliebe solche ausgewählt,
welche ihn am meisten ansprachen, in denen er seine eigene
Anschauung und Erfahrung Vertreten oder eine Frage der Ge-
genwart wie durch ein Schlaglicht erhellet sah; allein gerade
er hat es gewusst und durch die Art seiner Bearbeitung erwie-
sen, dass die bleibende Gültigkeit alter Aussprüche und Ansich-
ten vorzugsweise in der Macht ihrer unveränderlichen Wahrheit
liegt, die durch getreue Darstellung am stärksten hervortritt.
Auch hat der Verfasser keinen Anstand genommen, namentlich
in den erzählenden Stücken auch solche zu geben, welche eben
die Eigenthümlichkeit ihrer Zeit im Unterschiede von der Sitte
und dem Gefühl der Gegenwart darzuthun geeignet sind'.
Aus der grossen Menge des Schonen und Ansprechenden
wollen wir besonders hinweisen auf die neuen Stücke: „Abraham
im feurigen Ofenu (Bd. II S. 18 ff.); „Maseh und EUah'« (S.
190-192); „Noth auf allen Seiten" (S, 202); die Legenden „Choniu
(S. 208—212), „Choni, der Schläfer" (S. 213—215), „Rabbi M6ir"
(S. 219), „Mar Ukba" ^S. 226 £.); dann „Die zehn Lieder" (S.
251—254) und unter den „Anspielungen auf das Hohelied" Nr.
3, 6, 7, 9, 10, 13, 16, 20, 21, 24, 26, 28, 30. —
Von diesen „Anspielungen", welche als neue Gattung in
dieser Ausgabe auftreten , dürften einige Proben nicht unwill-
kommen sein:
Wie Oel ergossen dein Name.
Abraham, daheim verschlossen
In der Heimath stillen Fluren,
Er nur war vom Glanz umflossen,
Er nur sah der Wahrheit Spuren:
Wie in zierlichen Krystall
Oel, balsamisches, gegossen,
Das. in einer Ecke stehet,
Ungekannt und ungenossen.
Rezensionen und Anzeigen. 191
Von der duftigen Phiole
Nioirii den Kork , der sie geschlossen, •
Trag' sie durch die weiten Hallen;
Und der Duft strömt frei ergossen,
Labt dich selbst mit süssem Hauche,
Labet würzig die Genossen:
So zieht Abraham hinaus
In die Weiten unverdrossen,
Und was er in Geistestiefen • »
Barg daheim, 'so tief verschlossen •
Ist im hellen Sonnenscheine - • -
Auf zur Blüth' und Frucht geschossen, '
Seiner Göttesliebe Saatkorn
Ist das Heil der Welt entsprossen,
Und den Balsam, den er einscbloss,
Ist in würz'gem Hauch ergossen:
Schwarz bin ich1), doch 'lieblich, ihr Töchter Jerusalems.
Getrübt und dunkel in des Lebens Drang,
Im Dienst des Werkeltags die Woche läng;
Doch hold und schön, wenn in der Sabbathweihe
Der Arbeit Last abwirft die Sorgenfreie.
Getrübt und dunkel in des Jahres Dauer,
Wenn Schuld und Fehl die SeeF umhüllt mit Trauer;
Doch hold und lieblich , wenn, des Ew'gen Huld
Am Sühnetage tilget Sund und Schuld. ,
Getrübt und dunkel hier im Erdenleben,
Doch schön und lieblich dort im höhern Leben..
Du bist schon, meine Traute!
Schön und lieb du1) mir erscheinst
In der Pracht, die du vereinst.
Du bist voll Holdseligkeit,
^ Israel.
*) Israel.
19? jtesensionen und Anzeigen.
Wenn dich Gottes Lehre weiht»
Wenn sein Wort stete mit dir schreitet,
Dein Gebot dich stets hegleitet.
Schön und hold, wenn scheue du bangst,
Sündeufurcjitig, voller Angst,
Wo Verbot dir zog die Schranke,
Dass dein Schritt picht gleitend wanke.
Schön und hold, wepp fest und fertig
Du des Rufs dyr Pflicht gew$rt&
Wendest deines Streben* Sinn
Auf das dir Gebptne hin»
Treu es wahrend, fromm es liegend
Und mit Lust und Eifer pflegend.
Schön und hpld in edtem ftctafen
Milder Meto olm' JSrftchlftföiÄ..
Schön und hold» apenfl auf d$r JTJu?
Das Gesetz dir zog die Schnur,
Wenn von dem, was Gott dir gab,
Gern du gieM 4*s Pw*e a.W
Giebst mit willigem Erbarmen
Hier den Weisen, Wittwen, Armen,
Dort dem Priester deine Spenden
Dar du reichst mit milden Händen.
Hold und schön, wenn dein Gewand,
Hold und schön, wenn Haupt und Hand
Heil'ge Zeichen an sich tragt»
Deinen Gott in's Herz Dir prägt*
Schön und lieblich in der Treue,
Schön und lieblich in der Reue,
Wenn, wo du dich hast vergangen,
Hin zu Gott drängt dein Verlangen.
Schön und lieblich schon hienieden,
Schöner noch im Himmelsfrieden.
Recensionen und Anzeigen. 193
Die Stimme meines Freundes, der anklopft:
Thu' mir auf, meine Schwester, meine Traute!
Es klopft der Freund*). Lass ihn nicht draussen stehn!
Um Einlass bittet er. 0 hör' ihn flehn!
„O Schwester", ruft er, „öffne mir die Pforte".
0 säume nicht und thu' nach seinem Worte!
Thu* auf dein Herz, thu' auf der Seele Thor,
Geh' ihm entgegen, freudig tritt hervor!
Ein Plätzchen nur begehrt er, noch so klein,
Auch in die kleinste Stätte zieht er ein.
Gönn' ihm nur Raum! Hast du ihm aufgethan,
Hast du begonnen erst, auf ihn zu lauschen,
Dann werden Pforten hoch und weit aufrauschen;
Es öffnen dann sich mächt'ge Flügelthüren,
Die dich zu ihm, in seine Nähe führen.
Lege mich wie einen Siegelring an dein Herz4).
O lass mich wie den Siegelring
An deinem Herzen hangen!
Lass mich den Segen, den du einst
Verheissen hast, empfangen!
Was du im Herzen hast gehegt,
Das lass zur That gelangen!
Als dort sie6) sprachen: Ich will thun
Und hören! — voll Verlangen,
Als solch' Gelöbnisse der Treu'
Sich ihrem Mund entrangen,
Da sie Gehorsam schon gelobt,
Eh' noch sein Spruch ergangen,
Sprach Gott zum Tod: „Horch auf das Wort,
■) Bild für Gott Israel wird angeredet.
*) Worte Israels an Gott.
*) Das Volk Israel am Sinai.
15
194 Rezensionen und Anteilen.
Zu dem sie iiuf sich schwangen!
DVum, ob ich dich zum Schergen auch
Bestellt, der allem Prangen
Und aller Macht ein Ziel sich darf
Zu setzen unterfangen, —
An diese Schaar soll deine Macht,
Dein Todgeschoss nicht langen!
Die Tafeln haben sie von mir
Als Freibrief jetzt empfangen*):
Freiheit vom Tode künden sie, —
Sie soll dein Netz nicht fangen;
Den lichten Blick in's lichte Reich
Liess ich sie jetzt erlangen.
Freiheit vom Erdenjoche sei
Das Recht, das sie errangen.
Dass, wie auch Feindesmacht sie druckt,
Sie fest an mir stets hangen,
Und sich im Glauben fühlen frei,
Wenn Ketten sie umschlangen.
Im schwersten Leid, im tiefsten Weh,
Das fest sie hält umfangen*
Sei ihnen noch die Seele licht, —
Weil sie's von mir empfangen".
Dies Wort — o mocht' erfüllt es sein7)
An mir, wie es ergangen!
O bringe mich in deine Näh'!
Mich zieht's zu Dir mit Bangen,
O lass mich wie den Siegelring
An deinem Halse hangen!
Der Liebesdienst, den Herr Prof. Dr. M. Lazarus durch
die Herausgabe, und dessen Bruder Herr Rabbiner Dr. L. La-
zarus in Prenzlau durch die Quellenangabe zu den neuen
•) Anspielung auf das den Alten geläufige Wort: H1*in ^pFl ^K
nmn üb* (Perek Kitij. Thora, 2).
*) Wiederum Worte Israels.
Recensiouen und Anzeigen, 195
Stuckes deiH Bliebe erwiesen haben , verdien^ Dank und .Aner-
kennung. Daran soll Nichts? gemindert, werden durch einige
Bemerkungen, welche, sich hinsichtlich der Einrichtung dieser
neuen Ausgabe wohl jedem näher Zuseheaden aufdrängen wer-
den.. Die zahlreichen Besitzer der früheren Ausgabe und Ver-
ehrer des verklärten Verfassers hätten es gewiss lieber gesehen,
wenn die vielen neuen Zuthaten in einem besonderen zweiten
Bande erschienen wären; nicht Alle sind im Stande und n,ur
Wenige werden sich entschliesseu,, die ganze jetzige Ausgabe
wegen, ihrer Vermehrung anzuschaffen. Die den Herausgeber
bestimmende, Ungleichheit solcher zweier Bände scheint uns in>
Vergleich zu jener Rucksicht,, die auc|i de* Pietät gegen., den
Verewigten entsprochen, hätte, kein hinreichender Grund für
die nun beliebte Verbindung des Alten und (?eue$ in beiden
Bänden zu sein. Hat nun aber das, äussere Gleicbmass, hierfür
entschieden, sjo begreift man nicht, warum doch wiederum Zu-
sammengehöriges getrennt und Verschiedenartiges vereinigt
worden ist. Mit Beibehaltung der Rubriken, wie sie in der
ersten Ausgabe allerdings, ganz am Orte waren: „Sagen und
Erzählungen", ^Betrachtungen, Parabeln und Hymnen", „Ge-
danken und Spruche" — werden hier die neue« Stucke, welche
ja allen drei Gattungen .augehören» im zweiten, Bande an die
alteren Stuck6 der einen Rubrik ; „Betrachtungen, Parabeln und
Hymnen" ohne Scheidung angereiht^ Dessen ungeachtet werden
neue „Spruche" nicht zu denen des- zweiten Bandes (S. 245 bis
247) hinzugefügt, sondern, zu den älteren des ersten Bandes.
— Wäre der erste Band auf die „ßagen und Erzählungen" be-
schränkt worden, indem die zum Gebiete der Sage gehörigen
neuen Stücke des zweiten. Bandes, wie „Haman's Erhöhung",
„Chani" u. s. w.* $owie die. „Sagen aus dem Leben Abrahams"
damit vereinigt wurden,, so, hätte der erste Band fast genau
denselben Umfang wie jetzt gehabt und der zweite Band hätte
gleichfalls; nur Zusammengehöriges vereinigt. Die bei dem vor-
liegenden Verfahret* vermutlich beabsichtigte Symmetrie des
Titelblatts und Vorworts in den zwei Bänden konnte nicht,
massgebend sein ; denn auch jetzt musste der Herausgeber auf
dem Titel des ersten Bandes, gleichfalls genannt werden, zumal
da, wie. bemerkt, eine Menge neuer Sprüche, darin mitgetheilt
werden und die hier unterlassene Quellenangabe* begründet in
196 Recensionen und Anzeigen.
der Menge nnd Kürze der Stücke, ihn daran nicht hindern
konnte. Der in der rabbinischen Literatur heimische Rabbiner
Dr. L. Lazarus würde aber den Dank angehender Theologen
für seine trefflichen Nachweisungen sicherlich noch erhöht ha-
ben, wenn er dieselben zu den genannten Sprüchen, soweit sie
sich ihm bequem darboten, ebenfalls mitgetheilt hätte. Den An-
spruch auf eine Vollständigkeit, die nur durch Errathen oder
zeitraubendes Suchen mitunter zu erzielen war, durfte auch
dann kein billig Denkender an ihn stellen.
Zum Schlüsse können wir nicht umhin, Über das schön ge-
schriebene Vorwort des Herausgebers einige Bemerkungen aus-
zusprechen. Ton und Inhalt bekunden zur Genüge, dass der
Mann, der es geschrieben, ein liebendes Herz für den Verfasser
sich bewahrt hat. Sollte es ihm entgangen sein, dass all' die
glänzenden Verbrämungen die Flecken schlecht verhüllen, die
er an dem Bilde des entrückten Freundes in jenem Vorworte
aufzuweisen sich beeifert? Was bewog, was nöthigte ihn, das
Wort so zweideutigen Lobes, das für den denkenden Leser dem
härtesten Tadel gleich kommt, dem Werke anzuheften, welches
an seiner Hand den Weg in die Oeffentlichkeit zum zweiten
Male nehmen sollte? — Wofern aber ihn ein wissenschaftliches
oder persönliches Interesse dazu drängte, der Welt darzulegen,
wie er das geistige Wesen des Mannes aufgefasst oder wie sich
seine eigenen Ansichten zu denen des Freundes verhielten, —
nun, so konnte er, wie wir glauben, jeden Ort eher wählen,
als den Eingang des Buches, das seiner liebenden Sorgfalt an-
vertraut war und das gegen den Namen seines Verfassers kein
nachtheiliges Wort bringen durfte. Auch nicht fremden Tadel
darf das Kind gegen den Vater im Munde fuhren. —
Wäre nur das, was hier dem Verewigten nachgesagt wird,
gerechtfertigt — wir würden weiter darüber nicht sprechen
Aber wer an Sachs mehr gesehen und erlebt hat, als was im
geselligen Verkehr zur Darstellung gelangt; wer nicht ab und
zu, sondern unausgesetzt sein Denken und Wollen und Empfin-
den, sein Reden und sein Thun; wer seine Studien, seine
Geistesarbeit, sein Ringen nach Klarheit, sein blitzartig zutref-
fendes Urtheil, seinen die innersten Tiefen des Herzens mit
wohlthuender oder unbarmherziger Klarheit biossiegenden
Scharfblick zu erkennen Gelegenheit gefunden, — der kann
Recensionen und Anzeigen. 197
jener Behauptung nicht zustimmen , dass das Wesen dieses seh
tenen Mannes in die zwei Bezeichnungen „geniale Persönlich-
keit" und „poetische Natur" sich einbannen und einschränken
lasse, wenn vollends daraus hergeleitet wird, er habe Alles
„im Nebel" gesehen, habe „für viele Dinge kein Verständniss"
gehabt, sei eigentlich nur aus Opposition ein Anhänger des
überlieferten Judenthums gewesen. Wäre es nöthig, so könnten
wir gegen die im Vorwort dargelegte Auffassung einen Gewährs-
mann anfuhren, den Herr Prof. Lazarus gelten lassen muss,
nämlich — ihn selbst. Er selbst hat am 2. Februar 1862 vor
mehr als 200 Berliner Gemeindegliedern, welche eine Familien-
feier des Verewigten festlich beging, ein „Zeugniss" abgelegt,
welches, unserer Erinnerung zufolge , dem vorliegenden schnür*
stracks entgegenlief. Da wurde es Sachs zum Verdienste an-
gerechnet, dass er der „Negation", die jetzt so unbedingt „im
Rechte" sein soll, entgegengetreten und in seiner Person mo-
derne Bildung und Wissenschaft mit den Gedanken und Formen
der jüdischen Religion harmonisch und mustergültig zu vereini-
gen gewusst, gleich all' den hervorragenden Männern unserer
Vergangenheit, die zu ihrer Zeit der eindringenden hellenischen
und arabischen Cuitur gegenüber die von Vielen aufgegebene
Eigentümlichkeit jüdischer Denkungsart und Sitte siegreich
behauptet und für die Zukunft gerettet haben. — Voll Achtung
vor dem Charakter des Herrn Prof. Lazarus bezweifeln wir
nicht einen Augenblick, dass seine für uns unvereinbaren Aeusse-
rungen jedesmal seine ehrliehe, unverfälschte Ansicht dargethan.
Es ist also eine entschiedene Wandlung in seinen religiösen
Ansichten und Sympathien zu Stande gekommen. Hiernach
aber wolle der geehrte Mann uns nicht verargen, wenn wir
unser lebhaftes Bedauern darüber aussprechen, dass er, von
der gegenwärtigen Strömung in der Berliner jüdischen Welt
selbst ergriffen, die dieser gerade entsprechenden Gesichtspunkte
bei seinem Urtheile über Bedeutung und Stellung eines Sachs
im neuern Judenthum festgehalten. —
Die Verlagshandlung hat die schöne Ausstattung der ersten
Auflage sich mit Recht zum Muster genommen und dadurch
ihrerseits dem Buche eine freundliche Aufnahme vermittelt.
196 Monatschronik.
Maiutsehranik,
Berlin. Eine Deputation, deren Sprecher Herr Banquicr
Heymann war, suchte bei Ihrer Majestät der Königin um eine
Audienz nach, um derselben für die dem Comhe' zur Unter-
stützung der nothleidenden Israeliten in Ostpreussen übersandte
Gabe von 25 Friedrichsdor zu danken. Ihre Majestät nahm
die Deputation in huldvollster Weise auf', und erwähnte im
Laufe des Gesprächs die grossen Verdienste, welche der ver-
storbene Prediger Dr. Sachs sich um die Berliner Gemeinde
erworben hat.
Bernau. Die Judengemeiaden de* Heroegthums Anhalt
fcftbea sieh mit einer Petition, an den norddeutsche» Reichstag
gewandt, in welcher sie- folgende Beschwerden gegen ihre*
Regierung fuhren und um Abhülfe, durch da» Buiwlespraskjauni
bitten: v.Die. am 18. Juli 1&59 publicirte> für ganz Anhalt jetzt
gütige LandscbaftsQrdauag bat uns, den Israeliten, Anhalts, ent-
gegen, früheren Gesetzen vom Jahre 1810 und trotz der Yeri
fassungen aus de« Jahren 1348 und. 185Q, welche uns, gleiche,
bürgerliche und politische Rechte mit unseren christlichen Mit-
bürgern einräumen, der politischen Wah)(ahigkei|t beraubt. Die.
„Revidirte Landes« und Process - Ordnung" vom Jahre 1850,,
f&r das vormalige Herzogtum Anhah>Beruburg im Jahre 1864
ia Kraft getreten, nimmt ups die Heiligkeit unserer Sabbate
u#4 Feattage, indem sie uns verpflichtet, ftuch an diesen Tagen,
in allen bürgerlichen Rechtsstpeitigfceiteo , selbst in Bagatell-
Processen, vor. Gericht zu erscheinen. Das Gesetz vom
6* Februar 1855 hat für uns eine Cidesaorm und Eides-
Solennitäten geschaffen, die unser Gewissen, drücken, unsere
Rechtschaffenheit bezweifeln und unsere Geistlichen herab-
setzen. Unsere gewählten und Regierungswegen bestätigten
Gemeinde- Vorsteher werden nicht, wie in Preussen und anderen
deutschen Staaten, als öffentliche Beamten angesehen und ge-
messen bei Beleidigung keinen officiellen Staatsschutz. Man
Mohatschronik. 1^9
bestreitet Unseren Etoefraueh die Dbtal-Privilegien , wfctehe den
Christinnen zustehen, jüdischen Zeugen die Glaubenswfirdigkeit
bei Processen zwischen Juden und Christen, die passive
Testamentsfähigkeit unserer Gemeinden, die Berechtigung eines
Juden, seine Forderung einem Christen zu cediren, u. dgl. «ntf
Paris. Bekanntlich ist eine Reorganisation der hiesigen
Sternwarte vorgenommen, und ein Äufsichtsrath von acht Mit-
gliedern erwählt worden, welchen der berühmte Director der-
selben Leverrier untergeordnet wird,, weil gegen seine Ver-
waltung viele begründete Klagen laut wurden. In diesen
Äufsichtsrath wurde auch Herr Moritz LÖwy, ein ausgezeichne-
ter Astronom, Österreichischer Israelit, gewählt, welcher wegen
seines Glaubensbekenntnisses den Zutritt zur Wiener Stern-
warte nicht erlangen konnte und deshalb vor fahren nach
Paris ging.
Paris. Im QuaTtiör Latin toferrsclite dieser Tage eine ge-
wisse Aufregung. Für die Vorlesungen des Professors S&e
(eines Israeliten), welcher in der neulichen Senatsdebatte über
die Ünterrichtsfreiheit angegriffen worden war, hatte die Polizei
Vorsichtsmassregeln ergriffen. t)er Decan der Facultät, Pro-
fessor Wurtz, trat energisch gegen diese Einmischung der
Polizei auf, welche sich darauf zurückzog.
Fest. Die „Netie freie Presse" enthält folgendes Telegraftim :
l>ie Ünghvarer Cömitats-Congregätion besclilosfc eine Repräsen-
tation an das Ministerium gegen die seit der Dotirung der Gleich-
berechtigung aus Polen eingewanderten Juden zu richten. Gleich-
zeitig beschloss die Congregation, die seither aus Polen einge-
wanderten Juden aus dem Comitate zu schaffen. (Hoffentlich
wird der unreifen Congregation der Versuch, es dem rumänischen
Pöbel gleichzuthun, rechtzeitig verleidet. Anm. der Red. d. N.
fr. Pr.)
Rumänien. Senator Juiski beantragte die Vorlegung aller
Dokumente, die sich auf die Judenverfolgung bezogen. Bra-
tiano sprach so heftig dagegen, dass er zweimal vom Präsidenten
zur Ordnung gerufen wurde. Der Senat nahm mit 29 gegen
4 Stimmen Juiski's Antrag an.
200 Monatschronik.
Rumänien. Die Consuln Frankreichs und Englands than im
Auftrage ihrer Regierungen Schritte, die Forderungen Oester-
reichs in der Judenangelegenheit nachdrücklich zu unterstutzen,
Stuttgart. Wie der „Stuttg. Anz." vernimmt, ist die
Reform des israelitischen Kirchenwesens von dem Minister des
Kirchen- und Schulwesens in Angriff genommen worden. Der
Referent der israelitischen Kirchenbehörde, Regierungs - Rath
Jordan, hat einen Entwurf ausgearbeitet, welcher zunächst
einer Berathung unterworfen werden soll. Das Ergebniss der-
selben soll einer Commission von Laien und Geistlichen zur
Begutachtung vorgelegt werden. Auf diese Weise soll ein
Entwurf, der an die Stelle des betreffenden Theils des
Israelitengesetzes vom Jahre 1828 zu treten hätte, für die
Stande vorbereitet werden. Es handelt sich hauptsächlich
darum, das israelitische Kirchenwesen auf einer freieren Grund-
lage zu gestalten und die mannigfachen büreaukratischen Schranken
zu beseitigen, welche das gedachte Gesetz entsprechend den
damaligen Anschauungen enthält.
Türkei. Dem vom Sultan jüngst eingesetzten Staatsrathe
gehören auch drei jüdische Mitglieder an« Die Rede, mit wel-
cher der Sultan den Staatsrath eröffnete, schloss mit folgenden
Sätzen: Was die religiösen Ueberzeugungen betrifft, so muss
jeder seine freie Meinung haben. Dieser Punkt kann nicht in
Frage gestellt werden. Die verschiedenen Culte müssen alle
Gefühle der Verachtung und der Feindseligkeit gegen einander
aufgeben.
Druckfehler.
S. 84, Z. 9 lies fordere statt fordert; Z. 83, Z. 11 lies abreden
statt abrunden; S. 84, Z. 27 Manrer statt Maaren; S. 86, Z. 2 v. n.
lies somit statt soweit.
Voltaire und die Juden.
Von Dr. Graetz.
(Schluss.)
Voltaire beginnt den Artikel „Juden" im Dictionnaire
philosophique mit einer allgemeinen Charakteristik der-
selben. „Die jüdische Nation ist die allersonderbarste,
die es je in der Welt gegeben hat. Obwohl sie die ver-
ächtlichste in den Augen der Politik ist, so ist sie doch
in vieler Beziehung in den Augen der Philosophie bedeut-
sam. Die Gueber (Feueranbeter), dieBanjan und die
Juden sind die einzigen Völker, die zerstreut leben, ob-
wohl ohne Verbindung mit anderen Nationen sich inmitten an-
derer Völker fortpflanzen und sich von der übrigen Welt
fern halten. Die Gueber, ehemals beträchtlich, sind in
einem Theile des Orient verbreitet, die Banjan existiren
nur in Indien und Persien; aber die Juden sind auf der
ganzen Erdoberfläche verbreitet, und wenn sie sich sam-
meln sollten, würden sie eine viel zahlreichere Nation
bilden, als je in dem kurzen Zeiträume, während sie die
Herren von Palästina waren* Fast alle Völker, welche
die Geschichte dieses Volkes geschrieben haben, erheben
diesen Ursprung durch Wunder. Alles ist Wunder und
Orakelsprüche an ihm, und wir dürfen nicht daran zwei-
feln. Indessen haben die Juden nur einen kleinen Erdwinkel
auf einige Jahre besessen. Heute haben sie nicht ein-
mal ein Dorf zu ihrem Eigenthume. Sie müssen demnach
glauben, und sie glauben es auch, dass die Prophezeiungen
für sie sich einst erfüllen und sie die Herrschaft über die
Erde haben werden."
Frankel, MonatMchrift.XVn.6. 16
202 Voltaire und die Juden.
„Sie sind das letzte der Völker unter Muselmännern
und Christen, und sie glauben das erste zu sein. Dieser
Stolz in ihrer Erniedrigung wird durch einen allerdings
unwiderlegbaren Grund gerechtfertigt, dass sie in der
That die Väter der Christen und Muselmänner sind. Die
christliche und muselmännische Religionen erkennen die
jüdische als ihre Mutter an, und durch einen sonderbaren
Widerspruch empfinden sie für diese Mutter zugleich Hoch-
achtung und Entsetzen." — Darauf geht Voltaire die ganze
Geschichte der Israeliten durch und amüsirt sich, gemeine
Spässe hineinzubringen. Er war in seinem Rechte, diese
von der christlichen Theologie noch mehr mit Wundern
ausgestattete Geschichte der vorchristlichen Zeit ihrer Wun-
der zu entkleiden; aber dann hätte er die Kernigkeit und
die Energie des jüdischen Volkes, welches sich trotz
seiner Winzigkeit in einer Welt voll Feinden behauptet
hat, um so mehr bewundern müssen. Allein ihm lag
Alles daran, dessen Verächtlichkeit, Winzigkeit und Ver-
dorbenheit hervorzukehren. Vom Aufenthalte der Judäer
in Babylonien sagte er: „Es scheint, dass die Juden we-
nig von den Magiern gelernt haben : sie ergaben sich dem
Geschäfte der Mäkler, Wechsler und Trödler, dadurch
machten sie sich nothwendig, wie sie es noch jetzt machen,
und bereicherten sich." — Von Herodes' Tempelbau, der
bekanntlich von Seiten der national gesinnten Juden auf
Antipathie stiess, sagte er: „Herodes konnte diesen Tem-
pel nicht vollenden, weil ihm Geld und Handwerker fehlten,
ein Beweis, dass Herodes doch nicht so reich war, und
dass die Juden, welche ihr Heiligthum sehr liebten, ihr
baares Geld noch mehr liebten." — Fühllos und brutal
erzählte er den Ausgang des Heldenkampfes der Juden
gegen die Römer unter Vespasian und Titus und zeigte
eine eigene Schadenfreude daran, dass „Juden bei diesem
Kriege um den Preis des unreinen Thieres verkauft wur-
den, das sie nicht essen dürfen".
Je mehr die Geschichte der Juden sich der neueren
Zeit nähert, desto mehr verunglimpfte er sie. Wodurch
haben sich die Juden im Exile innerhalb der römischen
Sittenfaulniss , der Völkerwanderung der barbarischen
Voltaire und die Juden. 203
Germanen, in dem Grausen des Mittelalters erhalten?
Es war nicht von Voltaire's oberflächlich raisonnirender
Geschichtsbetrachtung zu erwarten, dass er die richtige
Antwort auf diese Frage geben sollte; aber dass er sie
so hämisch gab, das flüsterte ihm die Rache ein: „Die
zähe Meinung dieses Volkes, dass Unfruchtbarkeit eine
Schmach sei, hat es conservirt. Die Juden haben stets
als zwei grosse Pflichten angesehen, Kinder und Geld zu
haben. Es folgt aus diesem engrahmigen Gemälde, dass
die Hebräer stets waren : entweder Vagabunden , oder
Räuber, oder Sklaven, oder Aufständische. Sie sind
noch heute Vagabunden auf Erden und allen Menschen
zum Abscheu und behaupten doch, dass Himmel und Erde
und alle Menschen für sie allein geschaffen seien." Künste
und Wissenschaften, auch Poesie, sprach er ihnen in sei-
ner kecken Manier vollends ab* Eine Philosophie hätten
sie nie gehabt, sie, welche im buchstäblichen Sinne des
Wortes die Lehrer der verdummten europäischen Völker
im Mittelalter waren. Nicht einmal den Gedanken der
Einheit Gottes mochte ihnen Voltaire unbestritten lassen.
Er beschloss diesen erzjudenfeindlichen Artikel mit den
Worten: „Mit einem Worte Sie finden in den Juden nur
ein unwissendes und barbarisches Volk, welches seit langer
Zeit den schmutzigsten Geiz zum verabscheuungswürdigsten
Aberglauben und zum unüberwindlichsten Hasse hinzu-'
fügt gegen alle Völker, die sie dulden und sie bereichern.
Man soll sie aber doch nicht verbrennen."
Voltaire übte eine solche Tyrannei über die Geister
des achtzehnten Jahrhunderts, dass es als ein Wagestück
galt, ihm Opposition jau machen und seine oberflächlich
absprechenden Behauptungen zu widerlegen. Alles, was
den Menschen heilig war*, besudelte er mit seinen un-
fläthigen Witzen, bezeichnete es als Aberglaube, Pfaffen-
betrug, Pinsterniss, und Niemand wagte diesen Heiligen-
schänder zu entlarven. Ein Jude unternahm es zu Aller-
erst, ihm seine ungerechten, wegwerfenden Urtheile vor-
zuhalten, aber nur durch eigenthümliche Umstände, die
noch wenig bekannt sind und daher beleuchtet zu werden
verdienen. Isaak de Pinto war es, der diesen Kampf
16*
204 Voltaire und die Juden.
mit dem literarischen Riesen wagte. Dieser von Marra-
nen abstammende portugiesische Jude (st. 1787) lebte eine
Zeit lang in Bordeaux, begab sich dann mit seinem Ver-
mögen nach Amsterdam, leistete der portugiesischen Ge-
meinde dieser Stadt und dem Staate Holland wesentliche
Dienste und liess sich dann dauernd im Haag nieder. Er
war nämlich eben so opferbereitwiliig wie vermögend. In
einer Zeit der Geldverlegenheit lieh er dem Staate an-
sehnliche Summen „und ein hoher Beamter gab ihm die
Anerkennung, dass er den Staat gerettet hat (17481)".
Von bedeutenden Geistesanlagen war de Pinto keines-
wegs, aber er verstand über gewisse Themata leicht zu
schreiben. Er verfasste einige Broschüren über national-
ökonomische und politische Fragen, auch gegen den herr-
schenden Materialismus der Zeitphilosophie und über das
Kartenspiel. Gediegene wissenschaftliche Kenntnisse scheint
de Pinto wenig gehabt zu haben; wenigstens verrathen
seine Schriften sie nicht2). Mit seinem Zeit- und Reli-
gionsgenossen Moses Mendelssohn hält er keinen Vergleich
aus. Ohne seine Apologie für die Juden gegen Voltaire
wäre sein Käme wohl in der Zeitenströmung untergegangen.
Diese Apologie rang sich aber nicht aus seinem Herzen
los, nicht aus dem bedrückenden Schmerzgefühl über die
empörende Verunglimpfung seiner Stammgenossen und
des Judenthums von Voltaire's Seite, sondern sie ver-
dankte ihre Entstehung seiner warmen Anhänglichkeit an
ein eigenes Coteriewesen.
x) Schreiben Pinto's an Rodriguez Pereira (wovon weiter
unten): Leu Services signates que fai eu le bonheur de rendre ä la
nation poriugaise Hablie a Amsterdam, et dont fespere quelle jouira
long-temps; m'engagent ä donner ä mes freres des preuves de bonne
volonte'. — S. Koenen, Geschiedenis der Joden in Nederland p. 212 ff.
Seine Biographie ist dargestellt in: Jaarbooken voor Israeliten 1837,
p. 157 ff.
*) Bei Pinto 's Schriften, die in den Bibliographien angeführt wer-
den, ist eine vermisst, welche Koenen citirt, in portugiesischer Sprache :
Refiexots politicas tocante a Constitupao da Naguo Judayca, Amst.
1748 (das. p. 8). Es ist wohl das erste Produkt von Pinto *s schrift-
stellerischer Thätigkeit.
Voltaire und die Juden. 205
Die Gemeinde Bordeaux war, wie schon angedeutet,
aus flüchtigen Marranen zusammengewachsen, welche
grösstentheils aus Portugal dahin entkommen waren, nach-
dem die Inquisition auch in diesem Lande ihre fluchwür-
dige Thätigkeit entfaltet hatte. Sie erhielten unter dem
NamenPortugiesen oderNeuchristen (Nouveaux Chrd-
tiens) die Erlaubniss, sich in Bordeaux und Bayonne auf-
zuhalten und jedes Geschäft zu betreiben. Da sie mei-
stens grosse Kapitalien dahin gebracht hatten, so hatten
sie den Wohlstand der Stadt gehoben und waren bei Be-
amten und Bürgern beliebt. In den zwei Jahrhunderten
von der Zeit, als Heinrich II. ihnen das -erste Toleranz-
patent gab (1550), bis zur zweiten Hälfte des achtzehnten
Jahrhunderts waren die portugiesischen Juden von Bor-
deaux auf hundert Familien gewachsen und genossen
wegen ihres Wohlstandos, ihres anständigen Wesens und
ihrer Wohlthätigkeit allgemeine Achtung. Ihre Vorsteher
(Syndics) übten Polizeigewalt über die Gemeindeglieder
und hatten überhaupt eine sehr bedeutende Machtbefugniss.
Im Anfang des achtzehnten Jahrhundert, in der Regierungs-
zeit Ludwigs XV., hatten sich auch einige jüdische Fami-
lien aus Avignon und Elsass in Bordeaux niedergelassen,
von denen einige durch Tuch- und Seidenfabrikation,
andere durch Bankinstitute, andere wieder durch .Wein-
handel für auswärtige Juden (mn Casser) der Stadt
nützlich geworden waren. Da erwachte der den portu-
giesischen Juden eigene Racenstolz; es kränkte sie, dass
auch andere Juden gleiche Rechte mit ihnen geniessen
sollten. Ihre eingebildete Ueberlegenheit über die Juden
der deutschen Zunge fühlte sich dadurch verletzt, und
diese Stimmung unterdrückte in ihnen das Gefühl der
Brüderlichkeit. Sie ruhten nicht eher, bis die etwa sechs-
zehn Familien avignonesischen, deutschen und tudeskischen
Ursprungs aus Bordeaux ausgewiesen wurden (1734). Es
war eine um so herzlosere Härte, als die Ausgewiesenen
in anderen Theilen Frankreichs noch weniger auf ein
Unterkommen rechnen konnten. Indessen hatten zwei
derselben Namens Dalpüget so viel Gewicht bei den
Behörden und waren bei der christlichen Bevölkerung so
206 Voltaire und die Juden.
beliebt, dass sie und ihre Angehörigen wieder in Bordeaux
zugelassen wurden. Endlich im Jahre 1759 erhielten
sechs Familien der Avignoneser Ausgewiesenen die Er-
laubniss, fttr sich und ihre Nachkommen dauernd und un-
gehindert in dieser Stadt wohnen zu dürfen — für die
Summe von 60,000 Francs, in sechs Jahren abzahlbar.
Dadurch steigerte sich die Antipathie zwischen den por-
tugiesischen und anderweitigen Juden nur noch mehr 8).
Die Ersteren machten die grössten Anstrengungen, neue
Zuzügler, namentlich deutscher Juden, nicht ansiedeln zu
lassen. — Dennoch hatten sich wieder ungefähr 152 jü-
dische Seelen in Bordeaux eingefunden, welche Anfangs
als Durchreisende sich daselbst aufhielten und das Nieder-
lassungsrecht dauernd zu erwirken suchten. Um dieses
zu hintertreiben, vereinbarten die Portugiesen ein Ge-
meindestatut (1760), welches ganz besonders gegen die
fremden Juden zugespitzt war. Ein Artikel bestimmte,
dass, da die armen, zureisenden Juden, Vagabunden,
ihnen zur Last fielen, sollten sie das Recht haben, die-
selben durch den ersten Vorsteher (Syndic) ohne Weiteres
innerhalb drei Tagen auszuweisen. Auch die bereits
länger Angekommenen, „eine beträchtliche Zahl
Leute ohne Vermögen, deren Betragen ungere-
gelt ist, die sich als Glieder der Nation (Ge-
meinde) nennen", sollten durch Stimmenmehrheit der
Gemeindeglieder ausgewiesen werden können. Es han-
delte sich dann darum, dieses herzlose Statut, welches die
fremden Juden der Willkür des portugiesischen Syndicats
preisgab, von dem Könige Ludwig XV. genehmigen zu
•) Auf diese Antipathie ist wohl auch das Factum zurückzuführen,
dass, als Jonathan Eibeschütz sich in Folge der Ausweisung der
Juden aus Prag und Böhmen unter Maria Theresia (1745) an die
reiche Gemeinde von Bordeaux um Unterstützung der Elenden wen-
dete, diese ihn nicht einmal einer Antwort würdigten (vergL Eibe-
schütz' Schreiben an die Gemeinde von Bordeaux. Monatsschrift
Jahrg. 1867. 8. 429). Die Portugiesen von Bordeaux mochte von
den Deutschen oder böhmischen Juden, ihrem Unglück und von dem
polnischen Rabbiner Eibeschütz gar nichts wissen.
Voltaire und die Juden. 207
lassen. Die Portugiesen sandten zu diesen Zwecke einen
ihrer Vorsteher (Jakob) Rodriguez Pereira, nach
Paris, um die Genehmigung des Statuts zu erwirken.
Dieser Mann, welcher ein Wohlthäter von Unglücklichen
war, entwickelte sehr viel Eifer, um viele seiner Glaubens-
genossen in's Unglück zu stossen. Pereira hatte nämlich
zu allererst, noch vor dem berühmten Abb 6 de l'Epöe,
Mittel gefunden, um Taubstummen eine Art Sprache oder
Mittheilungswinke zu geben* Er hatte zu diesem Zwecke
(1749—50) eine Denkschrift ausgearbeitet, welche von den
französischen Philanthropen günstig aufgenommen worden.
In Folge dessen wurde er später zumMitgliede der Londoner
königlichen (wissenschaftlichen) Gesellschaft (royal society)
ernannt. Die dadurch erlangte Achtung benutzte Rodri-
guez Pereira, um die 152 heimathslosen Juden, darunter
Schwache, Weiber und Kinder, aus Bordeaux vertreiben
zu lassen. Er bewirkte, als Agent der portugiesisch -jü-
dischen Nation von Bordeaux, die Bestätigung des Königs
für das entworfene Statut; so kann Racenantipathie auch
edle Menschen verblenden. Indessen wenn auch der König
jenes harte Statut zum Gesetze erhoben hatte, so kam es
doch auf die Exekutionsbehörde an, es in Wirksamkeit
zu setzen. Bei dem zerfahrenen Regimente unter Lud-
wig XV., in der Maitressen- und Günstlingswirthschaft,
hatte der Gouverneur einer Provinz allein die Macht, ein
Gesetz auszuführen oder es illusorisch zu machen. Der
Gouverneur von Guienne war damals der Marschall von
Richelieu, der Sieger von Mahön; dieser musste für die
Austreibung gewonnen werden. Isaak de Pinto muss mit
ihm in freundschaftlicher Beziehung gestanden haben;
daher baten ihn die Portugiesen von Bordeaux, seine frü-
hern Landsleute, besonders Rodriguez Pereira, sich bei
demselben für diese edle That zu verwenden. Pinto rich-
tete darauf ein Bittgesuch an den Marschall, und erhielt
von ihm eine schmeichelhafte Antwort, die dadurch noch
gekrönt wurde, dass Richelieu befahl (Sept. 1761)dass sämmt-
liche Juden, die sich widerrechtlich in Bordeau aufhielten,
die angegebenen 152, innerhalb 14 Tagen die Stadt ver-
lassen sollten. Der Vorstand der portugiesischen Juden
208 Voltaire und die Juden.
wurde mit dem Vollzuge der Austreibung betraut4); ge-
wiss, man kann nicht gefalliger sein, als es der Mar-
schall war.
Diese Ausweisung hat ohne Zweifel böses Blut ge-
macht. Es war in der That etwas Unerhörtes, dass Ju-
den durch ihre eigenen, reichen, sich vornehm gebehr-
denden Glaubensgenossen in's Elend gestossen wurden.
Philanthropische Christen scheinen ihre Glossen darüber
gemacht zu haben. Den Portugiesen und besonders de
Pinto, der §ds energischer Beförderer dieser hässlichen
Geschichte anzusehen ist, lag es daher am Herzen, eine
Art Rechtfertigung zu geben, den Vorzug der portugie-
sischen Juden vor den Deutschen (unter denen man die
nicht portugiesisch Redenden verstand) hervorzuheben
und die Verwahrlosung dieser in's Licht zu setzen. Pinto
unternahm diese Aufgabe und knüpfte sie an Voltaire's
Verunglimpfung gegen Juden und Judenthum an. Er
wollte nachweisen, dass die Vorwürfe, welche Voltaire
den Juden überhaupt machte, wegen ihres Schachers,
4) Das bisher Erzählte ist entnommen der Schrift: JDetchi-
verry, histoire des Isradites de Bordeaux p. 74 ff. Das. p. 85 heisst
es : Le Marichal de Richelieu . . . rendit une ordonnance, portant qu' . . .
il 4toit d&fendu ä tous les Juifs tudesques ou allemands et oVautres de
sy gtablir et que en consequence il ordonnoit ä ces Juifs (152 enviroh)
de aortir, dans 15 jours pour dölai, de la ville de Bordeaux, chargeant
les syndics de la nation portugaise de Vexicution de la präsente or-
donnance. Dazu dient als Ergänzung der Bericht des portugiesischen
Juden Guasco aus London an den Canonicus Sweetmind von Win-
chester über die Veranlassung von de Pinto's Apologie ,| in Lettres de
quelques Juifs portugais, Anf. : // survint . . . un diffirent enlre les Juifs
portugais e'tablis a Bordeaux, et quelques Juifs oVautres nations, Ceuar
ci pretendaient faire corps avec les Portugais, et partager avec eux les pru-
viliges dont ils jouissent dans cette ville depuis plus de deux sikcles. Dans
ces circonstances les Portugais recoururent ä Vauteur (lsaac Pinto) et le
prierent de joindre ses sollicitations ä Celles de leur agent ä Paris (M. R.
Pereire); il le fit avec zkle; il icrivit ä M. le marichal duc de Rfichelieu],
et ü en recut une rSponse flatteuse pour lui, que satisfaisante pour la nation
portugaise, Vergl. auch weiter Pinto's Entschuldigung.
Voltaire und die Juden. 209
Wuchers, Geizes und ihrer Unwissenheit, allenfalls auf die
deutschen und polnischen Juden passten; aber sie auch
gegen die portugiesischen Juden zu schleudern sei höchst
ungerecht. Zu diesem Zwecke schrieb er (1762): „Kri-
tische Betrachtungen über das erste Kapitel
des 7t. Bandes der Werke des Herrn de Voltaire"
d. h. gegen dessen Ausfalle im Artikel „Juden" im
Dictionnaire philosophique (wie oben angegeben). Diese
Broschüre wurde mit Rodriguez Pereira und den Portu-
giesen überhaupt verabredet; sie wurde auf dessen (oder
deren) Kosten im Haag gedruckt6).
In einem Briefe des Verfassers an Pereira, welcher
der Broschüre als Vorwort vorgedruckt wurde, sprach er
sich über die Veranlassung dieser Apologie aus und ver-
suchte die durch ihn vermittelte Härte gegen die aus Bor-
deaux Ausgewiesenen in einem milderen Lichte erblicken
zu lassen. Es ist ihm aber nicht gelungen, den Leser
von seinen guten Absichten zu überzeugen. „Ich bedaure,
dass Sie mich," schrieb er an Pereira, „bei zwei Gelegen-
heiten gebraucht haben, wo, so zu sagen, die Interessen
unserer Portugiesen sich mit den Juden anderer Nationen
zu kreuzen schienen. Mein Herz leidet dabei, und ich
sehe, dass das Ihrige nicht minder davon berührt ist, ob-
wohl die Vernunft und die gesunde Politik Ihre Schritte
gut heissen. Caligula wünschte, dass das ganze römische
Volk nur einen einzigen Kopf hätte, um das barbarische
Vergnügen gemessen zu können, es mit einem Schlage
5) Bibliotheque des sciences et des beaux arts T. XVIII. 8. 509
Un Juif de la nation portugaise (M. Pinto) vient de publier ici (ä la
Haye) par les soins de Mr. Peyrkre que son talent pour faire parier
les muets a rendu si ctthbre, une brochure de 48 p/). (Jest une apo-
logie des Juif 8 sous ce titre: Reflexions critiques etc. Es sind meh-
rere Ausgaben davon erschienen, verbunden mit anderen Briefen an-
geblich von Juden gegen Voltaire, unter dem Titel: Lettres de quel-
ques Juifs Portugals et Allemands ä M. de Voltaire. Die zweite Aus-
gabe in einem Bande gekürzt, Paris 1769; ich citire die 6te. Edition
in 3 Bänden. Diese Briefe sind auch deutsch übersetzt.
210 Voltaire und die Juden.
abzuhauen. Warum hegte er nicht denselben Wunsch,
dass das Glück eines Einzigen das eines ganzen Volkes
ausmachte? Das wäre unser Wunsch, wenn es möglich
wäre. Das Glück, das wir auf Kosten Anderer erlangen,
ist ein verstecktes Unglück. Es ist ein Gift, das nur für
einen Kranken als Heilmittel dienen kann. Unglücklicher-
weise ist man in der Politik wie in der Medicin auf Em-
pirismus angewiesen. Es scheint, dass dieses Unglück
dem Menschengeschlechte anhaftet, wenigstens seitdem es
sich in mehrere getrennte und geschiedene Körperschaften
getheilt hat, dass der Vortheil der Einen dem der Anderen
entgegengesetzt ist. Wir müssen also die Rechte der Por-
tugiesen vertheidigen, selbst wenn sie den deutschen und
avignonesischen Juden nachtheilig wären; aber zu gleicher
Zeit wünschen wir, Sie und ich, sie durch grosse Dienst-
leistungen die kleinen Unannehmlichkeiten vergessen zu
machen, welche die berechtigte und nothwendige Ver-
theidigung der Privilegien der Portugiesen uns gezwungen
hat, ihnen zu verursachen, indem wir unsere Sache von
der Ihrigen scharf trennten. Ich tibersende Ihnen hierbei
meine Betrachtungen über das, was Voltaire gegen die
Juden geschrieben hat 6)." — Das Ausweisen von so viel
6) Der Brief, welcher den R6flexions critique vorangeht, lautet in
der Ueberschrift : Lettre de Vauteur . . . . ä Mr. de Pfereira], agent de
la nation portugaise de Bordeaux .... und im Eingange: La lettre,
qu' ä votre conside'ration , fai e'crite ä M. le mare'chal duc de (Richelieu)
en faveur de la nation portugaise etablie ä Bordeaux m'attire de votre
pari des remercimenU etc. Der ganze Eingang bis zur Hälfte des
Briefes fehlt in der Edition der Lettres de quelques Juifs von 1769,
wie auch der Brief von Guasco an Sweetmind. Der Portugiese Guasco,
welcher in diese Geschichte eingeweiht war, sagt ganz deutlich, dass
Pinto's Apologie gegen Voltaire in Folge der Zerwürfnisse in Bor-
deaux entstanden ist. Cette contestation (ä Bordeaux) ayant donnd
Heu de refldchir sur les prejuge's desavantageux et injustes quyon a contre
les Juifs en giniral^ et sur Vignorance . . . . en France de la dUtinction
qu'on doit mettre entre les Juifs portugais et espagnols et ceux des autres
nations^ on crut necessaire, que quelqu'un se chargedt d'dcrire une apologie
Voltaire und die Juden. 211
heimathslosen Personen, sie allem Ungemach aussetzen,
dem im achtzehnten Jahrhundert vor dem Ausbruch der
französischen Revolution Juden nicht entgehen konnten,
nennt de Pinto eine kleine Unannehmlichkeit, welche die
Portugiesen ihnen nicht ersparen durften!
In Folge dieser Engherzigkeit der Portugiesen in Bor-
deaux gegen die deutschen und avignonesischen Juden
fanden also Voltaire's masslose und racheerfüllte Angriffe
auf Juden und Judenthum zum Theil wenigstens eine Ab-
wehr. Aber man sieht es dieser Apologie an, dass sie
mehr im Interesse aer portugiesischen Juden als der
Gesammtheit geschrieben wurde. Im Eingange machte
Pinto die Bemerkung, dass die Verläumdung das aller -
schwärzeste Verbrechen sei, gegen das Voltaire selbst mit
vielem Eifer zu Felde gezogen sei. Es sei aber eine gräss-
liche Verläumdung, wenn man ein ganzes Volk der Mit-
schuld an dem Verbrechen Einzelner anklagt, und noch
mehr wenn man sämmtliche Juden für hässliche Thaten
Einzelner solidarisch verantwortlich machen wollte. —
„Zerstreut unter so viele Nationen, haben die Juden in
jedem Lande nach einer gewissen Zeit den Charakter der
Einwohner angenommen. Ein Jude von London gleicht
so wenig einem von Konstantinopel wie dieser einem chi-
nesischen Mandarinen. Ein portugiesischer Jude von Bor-
deaux und ein deutscher Jude von Metz scheinen zwei
ganz verschiedene Wesen zu sein. Der Jude ist ein Cha-
meleon, welcher überall die Farbe von den verschiedenen
Länder annimmt, die er bewohnt, von den verschiedenen
Völkern, mit denen er umgeht, von den verschiedenen
Regierungsformen, unter denen er lebt. Nichtsdestoweniger
hat sie Voltaire in Bausch und Bogen zusammengeworfen
und von ihnen ein ebenso schreckliches wie wenig ähn-
liches Gemälde entworfen." — »Wie konnte Voltaire,"
fragt ihn der Verfasser, „der geschaffen ist, das Universum
des Jui/8 en genital, et a^y faire sentir la diffdrence qu'il y a entre les uns
et les autres. On y engagea Vauteur (Pinto) et it y consentit. — Pinto ist
also erst dazu angeregt worden.
212 Voltaire und die Juden.
zu erleuchten, die Wolken der Volksvorurtheile, die man
auf die Anhänger dieser Religion zur Schande der Mensch-
heit aufhäuft, noch mehr verdichten — gegen Vernunft und
Wahrheit? Man soll die Juden nicht verbrennen, schliesst
Voltaire; aber ein grosser Theil derjenigen, welche er so
grausam behandelt hat, würden lieber verbrannt werden,
als die glücklicherweise leeren Anschuldigungen verdienen.
Wollte er den Gegenstand genau untersuchen, so würde
er finden, dass er den Juden, der Wahrheit, seiner Zeit
und besonders der Nachwelt eine Ehrenerklärung schulde?'
Nun rückte de Pinto mit seinem Hauptthema heraus:
Voltaire hätte bei seinen Anklagen die portugiesischen
und spanischen Juden von den Andern unterscheiden
sollen, mit denen sich jene nie verbunden und accom-
pagnirt haben. Dieser Unterschied sei zwar wenig bekannt,
aber doch Thatsache, dass eben die Portugiesen ausser-
ordentlich scrupulös sind, sich mit andern Juden durch
Heirath oder sonstige Verbindung zu vermischen. Diese
Trennung ginge so weit, dass wenn ein portugiesischer
Jude in Holland oder England eine deutsche Jüdin hei-
rathen würde, würde er seine Vorrechte verlieren, würde
nicht mehr als Glied der Gemeinde anerkannt, würde von
allen geistlichen und bürgerlichen Funktionen ausgechloss-
sen werden und dürfte nicht einmal unter den andern Por-
tugiesen, seinen Brüdern, begraben werden7). So stellte
Pinto den Unterschied in geflissentlicher Uebertreibung
dar, der vielleicht nur bei der Antipathie der Portugiesen
7) Ebenso übertrieben und unwahr ist, was Gregoire erzählt:
une Juive de Berlin ayant epouse' un mddecin de la nation portugaise
(recemment) , les parents de cette fitte en porthent le deuil, comme
cCune personne ddcede ( Essay sur la regMration des Juifs p. 70). Sein
Gewährsmann war Mose Ensheim, Mendelssohn's Jünger (das. p. 217,
Note 14). Dieses Factum scheint sich auf die Ehe des Arztes Dr.
de Lemoe mit einer Charlville aus Berlin, der Eltern der Henriette
Herz, zu beziehen. Aber die Herz hat in ihren Erinnerungen nichts
davon erwähnt. So tief war die Kluft weder auf der einen, noch auf
der anderen Seite.
Voltaire und die Juden. 213
von Bordeaux vorkommen konnte. — „Di© Vorstellung
welche die Portugiesen haben, dass sie vom Adel des
Stammes Juda ihren Ursprung haben, deren Vorfahren
zur Zeit der babylonischen Gefangenschaft nach Spanien
verpflanzt worden seien, erhalte diese Trennung und trage
zur Gehobenheit bei, die man an ihnen nicht ver-
kennen könne, und die selbst die anderen Juden ihnen
einräumen." Diese gewissermassen adlichen Juden,
welche sich in Sprache, Kleidung, Haltung und Eleganz
vortheilhaft vor den andern auszeichnen, die keinen Bart
tragen, haben ihre reinen Sitten bewahrt und auch in den
Augen der Christen besondere Beachtung erlangt. Diese
verdienten am allerwenigsten die Verunglimpfung, welche
Voltaire gehäuft hat. Die holländischen Portugiesen haben
mit ihren vorwurfsfreien Sitten grosse Reichthümer in
dieses Land gebracht und den Handel der Republik ver-
mehrt. Ihre Synagoge nähme sich wie eine Versammlung
von Senatoren aus. Wenn deutsche Fürsten da eintreten,
suchen sie da Juden und können nicht glauben, dass sie
von demselben Schlage sein sollen wie diejenigen, welche
sie in Deutschland gesehen. Die portugiesischen Juden
seien für Holland viel nützlicher gewesen, als die fran-
zösischen Flüchtlinge, welche nach dem Wiederrufe des
Edikts von Nantes dahin gekommen waren, weil diese
fast mit leeren Händen gekommen waren, während jene
grosse Kapitalien und Unternehmungsgeist mitgebracht
hatten. Ihre Nachkommen sind weit eher Betrogene als
Betrüger, öfter Opfer der Wucherer, aber seltsn oder nie
selbst Wucherer gewesen. Man könne kaum ein Beispiel
anführen, dass im Laufe von zwei Jahrhunderten ein por-
tugiesischer Jude in Amsterdam oder Haag wegen eines
Verbrechens bestraft worden wäre. Wollte man Tadel
an ihnen finden, so würde er auf der entgegengesetzten
Seite liegen, als da wo ihn Voltaire gesucht hat, nämlich
im übertriebenen Luxus, in Verschwendungssucht, in
Eitelkeit, in Passionen für das schöne Geschlecht. Mit
einem Worte, ein edler Stolz und eine vornehme Würde
machen den Unterscheidungscharakter der portugiesischen
Nation aus. — De Pinto führte dann eine Reihe von
214 Voltaire und die Jaden.
Namen portugiesischer Juden auf, welche Staaten und
Fürsten wesentliche Dienste geleistet haben, und von ihnen
mit Ehren behandelt wurden: Baron Belmonte, Alvaro
Nun es da Costa, die Suassos8), Texeiras, Prados,
Ximenes, Pereiras, Machado, Günstling des Königs
Wilhelm III. von England, Baron d'Aguilar (Mose Lopez
Pereyra) Finanzmann der Königin von Ungarn (Maria
Theresia), der noch (zu Pinto's Zeit) in Wien bedauert
wird, die Gradis von Bordeaux geachtet am Hofe Lud-
wigs XV. „Diejenigen, welche die portugiesischen Juden
von Frankreich, Holland und England kennen, wissen,
dass weit entfernt, einen unüberwindlichen Hass gegen
alle Völker zu haben, die sie dulden (wie Voltaire sagt),
glauben sie sich vielmehr so sehr mit den Völkern iden-
tificirt, dass sie sich als Theil derselben fühlen. Ihr spa-
nischer und portugiesischer Ursprung ist eine blosse geist-
liche Zucht geworden, welche die strengste Kritik allen-
falls des Stolzes und der Eitelkeit, aber keinesweges des
Geizes und des Aberglaubens beschuldigen könnte."
Nachdem de Pinto solchergestalt für die Juden der
portugiesischen Nation eine so glänzende Apologie ge-
halten hatte, musste er doch die deutschen und polnischen
Juden Anstandshalber auch in Schutz nehmen. Ihren
niedrigen Sinn gab er zwar zu, und das passte zu seiner
Aufgabe; aber er stellte deren verdorbene Natur in Abrede
und entschuldigte deren abstossendes Wesen mit ihrer
unerträglichen Lage. „Die Verachtung, mit der man sie
niederbeugt, erstickt in ihnen den Keim der Tugend und
Ehre. Da giebt es keine Schande, wo die ungerechte
Verachtung dem Verbrechen vorangeht; es heisst ihm den
Weg bahnen, wenn man diejenigen mit Schmach bedeckt,
8) Friedrich der Grosse hob auch in seinen Memoire* de Brande-
bourg T. IL die Edelthat des holländischen Juden hervor," welcher
Wilhelm III. 2 Millionen Gulden mit den einfachen Worten vorschoss :
„Si vous etes malheureux, je consens de les perdre". Er nennt ihn
aber falsch Schwarzau, und dieser Irrthum ist in viele Schriften über-
gegangen. Jener edle Jude hiess nämlich Antonio Lopez Suasso.
Voltaire und die Juden. 215
die sich dessen noch nicht schuldig gemacht haben." Auch
die polnischen und deutschen Juden seien zu bewundern
wegen ihrer Standhaftigkeit, ihres Muthes und ihres Mär-
tyrerthums, mit denen sie der Religion treu bleiben, die
doch auch von denen heilig geachtet wird, die sie jetzt
verdammen. Zeigen sie nicht Selbstverleugnung genug,
dass sie so viele zeitliche Vortheile um ihres Glaubens
willen opfern? Nicht der heiligen und göttlichen Religion
dürfe man die Niedrigkeit der Gesinnung gewisser deut-
scher und polnischer Juden beimessen, sondern der Not-
wendigkeit, der Verfolgung, den Zufällen ; diese haben sie
dahin gebracht. Wenn es unter diesen Unglücklichen
welche gegeben hat, die Münzen beschnitten haben, so
bilden sie nicht die grösste Zahl dieser Schuldigen. —
Wenn sie Trödler sind, so ist das ein Geschäft wie ein
anderes, der Gesellschaft auch nützlich und gestattet;
Moliöre's Vater war ebenfalls Trödler. — Voltaire will
die Juden nicht im Feuer verbrannt wissen ; man verbrennt
aber auch mit der Feder, und dieses Feuer ist um so
grausiger, als es auf die künftigen Geschlechter übergeht.
Was kann maa von dem blinden und wilden Pöbel er-
warten, wenn es sich handeln sollte, gegen eine schon so
sehr unglückliche Nation zu wüthen, wenn solche ent-
setzliche Vorurtheile von dem grössten Genie des aufge-
klärtesten Jahrhunderts gut geheissen werden?"
Pinto versuchte auch, die Juden von einer anderen
Seite gegen Voltaires Ausfälle zu rechtfertigen, gegen den
Tadel ihrer Unwissenheit, ihres Mangels an Kunstfertigkeit
und Wissenschaft zu remonstriren. Aber dafür hatte er
selbst zu wenig Verständniss und brachte viele Absurdi-
täten oder Gemeinplätze vor. Der Prophet Jesaias sei
voll von Feuerzügen, welche beweisen, dass Künste,
Wissenschaften und Geschmack am Hofe von Jerusalem
geherrscht haben! — Es hat jüdische Aerzte und Inten-
danten unter Arabern und Spaniern gegeben. Maimoni-
des war in alle Wissenschaften seiner Zeit eingeweiht. —
Die Juden oder die Phönizier haben das Alphabet erfun-
den, und dergleichen mehr. Auch seine Rechtfertigung
des Vertilgungskrieges der alten Israeliten gegen die
216 Voltaire und die Juden.
kanaanitischen Völkerschaften (von Voltaire bei jeder Ge-
legenheit aufgetischt) konnte nur abgeschmackt ausfallen.
Besser ist seine Verteidigung gegen den sogenannten
Christusmord. Er schliefst mit Voltaire's eigenen Worten,
die dieser bei einer anderen Gelegenheit gebraucht hatte:
„Mögen die Christen aufhören, diejenigen zu verfolgen
und zu verachten, die als Me/ischen ihre Brüder und als
Juden ihre Väter sind".
De Pinto's Broschüre machte ein gewisses Aufsehen
in der gebildeten Welt, so einseitig und schwach auch
der Inhalt ist. Es that vielen Herzen wohl, dass es doch
Jemand gewagt hat, dem angeblichen Apostel der Tole-
ranz seine intolerante Gehässigkeit unter die Nase zu
reiben. Besonders gefiel die Form der Broschüre, welche
in der urbansten Weise Voltaire derbe Lehren gegeben
hat. Dadurch hatten Voltaire's judenfeindliche Absichten
eine entgegengesetzte Wirkung. Von Voltaire's Gemein-
heit empört, sprachen sich gebildete Christen zu Gunsten
der Juden aus. Der damalige Sorbonne - Professor und
Bibliothekar Ladvocat, dem de Pinto ein Exemplar vor-
gelegt hatte, allerdings ohnehin von Wohlwollen für die Ju-
den erfüllt9), hat in wenigen Zeilen seines Briefes an
Pinto (Aug. 1762) eindringlicher Voltaire's Tiraden gegen
die Juden widerlegt, als der jüdische Apologet: „Nichts
ist ungerechter als die Verachtung, die man gegen die
Juden hegt. Diese Verachtung ist bei dem niedrigen
Volke verdammenswerth, und um so mehr bei einem den-
kenden Menschen von Ehre .... Die Unwissenheit und
•) Ladvocat schrieb an de Pinto: Voilä, monsieur, ce que je
ferne de la haine et du mepris injuste qu'on a pour les Juifs. II y a quel-
ques anne'es que je fus consulU sur ce sujet par le ministre de Pologne, ei
je les justißai pleinement de toutes les accusations intente'es conire eux. Ma
consultation confondit les accusateurs, et leur cheffut renf ernte" et puni par
ordre du roi de Pologne. Bezieht sich diese Thatsache vielleicht
auf die Blutanklagen von Seiten der Frankisten und auf die Einker-
kerung Franks, als che/ des accusateurs? Ladvocat schrieb dieses 1762,
und die Verurtheilung Frank's fand Anf. 1760 statt Darauf passt die
Zeitangabe: quelques anne'es.
Voltaire und die Juden. 217
die Barbarei, die Voltaire den alten und zeitgenössischen
Jaden vorwirft, ist selbst die Wirkung seiner Unwissen-
heit oder der Unkenntniss ihrer Sprache und Literatur.
Man sollte nicht aus barbarischen und sklavischen Über-
setzungen über Originalschriften urtheilen. Hiob, Mose,
David, Salomon, Jesaias und die Mehrzahl der hebräischen
Dichter stehen in nichts den griechischen, lateinischen oder
französischen Dichtern nach, selbst Voltaire nicht ausge-
nommen. Die Hoheit und Majestät der Bilder und Be-
zeichnungen, die Erhabenheit der Gedanken und andere
Züge, welche das Genie und die grossen Dichter charak-
terisiren, überragen in der hebräischen Literatur die Poesie
aller anderen Völker. . . Nicht blos Maimonides, son-
dern auch Aben-Esra, Abarbanel, Kimchi und
mehrere andere hebräische Schriftsteller waren den Schrift-
stellern der Nationen ihrer Zeit ebenbürtig. Raschi
war der beste Commentator seiner Zeit, und wir könnten
auch moderne hebräische Dichter anführen, von denen
Voltaire Nutzen ziehen könnte, wenn er überhaupt im
Stande wäre, sie zu verstehen. Was er von den Schel-
mereien der kleinen jüdischen Kaufleute und Händler sagt,
hat nichts an sich, das sie nicht gemein mit den Leuten
des Kleinhandels anderer Völker hätten; wenigstens lassen
sich die Juden nicht durch Diebstahl hängen, oder es
kommt sehr selten vor. Ich bin Zeuge, dass seit dreissig
Jahren, seitdem ich in Paris wohne, nicht drei Juden we-
gen Diebstahls oder anderer Verbrechen verurtheilt worden
sind. Im Allgemeinen sind die Juden von Seiten der
Sitten mindestens ebensoviel werth wie die Leute von
demselben Stande1)." — Zwei geachtete Blätter, die im
Haag von französischen Emigranten redigirte „Bibliothek
der Wissenschaften und schönen Künste" und das
in London herausgegebene „Monthly Review" (Jahrg.
1762 a) haben de Pinto's Apologie mit vieler Anerkennung
*) Carmoly, Revue Orientale II L p. 197/Jr. ist dieser interessante
Lettre de I. B. Ladvocat ä Mr. Isaac Pinto, auteur de V Apologie^ abgedruckt.
*) Die Nummer der Bibliothkque oben S. 20 — ; die Recension aus
Monthly Review in Letlres de quelques Juifs zur Einleitung.
Franke!, M onatuchrift. XVH. 6. 17
218 Voltaire und die Juden.
gelobt und Voltaire's erbärmliche Judenfresserei gebührend
gebrandmarkt. Beide haben aber auch herauserkannt,
dass Pinto's Vertheidigung lediglich den portugiesischen
Juden galt und oratio pro domo war. „Zwei Dinge fallen
in dieser Broschüre dem aufmerksamen Leser auf", be-
merkte der französische Recensent, „das Eine ist, dass
der Verfasser einen unermesslichen Unterschied zwischen
den portugiesischen und deutschen Juden heraushebt, einen
Unterschied, den man in Holland und England nur für
einen rein äusserlichen hält Das Zweite, dass der
geistvolle Israelite seinen Brüdern, den Portugiesen, die
schönsten Lobsprüche ertheilt und die deutschen und
polnischen Juden ein wenig preisgibt" — Der englische
Recensent gab es Pinto noch derber: „In dieser Unter-
scheidung liegt zu viel Parteilichkeit und Gehässigkeit,
als dass man den Verfasser mit dem Titel „Verth eidiger
der Juden" im Allgemeinen beehren könnte. Wenn
Voltaire selbst das Unrecht anerkennt, dass er einer
ganzen Nation die. Lasten Einzelner aufgebürdet hat, so
ist der jüdische Apologet eben so tadelnswerth , dass er
die Schuld von den Schultern seiner Partei (den Portu-
giesen) hat abnehmen wollen, um sie auf die Schultern
der Deutschen und Polnischen zu wälzen." Es sei nicht
das Verdienst der Erstem, dass sie in Spanien und Por-
tugal unter Chalifen und unter christlichen Herrschern
stets begünstigt wurden und dadurch mehr Einsicht und
Benehmen erlangt haben, „während die anderen Juden
zerstreut in dem Morgen- und Abendlande, dort seit Con-
stantin und hier seit Karl dem Grossen, in Druck und
Elend gelebt haben, als Sklaven angesehen und demge-
mäss behandelt wurden. Haben sie nicht noch heute das-
selbe Loos in Europa, in Polen, fast in ganz Deutschland,
in Venedig und sogar in den Staaten des Papstes?44 Christ-
liche Schriftsteller waren gerechter als der jüdische. De
Pinto empfand auch diesen Tadel tief und suchte sich in
einer „Antwort des Autors auf zwei Kritiken" zu
rechtfertigen 8). Allein er verwickelte sich nur tiefer, da
B) RSponse de Vauteur de V Apologie de la naiion juife ä deux critique*
qui ont Mfaites de ce petit e'erü (1766?).
Voltaire und die Juden. 219
er nicht revociren konnte. Bald wollte er die deutschen
Juden mit demselben Eifer und gleicher Wärme wie seine
engeren Stammgenossen vertheidigt haben; bald behauptete
er: die durchschlagende Differenz zwischen diesen und
jenen, sei nicht seine Schuld, sie sei vorhanden, und er
habe sich dazu nur als treuer Historiker verhalten, als
hätte er vergessen, dass er doch gerade Apologet sein
wollte, und ein Vertheidiger darf doch nicht selbst einen
Stein auf seinen Clienten werfen. War es schon lieblos
von ihm, dass er die Hand dazu geboten hat, die deutschen
Zuzügler aus Bordeaux vertreiben zu lassen, so war es
noch liebloser, dass er einer Welt des Hasses und Ver-
achtung gegenüber die Niedrigkeit dieser Kaste zugestand
und sie in Schatten stellte, um desto mehr Licht auf die
angeblich adelichen portugiesischen Juden fallen zu laa$en.
Ohne dass Mendelssohn den hässlichen Hintergrund
der Pinto'schen Broschüre kannte, missfiel ihm seine Art
der einseitigen Apologie, und er konnte es nicht unter-
lassen, sein Lob auf den Verfasser mit einem feinen Tadel
anzuhauchen. Als dieser ihm seine sogenannte philoso-
phische Schrift gegen die Materialisten zugesandt hatte,
schrieb Mendelssohn an den Vermittler Simon Sommer-
hausen im Haag: „Herr Pinto ist mir aus seinen
Schriften wohl bekannt. . . Hätte die Nation zehn Schrift-
steller wie Pinto aufzuweisen, die Voltaire's würden mit
anderer Achtung von uns sprechen. Pinto muss es uns
Hochdeutschen nicht übel nehmen, dass wir uns auch et-
was auf seine Rechnung zu Gute thun; wir sind immer
noch Kinder Eines Vaters, so wenig er es in seiner Apo-
logie hat gestehen wollen4)."
Und Voltaire? De Pinto hatte ihm seine Apologie mit
einem enthusiastischen, fast vergötternden Begleitschreiben
zugeschickt, dem er, der Eitle, nicht widerstehen konnte.
Er richtete daher eine Antwort an ihn (Juli 1762), das
dem horazischen Bilde gleicht: im Anfang ein schöner
4) M. Mendelssohn 's gesammelte Schriften herausgegeben von
Dr. G. B. Mendelssohn V. 8. 528.
17*
220 Voltaire und die Jaden.
Weiberkopf, der in einen hässlichen Schweif eines
Ungethüms endet: „Die Zeilen, über die Sie sich beklagen,
sind heftig und ungerecht. 'Es gibt unter Ihnen unter-
richtete und achtbare Männer; Ihr Brief hat mich davon
tiberzeugt. Ich werde Sorge tragen, in der neuen Aus-
gabe einen Yerbesserungs-Garton zu machen. Wenn man
Unrecht hat, muss man es wieder gut machen, und ich
habe Unrecht gehabt, einer ganzen Nation die Lasten
mehrerer Einzelnen beizulegen." Das klingt recht schön.
Aber gleich darauf verfiel Voltaire wieder in seinen Sar-
kasmus und verlor sich in zotigen Spässen. „Ich könnte
mit Ihnen über die Eenntniss der alten Juden streiten . . .
aber ich würde Ihnen damit weh thun, und Sie scheinen
mir ein zu feiner Mann zu sein, als dass ich Ihnen miss-
fallen wollte Bleiben Sie Jude, da Sie es einmal sind«
Sie werden nicht 40,000 Menschen abschlachten, weil sie
das Wort Schibolet nicht haben gut aussprechen können,
und auch nicht 24,000 Männer, weil sie mit Midianitischen
Weibern ihr Beilager getheilt haben5)." — Eine direkte
Ehrenerklärung hat Voltaire den Juden niemals gegeben,
nicht einmal den Portugiesischen. Aber aus dieser Zeit
scheint jene, einigermaassen judenfreundlich gehaltene
und tragisch gefärbte Schilderung des Märtyrerthums der
Juden aus seiner Feder geflossen zu sein, die zu grell gegen
seine sonstige Behandlung derselben, selbst in ihrem Un-
glücke, absticht. „Es ist wahr, wenn man an das Ge-
metzel denkt, das man den Juden unter einigen römischen
Kaisern anthat, und an die so oft wiederholten Schläch-
tereien in allen christlichen Staaten, ist man erstaunt, dass
dieses Volk nicht nur noch fortbesteht, sondern dass es
heute nicht minder zahlreich ist, als es ehemals war ....
Ihre feste Anhänglichkeit an das mosaische Gesetz ist
nicht minder bemerkenswerth. . . Das Judenthum ist jetzt
unter allen Religionen diejenige, welche am wenigsten
abgeschworen wird. Es ist zum Theil die Frucht der
*) Auch dieser Brief Voltaire's an Pinto ist den Lettres de quel-
ques Juifs beigedruckt, im Anfange.
Voltaire und die Juden. 221
Verfolgungen, die sie erlitten hat. Ihre Anhänger, stetige
Dulder für ihren Glauben, haben sich immer mehr als
die Quelle aller Heiligkeit betrachtet und haben uns als
jüdische Abtrünnige angesehen, welche Gottes Gesetz
verändert und diejenigen gefoltert haben, aus deren
Hand sie es empfangen hatten 6).u Der ganze Artikel
ist mit vielem Ernst, fast mit Andacht geschrieben. Aber
das war nur eine flüchtige Laune; sie stand ihm über-
haupt nicht gut, seine diabolische Natur oder vielmehr
seine Satir-Natur Hess gemüthliche Regungen bei ihm nicht
lange bestehen. Er fuhr fort, wo er nur Gelegenheit
hatte, das jüdische Alterthum zu besudeln und gegen die
zeitgenössischen Juden zu hetzen, und setzte dieses Ge-
schäft bis kurz vor seinem Tode fort. Zum Theil wurde
er zuletzt herausgefordert. Ein christlicher Schriftsteller,
Professor des Kollegiums St. Jacques in Paris, trat als
Kämpfer für das von Voltaire geschändete biblische Alter-
thum auf, aber nicht mit offenem Visir, auch nicht in
christlicher Rüstung, sondern in jüdischer Vermummung.
Die literarische Manier seiner Zeit, Wahrheiten, Gemein-
plätze und Polemiken in Briefform von fernstehenden
Correspondenten aussprechen zu lassen, nahm auch dieser
Schriftsteller an. Der Spassmacher Friedrichs des Grossen
Marquis d'Argent, hatte jüdische Briefe über die religiösen
und sittlichen oder vielmehr unsittlichen Zustände der
europäischen Völker erscheinen lassen. Ihm ahmte der
Professor von St. Jacques nach, liess ebenfalls „Briefe
von einigen portugiesischen und deutschen Ju-
den an Herren von V.oltaire" drucken, zuerst (1767)
unter dem Namen von Joseph Ben- Jonathan, Aaron
e) Voltaire in dem Pamphlet: Un Chretien contre six Juifs ou re-
ßitation du livre intitute: Lettre de quelques Juifs portugais et allemands
(1776): Avant-propoa: Un aneien professeur, dit-on, (Fun coüige de la rue
St. Jacques ä Paris, e'crivit en 1771 une satyre contre un chretien sous le
nom de trois Juifs de Hollande, et il en a faxt imprimer une autre ä Paris
en trois volumes assez tpais en 1776 sous le nom de trois Juifs de Portu-
gal, demeurant en Hollande aupres Outrecht. Voitä donc un chretien
oblige' de se battre contre six Juifs.
222 Voltaire und die Juden.
Mathathai und David Winkler aus Amsterdam, später
vermehrt unter angeblichen Herausgebern rJosephLopez,
Isaak Montenero und Benjamin Groot. In dieser
Sammlung wurden Pinto's Broschüre und die sich daran
knüpfende Correspondenz aufgenommen!, ferner ein an-
geblich von deutschen und polnischen Juden erlassener
Brief an Voltaire und endlich kritische Briefe gegen dessen
Bibelauslegung. Die Bibel war übel bestellt, einen solchen
Vertheidiger gefunden zu haben; er hat ihre Sache com-
promittirt und dem Spötter gewissermaassen für seine Lach-
lust neue Blosse zugekehrt. Diese sogenannten Briefe
einiger Juden sind sehr gelehrt, sehr theologisch, aber
bodenlos seicht und langweilig. Der christliche Verfasser
sagte aber Voltaire ins Gesicht, was Pinto ihm nicht vor-
gehalten hatte: Er sei nur desswegen gegen die Juden
aufgebracht, weil ihn ein Jude Acosta banquerout ge-
macht hatte. Der apologirende Verfasser wusste aber
nichts von Voltaire's Händeln mit dem Juwelier Hirschel
in Berlin, die ihn noch weit mehr gegen die Juden im All-
gemeinen erbittert und mit kleinlicher Rancüne erfüllt
haben.
Diese im Ganzen ungeschickte Vertheidigung des jü-
dischen Alterthums und der Bibel, die aus Skandalsucht
gelesen wurde, und kurz nach einander überdruckt wurde,
nöthigte Voltaire, fast „auf seinem Todtenbette", wie er
sich ausdrückte, sich wieder mit Juden alter und neuerer
Zeit zu beschäftigen und gab ihm wieder Gelegenheit,
sein Müthchen an ihnen zu kühlen. In einer Broschüre:
„Sechs Juden gegen einen Christen" (gedruckt
1776 7) Hess er sich von einem anonymen Freunde ver-
treten, der sich seiner anzunehmen für seine Pflicht hielt,
„weil Voltaire angeklagt und geschmäht, nicht mehr die
Kraft habe, sich selbst zu vertheidigen". — „So ist denn
ein Christ genöthigt, sich gegen sechs Juden zu schlagen.
Steht auf der einen Seite Antiochus und auf der anderen
die Makkabäer? Die Partie ist desswegen ungleich, weil
7) Diese Broschüre ist in Voltaires Milanges hütoriques auf-
genommen.
Voltaire und die Juden. 223
der gelehrte Professor (der sich als Jude vermummt hat)
sich oft heiliger Waffen bedient, gegen welche ich keinen
Schild habe, noch haben will." Neues konnte der damals
achtzigjährige Voltaire nicht mehr vorbringen, er wieder-
holte nur seine schalen und unfläthigen Witze in Betreff
biblischer Persönlichkeiten. Dasselbe that er unter dem
eigenen Namen in einem Artikel, den er zum Stichwort
„Juden" im Dictionnaire philosophique zur selben Zeit hin-
zufugte (Section IV.). In dieser Partie wiederholte er auch
hin und wieder seine Anschuldigungen gegen die Juden:
„Ich habe einmal gesagt, dass einige Beschnittene in
Metz, Prankfurt a./0. und Warschau Münzen beschnitten
haben (ich erinnere mich dessen nicht mehr genau). Ich
bitte sie darum um Verzeihung; denn da ich nahe daran
bin, meine Pilgerfahrt zu beschliessen , will ich mich mit
Israel nicht überwerfen." Die Judenheit hat Voltaire viel
zu danken ; er hat ihr wesentliche Dienste geleistet, nicht
dadurch, dass er überhaupt für die Duldung deklamirt
hat, sondern dadurch dass er im Widerspruche mit seiner
als Princip proklamirten Parole die Juden mit cynischer
Herzlosigkeit behandelte. Er hat ihnen damit zwar hin
und wieder neue Feinde auf den Hals gehetzt, wie jenen
Pamphieüsten vom Elsass, der wiederum eine Verfolgung
gegen sie in Scene setzte. Aber er hat ihnen auch Freunde
geworben, den Priester Gregoire und Mirabeau, zwei
Namen, die in der Geschichte der Menschheit und in der
Geschichte der Juden einen angenehmen Klang haben.
Warum sollen wir uns noch geniren es auszusprechen?
An dem Verhalten zu den Juden kann man die Ehrlich-
keit der Freiheitsapostel und Philosophen ganz genau
prüfen. Mirabeau war ohne Zweifel aufrichtig für die
politische Freiheit erglüht, so sehr man ihn auch der Gor-
rupüon beschuldigte; denn er hat für die Juden aus
freier Regung warm geschrieben und gesprochen. Vol-
taire dagegen kann es nicht redlich mit seinen Tiraden
von Freiheit und Toleranz gemeint haben, weil er die
öffentliche Meinung gegen die, welche am meisten der
Duldung bedürftig waren, gehetzt hat.
224 David Cohen de Lara's
David Cohen de Lara's rabbinißches Lexicon
Kbeter Khebunnali.
Ein Beitrag zur Geschichte der rabb mischen Lexicographie
Von Dr. J. Perl es.
Die Schriften David b. Isaak Cohen de Lara's (lebte zu Am-
sterdam und Hamburg, starb 1674) bewegen sich fast ausschliess-
lich auf dem Gebiete der rabbinischen Philologie. Die Mehr-
zahl derselben sind nur dem Namen nach aus einzelnen An-
fuhrungen bekannt und mögen sich noch handschriftlich in
Bibliotheken befinden. Bios zwei philologische Schriften de
Lara's sind durch den Druck veröffentlicht, von denen die eine
"11*1 TJJ1)) ein Lexicon der in den rabbinischen Schriften vor-
kommenden Fremdwörter, ziemlich verbreitet ist, während die
andere rWlD irD» ein bis zum Buchstaben i (Jod inclusive)
sich erstreckendes rabbinisches Lexicon, dem die nachfolgenden
Zeilen gewidmet sind, zu den bibliographischen Seltenheiten
gehört und selbst von Spezialforschern wenig gekannt und be-
nutzt wird.
Bei genauer Einsichtnahme in das Werk ergeben sich bald
die Grunde für die geringe Verbreitung desselben. Christliche
Philologen wurden durch den hebräischen Text, dessen sie nur
mit Mühe Herr werden konnten, abgeschreckt und einen grossen
Theil der jüdischen Leser störten die dem Texte überall einge-
streuten griechischen, lateinischen und spanischen*) Vokabeln
*) *m TJ/ sive de Convenientia vocabnlorum rabbinicorum cum
graecis et quibusdam aliis Unguis Europaeis, auctore David Cohen de
Lara. Amstelodami typis Nicolai Ravesteinii a. 1638 mit einer latei-
nischen Widmnng an den schwedischen Gesandten in Deutschland,
Jon. SalviuB de Talingen ddt Hamburg, 24. November 1638 und einer
lateinischen Vorrede, in welcher die Mangelhaftigkeit der philologischen
Leistungen de Pomis' und Lonsano'f hervorgehoben wird.
*) Falsch bei Wolf bibl. hebr. L, 318: cum explicatione partim
Latina partim Italica,
rabbinisches Lexicon Kheter Kbehunnah. 225
und Sätze (in hebräischen Charakteren), die fleissige Benutzung
der Schriften nichtjüdischer Autoren und wie mir scheint ganz
besonders die kühne und unabhängige Art und Weise, mit der
de Lara die sprachlichen Leistungen der Talmudlehrer und äl-
teren Rabbinen kritisirte. Während Jacob Anatoli (Vorrede zum
Malmad) und um einen Zeitgenossen de Lara's zu nennen: Ma-
nasse b. Israel sich für ihre Benutzung nichtjüdischer Quellen
rechtfertigen zu müssen glaubten (Vorrede zu Q^pl D)DtW, Ende),
citirt de Lara ohne jedes Bedenken die griechisch-römischen
Classiker, die Kirchenväter und spätere christliche Autoren,
behauptet, sein Werk vorzüglich auf Andrängen des Licentiaten
Esra Edzardus veröffentlicht zu haben8), widmet es den Pro-
fessoren Joh. Jac. Wagenseil, D. Juan Conjo, Joh. Ben. Carpzov,
Mart. Vossius und Just. Christ. Wagenseil und spricht in dem-
selben mit der grössten Unbefangenheit Aeusserungen aus, die
sein Zeitgenosse Benjamin Musafia nur schüchtern vorzutragen
wagt, und die auch in unserer Zeit von jüdischen Gelehrten
nicht allzu häufig vernommen werden4).
8) dwn Dann 5>n natsA uyhy D^yon fei ^jni nn« fen fyi
■»Dan nora nND "»pari oinnji N-ny npn ütfMDAn rAyj twdi
t npina UDtych wya atn An manno jiüp p*?n nm -«wo ^ onayn
A ha*i mn nN Tyn rwpam dwdh mowym w nrponn nnsonn
(Vorrede zu iWD "IPD) •fyn IDy ITA« W DlDin !>N KQi'A
4) Man lese nur folgende Aeusserungen:
Doyt: ara nvwoa nAon *o nyow "jtn tjtn nx nAA Tixa nnyi
map itw« HiDTi '■Dam Aya onnn« D"wam ^ddn iim^ nfcü jrm rm
DiTrayr Dt&nTDa dAd^dd ph aruon ny wa *A Dnra morn anyn
(s. v. jiAn) KÄDrn piann mpAn
— crxny iDyü» kto» db> v-idnp hdd owj rayo •pno1' foi
••oyto iyr *Ai NiDn nsan ^ onyn n~wp •o vram 7>nyDB>n naa o
anoan nfyo^ rAyo^ nawi ram ^ ruwnn rono ütd mrum anann
nonn Kim fWDn "»oan nyn ^eA "»"d ou^m pya-^mn oin
ypnp yo kw ntod db> no« Hin no iyT *A "o Dnnrw warn pwi
— .(Din) 'iai rAiro
•»oan pwi new* nAon btpm ipDnDJ KntMn Aya •o fnjmn "iaai
.(Np^n) ro^o t>ni ofett> t map ^ rwon
226 David Cohen de Lara's
Das Werk ist nach dem Aruch und Buxtorf die beste Lei-
stung auf dem Gebiete der rabbinischen Lexicographie und über-
trifft bei Weitem Lonsano's und Musafia's Arbeiten, die sich ja
nur auf einzelne Zusätze und Verbesserungen zum Aruch be-
schränken und das zwar vollständige, aber wissenschaftlich ganz
werthlose Lexicon Zemach David des David de Pomis. Vierzig
Jahre lang*) arbeitete de Lara an dem Werke, das wie bereits
djdn rm nhün nxi oyto hy w vr> nip^n n\yi {fh nona) rno
.(rmw n*ymcm map xm>T\ ^an njn tnrh
.(wmn) *w hiüti naio (Musafia) y"D nn pna
Solchen vereinzelten Aeusserungen stehen zahlreiche andere gegen-
über, in denen de Lara die Vorzüglichkeit und den tiefen Gehalt des
rabbinischen Schriftthums mit warmen Worten hervorhebt, vergl.
beispielsweise :
-nD^pr»DU3 icwh 'n ofe wn (nDnaoa) na t^ nnn otd dj
m ijrr iwb iin^ TOTnn^ ^ -mir1 ovita 'mn ma rronp ton ^
nfyo^ mwi nam 'Q nm bxmr* ^ao xh ton m< "ua dj onx ■oa
•ooa 'n fe D^yn fei omn omn nih toja wnpn uwb6 r£yofc
.(i rpü) idäj;
njr£ t^w tinti dw .... po tw pT idb> Nip: noh .... pr>
rnyDDH /oa p^a n nan nj mp hnd iDan •o otwi nan ip-m noa
Dio^n^ aarim f* K'Dcnvm rnönta t>a •po'ovi Vüd n"ov:n$>Di
(Philippus Cluverius) «V3lfcp DID^D DJ n"a 'BIDNp 5>NpTiT ity "M
.(p-p) a'ao nt>a Dmai uy
Der letztgenannte Cluverius, ein aus Deutschland stammender
und in Holland lebender berühmter Geograph, war Zeitgenosse de Lara's.
5) Von ihm selber auf dem Titel des Werkes angegeben, der
also lautet:
tfiDDin ton ofen naa: wn.TKD am y\y Nim raro "ina 'd
mna wn ly mriN man fei ^sn jr\yn hyi nn nan ipy hy rono
warn npn cm uon nan onttro dwin D^jn mnpn oa^y rmm
•n pa in m "dt rw N'y» j-naon tjd iduj; rwsim rann 5>n
N"T N~IN7. Lexicon talmudico-rabbinicum amplissimum et locuple-
tifisimum. De Convenientia Vocabulorum Thalmudicorum et Rabbini-
corum cum lingua Chaldaica, Syriaca, Arabica, Persica, Turcica, Graeca,
Latina, Italica, Hispanica, Lusitanica, Gallica, Germanica, Saxonica,
Belgica, Anglica. Opus XL annorum Auetore David Cohen de Lara
Sumptibus auctoris. Hambargi typis Georgii Rebenlii 1668.
rabbinisches Lexicon Kbeter Khehunnah. 227
bemerkt wurde, blos bis zum Buchstaben Jod im Drucke er-
schienen ist, obschon es nach einer Mittheilung Georg El. Edzard's
bei Wolf I, 318 bis zum Buchstaben *") ausgearbeitet war. De
Lara verwendet gleiche Sorgfalt auf die kritische Feststellung
des Textes wie auf die etymologische Erklärung der Schlag-
wörter, befleissigt sich im Gegensatze zu mehreren seiner Vor-
gänger, denen er Weitschweifigkeit vorwirft, der gedrungenen
Kürze und setzt sich mit grossem Freimuth, oft sogar mit einem
gewissen Haschen nach Originalität, in Widerspruch zu früheren
Leistungen •).
•) no iyr xh t> rann löanru rbün nw «rran dj idij^dn
nrr no ywth ^hy n^jn hwon rm dki ühbd xum -non wwi tm
nj^y uh^o nrrby yrv cw onu^ nrw nrcfc rf? wy ~wx ontn o^iam
.(IDip^N) pa masnh nyae£ $naN$> nfcru rrnyo *^a
HDD naVT ^ TD©11 *0 ptC X1? ('2 2"* T\2W 'WV) KPin mi»K
•»ohsn anron iwn fea in« dj px Yiyr "wi nwn nfoa hz: bufhpno
*]yarh vwa 'üki na m ntPN htm t&natpn 'odd mn®^ fev» onnDon
Nnto»& uro i&pnm 'na n^NMr^N Nim NTinrraN W *m no
Nan\n (radicula sivo lanaria herba) [mn DTÄN].
De Lara denkt an otqqv&Lov, struthion, Seifenkraut
fe Aoy KMfrh (cnuog) *'!?a 1DDJ Tlfa UUy-(VD 'D n"a) DVpN
nyn nnpnn n5> irpim cwn© n$> wm n^ytmn mtwi Toyn^ owin
.(pvpN) ona fcwon
feix omnan TiVpa cnaanon nao wn — t&natp anat&> ^ wm
.(tcmm*) ^bc k^i my&n m*yon h? Data kw£ wra
wn onru« wyp ioa vihai mn *]nya mann amr& tAoti £i
oan^ in nona n» Tnonn p^ manna ppn •jbtdji ikd mann ^no
— -fln) my Dann
no Sy wttw> no yDt&n rnDansho tjtm rwv nnKi
nniD fea non pj **> mn xh imoai NJiDDn mm $>yi mry yrnnon
(Anfang als Buchst, n) "OlDlp ntPN n&Dn dass nämlich 1 oft dem ara.
bischen (j» entspricht und dass mm = jjto> Schaden. — DVPNili
enrih* tjod vnnpS naai fiajn mn * can« ^Tp n£ ^a nyi jnr»
(OHDID paN) dass dieses Wort = abacus; der letzte Passus bezieht
eich wol auf Musana, der dieselbe Etymologie angibt
nfci ]*n at^noi pn nan nud^ nntn rn^on "«noo fe f»y '»nnrm
^iny «»Da *h Tin "»nNttoi ^y rw prrpnm am rnion -wo ^k na
.(^pttt) pn3 mi«D 'Da ihtnv iDa " an
228 David Cohen de Lara's
Welches Maass von philologischen Kenntnissen de Lara zu
Gebote stand, erhellt unter Anderem auch aus den von ihm an-
gezogenen und benutzten Schriften. Im JIJirD "1PD wird auf die
folgenden Autoren und Schriften Rücksicht genommen:
In hebräischer Sprache:
Aruch des R. Nathan, der die Grundlage seines Werkes bildet,
von dessen Erklärungen er sich jedoch oft unbefriedigt
fühlt: otip d*dj;b idni um *»D3 fpiyn fyn) ipnn Mnru nos
ymm -rfah nn nup *rovün dinh n k»w 131 rro r&y n^
.(otm npi$>n) 70^ ">d rix t)N3.i t6 anora
nDN HIN des Mei'r Benveniste (crp 13).
BDB>D 3.11N des Simon b. Zemach Duran (bhn).
Benjamin vonTudela's Reisewerk und L'Empereur's Ueber-
setzung desselben, 11 TDD K^ D3t1.1 1ND 13 tD3Tirü 1331
.(D1D11DN) F)1D3 y#3 rp p'OS '1 mj/DD fy VplD^
D^iy ni3^«1 des Jeschua b. Josef Levi (113 über Nn^13).
Levita's Lexicon, gegen welches er oft polemisirt: N7 pjunon
•OpUN) nras h phn xh *o nw ntai td jrr
Lonsano'sniT Ylt^Musafia's njiH3 mtflD und David de Po-
mis' Lexicon Zemach David, deren unkritisches Verfahren,
besonders des Letzteren, er oft in den strengsten Worten
tadelt :
TPM £w i? TI1DN 1331 W)2W XXD Hl TO» .131.13 ntiriD ^JD
ppm lyj/n brrro ^y nsN^Dn i33n m idd hy amniyü p£j/d
.(Tüiib) rrcmja t»m
wy rrooD no nw< m nou ^»y3 t nnn nwn ntooon d^ini
•( wm) 13^ Vwnoi
.(^3) vyinyru rrcp wwi — '33 '3n -mn i"u fy/3
.(pwdd top wk) ntos anan rra-mn
ÜVntb T)N3 DK) 131 1D3 131 TD Y'lt ^D VT3» NltW YW«to 'OKI
m3 ipk rwriDün idd.ii ttoi ii3nn rrariD otoo* t6 wnsf?\
.(nd^pjn) ywnh t6 o toi iph utos
rabbinisches Lexicon Kheter Khehunnah. 229
Maimonides, dessen Etymologieen er oft angreift: tPantW HDD1
nrw iu "d yrh)t) DttiDNa £ mp iwh'd riNtn rtan ">Da D"-in
Twb njm hdd runai jnn ij/e£ man ron ^ jmi owi>
.(Nn^pDDx) nttny nw
.(DjnDN) rrrojm nruian ny «a n$> tp 'b no$> n!> iimo "o - D"-im
nnty orA t»k "o cwntn p irfon a'hn nana "proAn n^ p^
Die Unentbehrlichkeit derKenntniss der griechischen Sprache
zur sichern Ermittelung der Etymologieen wird an verschiedenen
Stellen hervorgehoben:
rrbon *©a a"a DUDanno vn n5> ^ 'fca crjrff1 v»n dn *d rwin "pm
.(Ninx) p*-fc ij/jp n!> ^a iDan ta — nw *©a mfon nrrc> dqj noa
^D mJD des Salomo Alkdabiz (pD'üpDDN).
ai*»N "VND des Meir Arama (mtDnb).
Sohar: KfoiDfi Vmn ^).
In griechischer, lateinischer und spanischer
Sprache:
Die Classiker, aus denen er sehr häufig Stellen anfuhrt und
zur Erklärung von Realien und des talmudischen Sprachgebrauches
benutzt:
Athenäus (l^BN) und Aristoteles' Thiergeschichte [5 DJlti,
Nnwi, rwiDPi];
Cicero de oratore, Martial: iVIPSa NÄDHl pann (NTID r{?n)
•n"^ V'Da ^*o»idi Twbün 'do :"a
Columella, sehr häufig; Constantini Geoponici: (NpWl)
Dioscorides, häufig;
Horatiiserm. satyr., Idyllen des T h eo crit: py-pi^JD^ nXD pö
pi -dt aae>D$> onw onp£ w wtw tto anma rm* tmüa wn
tonpwD cu 'a itpbd 'n 'idtdd rmim (fwttoo £hd ^a
(pto) 'n $"TN
230 David Cohen de Lara's
OvidiifastietmetamorphnfefDrMDDD 'D3 VT31K (nyr\ 313N).—
p n"d naw napj ioyö ftwifo ^ *fe t> (K":>Dn k"id) rwK it p
rmci nny nwnpj vfe pt? ntn N3 cnpo inw &n nwxn hy *id*ü
.(pj) ifer D,'DiD-nDB,»D3 t>t 2)h nny p (*n*°e) p nWnn n"y
Plinius, sehr häufig; Ptolemäus' Geographie (xfej).
Petronius Arbiter, Solinus "ID^IK D'JIIB'DI DU^ID 3TO pi
.(iTPDIT)
Strabo, 13*1130 (TinN);
Theognis, Virgilii Georg: DDn *p"nM^no Yto UO^UT3 pl
[«nn 2] (versus 579) toypn didvi D^jwn p flfrfe n? &
Vitruvius (W^Ttf),
Lateinische Sprichwörter: 13 K3VO NttDn 0*Dnn fe DFTO 'feD3)
.({OTI 9) Dim3T3 *p^ DDn DK
Alciati, italienischer Jurist und Neulateiner des 16. Jahrhun-
derts. De Lara citirt die Epigramme (Emblemata) desselben:
.(HTon) nna nd^3d*n3 idioä^k uro p
Die Briefe des Augustinus: füp miN 'JUXftDIO ]*y (N*»T13).
Avicenna: wy ipy K»0$> kwid WH TODH *0 HN"I cu ran nnyi
nnnDD3 -mw« rnfeai — ^ mDy vtjw dj nvosyn omwrorn rufen
- Vergl. auch jfefK. und ND^pON.
Buxtorf s rabbinisches Lexicon, von dem er mit grosser Be-
wunderung spricht und dessen Irrthümer er in einem mil-
deren Lichte darzustellen sucht:
rwin fcmn nw tffen wüth ua ^y *mn -wk *piütena oonni
fe^an ^D3n t^fe nDD3 TINO JTW) KTpa VJD^ rm t6 TPHD31
•Ouon) naan ife pp^^fe iran
mtb D rro ofwun ron fea owi ny trat» op n!> n&w wm
A m cfeoon mofe *»iwi rroa umn &pvm p man nr
.(Krntfoi wnian) mr ton mfe feai nt3 ih&oni>
Vgl. auch ]W3#W-
rabbinisches Lexicon Kheter Khehunnah. 231
Buxtorf's Uebersetzung des More Nebuchim:
^invia oanm— noan dddd D"a 'd yru uüd -an npud? n-nom
r\ta\ nj tonn Brno x^ vfw -nnx awn mpnyna m DiptA jwmo
*£n n^D t»k ^feyi Y11W omy d:j ■j^jnrfc *npwn m yvtn pvi ny
.(fex) ^ rioj; mnnn Tnptfi axa
Casaubonus: v£ Plp£ "»DIX 'fei 'na p xnpJ B>iai> y*D Xin TÜlDl
.(npn) 'uixop njn
Co cc ejus' lateinische Uebersetzung des Traktates Synhedrin:
■o p-roo t>d$> mpnyna "aia Dann pn« x!> nra — kd^? p
.(na) mn p *>di rrna fe> omn kvw atm
Covarruvias' spanisches Lexicon: "ftflxa DX'Onaip njTD X$n
.QDn 5) niDD fltt£
Vergl. auch hm , DJltD , xa^H K"lpT» und xm\
Philippus Cluverius, berühmter Geograph (siehe das Citat
in Anmerkung 4).
Drusius' Commentar zur Genesis: 'j/n npnyn ^"ül yh inix*1 nni
.(ah) nwa $>y "ra oromi Düöfe "pD-iy nnw (Lxx.)
L'Empereur's Uebersetzung des Benjamin von Tudela (siehe
oben) und des Abrabanel'schen Commentars zu Jesaias 53:
hy x"nn nan rrma *to -iwpddk "h Dann nyo arw '^ai
.(th 5) rpy^ yj
Fabri's Lexicon: ofen Dann WD "1DXB> naD flwfe YIKÄD
.[xnaia] (Scaliger) li^pD
.cpon) ifef Tipwfe naD warn nj^po Dann anats> tdd
Hugo Grotius: (nyn aiax) idv fcru a*oa Dwina — nr nat naai
Guido' s lexicon syro-chaldaicum : ipwfa — TPD flpt^fe 1TNU
-(RTO)
Hieronymus* Comment. in Arnos (nDn), in Ezechiel. (pT).
Horae talmudicae des Joh. Lightfoot: ilPIlDfe nifl 5>ya
.(nvfe)
Hottinger's Lexicon harmonicum heptaglotton : niJltp{> 'T 5>J/a
OpDTlÖ) tfOJ/DJJW ^DjntD HD« HD tfOPI nWI»^ *» fcj/3.— {(KWE)
Er könnte vielleicht auch Edmund Castellus' lex. hepta-
glotton gemeint haben, da dasselbe jedoch 1669 (ein Jahr
232 David Cohen de Lara's rabb. Lex. Kheter Khebunnah.
nach der Veröffentlichung des rWD ITO) erschien, während
Hottinger's Werk 1661 und 1664 veröffentlicht wurde (vgl.
Wolf b. hebr. IL, 551 — 53), so ist wahrscheinlich das letztere
gemeint.
Isidorus Hispalensis' liber glossarum: (irü) 'HD'l^'pN ~nVD,,N
.mmkl DmD^N31 (KTU, vgl. TU 9 und pT)
Josephus* Antiqu. und bell. jud. (Pljm 313N,r&n) einmal auch
bell. jud. in einer spanischen Ausgabe: H YTVlDr&D 'D3 *pDWH
-(TTÜ) DTIDD^ 3"JW
Martin us lexicon: Dl^DID fTlt^pDDN ,h*Ä"Ta ,h&* 4 ,-DUÖ
.Äff pp*»ttf^3
Johannes Meursius' glossarium graecobarbarum :
.(N"1DN) Äff nNDI^a ,'D'nN,»D "OPir tfOPIff 1DD
.(-P¥1D3) m»1^ ^DT>D3 ]"V
Val. Schindlers Lexicon pentaglotton, gegen welches er häufig
poiemisirt: nwh 'n ^3 — .(?]U) 'oi pan *6 tmw1? 'n 5>ya
nyton "o izhiy\ — nurcA 'n fya — .(*oprw) Dinn nana ffüff ">d
ton topj 'y nureA 'n ^3 — .ona) man uarp **A onoon nx
TlDa ffDff N0H1 (cum taedio voluntatis) Dt)Ö3lfe VTÜ Dlp
(chirotheca) NptJlTO lönn mättA #n fyai — lpAn PIDlP! — .(fön)
[non]. — Vergi. noch ynaffN ,pA? lhw\ ,mn , ""llD , fe\ fcraa
J)N , TOriDN. Obzwar hier blos im Allgemeinen lex. penta-
glotton citirt wird, so ist doch wahrscheinlich das unter
diesem Namen bekannteste Lexicon Schindlers gemeint.
Zwei andere lexica pentaglotta: vom Guil. Alabastrus und
Ernestus Gerhard sind weniger verbreitet (vergl. Wolf b.
hebr. IL, 548, 552, 559).
Scapula nSnDNpo wan -«wo NDDUDiran tm wiiwrin hw a$> *o
.(Anfang N) NTip n5?D3
Vgl. tfnCTÜ. — (NJHN na) U11^ Dff3 N^DpD N'QPIff TD3.
Scaliger de emendatione temporum: "H 'T TOD "uApD
.(nTiM) 'DD^Ö 'TJ^D^N
Turnebus: rpDn NT! PI ton — (ifflpD IW 71 PUT 'D '31 rD^K) yüA.!
3TOff HD HNT) N3 — (caliga) nonton "TON ArA to)3 «TO3D Nim
(Schluss folgt.)
Analekten. 233
Analekten.
Zur hebräischen Sprachkunde.
Vor einigen Jahren wurde ich durch Herrn Caplan (vergl.
Monatsschrift vor. Jahrg. S. 310), der sich längere Zeit in Ma-
drid aufgehalten und, beiläufig gesagt, jüngst in Brüssel ein
spanisches Schriftchen edirt hat, auf eine 1859 erschienene
spanisch geschriebene hebräische Grammatik von Garcia Blanco
aufmerksam gemacht. Da dieselbe, wie versichert wurde, „im
dritten Theile eine vollständige Bibliographie der im Escorial
befindlichen hebräischen Manuscripte liefert", so hielt ich in
verschiedenen grösseren Bibliotheken Deutschlands nach diesem
vielversprechenden Werke Nachfrage; es war jedoch nirgends
vorhanden. Erst im vorigen Jahre gelang es mir, dieses Werk,
das in Deutschland gänzlich unbekannt ist, käuflich an mich zu
bringen. Es führt den Titel:
pllpl ♦ Analisis filosöfico de la escritura y lengua hebrea, por
el Doctor D. Antonio M. Garcia Blanco, Professor de
la Universedad literaria de Madrid. 3 Theile. Madrid
1846-1851.
Immerhin eine seltene Erscheinung! Die erste grössere he-
bräische Grammatik in spanischer Sprache, der, wenn sie auch
auf Originalität keinen Anspruch zu machen hat, doch zugestan-
den werden muss, dass die Arbeiten von Schultens, Winer, Ge-
senius und vieler anderen bis auf Fürst in ihr fleissig benutzt
worden sind. Der erste Theil behandelt die Formenlehre,
der zweite Theil beschäftigt sich mit der Syntax und im dritten
Theile, der 1851 (und nicht 1859) erschienen, und nicht „den
Juden", sondern den „Hebraizantes Espaaoles" gewidmet ist,
wird eine Geschichte der hebräischen Sprache geliefert, über
Massora, Kabbala geschrieben, von einem „Bibliographen der im
Escorial befindlichen hebräischen Manuscripte" keine Spur.
Dass Garcia Blanco vermöge seiner Stellung als Professor und
Frankel MonaUwhrift XVH. 6. 18
234 Analekten.
Canonicus sich Zutritt zum Escorial zu verschaffen wusste, be-
zweifeln wir durchaus nicht; für seine hebräische Grammatik
hat er von dieser Erlaubniss keinen Gebrauch gemacht, mit dem
besten Willen auch nicht können.
Eine glänzende Probe seiner Kenntniss der hebräischen
Sprache legt er am Ende des ersten Theiles seines Werkes ab9
er beschliesst diesen Theil wie ein echter Hebraist in hebräischer
Sprache mit folgenden Worten:
on?y,i Jlyto nnhj?n pnjp wjjj« n©D nj >n^?
V» VT J * m • • ^ T T *« • ^
rw niNö robttn bw
•TT J •• j •• : v • T
jtt V»t:-: i • t .»••
o^sn owrw Dnay tey nfaio *tota -rtte ntoa niwa
A* — <• \ : < * t . J" j : • 'vv: : jr : t • •*.
-$p& # ]*$ >njrn t6 mnbpöi
A t v.: j : I j r
•JÖK
Garcia Blanco folgt, was die hebräische Literatur betrifft,
mehr noch als sein Schüler, der Historiker Jose Amador de los
Bios, dem unzuverlässigen Rodrigo de Castro, und wissen wir
nicht, ob nicht auch der Bibliotheca die Notiz entnommen ist,
dass das Escorial und die Bibliothek zu Toledo je 10 alte n"D
besitzen, die 5 nicht mitgerechnet, welche Ximenes de Cisneros
in Alcala de Henares anschaffen Hess und die sich jetzt in der
Nationalbibliothek zu Madrid befinden.
Garcia Blanco ist, wie gesagt, der Erste, welcher mit seiner
Grammatik den ersten Anstoss zu einer Wiederbelebung des
Studiums der hebräischen Sprache in der Heimat der Kimchi's
gegeben, denn seine heimathlichen christlichen Vorgänger, welche
unseren Bibliographen zumeist unbekannt sind, haben den ele-
mentaren Standpunkt nicht verlassen.
Recensionen und Anzeigen. 235
Als solche werden genannt:
Salvador Verneda y Vila, Grammatica hebraica completa,
Madrid 1790. 4.
Benito Lopez Bahamonde, Grammatica de la lengua hebrea
escrita en castellano para mayor facilidad de los Jövenes.
Madrid 1818. 4.
Francisco Orchell, der Lehrer Blanco's, welcher mit dem
Secretair des französischen Sanhedrins verkehrte, schrieb
Grammatica rasonada y filosofica de la lengua hebrea
sobre la teoria fisiologica de la voz humana (handschrift-
lich im Besitz Blanco's).
Kayserling.
Recensionen und Anzeigen.
Zur Geschichte des Unterrichtes der israelitischen
Jugend in Wien. Mit Benutzung von archivalischen
Documenten von G. Wolf. Wien, 1867. Im Selbstverlage
des Verf. 38 S. 8.
Was für den Jugendunterricht und speciell für den Religions-
unterricht in der Hauptstadt Oesterreichs bis auf die Gegen-
wart gethan wurde, erzählt uns der durch mehrere schätzbare
Monographien bereits bekannte Verfasser in kurzer, aber
recht anziehender Darstellung. Zurückgehend bis auf das
10. Jahrhundert verfolgt er, unter stetem Hinblick auf die allge-
meinen politischen und socialen Verhältnisse der Juden Oester-
reichs überhaupt, die Bestrebungen, die namentlich im 18. Jahr-
hundert hervortraten, um unter den Juden einen geregelten Schul-
unterricht einzuführen und dem bisherigen Willkürregimente
des Privat- und Ghederunterrichtes ein Ende zu machen. Die
Skizze beschränkt sich aber nicht bloss darauf, die Entwicke-
lungsgeschichte der Religionsschule bis auf die neueste Zeit
darzustellen und die früher vielfach ventilirte, jetzt wohl völlig
abgethane Frage in Betreff der Errichtung judischer Volks-
236 Recensionen und Anzeigen.
schulen in ihrem geschichtlichen Verlaufe zu besprechen, son-
dern wir finden in derselben auch eine Menge von Einzelnheiten,
die über die Stellung der Juden, besonders im Josephinischen
Zeitalter, und das Verhalten der Regierung ihnen gegenüber in-
teressante Aufschlüsse geben. So finden wir zur allgemeinen
Charakteristik der Zeit auch in den Rescripten über das Unter-
richtswesen recht brauchbare Notizen. Man sehe z. B. das
durchweg tolerante Edict vom Jahre 1790, das die jüdischen
Schüler von der Anwesenheit beim Gebete vor und nach
dem Unterrichte dispensirt (S. 14 ff.), und als kurioses Gegen-
stück einen Statthaltereierlass vom Jahre 1849, der eigene Schul-
bänke für die israelitischen Schüler einer Schule der Leopold-
stadt anordnet, freilich nur, um — damit Fiasco zu machen. —
Im Allgemeinen sieht man es dem kleinen Schriftchen an, dass
der Verfasser auch einem unbedeutenden Stoffe Interesse zu
verleihen und die Resultate seiner anderweitigen historischen
und statistischen Forschungen zu verwerthen weiss. Wir hoffen
daher demselben noch öfter auf diesem Gebiete zu begegnen
und von ihm weitere Studien über die Verhältnisse der Juden
in Oesterreich, wofür ihm in den Archiven so reiches Material
zur Verfügung steht, begrüssen zu können.
D. G.
Chinnor Kode seh. Die Psalmen. Zunächst für israelitische
Religionsschulen wortgetreu übersetzt und mit erläutern-
den Anmerkungen versehen von Gottlieb Schwarz,
öffentlicher Lehrer. Wien 1867. (Verlag des Verf. In
Comm. bei Herzfeld und Bauer in Wien.)
An guten Schulbüchern für den Unterricht der Jugend im
Hebräischen ist nicht gerade Ueberfluss, und es verdient daher
jede Erscheinung, die einem allgemein gefühlten Bedürfnisse
auf diesem Gebiete abzuhelfen sucht, von vornherein Aufmun-
terung und Anerkennung. Ist es nun gar ein im Schulfache er-
grauter Schulmann, der die Frucht langjähriger Erfahrungen
und Bemühungen der Öffentlichkeit übergibt, so wird gewiss
Jeder, dem die religiöse Belehrung der Jugend am Herzen liegt,
dem Autor für sein Bestreben Dank wissen. Daher verdient
Becensiouen und Anzeigen. 237
auch der Chinnor Kodesch des Herrn Schwarz als ein verdienst-
liches Streben, das eine fühlbare Lücke auszufüllen sucht, mit
Freuden begrüsst zu werden: hier, wenn irgendwo, gilt das be-
kannte : in magnis voluisse sat est. Neue Resultate freilich oder
gar eine Bereicherung der exegetischen Literatur darf man in
dem erwähnten Buche nicht erwarten, und wenn gleichwohl
manche originelle Uebersetzung und Erklärung sich eingestreut
findet, so ist natürlich das Verdienst des Verfassers um so höher
anzuschlagen. Dieser Umstand berechtigt aber noch keines weges,
seine Leistung mit dem streng wissenschaftlichen Massstabe
zu messen, da er die Resultate der neuen exegetischen Forschung
völlig ignorirt und von Ewald, Hitzig, De Wette u. A., ja auch
von den jüdischen Exegeten, ausser Raschi und Kimchi unter
den älteren und Mendelssohn und Fhilippson unter den neueren,
keine Notiz nimmt. Allerdings kann man nicht gerade sagen,
dass diese enge Auswahl der exegetischen Vorarbeiten den Werth
dieses Schulbuches sonderlich verringert hat; nur hätte conse-
quenter Weise Herr Schwarz auch mit seinen eigenen, für ur-
teilsfähige Leser berechneten Erklärungen, bis sich eine gün-
stigere Gelegenheit zur Veröffentlichung derselben darbietet,
hinterm Berge halten müssen. Er hätte seiner Aufgabe voll-
ständig genügt, wenn er eine „wortgetreue" Uebersetzung ge-
liefert hätte, ohne dabei „dem Geiste der deutschen Sprache
den mindesten Eintrag zu thun." Aber an diese letztere For-
derung wenigstens hätte Verfasser sich strenger halten müssen,
und vor Allem musste sowohl der hebräische Text von der
ziemlich beträchtlichen Zahl von Druckfehlern als auch der
deutsche von den nicht seltenen Incorrectheiten frei bleiben.
Sprachliche Ungenauigkeiten wie „bei seiner hochtragenden
Nase" (10, 4), unschöne Wendungen wie „ist Gedenkens deiner"
(6, 6) oder „ein befruchteter Weinstock an den Hinterwänden
deines Hauses" (128, 3) und Flüchtigkeitsfehler, wie „das An-
theil" (12,6), du verderbst" (9,6), „erzeugt Gnade" (18,51) thun
dem Werthe des Buches eben so sehr Eintrag, als die Genauig-
keit, mit der Verf. sich streng an die Accente und massoretischen
Lesarten gehalten hat, ihm zum wesentlichen Vorzug gereicht.
Wir wollen daher hoffen, Herr Schwarz werde bei einer zweiten
Auflage die Sorgfalt, deren er sich als Uebersetzer befleissigt,
auch der Correctur angedeihen lassen. Wenn hierbei auch
238 Recensionen und Anzeigen.
manche nur ihm eigenthümliche Auffassang einer Stelle oder
deutsche Redewendung der allgemein üblichen weichen sollte,
so würde das Buch zwar weniger Neues, aber desto mehr
Brauchbares bieten. Nach der Ansicht des Recensenten sucht
Herr Schwarz ohne Noth Schwierigkeiten, wo gar keine existiren
und geht über dieselben mit Leichtigkeit hinweg, wo man ver-
gebens nach dem NJJHV ,*D 111p1 DJJÜ D^pl DJ) der vorgedruckten
Approbation umherspäht. Wenn t. B. 17, 3 T&h FHD© durch
„suchtest es heim mit Nacht" wiedergegeben wird, so klingt das
zwar recht schön, aber die Grammatik protestirt dagegen und
lässt sich den Acc. temp. nicht wegdemonstriren. Ps. 3, 7
ty *\TW übersetzt Herr Schwarz „die um mich anlegen" und
fügt erklärend hinzu „ihre Belagerungs Werkzeuge". Auf der
Flucht vor Absalom wurde David also auch belagert? vermuth-
lich inMachanaim (s. II. Sam. 17, 27). Das werden die Historiker
und Exegeten Herrn Schwarz wohl schwerlich glauben, ebenso
wenig wie er mit seinen neuen Worterklärungen, die sich um
Parallelstellen und Versionen wenig kümmern, Anklang finden
wird. Beispiele hierfür anzuführen verbietet der beschränkte
Raum, wir erwähnen daher nur die ganz neue lexicalische Ent-
deckung, dass für „Gott" im biblischen Hebraismus auch H^JfiD
gebraucht wird; denn p. 74, 5 ist übersetzt: „als brächte man
es Gott selbst, durch einen gezimmerten Baumstamm". (&P!lpJ
Es Hesse sich über so manche Uebersetzung und Erklärung
rechten; jedoch gestehen wir gern, dass der Leser auch hin und
wieder manches Neue aus dem Buche erfahren, oder auf
eine schwierige Stelle aufmerksam gemacht wird. Es solle
auch das Verdienst des Herrn Schwarz durch die gerügten
Mängel nicht geschmälert, sondern nur angedeutet werden, wel-
chen Grad von Vollkommenheit seine Leistung bei grösserer
Sorgfalt hätte erreichen können. Immerhin können wir daher
mit dem Wunsche schliessen, Verfasser möge in seinem wackeren
Streben unverdrossen fortfahren. Erfolg und Anerkennung wer-
den ihm dann gewiss nicht ausbleiben.
D. G.
Monatschronik. 239
Monatschronik.
Berlin. Herr Sternberg von hier hat dem norddeutschen
Reichstage eine Petition eingereicht, in welcher er darum bittet,
die in mehreren Staaten des norddeutschen Bundes (speciell in
Preussen) bei der Eidesleistung von Seiten jüdischer Bürger
üblichen Förmlichkeiten abzuschaffen und die Norm der Eides -
abnähme für Juden der für die Christen gleichzusetzen. Die
Petitionscommission (Ref. Hüfferjbeschloss, den Antrag zu stellen:
die Petition, soweit sie auf die Abschaffung der bei dem Juden-
eide üblichen Förmlichkeiten sich bezieht, dem Bundeskanzler
mit dem Ersuchen zu überweisen, dieselbe der zur Berathung
der Civilprozessordnung tagenden Commission zur Berücksich-
tigung bei Ausarbeitung der neuen Civilprocessordnung zuzu-
stellen.
Berlin. Der Reichtagsabgeordnete M. Wiggers (Berlin) hatte
den. Antrag eingebracht: den Bundeskanzler aufzufordern, den
in der 27. Sitzung des Reichstages vom 23. October 1867 mit
grosser Majorität gefassten Beschluss, dass in dieser Session
ein Gesetzentwurf vorgelegt werde, durch welchen alle noch
bestehenden, aus der. Verschiedenheit des religiösen Bekennt-
nisses hergeleiteten Beschränkungen der bürgerlichen und staats-
bürgerlichen Rechte aufgehoben werden, in Ausübung zu bringen.
Der Referent Abgeordn. Dr. Endemann specialisirte den Antrag
dahin: Der Reichstag wolle beschliessen , den Bundeskanzler
aufzufordern, dass in Ausführung des am 23. October v. J. ge-
fassten Beschlusses baldigst ein Gesetz vorgelegt werde, welches
alle noch bestehenden aus der Verschiedenheit des religiösen
Bekenntnisses hergeleiteten Beschränkungen der bürgerlichen
und staatsbürgerlichen Rechte aufhebt, insbesondere 1) die Ver-
bote und Beschränkung der Eheschliessung zwischen Christen
und Israeliten, sowie auch die auf dem Glaubensbekenntnisse
des einen Theils beruhenden Beschränkungen der ehelichen
Rechte beseitigt, 2) für alle Eidesleistungen der Israeliten eine
der Gleichberechtigung entsprechende Form einführt, 3) die
volle Gleichberechtigung der Israeliten zur Theilnahme an der
240 Monatschronik.
Gemeinde- und Landesvertretung, sowie zur Bekleidung öffent-
licher Gemeinde- oder Staatsämter im Gebiete des norddeutschen
Bundes ausdrücklich anerkennt. An der Debatte im Plenum
betheiligten sich die Abgeordneten Graf Bassewitz (Mecklen-
burg) und v. Brauchitsch gegen, Lasker und der Antragsteller
für den Antrag der Commission. Die Abstimmung ergab die
Annahme der Nr. 2 und 3 und Ablehnung von Nr. 1.
Paris. In der von der „Ligue internationale et permanente
de la paix" abgehaltenen Generalversammlung gehörte der
Grossrabbiner von Paris, Herr Isidor, nebst den Herren Dolfus,
dem Belgier Vischers, den Engländern Richard und Edward
Pease, dem Pastor der Pariser reforuiirten Gemeinde Martin-
Parchoud und dem Nationalökonomen Frederic Passey dem
Bureau an.
Pest« Die Pester Judengemeinde petitionirte beim unga-
rischen Justizminister um Aufhebung des Judeneides. Dieser
versprach schleunige Abhilfe und beauftragte den Rabbiner Low
aus Szegedin mit der Abfassung eines Gutachtens über den Eid
tnore judaico. Wie zu erwarten stand, hat Herr Rabbiner Low
alle bisher üblichen und anstosserregenden Formen als unbe-
gründet bezeichnet. Die königliche Septemviral-Tafel hingegen
sprach sich in einem vor Kurzem ergangenen Bescheide dahin
aus, dass der Eid more judaico mit allen seinen schimpflichen
und beschämenden Formalitäten aufrecht zu erhalten sei.
Rumänien. Nachdem der Senat gegen das Ministerium Bra-
tiano ein Misstrauensvotum ausgesprochen hatte, reichte dasselbe
seine Demission ein. Ein darauf von dem anderen Hause an-
genommenes Vertrauensvotum für das Ministerium veranlasste
den Fürsten Carl, das Entlassungsgesuch nicht anzunehmen. Das
bisherige Ministerium bleibt daher im Amte, wogegen der Senat
aufgelöst wird und Neuwahlen veranstaltet werden sollen.
Wien. Herr Rabbiner Horwitz ist nach längerer Krankheit
aus dem Reiche der Lebenden geschieden. Sein friedliebender
Charakter, seine aus innerer Frömmigkeit hervorgegangene
herzgewinnende Bescheidenheit, verbunden mit ausgebreiteter
theologischer Gelehrsamkeit, haben ihm in seinem vieljährigen
Wirken allgemeine Liebe und Hockachtung erworben: sein
Hintritt wird von allen Seiten tief bedauert.
LXXXVI.
VERZEICHNIS
HEBR BISCHER HANDSCHRIFTEN
UND
SELTENER DRUCKE
AUS DEM
ANTIQUARISCHEN LAGE$
m*
VON
A. ASHEß & Co.
BERLIN: 11, UNTER DEN LINDEN.
LONDON: 13, BEDFORD STREET, COVENT GARDEN.
BERLIN.
11, UNTER DEN LINDEN,
1868.
Verlag von A. ASfiER & Co., Berlin und London.
CATALOGÜS UBRORUM HEBRAEORÜM IN BIBLIOTHECA BODLEI-
ana jussu curatorum digessit et notis instmxit M. Steinschneider. • 4to.
(CXXXn et 3304 col.) .' Lstr. 5. = 33 Tlilr. 10 Sgr.
CONSPECTUS CODD. MSS. HEBE. IN BIBLIOTHECA BODLEIANA.
Appendicis instar ad catalogum librorum et mss. hebraeorum sub
auspiciis curatorum digessit M. Steinschneider. 4to . 3s. — 1 Thlr.
ÜBER KÖRE HADOROT. SCRIPSIT CONFORTE. DENUO EDIDIT.
textum emendavit, introductionem, notas, indices adjecit D. Cassel.
4to. [6s. = 2 ThlrJ 3s. = 1 Thlr.
MANüSCRIPTI CODICES HEBRAICI BIBLIOTHECAE SUAE DE-
scripti et illustrati a G. B. de Rossi. 3 vols. Roy. 8 vo. Lstr." 1. 10s. =
10 Thlr.
HEBRAEISCHE BIBLIOGRAPHIE. BLATTER FÜR NEUERE UND
ältere Literatur des Judenthnms. Redigirt von M. Steinschneider.
Jahrgang I— VIII. 1858 — G4 (I. & II. vergriffen.) Roy. 8 ?o. Jeder
Jahrgang einzeln . 4s. = 1 Thlr. 10 Sgr.
WISSENSCHAFTL. BLATTER AUS DER VEITEL-HEINE-EPHRAIM-
sehen Lehranstalt. — Inhalt: I. Lebrecht, Handschriften und erste
Gezammtausgaben des Babylon. Talmud. — ■ II. Haarbrücker. Rabbi
Tanchum Jeruschalmi, Arab. Commentar zum Buch Josua. — HI. Stein-
schneider, Zur pseud-epigraphischen Literatur des Mittelalters. 8vo.
5s. = 1 Thlr. 20 Sgr.
CATALOGÜE OF THE HEBREW BOOKS IN THE LIBRARY OF THE
British Museum. Printed by Order of the Trustees. Roy. 8vo.
900 pages. London 1867. . . . Lstr. 1, 5s. = 8 Thlr. 10 Sgr.
Dieser von Joseph Zedner redigirte Katalog der grössten
Hebräischen Büchersammlung der Welt, bildet zugleich die voll-
ständigste Bibliographie der gesammten Hebräischen Literatur und
ist daher allen Hebraisten unentbehrlich.
LXXXVI.
VEEZEIOHNISS
HEBRÄISCHER HANDSCHRIFTEN
UND SELTENER DRUCKE
AUS DEM
ANTIQUARISCHEN LAGER
VON
A. ASHER & C& in BERLIN,
I.
(^verzeichnet von Dr. Steinschneider,)
[SammtUoh oomplet und wohl erhalten, wo nicht anders bemerkt.]
1. tPÖlH Pentateuch, Megillot und am Bande Haftarot mit Raschid
Commentar 50 Thlr.
Octavo, Pergament, deutsche, sehr zierliche Hand (XV. Jahrh.?), Text
punktirt, der Commentar durchaus von zweiter Hand emendirt.
2. v'ttH Raschi, Commentar über den Pentateuch, Jesaia und Jeremia
(bis Cap. 23) 150 Thlr.
Quarto, Pergament, wahrscheinlich italienische Hand, vom J. 5030 (1270).
Der Codex wurde in früher Zeit für % Florin verkauft, ein für damals
sehr hoher Preis. Sehr werthvoUer, noch nicht benutzter Codex, enthält
den Text in mehr ursprünglicher Gestalt; die Zusätze geben die Quellen
an. Auch Reime am Ende der Abschnitte sind vorhanden. — Der Cod.
vererbte sich lange in der gelehrten Familie Ftnzi.
3. ^tJD Raschi, Commentar über den Pentateuch (Anf. defect). 50 Thlr.
Quarlo, Pergament, grosse italienische alte Hand, geschrieben von Me-
nachem ben Mose rar den Arzt Mose Deloplazo (?) (XIV — XV. Jahrh.).
4. YJ VTPt David Kimchi, Commentar über Josua (Anf. defect), Richter,
Samuel 40 Thlr.
Quarto, Pergament, Quadr«|pchrift, alt.
5. 2TK ttTVfi Mose Kimchi, Commentar über Hiob; bisher nur ein
Exemplar in Rom bekannt (ß. Ozar Nechmad II, 23).
Die Echtheit bestätigen zahlreiche Anführungen des Serachja b. Isak
(1290, Cod. München 79).
JL Aeher & Co., Berlin & London.
o
B. UTK BTTB] Levi b. Gerschcm, Commontar über Hiob.
Quarto, Papier, italienische und spanische Hand.
6. SVK ttfiTB Levi ben Gerschom, Commentar über Hiob, mit punk-
tirtem Text am Rande.
B. ^tf^tWTB Immanuel ben Salomo aus Bom (blähte 1320),
Commentar über Proverbia (Anfang der Yorr. fehlt), Text punktirt,
GO Thlr.
Quarto, Pergament, spanische Hand; beide im Jahre 1400 geschrieben,
B. von Cargot Altar Provinciale ans Arles, ist nur einmal 148(>
gedruckt, und dieser Druck selten.
7. 2T»K VTVÜ Abraham Farissol (blühte Ende XY. Jahrb.), Com-
mentar über Hiob.
B. rTOX&VPft Desselben Commentar übe;* den Tajmud. . Tractat
Abot; ein hü Catalog der Leydner HSSfc, p„ 303 angeführtes Citat
über Christus findet sich hier in der That in Cap. 1.
C. rhnp tPITB Desselben Commentar über Kohelet, wovon nur
ein oder zwei Autographen in Parma bekannt waren. 40 Thlr.
Quarto, Papier, spanische Hand (XVI. Jahrh.V)'
8. D*irT*y David Kimchi, Wörterbuch. Anfang defect bis z.d. Art. D»fr.
B. Grammatik nr W» (unvollst.) 80 Thlr.
Quarto, Pergament, kleinere und grössere sehr schone spanische Quadrat,
geschrieben von Salomo Jehuda ben Josef ha-Jaari (aus Nismes?) ira
.!. 5087 (1327).
V>. pHp"n NUtt Benjamin [ben Joab?], grammatisches Compendium,
tmbekannt. (Im Akrost. zu Anfang sto croto 3ft? r?i» >D») .
B. Anonyme Einleitung und Anfang einer kurzen 'Grammatik (worin
C. Anonyme Bemerkungen über den Pentateuch und Erklärung der
. Fremdwörter in Haseln' s Commentar.
D. Meir ben Salomo ben David, Grammatische Bemerkungen als
Ergänzung zu seines Grossvaters v>37 pdd [also David, vgl. Maase
Efod S. 233, Libanon III, 1866, S. 348]. Vf. vielleicht identisch
mit Meir b. David in N. 17 und bei Efodi? . .
E. Notizen über 21 Kadices, von einem Anonjonus in' Lagnano*(?i:fr"DJ)
gefunden. Pragment.
F. jrCtn "iSD Josef Kimchi, Grammatik, unedirt. 40 Thlr.
Quarto, Papier, deutsche verschiedene Hand.
1 0. 'OTIB Mordechai (um 1 300), Talmud. Compendium, Ordnung Naschim.
66 Thlr.
Gross Folio, Pergament, altdeutsche Hand, jedenfalls vor 1S66 geschrieben,
vielleicht die älteste ife. dieses Werkes, splendid.
A. Aslier & Co., Berlin & London.
11. p^BK1? nnCH nrun nBD^ T^n p "TOCa Averroes, Paraphrase
der Republik Plato's, hebr. v. Samuel ben Jehuda n. s. w. (132:2).
Original der lateinischen Ausgabe.
B. fe»lö31 SrtrS TW 13*6 -ffiNÖ Alfarabi über den Intellect und
. das Intellectuale. Der ungenannte "Uebersetzer ist Kalonymos (1314),
diese Uebersetzung unedirt (s. Steinschueider's Abhandl. Alfarabi,
Petersburg 1868, S. 92).
C. Averroes, Fragment aus der Abhandl. über den hylischen In-
tellect, übersetzt von Todros [XIV. Jahrh.].
D nem b2 *pbr> JTÜE3 "EKC Alfarabi, encyklopäd. Ueber-
sicht der Wissenschaften. Der ungenannte Uebersetzer ist; Kalonymos
(1314?). Sehr selten (Steinschn. /. c. S. 83).
E. rilÄrnn nxnp THM ..ma« Alfarabi, über die Methode des
Studiums ; eine Uebersetzung des, von Schmolders edirten : De rebus
studio' philo8ophiae prae mitte ndis [übersetzt von Kalonymos?)
(s. Steinschn. L c. S. 85) 40 Thlr.
Quarto, Papier, italienische Hand. #
12. »ft» „IttKB Alexander von Aphrodisia, über die Seele [Tr. LI.
nach der arab. Uebersetzung des Ishak ben Honein hebr. von Samuel
ben Jehuda (1324—40). Auch die allein bekannten Pariser HSS.
893 — 4 enthalten nicht mehr, und schon Averroes scheint nicht
mehr gekannt zu haben (s. Steinschn. I c. S. 10G) . 30 Thlr.
Quarto, Papier, alte spanische Cursiv.
13. nttn^n nmn Bechai ben Josef (blühte um 1100?), Herzens-
pflichten, nebst Ermahnung.
B. Bpfcfl ^iaty Zidkijja Anaw aus Rom (um 1240), Ritualwerk
aus alien Quellen compilirt, sämmtliche 12 Abschnitte mit Vorrede,
Versen u. s. w., ferner die Abschnitte über Beschneidung und Trauer-
gebräuche (fehlen 10 Bl.) — Von diesem sehr wichtigen Werke
ist nur ein sehr mangelhafter Auszug gedruckt (Cutal. Bodl.
p. 2770) 150 Thlr.
Gross Quarto, Pergament, splendid, sehr deutliche italienische Hand
des Joab b. Jechiel b. Jekutiel aus Todi aus der Familie Bethel v. .1.
5104 (140*).
14. 0*313^1 »TViö Moimonides, -Führer der Verirrten, nebst Glossar
des Samuel Tibbon und Indices 50 Thlr.
Klein Quarto, Pergament, splendid, sehr zierhehe Quadratschrift des be-
rühmten Abraham Farissot (Ende- XV. Jahrh.); wichtige Stellen mit
einem Händchen bezeichnet. — Einige Bl. am Rande al »geschnitten,
ohne den Text zu berühren.
15. JlVTfin FfbyO Jechiel ben Jekutiel (schrieb 1287), Sittenwerk
(geschätzt). — Fehlt Anf. der Vorr 10 Thlr.
Quarto. Papier, deutsche Hand, wahrscheinlich XV. Jahrh.
- A; Äther 'dt Co., Berti» & London.
16. TVzhw ptrn Salomo ben Jehuda, genannt Safawn Viva* de Lunel,
Oommentar über das Buch Cusari des Jehuda ha-Levi, verf. 1424.
Quarto, Papier, ital. Hand (Auf. XVI. Jahrh.?). — In der HS. irrthüm-
lich 1324; der dreizehnjährige Verf. des bisher unbekannten, in
vielfacher Beziehung lehrreichen Werkes, war ein Schüler des Menachem
ben Salomo (Erat Maimon), wie der Vf. der nachfolg. Nummer; es
erklärt sich hieraus wohl die wesentliche Uebereinstimmung beider in
sehr zahlreichen Stellen, die sich gegenseitig controlliren. Die wich-
tigsten Bemerkungen und Citate sind von einem Besitzer mit Bleistift
angestrichen.
17. [7*T)tP,'7 JTTTJ??] Xatanel Caspi ben Nehemia, Commentar über
das Buch Cusari, verf. 1425 (vergl. N. 16 und Litbl. des Orient
1848, S. 571). — Sehr selten.
B. ?]D2 vvJ Josteph Caspi, über einen Widerspruch in den De~-
creten des Buches Esther, verf. in Majorca 1331. (Vgl. Ersch u.
Gruber S. II. Bd. 31. S. 66, u. S. 60 A. 14, hier: in» '53 OD W3).
C. faH5 pft oonb '} 05P0» tyVTfcfi OTWD Superconnnentar über
Ibn Esra's Pentateuchcommentar, unbekannt?
Quarto, Papier, italienische Hand (vgl. No. 16) — C. wird dem „Caspi"
(welchem?)' beigelegt, enthält aber sowohl den, in Ersch /. c. S. 68
unter C aufgeführten Oommentar, identisch mit dem Fragmente in Cod.
Paris 184,2 des neuen Cataloges, welches dem Jedaia ha-Penini bei-
gelegt worden (Litbl. 1848, S. 259, CataL BodL p. 2004, Hebr. Bibliogr.
1865, S. 75), als auch den grössten Theil des anonymen Commentars,
welchen Auerbach in Geiger' s jüd. Zeitschr. IV, 297 dem Isak Israeli
beilegt; aber viel correcter und vollständiger als dort und in Codex
München 61,2 (s. Steinschneider'« Abhandl. ..Supercommentare über I. E-t;
in Geiger's jüd. Zeitschr. \i, 120).
No. 16 und 17 zusammen 100 Thlr.
18. jfltPH fllK^IÖ Uroscopie und Therapie nach griechisch-latein. Quellen,
auf. onpfro 03) ^Dtoco ?pf> (vielleicht von dem Anonymus aus
Avranches um 1199? vgl. Virchow's Archiv Bd. 40, S. 84).
B. — desgleichen nach Isak Israeli.
6*. — andere Segeln.
D. — v. Joseph ben Isak (f. 22 u. 27b ff., anders als die HSS.
in Ersch u. Gruber S. II. Bd. 31, S. 82, u. Hebr. Bibliogr. 1865, S. 98).
E. — mit Excerpten aus dimbdpi mvvo 'P des Hippocrates (vgl.
Virchow's Archiv Bd. 42, S. 98).
F. }n»n TBD mfcDKÖ pTOP p muH npwn Galen, über Urin,
aus den arabischen Collectaneen des Honein. (Ton Interesse, da das
edirte Buch Galen's grösstenteils unecht ist. S. Virchow's Archiv
Bd. 37 S. 355).
G. Fragment.
H. Heilmittel für alle Krankheiten, vom Haar anfangend, nach
arabisch-lateinischen Quellen; Vf. noch zu ermitteln. 30 Thlr.
OctavOy Pergament, schöne alte spanische Hand.
A. Aaker * Ct., Berlin * Lou&ou.
19. NptPBVT D^W "TfiD Johannes Damascenus (Ihn Masewcih) über
purgirende Heilmittel; aus einer in Aegypten angefertigten latein.
Uebersetznng, hebr. von Samuel ben Jakob in Capua (vgl. Yirchow's
Archiv Bd. 37, S. 303). Zuletzt eine Sammlung einfacher Mittel
aus Mesue 60 Thlr.
Folio, Pergament, schöne italienische Hand, XIV — XV. Jahrb., mit farbigen
Initialen, an einigen Stellen durchlöchert.
20. DKv3 Averroes, medizinisches Werk (vulgo: Coltiget), anonyme,
den Bibliographen unbekannte Uebersetznng aus dem nicht mehr
vorhandenen Original. Es fehlt nur wenig zu Anfang und Ende
(von VII, 18 ff.) . 40 Thlr.
Quarto, Papier, spanische Hand, circa XV. Jahrh.
21. Medicinische Collectaneep, Glossare von Heilmitteln u. s. w., darunter
dio Einleitung des Johannitius (V»j»3V>) mit dem äusserst seltenen
Commentar (Virchow's Archiv Bd. 39, S. 328), vollständig; Excerpte
aus Mesue, Bernard de Gordo . 25 Thlr.
Octavo ; Papier, italienische Hand fies Mordechai Kochab (»Stella, oder Stern).
22. 'D'tM f1Ö2H oder Scienza delle Donne. JechielKohen ben Mose
aus der Familie Manoscrivi (die sich von Esra dem „Schreiber"
ableitet), italienisches Eitual- und Sittenbuch für Frauen, verf.
1565, der Vtrtuosa Dati, Frau des bekannten Mordechai Datoy
gewidmet, in 7 Abschnitten, jedoch nicht bis zu Ende geschrieben,
vielleicht nicht weiter vorhanden, da die Zusätze und Verbesserungen
am Rande vom Vf. selbst herzurühren scheinen. Mit hebr. Vorrede
und ital. Versen; für Sittengeschichte und ital. Literatur der Juden
von Werth, da das Italienische sehr correct und gut geschrieben ist.
40 Thlr.
Quarto, Papier, bis I. Cap. 4 punktirt, jedoch auch ohne Punkte sehr deut-
lich und verständlich (vgl. Hebr. Bibliogr. 1863, S. 48). Den Codex
kaufte Abr. S. Graziano nebst anderen, welche Almanzi besass (z. B. 156).
!!• Hebräische Druckwerke und
23. Aboab; TMBn JTlttB» eth- foL (Constantinopel 1514.) . . 10 Thlr.
Titel fehlt. Erst© fast unbekannte Ausgabe eines sehr geschätzten Baches aus dem
dreizehnten Jahrhundert
24. — (Dasselbe Werk spanisch.) Almenara de la hiz, tratado de mucho
provecho para beneficio de alma, trad. en lengua bulgar por el Haham
Jahacob Hagis. 4to. Amsterdam 5468 (1708). Ledrbd. . 4 Thlr.
25. Abraham Elieser f. Jos. Lask. *m KIS* 8vo. Offenbach 1823.
1 10 Sgr.
26. Abraham f. Eüeser. man pp*fll p^ST |V7 4to. Wilna 1779. 1 Thlr.
A. A»ker & Co., Berlin Sc London.
6
27. Abraham Ibn Esra. Ccnuncntarius in Pentateuclrnm. Editio
princeps. fol. min. Neapoli 1488 115 Thlr.
Höchst Feiten. Diese Originalausgabe ist .die einzige, welche die in den spateren
Ausgaben nicht vorband, anti-christlichen Stellen enthält — Das Exemplar ist sehr
gut erhalte«, nur einige Blätter sind etwas mehr beschnitten, als die anderen.
28 Abravanel, Is. n:»K tSWl, dabei HEB HST- Caput fidei (De arti-
culis fidei). fol. Venet. 1545 2 Thlr. 20 Sgr.
29. — — Andere Ausg. 4to. Cremona 1557 15 Sgr.
Das Ende fehlt.
SO. — rütMBfi rDSTÖ Comm. in Deuteron, fol. Sabionetta 1551. 4 Thlr.
Einzige vollständige Ausgabe dieses berühmten Baches.
81. Aderet, S. fc%fiJ!"i ^JDI BHpn JTTOJf 4to. Venetiis 1G02. 20 Sgr.
32. Adadi, Abr. fiEK "iBlfcTi Synagogenregeln. 8vo. Kivorno 1849.
br 2 Thlr.
33. Akiba. J}"TT HPfllN Mystik. 4to. Venedig 1546. ... 25 Sgr.
Seltene Ausgabe.
34. Albo, Jos. D'HPS? Funtlamcnta (fidei). 4to. Venet. 1521. 3 Thlr.
Höchst selten. Sehr schönes Exeinpl., Titel u. einige Blätter des Index fehlen.
35. Alfasi. fi\Zhn Compend. talmud. T. I. fol. Crae. 1597. 6 Thlr.
30. Almanzi, J. Hp^^ &fy Ob Morpugi Lcvi sponsalia. 8vo. Tergesti
1859. Atif Pergament gedruckt 1 Thlr. 15 Sgr.
07. Benjamin of Tudela. JTJHSB The Itinerary of Rabbi Benjamin of
Tudela, ed. by A. Asher. 2 Bde. Svo. Berl. 1840—1. cart. unbeschn.
8 Thlr.
BIBLIA.
SS. Biblia hebr. 4to. Venetia, Bomberg, 1544—5 10 Thlr.
3.0. — — 2 Bde.- Svo. Francof. ad Viadr. 1595. Pergbd. . . G Thlr.
Schönes Exemplar.
40. — — ed.Jtfenasseh ben Israel. 4to. Amst. 1G35. Pergbd. 2 Thlr. 15 Sgr.
Schönes Exemplar.
41. — — jussuD.NunezTorres.4Bde. 12mo.Amst.1700— 5. Ledbd. 8 Thlr.
Geschätzte und seltene Ausgabe.
42. — — # cum opt. .inipr.- et inas, (jodd. .colja-la et juxta .^Scisorapi emend.
D. lt. Opitius. 4to. ' Kilonae 17 12.'* Pergbd. '. 4 Thlr.
Sehr gesuchte Ausgabe.
43. — — cum adnotat. latin. ed. J. H. Michaelis. 4to. ITalae 1720. 4 Thlr.
44. — — Dieselbe Ausgabe in fol. Ledbd. 9 Thlr.
Schönes Exemplar.
45. — hebr. et latina planeque nova Seb. Munster tnmslatione lat. etc. fol.
BasiL, ex off. Bebeliana, 1534. Hfzbd. ........ 5 Thlr.
Schönes Exemplar.
46. — hebr. cum SalrNftrzl comni/ crit. *# J1TOID 2- Bde. 44o.. Mantua
1742—44. Ledbd. . . v 18 Thlr.
Gesuchte und seltene Aufgabe. " ' " . • ' '
«
A. Asher & Co,> fiedln 6 XwmUm».
•
7
47. Biblia cum Jac. Lombroso comment. grammat. et crit. ito. Venedig
1639 10 Tlilr.
Geschätzte und seltene Ausgabe:
48. — cum comment. Asulai. 4 Bde. 4to. Pisa 1803—4. Ledbd. 12 Thlr.
49. — POLYGLOTTA, hebr., chald., graece & lat. cura et studio Bened.
Ariae Montani. 7 Bde. (Bd. 8 fehlt), fol. Antverpia, Plantin, 1569—73.
Pergbd 26 Thlr.
Schönes Exemplar.
50. — — hebr., chald., syr., graece, lat. et arabice (ed. G. Mich, le Jay).
9 Thle. in 10 Bdn. fol. Varis 1628—45. Pergbd. ... 40 Thlr.
51. — RABB1N1CA. 4 Thle. in 2 Bde. fol. Venctia, Bomberg, 15C8. Ldbd.
20 Thlr.
Schönes Exerapl. • Einige "Wurmstiche am Anfange.
52. Fentateuclius hebr. cum punctis et cum paraphrasi chald. et conim.
Rabbi . Sal. Isaaci. fol. Bononiae, per Abr. Ben Chaiim, 1482.
Auf Pergament gedruckt 200 Thlr.
Erste, höchst seltene Ausgabe. Typographisches Meisterwerk auf Pergament. Voll-
ständiges Exempl. Mehrere ßll. siud am Rande ausgebessert, eiuige fleckig.
53. — — Anderes Exempl. ders. Ausg. Auf Pergam. gedruckt. 90 Thlr.
Das erste und letzte ßl. beschädigt, einige andere ßll. unsauber. 2 ßll. auf Papier.
54. — — cum Onkelos, Targum, Sal. Isaki comm., Chiskiya h. Manoach
comm. in Pent., Abr. J. Esra in Meg. et Haft. fol. Veneria, Bom-
berg, lf>24. Ledbd 30 Thlr.
Sehr selten. Titel u. erstes ßlatt. handschr.
55. — ■ — Adj. e Rabbinor. comm., Gantica ," Ruth , Thrcni, Ecclesiastes,
Esther. 4to. Venetiis 1551. Pergbd 3 Thlr.
Schönes Exemplar.
56. — — cum Onkelos, Targum. 12mo. Sabionetta 1557. Leflrbd. Auf
Pergament gedruckt 70 Thlr.
Schönes, doch etwas stark beschnittenes Exemplar.
57. — — cum Raschi comm. fol. Cremona 156G. llfzbd. . . 15 Thlr.
Das letzte ßl. handschhftl. ; einige andere ßil. beschädigt u. wurmstichig.
58. — — 8vo. Amstenh, per fratr. Jajc. et Abrah., 1727. Ledbd. 5 Thlr.
Sehr selten.
50. — — cum 3 Targum., Raschi, Samuel b. M*ir. 5. Bde. 4to. Amsterd.
17G4. Ledbd 15 Thlr.
Geschätzte und seltene Ausgabe.
CO. Prophetae et Hagiographi. 11' Bde. ' 24mo. — 7 Bde. Genevae
1617 et 4 Bde. Venet. 1552. Ledbd 18 Thlr.
Seltene Sammlung in gleichem Formate.- Schönes Exemplar.
61. — — cum comment. 13 Bde. Svö. Livorho 1780-83. . . 6 Thlr.
62. Prophetae priores, cum comment. Kimchii. fol. Soncino 14S5. 60 Thlr.
Erste, höchst seltene Ausg. Vollständiges Exemplar mit breitem Rnude; einige
ßll. wurmstichig.
63. — -— Anderes Exemplar derselben Ausgabe 20 Thlr.
Die ersten 8 Bit. fehlen. Exempl. mit breitem Hände, unbeschuitten. Wassert! eck ig.
A. Ashtr & Co., Berlin & Londoi*.
8
64. Prophetae priores, fol. Pesaro 1511 55 Thlr.
Sehr seltene Ausg. Schönes Exempl. im Originaleinbande ans gepregstem Holz.
65. — — - cum comment. Abravanel. fol. s. I. e. a. (sed. Pesaro, 1511 oder
1512. Ledbd 50 Thlr.
Ebenso seltene Aasgabe, wie die vorhergehende. Exempl. m. vollem Bande.
66. Prophetae posteriores, cum comment. Kimchü fol. Soncino (circa
1485). Ledbd 90 Thlr.
Erste, sehr seltene Ausg. Schönes vollständiges Exempl. m. breitem Rande. Am
Ende etwas wurmstichig.
67. Psalterium, cum comm. Sal. Athia. fol. Venet. 1549. . . 6 Thlr.
Wurmstichig. Selten.
68. Cordovero, Mos. !TYOT IttlD- 8vo. Grodnow 1797. . . 10 Sgr.
69. David f. Samuel leiri. pBfflB SHt- Additiones ad Türe Zahab. 8vo.
Zolk. 1730 15 Sgr.
70. Elia Kohen. "IDIÖ KÜtP Virga castigationis (lib. moral). 4to.
Wilm. 1722 1 Thlr. 10 Sgr.
71. Eljakim f. Abraham. fcHlpH iy Oculus legentis (Gramm, hebr.).
8vo. Berol. 1803. ..... ' 20 Sgr.
72. Galante, Mos. JTPJin ?31p Sacrificium festivaie (conciones. fol.
Venet. 1704 j. . . . . 1 Thlr.
73. Gianesi, J. S. W D Chronologie mit ital. Einleitung und Tabellen.
8vo. Wien. 1827 1 Thlr.
Selten.
74. Goethe. plSTH PfU oder Hermann und Dorothea. 8vo. Warschau
1857. 1 Thlr.
75. Grainmaticae, D^pHp*T (Opuscula grammatieavar. auet.). 8o. Venet.
154G . 2 Thlr.
Einigo Opuscula fehlen, dio vorhandenen sind ganz complet. Schönes Exempl.
76. Hai Gaon. ftQfUtf 'ttfctWÖ Judicia juramentorum: 4to. Venet. 1602.
2 Thlr. 20 Sgr.
77. Heilpron, Jac. Jjpjp fl?HJ Hereditas Jacobi (Fragen und Antw.).
4to. Päd. 1622. 1 Thlr.
78. Isak f. Israel. pTTT TRIÜ ft"W Responsiones. fol. Königsb. s. a. (300 pp.)
1 Thlr. 20 Sgr.
79. Isaehar Ibn Susan. D^tP TO^J? Intercalatio annorum (Chrono-
logia). 4to. Venet. 1579 3 Thlr.
80. Ismael Kohen. flBK ]HT <TfWh Responsiones. 3 Bde. fol. Li-
vorno et Reggio 1786. 7 Thlr.
81. Jedaiah ha-Penini. Examen mundi. 4to. Mautua, Estellina uxor
Abrah. Conath, (circa 1476-80) 20 Thlr.
Erste Ausgabe. Sehr sehen. Schönes Exempl.
A. A«her * Co- Berlin * Im*o*.
9
82. Juda f. David. Tlfytyn TTD DpD Institutio noctis (Precea in lecto).
8vo. Pragae 1615 15 Sgr-
83. Judah Ben Jeehiel. (Messer Leon). D^ßlSf DfeU Rhetoiica. 4to. Man-
tua, Abr. Conath, vor 1480. cart 40 Thlr.
Sehr schönes Exemplar. Höchst selten.
84. Jehuda ha-Levi. Cuzary libro de grande sciencia y unicha doctrina.
Discursos que passaron entre el rey Cuzar: y un Singular Sabio de
Ysrael, llamado R. Yshach Sanguery, comp, en la lengua arab. por
el R. Yetida Levita, y trad. en la lengua santa por el R. Yeuda
Aben Tibon, y agora trad. del Ebrayco en Esp. y coment. por el
Hacham, R- Jaacob Abendana. 4to. Amsterdam 5423 (1663). Pergbd.
6 Thlr.
Schönes Exempl. mit sehr breitem Rande. Selten.
85. — — Anderes Exempl. Ledbd. mit weniger breitem Rande. 4 Thlr.
86. — Juda de Duodena. TTTtiV JV3 Domus Judae (Additamenta in
libr. En Jacob), fol. Venetiis 1635 2 Thlr. 15 Sgr.
87. Kinichi, Moses. Grammatica hebraica, per Sebast. Munstcrum versa.
Hebr. et lat. 8vo. Basileae 1536. br 1 Thlr. 15 Sgr.
88. Kohen, Mos. Jos. ntP'TT TTT Fol. Prag 1810 1 Thlr.
89. Kuttner, J. *fyffQ *|fiD Sprüche Sal. mit Commentaren riBiTl *PJJB
und U>2tp TlßtP. 8vo. Leipzig 1865 .1 Thlr.
90. Levi ben Gerschom. Commentarius in Pentateuchum, hebraice. fol.
s. 1. e. a., per Abr. Conat (Mantua, circa 1476). Ohne Paginirung,
Custoden u. Signaturen 80 Thlr.
Acnsserst selten; einer der ersten hebr. Drucke. Schönes Exempl. Das erste
Blatt fehlt.
91. Levita, Elia. Grammatica hebraea per Munsterum Sebastianum latine
versa. 8vo. Basileae 1537. Pergbd 20 Sgr.
92. — Comment. in Danielem. 4to. s. 1. e. a. (Mantua, vor 1480.) 20 TluY.
Höchst selten. S. De Rossi, Ann. See. XV, p. 124.
93. Maimonides. mifl rUtPfi c. comm. br. S. Levi. T. I. P. 2. Svo.
Leipzig 1863 1 Thlr. 15 Sgr.
94. — flpUK Epistolae. 8vo. Amstelod. 1712 20 Sgr.
95. — (TfiJTT ITC s?0 Trattato rituale-morale-toscano. Parafrasi di Moise
Capriles. 8vo. s. 1. e. a 10 Sgr-
96. Mapo, Abr. Yftt TOT^H Narratio jueunda interpersis versibus.
' Svo. Wilna,1853 .' 1 Thlr. 10 Sgr.
97. Menkin, E. tf)JD *?K flUTl de immortalitate. 2 Bde. 8vo. Warschau 1860.
2 Thlr.
98. Mordechai. *mB* C°d- leg. fol. Crac. 1598 10 Thlr.
Sehr selten.
09. Moses ben Xaehman. rmn 'WTTt, NoveUae in legem. 2 Theüe in
1 Bde. fol. Lissabon, Eiiezer, 1489. (302 B1L, dar. 3 weisse.) 150 Thlr.
Schönes Exempl. mit breitem Rande. Höchst gelten nnd besonders interessant, da es
das erste in Portugal gedruckte Buch ist. Man kennt nur sehr wenige compt Exem
A. Ajfcfr * Co., Berlin 6 London.
10
plare desselben, selbst das des Britischen Museums ist iucomplet. S. Cat. of the
Ueurew Books iu the Library of the British Museum p. 592. — Die
erste Seite ist mit einer schönen Einfassung in Holzschnitt geziert.
lüä Moses ben Nachman. Dasselbe, Bd. II. 14? BH. fol. Lissabon, ELiezer,
1489. Ledb '-35 Thlr.
101. Muiius praeeeptoribus. DHIttf? ^ (Epistolae congratulationis).
8vo. Päd. 1834 15 Sgr.
102. Niet us, Dav. p H12Ö Tribus Dan. (Controversia contra Karaeos).
4to. Lond. 1717. 2 Thlr. 10 Sgr.
103. Chabil, Jae., SlTW* TJ? (Collectio omnium Agadotb). 2 Bde. Svo.
Amst. 1725 ' 2 Thlr. 15 Sgr.
104. Orcbot Zaddikim. tfiTTSf WmK Sittenbild!, dabei HW HimK
. von Is. Molko. Svo. Salonichi 1791 2 Tblr.
105. Norzi, Sal., s. oben Biblia No. 4G.
10G. Preces. Siddur tefilloth. kl. 8°. Man tua 1557. Jacob ben Naftali Coen.
(232 BH.) Auf Pergament gedruckt GO Tbir.
107. — m^snn ."QttP (Preces quotid.). llebr. et angl. Svo. Londini 1839.
2 Tblr.
10S. — ')2) E'"in DJ? ftb&n Precuni collectio magna ed Salm. London.
Svo. Amsterdam 1752 1 Thlr. 15 Sgr.
109. — "toüVll D^Öfi Prccationum Versio italica Typis hebr. 8. Mant.
1561 S Thlr.
Höchst seltene Ausg., s. Steinschneider, Catal. No. 2437.
110. — Macbsor, "fiTPID rit. rom. seu ital. cum comment. (Farina se-
lecta) per Jochenan Treves. , acced. comment. Obadiae Sforno iu
Tract. Abot. 2 Bde. fol. Bologna, Menacbem b. Arahatn ex
Modena, Jechiel b. Salomo ex Verona, Arie b. Saiomo Chajjim ex
Monselice, 1540. Ledrbd. Auf Pergament gedruokt. 150 Thlr.
Meisterwerk der italien. Typographie auf Pergament Die beiden Titelblätter
sind mit schönen Ilolzsohnilteinfassnngcu geziert Das Exemplar ist sehr
gut erhalten u. mit breitem Rande. Alte handschriftl. Bemerkungen am Rande.
111. — — c. comment. Raschi et Maimonidis in capit. patruin, 2 Theilo.
1 Bd. fol. Mantua, nomine Meir b. Efraim, per Jacob de Gazzolo
1557— GO. Auf Pergament gedruokt 200 Tblr.
Höchst seltene Ausgabe. Nur wenige Exemplare auf Papier und keiues auf Perga-
ment bekannt; das imsrige scheiivUcin Unicum zu sein. — Das Titelbl. ist mit
schöner Jlolzschnitteinfassung geziert. Das 'KxempL ist gut erhalten. Der Titel
n. einige BU. sind leicht wasserftcclug.
112. — — ex rita Judd. germanomni in rtaHa ed. J. PadfieQ:Cttiu*tonim.
2 Thle. in 4 Bde. fol. Venet. 1711—15 20 Thlr. 20 Sgr.
Selten. Sehr schönes Exempl. mit breitem Rande.
113. — — 2 Bde. Svo. Viennae 1823. 2 Tblr.
114. — Orden de Rosbasanah y Kipiir; trasladado en ^spamol, por Abr.
Usque Be Selomob Usque Portugues: y estamp. eü su casa y a su
costa. Svo. goth. Ferrara 5313 (1553). ........ 8 Tblr.
Sehr selten.'
A. k*Mr & Co., Bertfti & Iftnäon.
11
#
115. Preces, JVSprt? lyh&r\- Ritus hispan. 8vo. Amsterd. 1726. Ledbd.
20 Sgr.
116. — fflrP7D rit germ., hebr. sine punctis. Ed. Princeps. • foL s..l. e. a.
(Alm. 866 — Cat Bodl. 2829.) . * 12 Thlr.
Höchst selten. 33 Bll. fehlen.
* » *
117. Rasclii, Salomonis [vulgo Jarchi] Commentarii hebraici in quinque
libros Mosis, in Prophetas maj. et min. ut et in Jobum et Psalmos,
in libros Jösuae, Judicum, Ruth, Samuelis, Regum, Chronicum, Esdrae,
Nehemiae et Esterae, item in Salomonis Proverb., omnes latine edit.
ab J.-Fr. Breithaupto. 3 Bde. 4to. Gothae 1713— 14. Pergbd. 10 Thlr.
Schönes ExempL
118. Rossi, Asarja. P|E& Fp¥JS Trutina argenti (Dissertatio critica).
8vo. Edimb. 1854.' . . ' 1 Thlr. 10 Sgr.
119. Sabibi, Dav. TH pö Clypeus Davidis (Comp. lib. Maaber Jabok).
8vo. Venet. 1704. . ' 15 Sgr.
120. Saltaro, Jud. ^"Ht^ HlpÖ Spes Israelis (De balneo foeminärum).
4to. Venet. 1607. . . 1 Thlr. 10 Sgr.
121. Samuel f. David, njDtP fi*?n* Hereditas septcm .(quest. etresponsa)
4to. Pferdae 1692 15 Sgr.
Titel fehlt.
122. Samuel f. Joseph. "llX PHU"! Lex lux (Cpncc. in Genesin). 4to.
Venet. 1605 3 Thlr. 10 Sgr.
Sehr schönes Exempl.
123. Sasportas, Sal. BHJHP tPtP (613 praecepta). 4to. Amst. 1727.
1 Thlr.
124. Schönhack, J. fi^rn flFfrlfl De natura animalium. 8vo. Varsa-
viae 1841 2 Thlr.
125. Sermo intelligendi ^5t^n TöXÖ* (de praeceptis Dccalogi). 4to.
Cremona 1557 2 Thlr. 10 Sgr.
126. Schalom, Ahr. Dl^SX TJP Sylva Absalonis (Carmina). 4to. Pa-
duae 1855 1 Thlr.
127. Silberstein, D. TH tySV Semitae Davidis (Nov. in Jos. Caro
Mens. III). fol. Hierosol. 1862 1 Thlr. 10 Sgl*.
128. Simcha h. P. ffiPÖ JTitWÖ in Maimonidem. fol. s. 1. 1858.
2 Thlr. 15 Sgr.
129. (Sohar) TR "»ilpTl- 4to. Mantua (1557). Ed. Pr. ... 2 Thlr.
Sehr selten. Titel fehlt; Index handschriftL
130. Talmud, Tract. flinJB. fol. Crac 1608 3 Thlr.
131. Terni, D. n"ni tf"n ß'"7 np*]J. Bd. 1. 4to. Florentiae 1803.
1 Thlr. 10 Sgr.
132. Tanja K*JH w DISK JTBB Rituale. 4to, Mantua 1514. . . 6 Thlr.
Erste, sehr seltene Ausgabe. Schönes Exempl.
A. Asher & Co., Berlin & London.
12
133. Ventura, El. tftitin ^Stt Dissert. Talmud, fol. Saionichi 1799.
1 Thlr. 20 Sgr.
134. Vidaa, £1. de. ttÖ2H fl^tPRl Initium sapientiae (Opus niorale) Com-
pendium p. J. Pogetti. 8vo. Venetiae 1600. (Stark beschn.) 1 TMr.
135. Zweifel, El. 3JÖT) DVÖ Miscellanea jucunda. 8vo. Wilna 1858.
15 Sgr.
III. Vermischtes.
136. Aboab, Iman. Nomologia o discursos legales, comp, por el virt Ha-
harn Rabi Imanuel Aboab de buena memoria. 4to. s. 1. (Amsterdam)
5389 (1629). Ledbd 5 Thlr.
Selten.
137. Aboab, Ishae. Paraphrasis comeutado sobre el Pentateuco. fol. Am-
sterdam 5441 (1681). Originaleinband in gepresstem Leder. 5 Thlr.
Schönes Exemplar.
138. Abraham Judaeus (Ibn. Esra). Liber de nativitatibus. Holzschn.
4to. goth. Venetiis 1485. Br., mit breitem Rande. ... 4 Thlr.
Sehr selten,
139. Barrlös, Daniel Levi de, Miguel. Arbol de la Vida, con raizes de
la ley y fruetos dotrinales. 8vo. Amtsterdam, 0ü casa de Yakacob
de Cordova, 1689. Pergbd. Fast unbesehn., viele BU. ganz unbesehn.
50 Thlr.
Sehr schönes Exemplar dieses seltenen Buches; es gehörte dem berühmten Rabbi
Isaac Mathatias Aboab, dessen Name sich in Gold gedruckt auf dem Deckel be-
findet Das Werk besteht aus mehreren Theilen, u. ist theils in Prosa, theils in
Versen geschr. Uni Ander, enthält es eine poet Uebersetz. des Gebetes e. Büssers
Nißsim ben Jakob, ebenso „Providentia particnlar de Dioz sobre el pneblo d'Is-
raelu etc. Ausserdem befinden sich in dem Bande mehrere andere Schriften
desselben Autors: „AI govierno del Kahal de Londres" (in Versen), JPaz de la
Ley" (ein kleines Drama in Versen), eine schöne Elegie auf den Tod des Vaters
des Autors, u. viele andere einzeln gedruckte, wenig bekannte u. höchst seltene
Schriften desselben.
140. — Estrella de Jacob. Sobre Flores de Lis, dirig. a las dos muy illustr.
ninos Jacob, y Raquel. hijo y hija del muy noble senor Abraham
Lopez Berahel (alias) Don Francisco de Lis. 8vo. Amsterd. 1686. —
Alegrias, o Pinturas Lucientes de Hymeneo, dirig. al in clito Senor
Dav. Imm. de Pinto. 8vo. ib. 1686. — In 1 Bde. Pergbd. 40 Thlr.
Schönes ExempL, leicht wasserfleckig. Diese beid. Werke sind eben so selten, wie das
vorhergehende. Das erste enthält die Romanze „Historia de Susana" n. viele an-
dere Gedichte, das zweite 36 Hochzeitgedichte, die deshalb von besonderem Interesse
sind, weil darin merkwürdige Details über jüdische Familien v. Amsterdam, Ham-
burg und London enthalten sind.
141. — Triumpho dal Govierno Populär y de la Antiguedad Holandesa.
8vo. s. 1. e. a. (Amsterd. circa 1686). Halbpergbd. ... 20 Thlr.
Die Sammlung besteht ans verschiedenen kleineren Stücken in Prosa u. in Versen.
Ausführliche, bibliographische n. biogr. Notizen über den Autor giebt Kayser*
ling in der Hebr. Bibliographie IV, 101, VI, 4«, W, VII, 89 etc.
A. Aster & Co., Berlin * fcoadan.
142. Bartoloeci, Julius. Bibliotheca rabbinica, de seriptor. et scriptis he-
braicis; et Jos. Imbonati bibliotheca latino-hebraica, cum append.
5 Bde. foi. ' Romae 1675—94 Pergbd 24 Thlr.
143. Bertram, Bonav. Com. *7JJ*?J| Coinparatio graimnaticae hebraicae
et annenieae. 4to. Genevae 1574 1 Thlr.
144. Buxtorf, Joh. Concordantiae Bibliorum hebraicae et chaldaicae ed
B. Baer. 2 Thle. in 5 Bde. 4to. Stettini 1861—2. (8 Thlr.) 5 Thlr.
145. Coeii, Anania. Vocabulario ebraico-italiano et italiano-ebraico. 8vo.
Reggio 1811-12. Ilfzbd 1 Thlr.
146. Dmsiu§, I. De litteris 2^21 Ht^ö Hbri duo. 8vo. Lugd. Bat. 1599.
Pergbd ' 10 Sgr.
147. Koreisch, Jehuda. Epistola [arab.] de studii Targuni utilitate et de
linguae chaldaicae, misnkae, talinudicae, arabicae, vocabulorum item
nonnullorum barbaricorum convenientia cum hebraea. Ed. J. J. L.
Barges et D. B. Goldberg. 4to. Parisiis 1857. br. . . . 2 Thlr.
148. Menassek Ben Israel. Conciüador o de la convenienca de los Lu-
gares de la S. Escriptura etc. 4 Thcile in 2 Bdn. 4to. Franco-
rarti 1632 et Amsterd. 5410—11 (1650—51). * 6 Thlr.
Diese vier Theile kommen selten zusammen vor.
149. Meto, Bav. Pascalogia overo discorso della Pasca. 12mo. Colonia
1702. Ledbd : 1 Thlri
150. Usque, Sam. Consolacam as tribulacoens de Israel. 8vo. goth. Fer-
rara, en casa de Abraham aben Usque, 5313 (1553). . . 25 Thlr.
Höchst selten. ExempL m. breitem Runde. Der Titel ist aufgezogen u. wurmstichig.
ISa.clitx*a.f£.
151. Ascher b. Jeehiel. Gomm. z. Talmud zu den Tract. Synhediin, Baba
Batra u. Schebuot (um 1300). 16 einzelne Blätter foi. auf Pergament
gedruckt '"18 Thlr.
152. Buxtorf, J. Lexicon chald. talmudicum etc. foi. Basileae 1640. Original-
Lederband mit Portrait 20 Thlr.
Das Ex. hat B. selbst seinem berühmten Zeitgenossen Fr. Spanheim zum Geschenk
gemacht, wie der Autograph auf dem Titelblatte zeigt: „Viro reverendo et cl.
D. Friderico Spanhemio offert J. Buxtorfius*'.
153. Haggada «TWI Rituale des Osterabends foi. Wilhelmersdorf 1715. Auf
Pergament gedruckt . 20 Thlr.
I54a. Jacob b. Ascher. B*n ITTK "BB kL foi. s. L (Ixar) 1485. (das dritte
der wenigen in Spanien gedruokten hebr. Werke; 54 sehr schön er-
haltene Blätter; auf dem letzten d. Epigraph und der Schild mit dem
aufspringenden Löwen in rother Einfassung,
o- 7Wl TTtt* T(IB ebenso, 89 Bll 50 Thlr,
155. Klmchi, David. Schoraschim rfrb 01&H8> foL Neapel 149050 Thlr.
6 Blftter chemisch von fettigem Schmutz gereinigt, haben nur noch Spuren der
Flecke und haben ihre vergilbte Farbe mit einer weissen vertauscht.
A. Asner & Co., Berlin 4fc London.
14
156. Kimchi David. Schorasclrim. p,,mrh JTEHl? fol. Constantinopel
1513, rabb. Schrift in 3 col. 1321 Bil. 25 Thlr.
Erstes Blatt etwas beschädigt u. verklebt; alter Holzband, an mehreren Stellen stock-
m flockig. Sehr selten.
157. Machsor (Festgebete) nach deutschem Ritus, fol. Augsburg 1536.
^35 Thlr.
Sehr wohl erhaltenes vollständiges Exempl. dieses höchst seltenen Rituale (fehlt
bei Michael.)
158. Maimonides, Moses. Mischne Tora (oder Jad Chasaka) fol. Venedig
(Bragadin) 1550. 4 Thle. in 2 Bdn. Originai-Lederband. 35 Thlr.
Mehrere Blätter theihveisc stockfleckig, sonst schönes Exemplar mit grossen Rändern.
150. — — Theil 2, 3, 4. fol. Constantinopcl 1509. ...... 40 Thlr.
Von Theil 2. fehlen die ersten 19 Blätter und Bl. 41-48, sonst ist das Exempl prachtvoll.
160. — — Theil 2 und 3 in einem Originalholzbande, fol. Venedig (Jus -
tiniani) 1551 15 Thlr.
Schönes Exemplar.
161. Pentateuchus hebr. Pergament, alter Druck kl. fol. 130 Bl. 75 Thlr..
Am Rande önkelos, ist aber vom Exempl. meist abgeschnitten. Die ersten Blätter
bis Genes. 7, 14 und 2 Blätter im 5. Buche fehlen. Es scheint ein Bologna-Druck
circa 1480. Kein Bibliograph kennt die Ausgabe.
1G2. Talmud Bafoli Tr. Succa. fol. Venedig 1521. Auf Pergament gedruckt
.50 Thlr.
Von dieser Ed. pr. finden sich Pergamentdrucke höchst selten. Titelblatt und die
folgenden 7 Blät'cr sowie Bl. 82 fehlen, sonst sehr gut erhalten.
• S".."* «'•„%,
Vor Iiurzcm erschienen:
Katalog 70: Orientalia.
— 82: Hebraica, Judaiea etc. aus dem Nachlasse von Joseph Almanzi.
— 83: Mathematik, Astronomie, Physik..
— 84: Autotypen Luthers und seiner Zeitgenossen.
— 85: Seltene und werth volle Bücher.
Antiquarischer Anzeiger 1: \ ,r . t,
} Vermischtes.
— — 2: J
— — 3: Bücher über Polen, Russland etc.
— — • 4; Naturwissenschaften.
A. Asher & Co*
Berlin und London.
Druck von Albert Lewcnt in Berlin.
E. Abraham ti. Isaak, Ab-bet-din aus tfarbonne.
Ein literarhistorischer Versuch,
Y7on Dr. H. Gross.
In der Beurtheilung R. Abraham b Isaak's aus Nar-
bonne herrscht zwischen den altern und modernen Literar-
historikern eine auffallende Verschiedenheit. Während
jene des Lobes voll sind, so oft sie auf R. Abraham b.
Isaak zu sprechen kommen, sind diese karg und zurück-
haltend in ihrem Lobe, das wie Tadel klingt. Jene
geben nämlich, wie es scheint, nur das Urtheil wieder,
das in dem Zeitalter R. Abraham b. Isaaks gang und gäbe
war, während die modernen Literarhistoriker, den Blick
auf die jüdische Literatur des Mittelalters sowohl in ihrer
Gesammtheit, als in ihrer geschichtlichen Entwickelung
richtend, die zu beurtheilende Persönlichkeit ganz unbe-
fangen nur nach der Stellung beurtheilen, die sie inner-
halb der gesainmten geschichtlichen Entwickelung ein-
nimmt. Von diesem Gesichtspunkte aus betrachtet ver-
liert R. Abraham b. Isaak allerdings an Bedeutung. Er
hat auf keinem Gebiete jüdischen Wissens eine neue Bahn
eingeschlagen; an seinen Namen knüpft sich kein literar-
historisch wichtiges Ereigniss; seine Wirksamkeit blieb auf
das Zeitalter und den Kreis beschränkt, in denen er ge-
lebt und gewirkt hat, aber innerhalb dieses Kreises selbst,
unmittelbar in der Provence, war seine Wirksamkeit von
nicht zu unterschätzender geschichtlicher Bedeutung.
Frank el, Monatsschrift. XVII. 7. ]9
242 R. Abraham b. Isaak,
In der Provence herrschte in der Mitte des zwölften
Jahrhunderts eine ausserordentliche geistige Regsamkeit
das Talmudstudiuni insbesondere nahm einen ungewöhn-
lichen Aufschwung. Der Impuls zu diesem Aufschwünge
kam allerdings einerseits von der nordfranzösischen und
anderseits von der spanischen Schule. Tosafistische Dia-
lektik und Alfasische Systematik reichten hier einander
Ober die Pyrenäen hinüber die Hand zu einem festen
Bunde; aber dieser geistige Bund bedurfte eines Ver-
mittlers. Die Rolle des Vermittlers fiel R. Abraham b.
Isaak zu. Von ihm, dem Haupte der proven^alischen
Schule, ging zum grossen Theile die geistige Regsamkeit
auf talmudischem Gebiete aus. Er hält, es ist wahr, we-
der mit Alfasi noch mit R. Tarn einen Vergleich ans,
aber für die Provence hat er die Bedeutung der beiden
Genannten zugleich. So wahr ist es, dass zuweilen die
Leistungen einer Person bedeutender als diese selbst sein
können.
Die Leistungen R. Abraham b. Isaak's wurden übrigens
bisher bei aller Gerechtigkeit der Beurtheilung l) doch
nicht ganz nach Gebühr gewürdigt, weil man dessen
Schriften nicht genau gekannt hat. Sein bedeutendstes
Werk, der Eschkol, bisher nur aus Ci taten gekannt, wurde
erst vor Kurzem edirt2), desgleichen wurde eine bisher
unbekannte handschriftliche Responsen-Sammlung ange-
funden 8). Wir wollen auf Grund der genannten Hand-
schriften einige Notizen über R. Abraham b. Isaak
geben.
>) Vergl. Grätz, Geschichte der Juden. 6. Band. S. 235.
*) bxWHTl 1DD des R. Abraham b. Isaak Ab-bet-din aus Nar-
bonne ed. Auerbach erster Theil mit Commentar in 4°. Halberstadt
1867. Das Erscheinen des zweiten und dritten Theiles ist angekündigt
•" Im Besitze des H. Horace Günzburg in Paris, des hochherzigen
Beförderers der jüdischen Wissenschaft Herrn Senior Sachs danke
ich für die Freundlichkeit, mit der er mir das genannte Manuscript zur
Benutzung Überliess.
Ab-bet-dia aus Narbonne. 243
I.
R. Abraham b. Isaak blühte im Anfange der zweiten
Hälfte des zwölften Jahrhunderts in Narbonne, einer der
ältesten und im Mittelalter bedeutendsten Gemeinden der
Provence 4). Die Gemeinde von Narbonne besass bedeu-
tende Privilegien und genoss der vollsten Autonomie*).
Ihre glücklichsten Tage fallen in das zwölfte Jahrhundert,
in die Zeit, wo die Provence von freisinnigen Fürsten6)
regiert wurde, welche die unduldsame Kirche in die ge-
bührenden Schranken wiesen. Wie um diese Zeit die Stadt
Narbonne in politischer Beziehung, so nahm die jüdische
Gemeinde in moralischer Beziehung eine hervorragende
Stellung in der Provence ein T). Standen doch an der
Spitze der Gemeinde von Narbonne jüdische Fürsten (Nasi),
die ihre Abstammung vom Könige David ableiteten. Auf
dieselben waren die Blicke Aller um so mehr gerichtet,
4J Vgl. Benjamin von Tudela Itinerarium Anfang. Vgl. Vaissette
Histoire gänlrale de Langnedoc. Vol. I., p. 243, 274, 739 u. a. m.
Im Jahre 476 gab es in Narbonne schon eine beträchtliche jüdische
Gemeinde. Vaissette a. a. 0. Vgl. Grätz, Geschichte der Juden. 5. Bd.
S. 76, 227. Nach einer Sage sollen sich bereits unmittelbar nach der
Zerstörung des zweiten Tempels Juden in Langnedoc niedergelassen
haben. Vgl. Kol-Bo Nr. 18 Abudraham p. 38. Mehreres darüber in
einer nächstens von mir erscheinenden Arbeit über R. Eleasar ans
Worms.
•
*) Vergl. Aristide Guilbert Histoire des villes de France, vol. 6.
p. 407. Les juifs ätaient maitres absolus dans la Ville-neuve. (So
hiess nämlich das jüdische Viertel.) Narbonne devint celebre a cette
epoque par la libertä, dont les juifs y jouissaient. Ich benütze die
Gelegenheit, um aus dem genannten Buche a. a. 0. ferner folgende
Stelle mitzutheilen. Charlemagne divisa sa seigneurie en 3 parties. —
— — — la troisieme fut reserväe aux juifs. Par suite de cette
concession ils se concentrerent dans un quartier de la citä, bati tont
enpres pour enx et qui prit le nom de Ville-neuve — il voulut ainsi
les räcompenser de leur deVoument a sa cause.
•) Besonders hervorgehoben wird die weise Regierung der Für-
stin Ermengarde um 1148. Histoire des villes de France a. a. 0.
T) Das. Narbonne devint donc le centre d'Israel dispersa et desote.
19*
244 R. Abraham b. Isaak,
als sie sowohl durch ihre hohe Abstammung als durch
ihren Reichthum und ihre Gelehrsamkeit in gleicher Weise
hervorragten und sich durch ihr hohes Ansehen bei den
politischen Machthaber!), sowie durch ihre lebhafte Theil-
nahme für ihre Glaubensbrüder in hohem Grade aus-
zeichneten. Ein alter Chronist nennt sie sogar Exilarchen,
woraus wenigstens hervorgeht, dass ihr Einfluss sich über
das Narbonnensische Gebiet hinaus erstreckt hat8). Durch
sie ward Karbonne gewissermassen der Vorort für die
provengalischen Juden.
Unter diesen Verbältnissen war die Stellung eines Ab-
be t-din oder Oberrichters in Narbonne bedeutender und
einflussreicher als gewöhnlich anderwärts. Der Ab-bet-
din stand an der Spitze eines aus fünf9) Mitgliedern be-
stehenden Rabbinatscollegiums, dem die gesammte Juris-
diction oblag.
Um die Mitte des zwölften Jahrhunderts bekleidete
R. Abraham b. Isaak10) dies letztere Amt, welches mit
seiner Persönlichkeit und seinem Namen so innig ver-
bunden war, dass er von seinen Zeitgenossen wie von
Spätem oft schlechthin R. Abraham Ab-bet-din, oder blos
R. Ab-bet-din11) genannt wurde — ein Beweis, dass er
die Eigenschaften, welche das von ibm während einer
langen Dauer bekleidete Amt voraussetzte, in vollem Um-
fange besass ia). Der Grundzug seines Charakters, durch
den er sich wesentlich von seinem Schwiegersohne13) R.
Abraham b. David aus Pasqutäres unterscheidet, ist eine
8) Ueber die Nesiim von Narbonne v; Iuchaein ed Filipowski p. 84.
Benjamin von Tudela a. a. 0. Vergl. Grätz a. a. 0.
•) Folgt aus einer Stelle im monnn "JDD Pforte 14. Tlieil 5. Ein
Gutachten aus Narbonne in Maimuni's Briefsammlung p. 66> trägt sechs
Unterschriften, nämlich ausser der Unterschrift des Rabbinatflcollegiums
die des Nasi.
10) Meiri Einleitung zu Abot ed. Stern p. 17. luchasin a. a. 0.
I!) So oft im Temim Denn und bei Salomo b. Aderet.
12) Sefer ha-Terummot 45, 1 "DVin DD^DH *?)) atWI BEWD tyrh
pniP "Q. Dies Epitheton legt ihm Serachja Gerundi bei.
'*) Vergl. weiter.
Ab-bet-din aus Narbonne. 245
ungemeine Bescheidenheit, verbunden mit einer durchaus
zur Versöhnung hinneigenden Natur.
In der Bekämpfung und Widerlegung entgegenstehen-
der Ansichten zeigt er ferner eine bewunderungswürdige
Ruhe und eine Mässigung, die von der Heftigkeit meh-
rerer seiner provenpalischen Zeitgenossen ausserordentlich
absticht. Der Adel seiner Gesinnung spricht sich beson-
ders in seinem Briefe an einen seiner Jünger, einen ge-
wissen Joseph b. Chen, aus: „Wer kein Gesetzeskundiger
ist, sagt der Talmud ,4), darf nicht damit stolz thun, dass
er beim Gebete den Betmantel anlegt, den nur Gesetzes-
kundige anzulegen pflegen". Diese Stelle deutet er nun
dahin: Der Mensch darf seinen Charakter nicht bemän-
teln, er darf das Gute nicht bloss deshalb üben, um sich
vor seinen Nebenmenschen den Schein eines Tugendhaften
zu geben, sondern die Tugend, die er übt, muss der wahre
Ausdruck seiner Gesinnung sein. Der Mensch muss vor
Allem sich selbst gleich sein '*). — R. Abraham b. Isaak
zeichnete sich aber vor Allem durch seine umfassende
talmudische Gelehrsamkeit aus; er galt als rabbinische
Autorität16) in einem Kreise, in dem mehrere hervorra-
gende Gelehrte waren, die von völlig unparteiischen Zeit-
genossen hochgepriesen wurden. Narbonne war nämlich
der Sitz einer alten talmudischen Hochschule17), deren
Gründer R. Machir18), der Urahn des Narbonnensischen
Fürstengeschlechtes, war, der unter Karl dem Grossen ein-
gewandert sein soll. R. Moses ha-Darschen, der um die
Mitte des elften Jahrhunderts blühte19), gab der alten
14 ) B. Batra p. 98a.
J*) Responsen-Sammhing ms. Nr. 488.
>•) Iuchasin a. a. 0. und 217 dm *?$ Wvn Hin Y'3N QTON n
vgl. das. 220. lleiri a. a. 0.
*r) Meiri a. a. 0. Benjamin von Tudela a. a. 0. T»y KVl fttDTJ
ahm amn roi rrarwn hob min Nun ruooi irnrh nonp.
ls) Iuchasin p. 84.
|9) Vergl. |lapoport Toldot R. Nathan Bicure ha-ittiin 10. p. 47.
Anna, 47.
246 R. Abraham b. Isaak,
Hochschule einen neuen Aufschwung, in derselben Zeit,
in der die Hochschule von Sura und Pumbadita in Ver-
fall gedeihen. Die Reihenfolge*0) der Gesetzeslehrer vor
Narbonne seit R. Moses ha Darschen dürfte folgende sein:
R. Moses der Demüthige'21), R. Isaak b. Merwan halewi,
dessen Brudersohn R. Moses b. Joseph und R. Abraham
b. Isaak. Letzterer gilt allgemein2'2) als das bedeutendste
Oberhaupt der Hochschule nach R. Moses ha- Darschen.
Er brachte durch seine ausgebreitete talmudische Gelehr-
samkeit, wie durch seine achtunggebietende Persönlichkeit
die Hochschule zur Blüthe und machte Narbonne zum
Mittelpunkte des Talniudstudiums in der Provence23). Die
Hochschule von Narbonne stand in so hohem Ansehen,
dass man sie in überschwenglicher Weise den ehemaligen
Schulen von Babylonien gleichstellte24). Ihr Einfluss
reichte in Wahrheit nicht über die Provence hinaus2*).
Wenn es um die Mitte des zwölften Jahrhunderts Pflanz-
statten talmudischen Wissens gab, welche mit den ehe-
maligen Lehrhäusern von Sura und Pumbadita verglichen
*°) Dieselbe ist in Iuchasin a, a. 0. nicht beachtet; daher die
ConfusioD, die an dieser Stelle herrscht.
11 ) Diese Bezeichnung ist Familienname. Vergl. Reifman Mono«
graphie Serachja Gerundi's. So führte zum Beispiel Zidkia b. Abra-
ham, der Verfasser des Schibbule ha-leket, der Ende des dreizehnten.
Jahrhunderts blühte, denselben Familiennamen. Vergl. Schibbule ha-
leket II. Theil ms. der Günzb. Bibliothek. R. Moses der Demüthige
ist gewiss identisch mit dem von Nathan b. Jechiel Aruch sub voce
TJ citirten apjp NJ1D p rmtn IWO TWÜ '1 vgl. das. sub voce IpIDK
citirt. XTDTti p y*2H 13 Ht^D 13 3pJT 13 HtPO "1. Vgl. Rapoport
Told. R. Nathan a. a. 0. Anm. 35. Rapoport identificirt mit Unrecht
den genannten R. Moses b. Jacob mit R. Moses Hadarschan, der unter
der letzteren Bezeichnung sehr oft von Aruch citirt wird.
••) Iuchasin und Meiri a. a. 0.
••) Benjamin von Tudela a. a. 0.
94 ) Iuchasin p, 84.
•>) Vergl. Mefiri a. a. 0. mDDIlDD r»OV mütn p)K2 Dt* VH k!>
Ab-bet-din aus Narbonne. 247
werden konnten, so waren es vielleicht Lucena in Spanien,
wo Ibn Migasch, der bedeutendste Jünger Alfassi's lehrte,
oder Ramerü in Nordfrankreich, der Hauptsitz der Tossa-
fisten. Narbonne nahm den genannten beiden Schulen
gegenüber eine untergeordnete Stellung ein; R. Abraham
b. Isaak selbst, das Haupt der provenfalischen Schule
lauschte mit der Miene eines Jüngers auf die Aussprüche
der nordfranzösischen und spanischen Autoritäten. Ori-
ginalität war überhaupt nicht die starke Seite der Nar-
bonnensischen Gelehrten, aber sie zeichneten sich vor ihren
nordfranzösischen Zeitgenossen durch eine vielseitige Bil-
dung in hohem Grade aus. Narbonne war der Hauptsitz
der jüdisch spanischen Cultur in Frankreich.
Joseph b. Isaak, der Stammvater der Eimchiden 26),
der zuerst in der Provence den Sinn für hebräisch-gram-
matische Studien und für eine rationelle Auslegung der
Bibel weckte, lebte in Narbonne und war ein Zeitgenosse
R. Abraham b. Isaak's.
R. Meschullam b. Jacob aus Lünel, auf dessen Anre-
gung arabisch - philosophische Schriften in's Hebräische
übersetzt wurden und der selbst mehrere moralphiloso-
phische Schriften verfasste27), war ein intimer Freund
R. Abraham b. Isaak's und war, wie die meisten Gelehr-
ten von Lünel, die sich durch ihre freiere Geistesrichtung
auszeichneten, aus der Narbonnensischen Schule hervor-
gegangena8).
Serachja Gerundi, welcher mit ungewöhnlich tiefem tal-
mudischen Wissen philosophische Bildung und Eenntniss
des Arabischen verband29), war ein Jünger R. Abraham
b. Isaak's oder jedenfalls aus der Narbonnensischen Schule
••) Geiger Ozar Nechmad. I. p. 97 ff.
tr) Ibn Tibbon Einleitung zur Uebersetzung von Bachja's Chobot
ha-lelabot.
■•) Iachasin p. 84 ÜtV&ü Hlff h^yf? *»DDn.
99 ) Vergl. Reifmann Monographie des Serachja Gerundi. Grätz'
Geschichte. 6. Band. S. 232.
248 R. Abraham b. Isaak,
hervorgegangen. Bei diesem Geiste, der in dem Narbon-
nensischen Gelehrtenkreise herrschte, lässt sich mit einiger
Wahrscheinlichkeit voraussetzen, dass R. Abraham b. Isaak,
obwohl nicht eingeweiht in die jüdisch -spanische Cultnr,
doch keine feindselige Stellung gegen dieselbe eingenom-
men habe. Ja er scheint sogar einige Eenntniss des Ara-
bischen besessen zu haben, wenn anders dies daraus ge-
schlossen werden darf, dass er auf eine an ihn gerichtete
Anfrage mehrere talmudische Ausdrücke nach dem Ara-
bischen erklärte10).
IL
Der Narbonnensische Gelehrtenkreis zeichnete sich, wie
gesagt, durch seine Vielseitigkeit aus. Er ersetzte dadurch
gewissermassen seinen Mangel an Selbstständigkeit; denn
wie er einerseits in keinem einzigen Zweige jüdischen
Wissens im eigentlichen Sinne bahnbrechend war, so gab
es andererseits keinen einzigen Wissenszweig, der nicht
in seiner Mitte die sorgsamste Pflege gefunden hätte.
Narbonne bildete in dieser Beziehung das verbindende
Mittelglied zwischen der nordfranzösischen und spanischen
Schule. Hier berührten einander die Extreme. Philosophie
und Mystik, Agada und rationelle Exegese, Dichtung und
Talmud, mit einem Worte, die verschiedensten Richtungen
des jüdischen Geistes fanden in Narbonne ihre Vertreter.
R. Abraham b. Isaak vertritt in diesem Kreise die streng-
,0) Hesponsen-Sammlung ms. Nr. 480. Ich theiLe die Erklärungen
nicht mit, da sie eich eämmtlich im Aruch Nathan h. Jechiei's wieder*
finden. R. Abraham b. Isaak hat sie jedoch schwerlich dem Aruch
Nathan b. Jechiel's entlehnt, da er ihn nicht nennt und er es sonst
niemals unterlägst, die Quelle anzugeben. Der Aruch, der um 1101
vollendet wurde, war um 1130 — 40, in welche Zeit eben das genannte
Responsum fällt, vielleicht noch nicht bekannt in Narbonne, wenn er
auch in Nordfrankreich bekannt war. Zwischen den jüdischen Ge-
lehrten Nordfrankreichs und Italiens war vermittelst Deutschlands der
literarische Verkehr grösser als zwischen Nord- und Südfrankreich.
Vgl. Ozar Nechmad I. Jahrgang, p. 107.
Ab-bet-din aus Narboone. 249
talmudische Richtung. Auf diesem Gebiete ist auch nur
seine Stärke zu suchen; er ist der Hauptträger des tal-
madischen Wissens in der Provence in der Mitte den
zwölften Jahrhunderts. Er verfasste zahlreiche talmudische
Werke; das bedeutendste, der Eschkol, ist ein halachischer
Codex, der das gesammte rituelle Gebiet mit Ausschluss
des civil- und eherechtlichen Theiles umfasst11).
R. Abraham b. Isaak nahm sich in diesem Werke Al-
fasi zum Muster82), von dem er mit sehr grosser Ver-
ehrung spricht "). Er folgt ihm auf Schritt und Tritt, er-
reicht ihn aber weder an Originalität noch an Tiefe der
Auffassung. Der Eschkol hat aber den Vorzug vor den
Halachot AUasi's, das? er den gesammten Stoff ib über-
sichtlicher Weise nach Materien ordnet. Der Jerusale-
Jnische Talmud34) einerseits und die Aussprüche der gao-
näischen Autoritäten anderseits sind ferner mehr als bei
Alfasi berücksichtigt. Ueberdies werden mehrere Partien,
in denen sich Alfasi nur kurz gefasst hat, ausführlicher
behandelt36).
Der Verfasser hat bei der Redaction seines Werkes,
ausser den Halachot Alfasi's ganz besonders die hala-
*') Vergl. Isaak de Lates Seh aar e Ziou Einleitung. Abschrift des
Oxforder Manuscript's im Besitze von S. Sachs. DiTUK 3"l 7W! 31H
dhdi j>ddi Ton jn awtej üft\ onon "nn iwh vi rra 2h pnsr 12
blOVHn "1DD vgl Iuchasira p. 84 ffHOD TWV T3N DTTON "1
rohn pDDDI KnTD3 pDD ho ~)N:£ mm. Vergl. Asulai Sehern ha-
gedolim ed Ben-Jacob I. N Nr. 10.
•*) Vgl. Auerbach, Einleitung zum Esehkol.
•») Vgl. Sefer ha-terumtnot Pforte 96, Theil 2. f2 UWI D'ODJ "pK
ra TN n^ ponoKi ixdd pDD xh V'? TiKanprw "V-in gn o^nn onn
•piDD^ ro
M) Vgl. Alfasi Ende Erubin vergl. Rapoport Ricure ha-ittim XII.
p. 65.
W) Eschkol p. 70: T1DK ph TTO »Hl 1ND "lÄp h") pTVP '1 )MCTi
250 R. Abraham b. Isaak,
einsehen Sammelwerke von Simon Kairo, Jehndai Gaon36),
Isaak ibn Giat8T) und Jehuda b. Barsilai*8) zu Rathe ge-
zogen. Wir begegnen deren Deeisionen fast auf jeder
Seite des Eschkol, wir haben es also durehaus mit keiner
neuen Schöpfung zu thun; aber es muss anerkannt wer-
den, dass der Verfasser die früheren halaehischen Sam-
melwerke in vielfacher Beziehung, in Form wie in Inhalt,
vervollständigt hat. Er ist jedenfalls der erste bedeutende
französische Codificator und hat auf die spätere Codifi-
cation der Halacha einigen Einfluss geübt. Der Orchot
Chajim*8) desR. Ahron ha-cohen aus Lünel, der Kol-Bo*9),
Menachem Recanati in den Deeisionen40), Schibbule ha-
leket41) des Zidkia b. Abraham und Moses aus Coucy4*)
bringen längere Auszüge aus dem Eschkol. Die anderen
Codices48) citiren ihn seltener. Durch den Jad ha-cha-
saka Maimunis44) und den Tur R. Jacob b. Ascher 's
■•) Halachot Gedolot und Halachot Pesukot werden als zwei ver-
schiedene Werke citirt. Der Behag lag ihm also noch nicht in seiner
gegenwärtigen Verfassung vor. Vergl. Auerbachs Commentar znm
Eschkol p. 3. Kerem Chemed. 6. Band. p. 236. Ausser Jehudai
Gaon werden, abfr seltener, die meisten Gaonim citirt.
") Eschkol p. 10, 33 u. a. m. Vergl. Halachot des R. Isaak ibn
Giat ed. Bamberger Einleitung p. 4.
■•) Meistens schlechthin Halachot des R. Jehuda b. Barsilai und
Eschkol p. 2, 64 u. a. m.
••) Einleitung zum Eschkol p. 6.
••) Der selbst dem Orchot Chajim zu Grunde liegt.
40) Vergl. Zunz' Analekten in Geigers Zeitschrift 1836. 2. Band-
p. 308.
4 •) Nr. 2, 3, 15 und weiter.
") y'DD Nr. 231, 248.
4>) Joseph Karo hat ihn bei der Redaction des Bet Joseph nicht
vor sich gehabt. Vgl. Vorrede zum Bet Joseph; er kannte ihn nur
aus Citaten, daher ist es erklärlich, dass zuweilen Stellen aus dem
Eschkot citirt werden, die sich daselbst nicht vorfinden. Vgl. Bet.
Joseph Nr. 39. Vgl. Einleitung zum Eschkol.
") Die Glossen des R. Meir ha-cohen zu Maimuni citiren oft den
Eschkol unter der Bezeichnung TKD\ Vergl. Hilchot Jörn tob VII:
Ab-bet-din aus Narbonne. 251
wurde er verdunkelt und fiel allmälig der Vergessenheit
anheim.
III.
Gehen wir zu einer anderen literarischen Thätigkeit,
zu den Responsen über, in denen R. Abraham b. Isaak
eine weit grössere Selbstständigkeit, als im Eschkol, ent-
faltet Galt es ja in den Responsen, nicht bloss den ge-
gebenen Stoff zu systematisiren und aus dem Bekannten
das für die Praxis Geltende herauszuheben, sondern die
Entscheidungen für völlig neue Fälle aus den vorhandenen
gesetzlichen Bestimmungen abzuleiten. In diesen letzteren
oft complicirten gedanklichen Operationen zeigt R. Abra-
ham Tiefe und Schärfe der Auffassung und eine grosse
Klarheit in der Motivirung seiner Entscheidungen. Er
galt als rabbinische Autorität, von allen Seiten ergingen
daher Anfragen an ihn über schwierige religiös praktische
Fälle, seine literarische Thätigkeit war nach dieser Seite
hin eine ungemein fruchtbare. Die meisten seiner Respon-
sen sind uns verloren gegangen, doch ist die Zahl derer,
die sich erhalten haben, noch immer beträchtlich genug,
um ihm in einer Geschichte der Responsen -Literatur ei-
nen besonderen Platz anzuweisen46). Wir wollen einige
Proben seiner Responsen geben.
Die Maimunische Briefsammlung46) bringt ein Gut-
achten des Narbonnensischen Rabbinatscollegium's unter
T3N DfraN '") 5>ß> TCO TW2D p\. Diese Stelle verleitete Carmoty
dazu R. Abraham b. Isaak ein besonderes Werk Namens Jesod zuzu-
schreiben; vergl. Carmoly ^eotP1 ^rü rmnt? p. 87. Allein TO'1 be-
deutet hier bloss Compendium; vergl. Raschi 5 M. 21, 14. ^{p TOD'D
p TTVet? )\tmn TW® '1 vgl. 4. M. 15, 41. u. a. m. Vgl. Aschen Pe-
sachim IL DD^N ,m\ T1D\
**) ^gl« Frankel, Geschichte der Literatur der nachtalmudischen
Responsen. Breslau 1865. p. 31.
4t) Ü2üir\ TTtiH ed. Ven. p. 66. Vergl. Kol-Bo Anfang Maimuni
respondirt in demselben Sinne, vgl. Peer ha-dor. p. 64. Vgl. iriD
pnSP ed. Lyck Buchstabe D p. 155 a. Das Gutachten tragt folgende
sechs Unterschriften: Todros b. Moses, Abraham b. Isaak, Moses b.
Joseph, Meschullam b. Nathan, Meir b. Jacob, Moses b. Todros. Vgl.
weiter.
J
352 B. Abraham b. Isaak,
(fem Vorsitze R. Abraham b. Isoak's. Auf die Anfrage,
ob man in Ermangelung einer vorschriftsmässigen Gesetzes-
rolle am Sabbat aus einem Fentateuch, (das heisst47) aus
einer fimftbeiligen Gesetzesrolle) den Wochenabschnitt
vorlesen dürfe, laptet die Aqtwort bejahend, da ja unsere
Gesetzesrollen, was die Zubereitung des Pergaments be-
trifft, ohnedies den vorgeschriebenen Gesetzen nicht ganz
entsprechen.
Das unter dem Kamen Temim Dein* bekannte hala-
chiscbe Sammelwerk bringt ausser einigen längeren Aus
zögen aus dem JSschkol mehrere Responsen48) R. Abra-
ham b. Isaaks. Wir heben Folgendes49) hervor: Jemand
legte auf die Nachricht von dem Tode seiner Schwester
A. Trauer an, nach Ablauf der siebentägigen Trauerzeit
erfahrt gr, dass nicht seine Schwester A,, sondern B. ge-
storben sei; muss er nun, da er um eine Lebende ge-
trauert habe, die siebentägige Trauer um die wirklich
Verstorbene von Neuem antreten? Der Bescheid lautet
dahin, dass er seiner Pflicht vollständig genügt habe, der
Talmud50), heiast es in der Motivirung, bietet in Betreff
de$ an den Kleidern anzubringenden T*auerzeiche»s eine
Analogie dar.
Das Sefer ha-teruminotM) bringt mehrere civürecbk
liehe Responsen R. Abraham's, welche, was ihren Werth
betrifft, den Responsen Alfasi's oder Ibn Migasch an
die Seite gesetzt zu werden verdienen. Folgendes Re-
sponsum62) als Beispiel: A. fordert von B. und C. die
Rückerstattung einer Summe, welche er beiden zusammen
als Darlehen gegeben hat. B. läugnet das Darlehen ab,
während C. die Schuldforderung sowohl seinerseits als in
") Vergl. Kol-Bo, Ende.
*a) Temim Deün Nr. 79, 128, 140, 195—199. Vgl. Frankel a. a. 0.
«•) Das. Nr. 128.
»°) Nedarim p. 87, vgl. Isaak ibn Giat ed. Bamberger. p. ä4.
61 ) Verfasser R. Baruch b. Samuel Pforte 2. Theil 1. 9, 10. 26,3.
35, 25 ff. 36,3. 38,3. :;9, 2. 46,2.
M) Das. 45, 3.
Ah-bet-din aus Narbonne. 853
Betreff von B, als richtig anerkennt. Hat nun C, der
doch selbst in der Sache interessirt ist, die Geltung eines
Zeugen, so dass auf dessen Aussage B. einen Eid leisten
muss?
Ein anderer Fall. A. stellt eine ähnliche Forderung
an B., C. und D. zugleich. B. läugnet, während C. und
D. sowohl ihrerseits als in Betreff von B. die Forderung
als richtig anerkennen. Haben nun C. und D. im vorlie-
genden Falle die Geltung zweier Zeugen, so dass auf
deren betreffende Aussage B. zur Zahlung des auf ihn
entfallenden Theiles angehalten werden kann? Die Ant-
wort lautet dahin, dass B. weder im ersten Falle zur Ei-
desleistung, fioch im zweiten Falle zur Zahlung angehalten
werden kann, denn im ersten Falle werden B. und C*,
im zweiten Falle B., C. und D., insofern sie angeblich
zusammen die geforderte Summe als Darleben erhalten
haben, als gegenseitige Bürgen betrachtet, können also
schon aus diesem Grunde nicht als Zeugen gegeneinander
fungiren.
Wir wenden uns nun zur händschriftlichen Responsen-
Sammlung. Dieselbe68) besteht aus zwei Abtheilungen,
erstens aus Responsen an R. Joseph b. Chen54) und
zweitens an R. Meschullan b. Jacob aus Lünel**). Ein
Theil66) der Responsen ist an einen Anonymen gerichtet,
der jedoch wahrscheinlich kein Anderer als R. Meschullam
ftl) Die Sammlang, Theil eines umfangreichen meist gaonäische
Responsen enthaltenden Codex, hat auf 92 Seiten kl. Folio 311 Num-
mern d. h. Nr. 414 — 725. Die meisten Nummern bringen je ein Rc-
sponsum, manche jedoch nur Theil e eines Responsums oder mehrere
Responsen zugleich. Die Sammlung enthält ferner blosse Auszüge aus
fremden Auturen.
M) Nr. 414—515. iwnty W? ühidh '"i ~i"in p nfonw noitwi
p ")"3 FpV1 '~\h über den Namen vgl. weiter.
••) Nr. 719 — 725. pnW "lw3 D.TDN 'l 2VI ZWH nCWnn l^N ho
66 ) Nr. 515—719. *yiH*? ^'1 CSlTOH H 31H rt?W Halb) ]X2Ü &X fe
— S2X
254 R. Abraham b. Isaak,
b. Jacob selbst ist, von dessen Sohne Ascher, wie es
scheint, die Sammlung, wenigstens theilweise angelegt
ist07). Die Responsen, zumeist rituellen Inhalts, sind
nicht geordnet, sondern bunt durcheinander geworfen.
Sie tragen ihrer Form, wie ihrem Wesen nach das Ge-
präge der gaonäischen Responsen68), mit denen sie unter-
mengt sind; zuweilen jedoch sind sie weitschweifig und
ohne Präcision. Sehr viele sind fragmentarisch und lücken-
haft. Die Ausbeute ist in literarhistorischer Beziehung
ergiebiger als in halachisch-sachlicher Beziehung. Für die
Echtheit der Sammlung spricht unter Anderem die wört-
liche Uebereinstimmung eines seiner Responsen mit einem
im Temim Defrn demselben Verfasser zugeschriebenen
Responsums69). Wir heben folgende Responsen hervor.
Jemand ist durch irgend einen Umstand verhindert, in
die Synagoge während einer gottesdienstlichen Verrich-
tung einzutreten. Genügt er seiner Pflicht vollständig,
wenn er im Vorhofe der Synagoge stehen bleibt und von
da aus an der gottesdienstlichen Verrichtung Theil nimmt50)?
Die Antwort lautet bejahend, denn „zwischen Gott und
Israel seinem Volke, heisst es, gibt es keine Scheide-
wand61).'-4 Der im Vorhofe der Synagoge Betende, wird
anderwärts •*) respondirt, kann jedoch die zu einer gottes-
dienstlichen Verrichtung erforderliche Zahl nicht ergänzen.
R. Abraham b. Isaak wird angefragt: Jemand will sich
von seiner Frau nach zehnjähriger kinderloser Ehe schei-
iT) Vermuthung von S. Sachs. Vgl. Responsen der Gaonim ed.
Lyck, Einleitung. Der Herausgeber hat, wie aus seiner Beschreibung
folgt, eine der uns vorliegenden ähnliche handschriftliche Sammlung
gesehen, mit erklärenden Zusätzen von R. Ascher aus Lünel.
") Zum grössten Theile bereits bekannt.
••) Ms. Nr. 479 Temim Dei'm Nr. 140 ygl. das. Nr. 142.
•°) Berachot p. 6 a nWDPI XXÜ2 N^N nj/DBO DIN hw tf^Dn fW
vgl. das. b. PDJDn HD nvw.
61 ) Nr. 496. vgl. Pesachim p. 85. Haimuni respondirt in demsel-
ben Sinne. Vgl. Peer ha-dor. Nr. 150.
••) Ms. Nr. 485 vgl. Tosafot Pesachim a. a. O.
Ab-bet-din aus Narbonne. 255
den, aber er ist nicht in der Lage, seiner Frau die Ketuba
(donatio propter nuptias) auszuzahlen, kann nun die Frau,
die doch sonst zur Scheidung gezwungen werden kann,
darauf bestehen, dass ihr die Ketuba vor der Scheidung
ausgezahlt werde, oder findet die Scheidung ohne vorher-
gehende Auszahlung statt, da ja der Manu nach talmudi-
scher Vorschrift zu dieser Scheidung moralisch verpflichtet
ist? Die Antwort lautet dahin, dass, insofern die Schei-
dung vom Willen des Mannes ausgeht, die Frau darauf
bestehen kann, dass ihr die Ketuba vor der Scheidung
ausgezahlt werde68).
(Schluss folgt.)
David Cohen de lara's rabbinisches Lexicon
Kheter KhehunnaL
Ein Beitrag zur Geschichte der rabbinischen Lexicographie.
Von Dr. J. Perles.
(Schlaft«.)
Von seinen eigenen Schriften erwähnt de Lara in einer kur-
zen Uebersicht am Schlüsse des IWD TD und an zerstreuten
Stellen des Werkes:
1) *m ~py, das bereits oben (Anm. 1) besprochen wurde.
2) )W miSlD, ein Nachtrag zu dem vorhergehenden Werke, ist
wie alle folgenden Schriften ungedruckt: ")p^/ ^y 1lDyi> mmm
' ns>o hx "w irrKJttDi \m5nn rrnyi rrnrw mm rrnajn rwrn rban
dn larh titjt ton ]r« miÄö Sw nn vy iDt? wip tok
.(NJVD3N) \J? noan wy int otq yhn mhn cw*
•») Ms. Nr. 721-722 vgl. Jebamot p. 64 a. Ein ähnlicher Bescheid
bei Natronai Gaon in Schaaere Zedek II. Kr. 25. bei Joseph ibn
Abitar, citirt von Frankel Geschichte der Literatur der nachtalmudischen
Responsen p. 17.
256 David Cohen de Lara's
"D i? *roi "OD>-ai> npn ahm nntn rbvn *ra ironro im
3tFi umn o^iyo p« pjw ni> mann Niion 1^11 n-n»ü ncru
.(o^p ma ^jdk) yA
Vgl. noch "pN , ^pJlN , JOTN und piDDK.
3) TH KDD oder Adagia rabbinica, «ine Sammlung rabbinischer
Sprichwörter.
4) in !V3 oder Nomenolator, ein Reallexicon zum Talmud, des*
sen Ausarbeitung ihn zwölf Jahre beschäftigte (Vorrede zu
Jr. David) V+tTH l^pff ni^n *W ""^ n,,:3 p,nD0 DV nn TO
orA imo ton rnhan tidi onnh fo5> mo* ot? mm (index)
wn ny vhdd rrru *<h roru n$> ton na •ntrip^ou. (Schluss-
wort zu ruiro iro).
Von der Anordnung dieser Schritt kann man sich aus
den folgenden Hinweisen einen Begriff machen :
ww£ wv dtowi \-&n nitD^pJDüfi kw Ynarw nn rva mra
— .(itr>) r& fwi bai nnm yoya wron man bin tuä
— .qnDfo) *m rra nana "py renn cwd (cwtjO uöö &*i
draor nN KB^fn onix njr& totj man *a\ rann ow wo r»
uap1 •»d ton man* "ntÄpmw bt nj rrno *rp rmo ttid» ty
T»w "»mam ■£ ins raapJ op "o pw m Hin ^ *m rra obq
- .(m)
^ nit^pwüa vr cu rao* nhn anon rcm onon bot vn
— (bqi)
rrai Tnaiw 'oa ircAnai pro ■£ tudb ife (nun) ravi »* yn
— .(ruro idb> in
— .(n^n) in rv3 ^ nb/proua crBniDDi onaw jwin wi
.(DD"») DmaBnD^ oniDBo woti nn rra ^t? -mÄpwjai «p o"1
Vgl. besonders Fp} 1 (oben Anm. 4).
5) ruiriD ^PTID oder Florilegium ('Vtf^n^B), eine Sammlung ethi-
scher Sentenzen.
6) 21 "1B1N, ein Glossar der von den rabbinischen Schriftstellern
der nachtalmudischen Zeit gebrauchten arabischen und son-
stigen termini technici. Vgl. Schlusswort und "pü : DN *)t0
"©a (oa'D-i) Hin mnv ytan rhu non no ynx «n n fo t^vo
«ra vdj tw i»an umc >awn nup i^tr nptnn -n mwon Sp
.an laiN to» rw ^nNnpi ian^ trorv
rabbinisches Lexicon Khetec, Khehuanab. 257
7) in i>nKr rabbinische Synonymik (NjTO^n ND^JU'D). Wolf b.
hebr. I, 319 und III, 199 schreibt falsch -ßftD WlX und iden-
tificirt es irrthümlicher Weise mit dem Nomenciator tn IT3.
8) nmnio nnDN: ipoWiNh mno d'^ (n"d nana) prw hnü
nrnritD htion nnrn ">di pnn üdo npnw 4>d pn d"*»i - pr^n
9) inV h^Wü: (mancus) D^pjD 'i>3 yopn («Tb T"D HOTS) fcttö
vtvtjw iy pnyrA fev» *6* tm crfcn "jinrin kiti faio btnd o"irn
t>3 omn iwtd *o rm. tjdjh 4k man p San n* Swh*
.(kr) •fo* nn^ ^dvd
Da de Lara die Schriften 8 und 9 bloss ein einziges Mal ge-
legentlich erwähnt und sie in das Verzeichniss seiner Schriften
im Schlussworte zu ?OTD ~U"D nicht aufgenommen hat, so werden
dieselben bei Wolf nicht angeführt.
De Lara's Commentar zu dem bekannten Räthsel Ibn Esra's :
TT! "»"Ol und seine spanischen Uebersetzungen rabbinisch«-ethischer
Schriften (vgl. Wolf I, ai8— 19; III, 198—99) werden im fWü TD
nicht erwähnt.
Ein Blick auf das Verzeichniss der von de Lara benutzten
Schriften zeigt, dass demselben eine für jene Zeiten nicht zu
unterschätzende Kenntniss des classischen Alterthums und der
philologischen Literatur zu Gebote stand. Die von seinen Zeit-
genossen, den holländischen Philologen, bei den philologischen
Studien geübte kritische Methode war ihm wohl bekannt und
wurde von ihm auf die rabbinischen Studien übertragen. Er
beruhigt sich nicht bei den vorhandenen Drucken, sondern be-
fragt die Handschriften und bemüht sich durch Collationirung
der an verschiedenen Stellen sich wiederholenden Texte oder
durch eigene Conjecturen den Text sicher zu stellen. Sein
Werk bietet hierfür fast auf jeder Seite Belege; ich lasse bei-
spielsweise einige folgen:
*mpn pin htm • noNun D'osn aira (fj\ ifh &"> 'd Ta) rvaa«
mfooi mm am 'o fo^ "w* D1Enn nwnou hn "p5> rwn ht<
nwcrvin wontwi unoon i^pnj ~r? cü DVTODm DWiDn
nnio mm lw enna hy tdjw *d t^o Miran ufcy lmyrui
nnw y^yn *?yi |iwn o*03n wh -j^n 3-ipm nnan
.^ru'npV wn "o Won m i? low) D*p"non
F r a n k e 1, Honatuchrift. XVII. 7. 20
258 David Cohen de Lara's
• düH3k (') N"fr tfafraa) D^oaD« a"oai catnattn w) dumn
•im on t) ifr yn nrwi • • # • Hin Dionn fripfrp rn mai m nnx
wjn iw ^ppn irppnm 'b nw wir iparr vrrwa bto i«wa
VT1D3 D^ai yn* Wl T31T1D TßjnD (dass U oft zu & ver-
schrieben wird).
#jd viw rot ^ iwon uofr yrw nyoio idd (a^ 'D i"a) DipnjN
«fr fu ofr *mpm • anfrro NDiaxa Tonn lfr mp laai 'na *uk
nown . tna *fr jtw b^ni moi Tyn it? ittnoon in • ynna rwy
n*an awn o nai udot lai am jwid uujn 'na Kin td pram
(&&«<*) lai pom vp^w Toan rnaifr pD C'n 'T mn 'nD:i)
afri Ti«wn ^nW Km rbnri foy Kraofr uyun mono noai • • • • am
•••• wn wo ^a yn*o t ana idd »fr 'n mpn ^a ny "»fr rw
•hwo 'o rwyji im on lparm o d^dn a'to 0"e> natn '«TP) i^un
^"a iain p *<fri ^ian 'aa diu juöm onfrin mdk3 wy
nw mw ^d run ny tno wfri • • • • (vomer) la tqq wm
nfron* — Diese Emendation bezieht sich auf die Stelle
jerus. Sabbat c.VI: (Micha 4, 3; Jes.2,4) Dretfr Omain WirQ)
•f»flch nnoiDfr arrnrrorn "pü^fr
Aruch s. v. y«V3N liest statt "püttfr : "p^aNfr, De Lara emen-
dirt durch Auflösung das tD in l + J des "pöN in *pl3K, das er für
(?wg Swij, Pflugschar hält. Auch die Les-Art des Aruch y*ÜN
passt zur Erklärung der Stelle. I. Sam. 13, 21, wo gleichfalls
von DTIN die Rede ist, übersetzt die Peschittho J&Q^J und nach
Bar Bahlul bei Bernstein lex. linguae syr. s. v. bedeutet das
Wort: rallum, baculus s. instrumentum ligneum ferro munitum,
quo vomer tergetur a terra adhaerente.
frian fa xd armaüiDN v* s^np (i"d i mwna v'n) Km^öiDK
rm»K uoyi oiwp im D'npn man^a pi 'im 'an ya
•p^niDN Nim no nai 1a yuanfr invo oipoi
Lewy (chald. Lex. KTnUDTDN) schreibt noch: „Stw. wahr-
scheinlich änotstvco, ausdehnen, aufspannen (!), möglich = pTlIDN.*1
mn rvywo mdiu • ^ktü frua (a'"> n"fr mya*) ti rrao 'n frn 9
•o fTn riK oppfry imfr o^Tny ifrpfrpi^ own dvp^di D'o^DTom
pm it "b «n^fr troann p crai p D^ofry ^ßfr frreoo um
rabbinisches Lexicon Kheter Khehunnah. 259
maom rvro iJoyt? to*o roruw pnmon rum noan p n«o
'tdi 'ä fei j rmonn Knourn *ion n"&n fertin* Vgl. Lewy
I, 130 s. v. feu.
Zahlreiche Etymologieen und Erklärungen, die in neueren
Werken als originell und bisher nicht bekannt figuriren, finden
sich schon bei de Lara, und zahlreiche Irrthumer wären ver-
mieden worden, wenn den Autoren de Lara's Werk bekannt
gewesen wäre. Einige Beispiele mögen hier ihren Platz finden:
NnDDDN, Klee. Sachs (Beitr. II, 26) zieht zur Erklärung des
Wortes eine griechische Glosse heran, die mit dem Worte
Nichts gemein hat. Lewy denkt an "OD, sich vermehren,
wuchern! Die richtige Etymologie aus dem persischen
c^wwmxamI , die Fleischer bei L. mittheilt und die ich schon in
meinem Meletem. Pesc it. p. 27, ohne zur Zeit de Lara zu
kennen, angeführt habe, findet sich bei de Lara: 03 TWT\ nnjft
nrnnumm rnfeon wy yy xvrb PDino tw>n wen ^o nho
tobd njd "i 'd mnriDDD ian< mfet»*" *fe moy tijw m nroayn
•KIT! W) "pB>fe nDDofe«
VllHDN, Wache, Wächter, Besatzung. Lewy schwankt zwischen
der Les-Art: yntTIDN (von n^oeldco), „providui (!) eigentlich
vorher oder von Weiten Sehende, daher Vorsorger, Wächter,
Wachen" und jmrtfPN von x?oo?«<d. Auch Fleischer's Ety-
mologie aus dem Persischen (Nachtrag zu L. 1, 418) ist un-
haltbar. Das Richtige hat schon de Lara in Jr David und
Ket. Keh.: (pqovq<x, <pQOv<fiov, Wache, Besatzung, Posten.
inofepH emendirt Sachs (Beitr. II, 178) im Midr. zu Ps. 45 aus
•pDpfeN und erklärt das Wort richtig durch aquiliferi,
Fahnen- (Adler)-Träger. Dasselbe ist schon bei de Lara
zu lesen: VWD rpW V"V DJP! OTWÜ ruvjn t! *m mm im>fepK
1^3 im Midrasch nach Sachs, Beitr. II, 152 = ßatov, Palmzweig,
schon in Jr David und K. K. erläutert.
"V*nD3 = vestiarius, Garderobenmeister (Sachs I, 167). Das
Richtige schon bei de Lara aus dem Glossare des Joh.
Meursius.
20*
260 David Cohen de Lara's
mJlpDN. Es sind verschiedene Versuche zur Erklärung dieses
im Talmud vorkommenden Spieles gemacht worden. Es soll
aus ^pJTno = gJ*jk&, Schach, transponirt oder = oxirdalpog,
ein geschnitztes Stuck Holz sein (Jesch. III, 8). Ich hielt
es för das pers. jvX&«# , Purzelbaumschlagen (Monatsschrift,
1859, 8. 359). Interessant und sehr wahrscheinlich ist die
Erklärung de Lara's: 'TTI ^3 DlH^p 1DD W1W 1DW UW"
idd *m 'dhi (ludi genus) DOT n£ oiDD^irp.Kvn 'b rroon
(anvtog) OWQQ >"b pl DltTlDl 5>Uy 'lfe fcfcl 1D3 ür\V DlDIDD fefco
.-ny *>d on in« (»wog) diüidi
Er denkt an %vvdalogt hölzerner Nagel, Pflock, woraus
HvvdaXiopog, ein Spiel der Knaben, wo sie einen in lockere
Erde gesteckten Pflock mit einem Prügel umzuwerfen such-
ten. Vergl. Herrmann griech. Privatalterth. 33, 30. In der
That erklären Raschi zu Schebuoth 29a und R. Nissim zu
Nedarim 25 a mupDK durch DH3 crpntPDtf OTDp yV HOWl.
"n^3 kommt im Talmud jerusch. und den Midraschim in der
Bedeutung: Bote, Courier vor und ist auch ins Syrische in
9
der Form )*,yä«j\, hjUcv = tabellarius (Cast. Mich. p. 94 und
101) gedrungen. An dem culturhistorisch interessanten Worte
sind zahlreiche verfehlte Deutungsversuche gemacht worden.
P. ßoetticher supplem. lexici aramaici Nr. 43 erklärt es aus
dem persischen }^y^ dvoayyeXog, ^Jb nuntius tristis, aber
abgesehen davon, dass die Bedeutungen nicht zusammen-
stimmen, existirt diese Zusammensetzung im Persischen gar
nicht. Eher wäre SoL heranzuziehen gewesen. Sachs (Bei-
träge, I, 93), der Musaphia miss verstanden hat, will in un-
serem Worte das seltene {tap&xpuDtat, eine Art Leibwache
finden. Lewy s. y, "pif»3 wiederholt das von Sachs Gesagte
und versteigt sich noch zu der Vermuthung „);r\o . . . die
Bill oder das Gesetz betreffend" (!!) [Auch die Stelle T&3
Dn3TD pJ/D hat Lewy missverstanden]. Die richtige Erklärung,
schon bei Musaphia angedeutet, gibt de Lara s. v. ~n^Q;
(veredarius) mm ntam tao n*o idd *i nnn xin 'hn
D m N T T 3 (tabellarius regius, angarus) OVTÜX • DWI DmN^3NB
(la posta, correo di ^m WTOp • NÜD1D n Wnip«NÜD1D-N{> ,l?2
rabbiniscbes Lexicoa Kheter Kbehuonah. 261
posta, correo real) — .IKDO ni]/B KVT) 11^3- Dia IpHXT)
~n?2 ist also ein Courier, Postillon. Es ist für die Geschiebte
des Postwesens interessant, welche Wanderungen das Wort
gemacht hat. Veredus, Courierpferd, .aus welchem Worte
bekanntlich unser deutsches Pferd herstammt und vere-
darius sind, wie wir eben gesehen haben, nicht blos ins
Rabbinische und Syrische gedrungen (im Syrischen findet
sich auch die leichter erkennbare Form kry> = ^fu^oö^oftog,
de Lagarde ges. Abhandl. 76), sondern auch die Araber und
Perser bezeichnen das Postwesen mit dem Worte ^.^ij
in dem schon Beinaud das lat. veredus wiedererkannt hat
(vgl. Ausland 1866, S. 326 und Freyt. s. v. vX^j). Dass der
im Talmud gebrauchte Ausdruck für Post: :wi "Q (Sabb. 19a)
in THITQ zu emendiren und veredarius gleichzusetzen sei,
will ich' nur als Vermuthung hinstellen. Die neueren Spra-
chen bieten: französisch vre" der, hin- und herlaufen; spanisch
und portugiesisch vereda, Postweg (vgl. Diez etym. WB. der
roman« Sprachen, 2. Ausgabe, II, 188, 438).
. * • . •
OlbntOJp bei Gast. Mich. 810: satanas nocturnus, nach Sachs,
Beitr. II, 59 „wahrscheinlich .... noch mit einem H zu ver-
sehen: DIDIlDJpA IvxdvQamog, der Nachts umherlaufende und
wie ein Wolf brüllende Melancholicus". Dieselbe Bemer-
kung hat schon de Lara s. v. DIETnil gemacht: plD DlD")DJp
ywi idd 'bn rh tdtw <h rrihK "ok tom . tm& nwp m rhon
%fa u W3 D^DDn urw mowi fei v'fe D1DntDJp5> Kim — lm»
.*U1 tf^DJK^Ü *T TJO Cgencro de melancholia)
■ 4
"»DT")}. Die Erklärung des Wortes durch yaQi<S(irj und dass in
Ber. R c. 33 statt wtl : "»Drü zu lesen ist (Sachs I, 85 Nöte)
gibt schon de Lara an: WlA K"} Kim (fb 'D Y3) fWU WK
v'fe pi mwrn inn nw ^ hktj V'wff. — Vgl. auch s. v.
% •#d tfimrb rem *n :wrü
Kpm = ty ovy?«*, globus militum (Sachs I, 96 Note). Vgl.
de Lara KpJlVl löDtHDl 0 O&PnE» 'pn »TT mm 1K • • * > ;Mpm
"UWT1 Kim (cohors) Divmp (globus militum) 0131^ tmQ timNP
Dl D*5"D (drungarius).
202 David Cohen de Lara's
Dass 10 lfm II, Staar nicht von nm, sehen, gondern von "mTl,
weiss herzuleiten ist, entsprechend dem griech. levxapcc
und lateinischen albugo (vergl. Monatsschrift 1867, S. 299)
gibt schon de Lara s. v. an: K"lpn fJ/H "fon NlfiC "ID1N "OKI
*pbn tf'y '-Q UlD^NI nmp^ **?2. David Cassel übersetzt
Tobit 2, 10; 3, 17; 6, 9; 11, 7, 12 das fco?«» , Uv%mpa der Texte
mit: „weisse Flecken".
Die Heranziehung von p^D, Gestelle, ursprünglich: Zie-
gel, entsprechend dem griechischen nXlv&og, nXtv&iov, „das
von der ursprünglichen Bedeutung: Ziegel, dann die von:
viereckiges Rasenstück, Unterlage des Säulenfusses, über-
haupt Sockel, Untersatz angenommen hat" zur Erklärung
des duokelen nNjnZpi? 2113 (Geiger's jüd. Zeitschr. für Wiss.
und Leben V, 116—117) findet sich gleichfalls schon bei de
Lara s. v. nn^N) mmNDtp vk low. .. rrmn nro "wn :
aro t»nv 'b p"mn tryiw orfon fion ntwt idd >-i rmon 'an
mafc w p^dd wy Tijn ^ hkju^ td nn vtidd man -ltPVD
3I1D MVTI (quadrata figura) NtBNVBOp hOOT) H3 JOT1D V"
n~n«^ p) (vgl. Midr. Psalm 78, 49) ... *»D DV K3V NJU1ÖÜ
"ünrrop^D u^yv p^:^D ü'o^n omp nyano rmom
\jj/db> onow Tiyotw hd foo w jdji i«n ^ HN1J "0N "mONtf
.■£ ]n nn*o
De Lara stellt mit besonderer durch seinen Studiengang er-
klärbarer Vorliebe Vergleiche mit den classischen Sprachen an.
Er geht in diesem Punkte wie manche neueren Forscher oft zu
weit und weist unzweifelhaft semitische (oder persische) Wörter
den classischen Sprachen zu: IfiPN, bestätigen, NmtPK, Bestä-
tigung soll mit assero; HD\ schwören mit Sfivvfii; BH\ erben
mit heres; )mn p mit heros; n^H, ^"l^^D nach Musaphia =
niK mit sfym, etQopcci zusammenhängen. NJnttn, die menstrui-
rende Frau im Talmud selber als persisch erkannt (qI***^)
hält er für &vöTrjvog, unglücklich. — ■»yi» Tttin (Nedarim 49b)
ich habe Kopfschmerzen, nach einer anderen Les-Art '»jnu * J"Uin
ich muss meine Schläfen der Kopfschmer /.en wegen umbinden
soll auf aeger, aegresco zurückzuführen sein. — D^ttT, Mün-
zen» Geld soll nach der Analogie von üW = Blut und Geld
von Ja«, lebe, herzuleiten sein, weil den Menschen das Leben
am Gelde hängt oder von Ztvg, weil die Menschen das Geld als
rabbinisches Lexicon Kheter Kbehunnah. 263
ihren Abgott betrachten, oder weil nach Mus. den Münzen ein
Jupiterbild aufgeprägt war. Ich halte es für das persische
q}5) = ß*>, ein Gewicht, eine Münze und Geld überhaupt. —
Nt&MTDI NmDin, das von Aruch IDPI 11 und Raschi zu MoSd.
K. 12b und Erubin 69a verschieden erklärt wird, soll ein Ring
sein, dem ein Medusenhaupt eingravirt war: KBTJO "O iMCO ^l
mm njDDn oniro rvn "o onon crmwon rm *Ayv nsro lyot^DD
.KBT1D tMO
An manchen Stellen lehnt de Lara stillschweigend die ihia
nicht zusagenden Erklärungen seiner Vorgänger ab, gesteht aber
auch seine eigene Unfähigkeit zur richtigen Deutung des Wor-
tes ein, z. B. WDnttO Wn NU1D ÜNTH rhon *üh TIKBD N^ nD3*K
.KÄDm ponn twrn h:nt ptj^a renn ra
Aruch erklärt ^ nDDV* V<D, wer zwingt dich? (von HDD)
oder: wer bindet dich? (von DDD). Der letzteren Ansicht schliesst
sich auch Buxtorf an. Lewy I, 383 stellt ohne Weiteres für
nDD die Bedeutung: „Jemandem an Etwas gelegen sein" fest.
De Lara war im Rechte, indem er die Erklärungen des Aruch
und Buxtorf verwarf. Ich leite das Wort von „2aJ, sich um eine
Sache kümmern, mühen" her, also *]b DDDX YtD, was kümmert
Dich das? was mühst Du Dich darum?
Beachtenswerth ist de Lara's Erklärung des vielbesprochenen
KDUu durch ftrctfiftcr, Gürtel. Die Jungfrauen tragen den Gürtel
als Zeichen der Virginität; desgleichen die Erklärung des
■pD^Dn in der dunkelen Stelle Kethub. 17a: N^"NJ^ IDDDn tb
TCDriD, ordiniret keine Halbwisser von TJpusv [L3"J 1HDVI) DD in
TiBDiro (&u|, halica) Hfhn pbr\ idd nm — lD^moDW loyo ^"hi
amohNV om« (n"> nruo) towi tjjh ^ udo papm — (Sand, äpadoe)
hy wr6 ünjn rnvp "o fo wtt& ayiv djw -oi ^ iDjno *»n
onmon iarn* no feo inr» atr»nDi p:n ton *©n nn vuDno; und
endlich die Erklärung von HpXNTOTl *PJ1^3 (Gittin 57 a) durch
bulla, das sowohl das Siegel selber als auch das Gehäuse des-
selben und endlich die mit dem Siegel versehene Urkunde be-
deutet (vgl. Ducange s. v. und Pott. etym. Forschungen, 2. Auf-
lage, II, 1140). Das Ausland 1867 Nr. 20 S. 468 berichtet: „So
bestätigt sich nun urkundlich (durch einige neuaufgefundene und
von Stickel erklärte altarabische Bleisiegel im grossherzogUchen
264 Zar talmudischen Geographie.
orientalischen Münzkabinet zu Jena), wovon wir bis jetzt nur
traditionelle Nachricht hatten, dass auch im Oriente die Sitte
in früher Zeit gebräuchlich war, den Urkunden Siegel als Bullen
beizufügen, eine Sitte, die man aus der Zeit Karl's des Grossen
datirt und die sich von den griechischen Kaisern in das Morgen-
land verbreitet haben soll." Wenn, de Lara's Deutung von
tPfbz zutrifft, so haben wir an der angeführten Talmudstelle
eine ältere Quelle für den Gebrauch der Bullen im Oriente.
Schon diese wenigen Proben werden genügen, um das oben
über de Lara ausgesprochene Urtheil zu rechtfertigen. Mögen
sie dazu beitragen, den Bann der Vergessenheit, der bisher un-
berechtigter Weise auf seinem Werke lastete, zu lösen und in
Zukunft die Aufmerksamkeit der Forscher auf dieses werthvolle
Uülfsmittel rabbinischer Studien zu lenken.
Zur talmndißclieii Geographie.
Vom
Rabbiner Dr. Oppenheim, in Gr.-Becskerek.
Die grosse Anzahl geographischer Namen und Ortsbestim-
mungen, die sich im Talmud und Midrasch zerstreut finden,
haben seit kurzem die verdiente Aufmerksamkeit auf sich ge-
zogen. Freilich war es bisher zumeist der eigentliche Schau-
platz des Talmudstudiums, Palästina und Babylonien, dem man
sich hauptsächlich mit Liebe zuwandte, da hier eine reiche Aus-
beute für die alte Geographie zu erwarten steht. Allein auch
ausser diesen beiden genannten Gebieten stösst man hie und da
gar oft auf geographische Benennungen von fernen Ländern
und Städten, die nicht minder beachtenswerth sind und noch
immer vergebens einer eingehenden Untersuchung harren. Wir
wollen darum hier mit einigen Versuchen und Proben zu deren
Enträthselung den Anfang machen.
Zur talmudischen Geographie. 265
I. Airya.
Die neuesten historischen Forschungen im Vereine mit den
indogermanischen Studien haben bekanntlich die noch vor we-
nigen Decennien fast unbekannten und ungenannten „Arier" aus
dem Dunkel der Vergessenheit gezogen und dieselben überall
in den Vordergrund der alten Geschichte gestellt. Es ist eine
grosse Entdeckung, wie die einer neuen Welt, in der Ge-
schichte, sagt bereits Hegel (Philos. der Geschichte, 3. Aufl. S. 74),
die seit etlichen und zwanzig Jahren über die Sanskritsprache
u. s. w. gemacht worden ist. Auch im Talmud lässt sich die
Spur dieser Namen nachweisen und wir lassen deshalb vor Allem
zur näheren Bestimmung des geographischen Begriffes der
„Arier" einige Worte aus Spiegels Avesta Th. I, S. 7 folgen.
„Nirgends ist die Urverwandtschaft auffallender und inniger als
zwischen Inder und Perser. Inder und Perser müssen nach ihrem
Auszuge aus dem gemeinschaftlichen Urlande noch lange zu*
sammengeblieben sein, sprachliche und mythologische Gründe
zeigen dies deutlich. Richtig ist vor Allem, dass beide sich mit
demselben Namen benennen. Arja, ehrwürdig in der gewöhn-
lichen Spräche, abzuleiten von arja in den Vedas, Herr, ist
der gebräuchlichste Name des indischen Volkes. Ganz ebenso
bei den Persern. Arja miiss nach persischen Lautgesetzen zu
airja werden; ein Name, mit welchem die Perser sich längst be-
zeichneten und woraus das neuere Jran (verschieden davon ist
Ariana im engeren Sinne) entstanden ist, ein Name, den schon
Herodot kennen lernte."
In folgenden Talmud -Stellen hat sich ebenfalls der Name
Airya erhalten, die aber verschieden und falsch erklärt wurden.
Kidduschin 12b (nach der richtigen Lesart des Aruch s. v. fcO*llW
wird in einer Ehefrage bezüglich einer Berufung auf ferne in
Airya, Jran, sich befindende Zeugen bemerkt: 4mfo jyfy ^IDN
nDl WTH Km*0 nPID *OW KT» trtÜIV Es lässt sich kaum in
Abrede stellen, dass hier unter fcPIIM nichts Anderes als Airya,
Jran, oder Ariana im engeren Sinne gemeint sein kann.
Denn würde dieses sonst so selten gebrauchte Wort, wie
Aruch und R. Jakob Tarn (Thosafot daselbst) vermuthen, die
Abend- und Westseite bedeuten,, so müsste es heissen:
N-flN "UQ "HfiD» die Zeugen befinden sich im Westen, wie in
266 Zur talmudischen Geographie.
der daselbst angeführten analogen Stelle: JPDK 12D HHD» die
Zeugen sind irgendwo im Norden, wobei also ausdrücklich *i¥»
Seite, Gegend, steht. Die Behauptung des Aruch, s. v. jnDN»
dass im Persischen W"HN die Abendseite genannt werde, ist
eine vage Vermuthung, dieblos auf derweiter unten citirten Stelle
basirt und bei näherer Prüfung sich jedenfalls als durchaus grund-
los erweist. Wohl ist W11N ein persisches Wort; aber es be-
deutet hier wie dort Airya, Jran — eine geographische Bezeich-
nung, die sich auch in den biblischen Eigennamen: V"VHN;
NDTIK = Airya - data und nach Einigen auch in 'Witt erhalten.
S. Fürst, Handwörterb. s. v. — In Babylonien, wo R. Chissda
lebte und wo die Frage verhandelt wurde, konnte man füglich
sagen, indem man sich auf ferne Zeugen berief: ^IDD fcCK MD
VTH fcPTJfcO! d. h. die Zeugen sind ja in Airya, die davon
Kenntniss haben!
Auch die schwierige Stelle, Baba Batra 25a, findet nach
unserer Auffassung ihre Erklärung. Ueber die Richtung des
Gesichtes beim Gebete werden daselbst zwei entgegengesetzte
Ansichten angeführt. R. Josua b. Lewi entschied sich, gestützt
auf einen Bibeivers, Nehemias 9, 4, für den Westen : p^rül 1KD
•p xzpüwn warn stot nbwn oipa wmrw wnnab rmo
•onnrwö
Daraus wird geschlossen, dass die Herrlichkeit Gottes,
Schechina, Doxa, im Westen throne; denn es heisst: das Heer
des Himmels beugt sich, von Osten nach Westen, vor Dir. R.
Scheschet hingegen behauptete: GlpÖ ^32 rWDXDt dass die Doxa
aller Orten in der Welt throne und dass es daher gleichgültig
sei, welche Richtung beim. Gebet man einnehme. Nur erklärte
er sich aus dem Grunde gegen die Ostseite, weil die Ketzer und
Heiden sich beim Beten gen Sonnenaufgang, „Kiblah", zuwen-
den. Die Frage wegen der Kiblah scheint damals in Babylonien
durch das Wiederaufleben der zoroasterischen Religion und des
Feuercultus unter den Sasaniden und durch die Verbreitung
mehrerer Secten, wie der Hypsistarier in Kappadocien und in
den angrenzenden Landern, die einen strengen Monotheismus
mit der Verehrung des Feuers etc. zu verbinden suchten, eine
besondere Aufmerksamkeit erregt zu haben und man entschied
sich, um so sorgfaltiger jeden Anschein der Nachahmung heid-
Zur talmudischen Geographie. 267
nischer und ketzerischer Gebräuche zu vermeiden, für die west-
liche Kiblah: ijifc j-0 ^1ÖT DHPÖ* Ueberhaupt erschien schon
deshalb die Abendseite den Juden in ßabylonien als Kib-
lah am geeignetsten, weil Jerusalem und der Tempel südwest-
lich von Babylonien liegt. Allein dieser Gegenstand beschäftigte
viel früher noch und zwar aus einem anderen Gesichtspunkte
die Rabbinen. Der 6. Talmud, Synhedrin 91 a, belichtet von einer
Debatte, die darüber zwischen fi. Jehuda Ha-nassi und A n to-
nin us geführt wurde. Letzterer fragte nämlich, warum die
Sonne zur Abendseite untergehe ? R. Jehuda antwortete darauf:
damit die Sonne ihrem Schöpfer Ehrfurcht bezeuge: HD ^JDÖ
-£ anwn tosn rwpb üiw jn^ na b"x ? aiyöa nypw n»n
D^nfittfiD« Um diese Controversen recht würdigen zu können muss
man die damalige Weltanschauung sich vergegenwärtigen und
sie mit ähnlichen Thematen vergleichen. Plutarch, Lehrmei-
nungen der Philosoph; IL, c. 10, erwähnt eine entsprechende
Streitfrage, nämlich: „Welches ist die rechte, und welches ist die
linke Seite der Welt?" Pythagoras , Plato und Aristoteles er-
klären die östliche Gegend, von welcher sich die Bewegung
anfängt, für die rechte Seite der Welt, die westliche Seite für
die linke. Empedokles setzt die rächte Seite gegen die Sommer-
wende, und die linke gegen die Winterwende. Die Rabbinen
scheinen die Frage von der rechten Seite der Welt mit der
obigen in Betreff der Kiblah in Zusammenhang gebracht zu ha-
ben. Dort dachte man, wo der Gottesglanz, Schecbina, throne,
dort muss auch die rechte Seite der Welt sein. Antoninus, im
Sinne der griechischen Weisen Plato und Aristoteles, verthei-
digte die Ansicht, dass die östliche Seite die rechte sei, und
rief darum triumphirend dem R. Jehuda zu, der ihm hierin op-
ponirte: Warum geht die Sonne im Westen unter? Würde die
westliche Seite die rechte Seite der Welt sein, warum geht
die Sonne hier unter, da doch unstreitig dort die rechte Seite
der Welt ist, wo die Bewegung der Weltkörper anfängt? Hier-
auf entgegnete ihm R. Jehuda: dies geschieht darum, damit die
Sonne ihrem Schöpfer Achtung und Ehrfurcht bezeuge. Nicht
daselbst ist die rechte Seite der Welt und der Thron des
Gottesglanzes, nD\DW> wo die Bewegung der Sonne beginnt;
sondern dort, woselbst sie untergeht und sich vor ihrem Schöpfer
in Ehrfurcht beugt.
268 Zur talmudischen Geographie.
R. Abuhu (ein Babylonier und nicht zu verwechseln mit R.
Abubu aus Cäsarea, vgl. Juchasin ed. London S. 102) schloss
sich der letzten Meinung an: ")Ö&n SiyM %WW 1DN TOH *1
(ltV *MK ? KHW *KÖ N"1- Den Commentatoren war dieses Wort
ein wahres Räthsel, sie suchten daher dasselbe aus dem Zusam-
menhange zu erklären, und zwar derart, dass es analog dem
Vordersatze den Westen bedeuten soll. Jedenfalls ergibt sich,
was bereits Sachs, Beiträge II. S. 35, richtig bemerkt, dass
fctvftfct in einem bestimmten technischen Sinne angewandt wurde.
Denn die Frage nach der Bedeutung eines sonst wenig erwähn-
ten Wortes, das hier wie ein fester wohlbekannter Terminus
auftritt — denn Urijah erscheint zwar als Name bibl. Personen,
nirgends aber als Appellati vum — ist nur möglich, wenn eben
in dem an der Talmudstelle berührten Kreise von Vorstellungen
dies Wort als ein vollkommen geläufiges gilt.
Ein solcher geläufiger Terminus war auch wirklich, nach
unserem Dafürhalten, den Talmudisten in Babylonien und selbst
in Palästina zur Zeit der Säsänidenherrschaft, wo die alte Per-
serreligion wieder zur Ehre und Ansehen gelangte, das Wort
Airya und R. Abuhu konnte nun füglich die Frage stellen: W&
WHW? Was bedeutet der Name Airya? Darauf wird geant-
wortet in einer der Aggada geläufigen etyinologisirenden Weise:
IT TW d. h. Airya bedeutet: göttliche Atmosphäre, das Land,
wo eine reine, himmlische, göttliche Luft herrscht. Der Gottes-
name ,-p soll hier nur, wie in ähnlichen Phrasen: *>K v-j-jn;
IT rorbw > das Erhabene, Göttliche ausdrücken. Raschi hat hier,
wie überall, das Richtige herausgefühlt, obschon dessen Mei-
nung, dass Oria mit Orient sinn- und lautähnlich zusammen-
hänge, falsch ist: rnK mtiö N2flDJ TTtttb TOD1 TVKÜ ftföW«
„Awir-jah" heisst das Land göttlicher Atmosphäre, als Reflex
des im Westen thronenden Gottesglanzes. Gleichwie die Sonne
im Westen untergeht, um sich vor ihrem Schöpfer zu beugen,
ebendasselbe thun auch die gepriesenen Landschaften des Awir-
jah, die, im Gefolge der Sonne, zum Preis und zur Huldigung
Gottes dienen. R. Abuhu schloss sich auch der Behauptung
des R. Jehuda und R. Josua b. Lewi an, dass gerade der Auf«
*) Unsere Ausgaben lesen miN wie der bibl. Name, Aruch hin«
gegen immer mit N am Ende.
Zur talmudischen Geographie. 269
gang der Sonne im Osten ein Beweis ist, dass die Doxa, Sehe*
china , im Westen thron«. Nun will er nebst dem biblischen
Argumente auch ein profanes anfahren, dass der Name Airya
für die Lander gegen Sonnenaufgang ebenfalls als ein Zeugniss d afOr
gelten kann, dass n"l)flD3 W3tPi denn die Pracht und Herrlich-
keit von Airya, dem Lichtlande und der göttlichen Atmo-
sphäre als Reflex und Ausstrahlung derSchechnia dient eben
nur dazu, um im Vereine mit der Sonne dem Weltenheer ihre
Huldigung darzubringen. Bekanntlich wird Iran im Gegensatz
zu Tu ran das „Lichtland'' genannt und als Schöpfung und
Reich des Ormuzd gepriesen. R. Abuhu benutzte gerade diese
zoroasterische Vorstellung, wie R. Jehuda gegen Antoninas,
um das Gegentheil zu beweisen, nämlich : der Awir-jah der Län-
der des Sonnenaufganges vereinigt mit dem Himmelsheere beu-
gen sich gegen Westen vor ihrem Schöpfer, weil daselbst die
Schechnia thront» Jedenfalls ist die Etymologie pp "WM oder
besser J"p *fltf, göttliches Licht von N^*fiK Airya — dem Osten
Asiens — viel entsprechender, als nach der Vermuthung, dass
Oriah Westen bedeute. Denn es ist nicht nur völlig unbe-
gründet, sondern auch gänzlich falsch, dass im Abendlande und
überhaupt im Westen ein J"p TW eine göttliche, reine und milde
Luft herrsche. Der Awir-jah ist den östlichen und nicht den
westlichen Ländern eigen!
Höchst wahrscheinlich ist auch das Epitheton NV)K "H, *0
MHW oder fcfH'W , JtfHW ( s- Dikduke Soferim von Rabbino-
wiez S. 54 und am Schlüsse bei den „Errata" und R. Jesaia
Pick zu Berachoth 12a über die verschiedenen Lesarten), wel-
ches dem R. Joseph, dem Sohne des R. Jpsua b. Lewi, ( Joma 78a)
dem R. Chija, dem Sohne Rab's (Aboda Sara 31b) und dem R.
Jizchak, dem Sohne des Rabba bar Chana beigelegt wurde, aus
Airya hervorgegangen, da wahrscheinlich diese drei Genannten
eine längere Zeit in Iran waren und sich dadurch diesen Bei-
namen' „der Arier" erworben haben. Es könnte auch sein, dass
fcOlK = arja „Herr, edel" bedeute und dass darum die Genann-
ten, als Sühne der ausgezeichnetsten Ammoraim, tfHN "Q be-
nannt wurden, d. h. „Sohn des Edlen". Rapoports Meinung
(Biographie des R. Nathan S. 23, Anm. 6), dass &miK 12 gleich-
bedeutend sei mit „Sohn des Westens", weil R*b und Raba
b. Chana von Palästina nach Babylonien übersiedelten, findet
270 Analekten.
schon darin ihre schlagendste Widerlegung, dass dieses Epi-
theton auch dem Sohne des R. Josua b. Lewi beigelegt wurde,
der aber Palastina niemals verlassen hat. Ueberhaupt wird der
Beiname „Sohn des Westens", scilicet Palästina's, immer mit
*a*WD na gegeben, z. B. tODVO 13 NB^nn '1 » Baba Mezia 7 a.
Die Feststellung der richtigen Lesarten wird erst die rechte
Erklärung dieses Epithetons ermöglichen, wie denn überhaupt
alle Epitheta im Talmud sehr dunkel sind.
Noch eine schlagende Stelle glauben wir hier anführen zu
müssen, die unsere Behauptung ungemein erhärtet. Schebuoth 24b
wird ein tfniNÖ WH ,m) angeführt, das wohl nichts Anderes heisst
als R. Aschi aus Airya. In unseren Ausgaben heisst es wohl
fcCWK» allein Juchasin hat hier, wie fast überall, die richtige
Lesart tfHW und führt dabei eine zweite: KRITIK N"J an, die
offenbar ein Corruptel ist. Ueberhaupt ist in allen Stellen z. B.
Berachoth 12a, anstatt pniK "13 immer ITHW oder ffrpKf da-
her auch WPK "D zu lesen. Jedenfalls geht daraus hervor, dass
Wlltt nicht heissen kann Westen, da dadurch die Stelle 1J&K '1
ftPIIMJD ein reiner Unsinn wäre ! R. Aschi aus Airya ist deshalb
das plausibelste, was man unter dem räthselhaften W11K, das
von den Abschreibern und Druckern gar sehr verstümmelt
wurde, verstehen kann.
Analekten.
Erwiderung nebst Berichtigung
einiger Stellen im Sefer hajaschar des E. Tarn.
Von Dr. M. Wiener.
Im Maihefte S. 182 ff. theilt Herr Dr. Berliner zwei geschicht-
liche Notizen mit, von denen die erste R. Eljakim aus Speyer
betrifft, dessen Commentar zu Menachoth übrigens ausser den
dort angeführten Stellen auch noch im Or Serua p&j noSl I.
pag. 201 b erwähnt wird. Auch scheint es mir, dass die daselbst
Th. II. pag. 171b im Namen des R. Eljakim angeführten Er-
klärungen der nach der Leichenbestattung stattfindenden Ge-
bräuche auf denselben und nicht auf den Schwiegervater des
Analekten. 271
R. Elieser ben Natan zu beziehen sind, da letzterer von R. Isaac
aus Wien stets als rpV "O ü^p^K 4m) citirt wird, wofür freilich
Th. I p. 106 Vpü 12 als Druckfehler steht. Herr Dr. B. nimmt
gleichzeitig Veranlassung, zwei Fragezeichen bei Gratz VI, 395
zu erledigen, während er das dritte ebenfalls leicht zu erle-
digende unbeachtet lässt. In dem Gutachten des R. Salomo
Luria Nr. 29 wird nämlich der zu Raschids Zeiten stattgehabte
erste Kreuzzug als )h% H"1U bezeichnet, womit eben nur die
Jahreszahl ^PH bezeichnet werden soll, da fe gleich ist Ü d*
h. 1096. Solche Datenbezeichnungen für die verschiedenen Lei-
densjahre sind aber gar nicht selten, wie die Bezeichnungen
durch *|^v) t «p t j-£v3 / «p^n und andere (vgl. meine Ausgabe des
Schevet Jehuda I. S. 45 und meine Uebersetzung des Emek ha-
baeha Note 181) darthun.
In der zweiten Notiz versucht Herr Dr. B. die Unnahbar-
keit einer von mir in der hebräischen Bibliographie VI, 117 auf-
gestellten Conjectur, nach welcher ich mit Beziehung auf eine
Stelle im ]"2tt"1 annahm, dass R. Samuel ben Meir in eine Unter-
suchung verwickelt gewesen, dadurch nachzuweisen, dass er auf
die im Sefer hajaschar vorkommende ähnliche Stelle hinweist,
beide Referate mit einander vergleicht und hierdurch mit der
Herstellung der richtigen Leseart, wie er sagt, zugleich das rich-
tige Verständniss der Stelle erzielt zu haben meint, indem er
behauptet, dass bei den Worten *)öiy 1312H DNpD ^D an einen
Ortsnamen gedacht werden müsse. Dass Herr Dr. B. mit dieser
Behauptung nichts Neues vorbringe, bekennt er selbst, da bereits
in der hebräischen Bibliographie diese Ansicht im Namen von
Zunz mitgetheilt ist, welcher Cttp2 nach einem handschriftlichen
pfcC) liest und an GNpfc *)D^ ,m\ erinnert, welchen Ort er für
Caen (Gadom) hält. Allein wie gern ich auch bereit bin, meine
Conjectur, die ich eben nur als Vermuthung aufstellte, einer ent-
schieden besseren Erklärung der betreffenden Stelle im pfcO
gegenüber fahren zu lassen, so muss ich doch bekennen, dass
es Herrn Dr. B. durch seine Auseinandersetzung weder gelungen
ist, mir die Unhaltbarkeit derselben nachzuweisen noch mich
zu überzeugen, dass er die richtige Leseart der ganzen Stelle
im pK") und Sefer hajaschar hergestellt und damit auch das
richtige Verständniss derselben erzielt habe. Herr B. ist näm-
lich, von der Richtigkeit seiner Ansicht gar zu sehr durchdrun-
272 Analekten.
gen, bei seinen Emendationen mit etwas zu grosser Willkür zu
Werke gegangen und hatte, wenn er schon den Mahnruf des
R. Tarn im Vorworte zu seinem Sefer hajaschar unbeachtet Hess,
doch wenigstens die Beweise für die Richtigkeit derselben bei-
bringen sollen. Dass dies nicht geschehen, will ich, um von
dem Vorangehenden abzusehen, nur an dem Passus nachweisen,
der uns för unsere Untersuchung besonders interessirt. Im p"N~)
heisst es nämlich r\€) UM SfcttÖW )W1 HJTDT 1WP nmnit
im Sef. haj. dagegen UQ"^. Herr B. zieht diese Leseart vor
und sagt: „im Sef. haj. (soll heissen im Rab'n) fälschlich
OTm"? woher weiss das Herr B.? Diese Verschiedenheit ist
aber für die richtige Auffassung unserer Stelle überaus wichtig,
denn wenn tt'STI gelesen wird, gibt R. Tarn damit den Grund
für seine Thranen an, die aber nicht wegen der aus einer gleich-
gültigen Veranlassung stattgehabten Abwesenheit seines Bruders
geflossen sein können, während, wenn man XKTtl liest, das Fol-
gende ohne Zusammenhang mit dem Vorangehenden steht und
R. Tarn nur erzählt, dass sein Bruder nicht anwesend sei. Ferner
heisst es im püT\ am Schlüsse ö*r6.1PPöP ^IfW* TOB» was sich
auf R» Samuel beziehen und durch das ) vor y& als mit dem
Vorhergehenden in Verbindung stehend aufzufassen sein würde,
im Sef. haj. dagegen Q"r6 WDP- ^KW IÄi ohne allen Zusam-
menhang mit den vorangehenden Worten, ein Schluss, wie er
allenfalls zulässig erschiene, wenn er vor n"*l geschrieben wäre,
wobei immer noch seine Kürze und Abgerissenheit auffallend
wäre» Dennoch behauptet Herr Dr. B. ohne Weiteres: „Im
Rab'n fälschlich 'DI "Wl" und später: „wie es auch im Rab'n
heissen mussa. Dies ist aber wiederum nur eine auf blossem
Belieben beruhende und noch keinesweges als richtig erwiesene
Ansicht. Herr B. fährt alsdann fort: „Wir sehen nunmehr, dass
der Schlusssatz nicht die leiseste (?) Andeutung auf einen Un-
fall des Raschbam enthält, (sondern) nichts Anderes als eine
Phrase ist, die in ähnlichen Wendungen in den Gutachten des
R. Tarn am Schlüsse eines jeden Bescheides häufig wieder-
kehrt." Wie gewagt diese Behauptung ist, hätte Herr B. schon
aus den Worten Steinschneider' 8 in der hebr. Bibliographie
a. a. O, ersehen können, welcher bemerkt: „Wenn Zunz Recht
hat (dass nämlich unter Qfctp Caen zu verstehen sei), so wäre
an eine gewöhnliche Galami tat, schwere Krankheit oder der-
Analekten. 273
gleichen zu denken"; St. muss demnach in den Schlussworten
ebenfalls eine Andeutung auf einen Unfall des Raschbam gefun-
den haben und dass letzterer gar manchen Tag in Kummer und
Sorge verlebt haben muss, scheint mir auch aus dessen Worten
1H W )ÜV bzb WpW tf-lW hervorzugehen, die er an R. Elie-
ser ben Natan richtet (siehe p"ftO 146 c). Es scheint übrigens
fast, als habe Herr B. die Unrichtigkeit seiner Behauptung selbst
eingesehen, da er zuerst von solchen Wendungen bei R. Tarn
am Schlüsse eines jeden Bescheides spricht, dieselben aber
dann nur häufig und nicht immer wiederkehren lässt und
wurde er wohl gethan haben, wenn er auch nur einige derglei-
chen, wie sie hier nach seiner Auffassung vorkommen sollen, an
änderen Orfren nachgewiesen hätte, da mir nur Wendungen be-
kannt sind, in welchen R. Tarn Denen, an die er seine Bescheide
richtet, das beste Wohlergehen wünscht, nicht aber solche, die
einfach mit D"l"6 )T\DV btWW* TB schliessen. In Betreff der
anderen Behauptung des Dr. B. aber, dass bei den Worten
*tiDW Uttf1 DNp3 '»D an einen Ortsnamen gedacht werden müsse,
habe ich nur zu bemerken, dass in diesem Falle R. Tarn wohl
einfach Ntfn DNpD ^D oder DNpb ^H XD gesagt haben würde und
wenn Herr B. zur Erhärtung seiner Ansicht eine andere Stelle
im Sef. hajaschar § 595 anführt, wo sich die ähnliche Ausdrucks-
weise "ifcV nVl mü6fcQ 'O findet, so beweist diese Stelle gar
nichts, da dort von einem Scheidebriefe die Rede ist, den ein
früher in Auxerre und später in Joigny wohnender Mann seiner
Frau geben wollte; in Scheidebriefen aber musste bekanntlich
die einmal feststehende Ausdrucksweise innegehalten werden,
weil es nicht gestattet war, an dem pü» D^ÖDH IMBttf JDBÖ
etwas zu ändern.
Die eben erwähnte Stelle im Sefer hajaschar gibt mir die
willkommene Gelegenheit, nach dem Beispiele Luzzatto's, wel-
cher durch die Mittheilung mehrerer Gutachten des R. Tarn im
siebenten Bande des Kerem Chemed S. 19 ff. vielfach zur Be-
richtigung des Textes im Sef. haj. beigetragen hat, einzelne
Paragraphen in dem leider durch Benutzung einer höchst man-
gelhaften Handschrift wie durch fehlerhaften Druck so sehr
corrumpirten Werke zu berichtigen und bin ich überzeugt, dass,
wenn der Verfasser unseres Buches nur im Entferntesten hätte
ahnen können, dass sein Werk jemals in solcher Gestalt er-
Frankel Monatsschrift XVIL 7. 21
274 Analekten.
scheinen würde, er sicher nicht von der Textverbesserung äl-
terer Werke so abgemahnt haben würde, wie er es in dem Vor-
worte zu seinem mehrgedachten Buche getban hat. Zuvörderst
seien nämlich die sinnentstellendsten Fehler des gedachten § 595,
der, so weit er die Antwort des R. Tarn an R. Joseph ben Mo-
scheh betrifft, sich auch in der Gutachtensammlung des R. Mehr
aus Rothenburg ed. Prag § 283 findet, aus einer Vergleichung
beider Relationen berichtigt. Gleich zu Anfange ist statt EtC
otv*» inj; ni&bn p« zu lesen t»dd 'yn'K'K, hinter pi^nh
affobl ist zu ergänzen "Dl ijli© eipM TH^W >rf>B 1a ^D W-
und statt cipi» 'Pfoa TTlb PlfcOl ist zu lesen Qipfca nnb TlXai-
In dem Folgenden lautet der Text bei 0*1*110 ziemlich verschie-
den. Statt N2N0 fcWttfn r\p*> lies 'ü 'n W1«. rtatt flTW GlpÜl
mpi lies em na^na tdi, statt -nnan m wn nana c&o n«s cw
•ni »a ans, statt aan nn an an lies 'jvn n»«n an an*<
Zeile 10 von unten ist QH zu streichen.
Zeile 9 von unten statt mjna HP©b *£ HM1« Plön ü*s HÖn-
Tljra PÖ mob 1P& nj»1»; Zeile 4 von unten statt milÖtO
lies «niD2; Zeile 3 von unten statt *eh Hab ües nanPI TD*-?;
Zeile 2 von unten statt y&w v\yw jv-q lies rtJBW 1ÖW PttnP lto
•TW DW ITJJ DEM S. 67 a Zeile 3 statt fflrn üe9 KOT, Zeile ö
statt Wfcri . FrtiahtW *»Ö lies i»ro PTOSEN U:Wbi Zeile 7 statt
ÜVjb nW lies QU; rU^W und statt ^am lies tyapn, Zeile 9 statt
nni Hes nm.
Dagegen ist auch wiederutn in dem erwähnten Gutachten
des R. Meir nach dem Sef-haj. Manches zu berichtigen, wie z» B.
Zeile 4 statt amaitf rVöl lies' ajV W. Zeile 8 und 9 statt ama
lies aiTOS Zeile 20 statt 2mai> DW1 lies }ha{? Otttt, Zeile 29
statt rrffift6 H3b UM lies ,nnu6K «bl nab Wl\ Zeile 30 statt
'OKI / TW DttH lies ^y TJffl BW , Zeile 32 statt lötf nW lies
IT]/ nW , Zeile 33 statt p^ttf nna f6 lies tK ppnjn'a 'S Zeile 37
hinter HP1DÖ1 fehlen mehrere Zeilen und statt ejj lies pj,
Zeile 13 von unten statt ofo *pa pKJ lies '3'a p«, Zelle 5 von
unten statt DUMflÖ lies fföJHÖl DaHp, Zeile 2 von unten statt
Hl Vbn lies nbin PJ? |W und S. 38d Zeile 1 statt rO\TS2 lies
mwa •
In einem alten auf der Ministerialbibliothek zu Erfurt befind-
lichen und Verschiedenartiges enthaltenden Pergamentcodex
kommen auch zwei Paragraphen aus dem Sefer hajaschar vor,
Analekten. .275
welche den *p3 P betreffen, nämlich § 382 und 618 S. 73 b (der
eigentlich als § 621 bezeichnet sein sollte), aus denen ich hier
die wesentlichsten Varianten mittheilen will.
S. 38 d Zeile 14 statt HDD3 pmn ibw lies pn *» "1 £wi
HDD3, Zeile 15 statt po)D tOD) lies pD)D 8311 und das folgende
fcOTt ist zu streichen, Zeile 23 statt ^^0*1^ lies ^pDD*D>
Zeile 24 statt nip^TTin nö^TD lies nipWD 713 > Zeile 25 hinter
'D3 fehlt nWDSIt Zeile 26 hinter ^nVl fehlt N3D, Zeile 30 hinter
HWll fehlt V13"6, Zeile 32 statt -513 lies 133, Zeile 40 hinter
OnD heisst es folgeaderroassen: rQPÖ * pfrüaTmDKp ÖPI *6n
13 pton 3p £ a-ipnw na man «3« 'i öj www *i ms« nsra
p iön *6n pw&a pDn w wi rrby öT*n top td»
Stoa pa-& Sto3 «6 nrrcr /p6 nM .pro pjpn ^ion wd rrowa
•'öi n^y ö*rw örfri ön «robm S6a&
Zeile 21 von unten statt QHD ^y lies DnD ^31 > Zeile 19 von
unten statt KpnBN ^Mn lies fcOmj *Ö3n> Zeile 17 von unten
statt p3Tl NT&Ö1 ües HOTH wfaM , Zeile 13 von unten ist hinter
KinSÖ «333 zu ergänzen: |ji«n 3H3 ^>E>3 U\W "W mWl
Ö^H ö ^ fRCÜl WD3 N^W I^DN !>D3 WDK ntt ^>3tt pTTO £ «H
•'Öl NJPSÖ «333 'öpiffl
Zelle 11 von unten statt *n ^3E lies ^3, Zeile 9 von unten
statt tf^tp pöa lies K^ttfl W»Ö3> Zeile 2 von unten statt fc6 tfKi
^r*b lies ijnö irfcöNI» Zeile 1 von unten statt ^ ^ nVKI
npoDi mao ües Tipo&i Tijn *Eb vrcnw tä anann iSk
S. 39 a Zeile 1 von oben statt TIN20D1 lies TlKSID *«6l» Zeile 4
statt 3*1 ^fctf lies N3^ 'N und riD©3 hinter pn ist zu streichen,
ebenso ^£73 ^t^ in Zeile 6. Zeile 9 hinter \}vq )®& fehlt N^W
1JÖ13 und Zeile 10 heisst es : **flÖttn ma *6 WO ltDN ÜÖT3 *6w
waa p uöia «b» nroa «n» *6rc moa waa udd pn ms«
Swöiw 3m rmarab 5wöi& mq« wm «ara -im» w» «iw pa
jro;D tw» -«bw mW» unaa nmnaw pmow te mnn nö*n
*6w pa ot» p »an *6t& , ma *6 wo ton .otd wm» oyto
p wn» )ö roD3 fön , *ima caao ]nun to n!?^ vivsp u^a
p pjflDW 4m ppm "n msp^ prw 'n oj?ö jnra mo« wn^a k^
ij^a «bw p maa p mmaw pmo^« ba irmnn nö^ t^^pi?
na« jwdw na -in» maa «bu; p iraa pa %n «^ oj;to jnua
•'öi «»13 pn unaSm
276 . Recensionen und Anzeigen.
Zeile 17 statt pnP *1 lies pnV1 "1 ^nan«
„ 18 hinter Wfca «*nP ist zu ergänzen ana VWt&ß
„ 19 statt CW3W lies pWD.
„ 22 statt KBriDÖ Hes TXWfßl NnaDfc.
„ 23 statt "jlöoai p: lies "pöTMl Ka WH pV
„ 32 statt «rfcö lies «am KT^Ö-
„ 42 statt m» 1*1 ües on» DW
„ 47 statt p*a lies paitf.
„ 14 von unten statt ^ pi lies ^J p).
„ 12 von unten statt B"D ües a"a und statt H^TÖ "030 ües
arfrö ^non nana ^av
Seite 73 b § 618 Zeile 7 statt Dftfc lies Q^&
„ 10 statt fe 5?« lies fe W.
Zeile 16 statt ^ ^pifc ^ lies Hfl P» nTOT& n^TTO^ V >fc D
„ 18 statt rrb np Res wi n^ np.
25 statt y'n bjTW lies onTlön bv ***))? »"toi DD"IM-
26 statt ni^aw by lies nnw rb^v ^p.
33 statt mV© ^T^ lies iTTOD pDD H^.
„ 34 statt «DD an lies ppöttf an.
35 ist zu lesen £w rru nr6n nnoa myo an pDD pw').
5 von unten ist zu lesen QV> rfitpÖ *6« PITW) N^5 KTO
.ptwn
Recensionen and Anzeigen.
Maleach i. Eine exegetische Studie über die Eigentümlich-
keiten seiner Redeweise. Inaug.-Diss. von Max Sänger.
Jena 1867. 87 S. 8.
Der Verf. beabsichtigt, „eine Studie mitzuth eilen , die dem
Versuche gewidmet ist, zum Verständnisse dieses letzten Reprä-
*) Diese Stelle führt Rapoport, weil sie im 8efer hajaschar cor-
rnmpirt ist, in seinem Saadja Note 19 nicht an. Derselbe glaubt, dass
die PTU TXübn in dem mflDl PIND1Ö nDD des R. Saadja enthalten
Recensiouen und Anzeigen. 277
•entarten des hebräischen Prophetismus einen Beitrag zu liefern«
Dieser Versuch geht allerdings nicht darüber hinaus, „die Eigen-'
thumhchkeiten Maleachi's, die dunkelsten Stellen seiner Rede
einer erneuten Besprechung« zu unterziehen, wird aber dafür
W LTJET", AUfW8Dde V°n BeleseDheit ™* garten,
Wiseen auge^,,t. Iffl ersteu Theile wird dje
logische Form beo_w^rtk n /c _ & WIÄ
ausführlich behandeht6; f &~^' ™hei namenÜi<* 2, 10
Beweisführung« bietet tu?™*™1 »die Sichtliche
klärung (56-69), dann wird ,,die~LUndu2'11-12 eine neue Er-
(69- 78) und zuletzt „die hyPerboliscS.e,K!<ieweise Maleachi's«
tt i i. * ™ u °c!eweise" einer nähe-
ren Untersuchung unterzogen. Durchweg m w,c
Gründlichkeit geführt, der Leser erhält überhaup* di*selbe mit
eine solche Menge gelehrten Beiwerkes mit in den UrS€rütss«
er Mühe hat, die selbständige Leistung des Verf. heraifcj?ass
kennen. Zwar wird in den einleitenden Worten gegen dfc>
neueren Exegeten Front gemacht, die im Grunde nur den vor-
handenen exegetischen Apparat reproduciren, trotzdem aber
kommen wir bei Herrn S. aus den Ci taten und Controversen
nicht heraus. Der langen Reihe der Exegeten, von den Talinu-
disten bis auf Maier („die erste Rabbinerversammlung" und „Er-
widerung1' etc.) wird noch R. Sal. Lurja beigesellt, der bei der
bisher missverstandenen Stelle 2, 16 nW tOttf ^3 „auf das Rich-
tige geführt". Denn in seinem Comm. zu Gittin a. E. „macht er
die Bemerkung r6w Opfoft ^tb HWW» und das übersetzt
seien. Dies scheint jedoch nach den Worten des Or Serua Th. I. § 339
nicht der Fall zu sein. Dieser sagt nämlich S. 89 a: "nj/D ^ "& P*
mniD twh owin tidnboi ?"n it-üdon ^»nnpn mw rieoa Wr iim
wnat< nra owktti dobo ihn onn noph T"n -ab njnty mn
#oi crwipn und s. 89b.: rnyo ti rru rroWio rron (n'i) xam
rrhv nrotv rmjDDN Amnion ipto d"ti mm irro iras rraran juü
mnöro pikdiüpi -ioti nm idbj; tdd vnio vroi #toi cr«pj t nsn«
.n"i naTD *&i 2TO o'n wir
Aus den fTU nofcl oder dem mPIDl PIND1Ü 1DD des R. Saadja
werden daselbst noch Erklärungen angeführt Th. I. § 356, 361 und
363 N.
2j.g Beeensioneo und Anzeigen.
Herr S.s „Verba«t ist vor Gott nfetf ™ *«** <»Sehick fort!"
^der „Fort mit ihr!".) - Sagt da» R. Sal. Lu*a» oder sein Inter-
pret? Wir bitten den Herrn Verf., diese talmudisohe Lesart ~-
Lnn weiter bietet Lurja auch kein Jota - bei Rasch* z. M.
genauer .eingehen W r^ 0?«1 «^"J £u) vor
heisst doch wohl nichts Anderes «U: Wenn ^
Gott verhaasi ist (sc. in *oUje «- W-^JJ ^
fort«. Dieser Gewährsmann °rau«ht^ ^ ^ ^ ^
sHSrt.su werden, um den S,n^rf d||rfta_ei getrost wagen> mit
fertige Ehescheidung hjg£ ^ ^ (g ^ 8e,bs,täwd.g b<!rvor.
«s hat Manches für »ich, diese .Ausdrucke ab
zutreten-, 4e*m Mimd€ des Volkes zu.erklären und es isiraußh,
•^nlafflTrfofctig bemerkt wird, eine charakteristische Eägeathüm-
;3SßWeit Maleaohi's, Ausdrücke and Wendungen, .die unter dem
«Volke gang und gäbe waren, in seine Rede zu verflechten*
Ebenso durfte Verf. mit der .Interpretation von 2, 10 das Rich-
tige getroffen haben, welche Stelle er, im Wesentlichen an Abra-
beuel »ich ans ob liessend, als Anführung der Anschauung des
Volkes and Entgegnung des Propheten erklärt. Auch wo die
Redeweise Mäleachi's im Einzelnen eharakterisirt wind, effkennt
man meist ein feines exegetisches Verständniss.
Allein wenn der Verf. sagt, dass er „die Regeln der wissen-
schaftlichen Exegese als die einzig wahren Leitsterne aufs Schärfste
in's Auge gefasst" (S. 5), so muss Ref. bekennen, dass er die
Kühnheit dieser wissenschaftlichen Exegese bisweilen über die
Linie des theologischen Standpunktes hinausgehend gefunden
hat Einen solchen Eindruck macht wenigstens auf ihn die Cha-
rakteristik MaLeachi's (S. 80), in welcher gesagt wird, „dass er
von der Gewalt des Augenblickes fortgerissen in hyperbolischen
Ausdruck verfällt." Dieser Ausdruck klingt allerdings harmlos
genug', der darauf folgende Satz aber ist zum Mindesten doppel-
sinnig. „Damit ist nieht nur seine poetisch schwungvolle Schil-
derung des Gerichtstages ..» gemeint ...."; „auch hinsichtlich
seiner Darstellung der Vergangenheit soll damit nicht gesagt
sein, dass ihm wie Manchem seiner Vorgänger deren Gestalten
durch das Dämmerlicht der Ferne glänzender, als sie wirklich
waren, vor die Seele traten ; es muss vielmehr . . . besonders der
Recensionen arid Anzeigen. 279
Umstand in's Auge gefasst werden, das*s er auch seine Gegen-
wart an zwei Stellen (1 , II und fr, 9) mit so starken Farben
zeichnet, dass die Linie def objectiven Wahrheit dadurch über--
schritten wird." — Wenn hier nicht gegen die Logik gesündigt
sein soll, so muss es statt „nicht" geradezu „durchaus" heisren ;
denn Verf. meint offenbar, dass Mal. nicht nur, Wo er von zu-
künftigen oder vergangenen Dingen spricht, sondern auch' in
Bezug auf seine Gegenwart „die Linie der objectiven Wahrheit
überschreitet.1' Wenn ferner Herr S. an einer anderen Stelle
von dem „Glorienschein" spricht, „den- Geschichte und Sage
um das Haupt des Elias gewoben", so mag wohl auch hier die
wissenschaftliche Exegese den Rabbiner — und vice versa — zu
weit getrieben haben. Üenn in der das. (S; 54) citirten Abhand-
lung (vgl. diese Monatsschr. XII, S. 241 und 281) ist nur von
einem Glorienscheine die Rede, den die nach biblische Zeit in
sagenhafter Weise um Elia verbreitete, Verf. aber meint, dass
auch vor Mal. schon, also wahrscheinlich in den BB. der Könige,
dieser Prophet durch die< Sage verherrlicht wurde. Nun, wir
wollen mit ihm hierüber nicht rechten; aber wenn Verf. sich
auf einen solchen kritischen Standpunkt stellt, so* verlangen wir
von ihm Consequenz und wissenschaftliche, streng an die Sache
sich haltende Exegese, kein Liebäugeln mit Mab ar schal und
Alschech, von welchem letzteren wir übrigens gleich zeigen
wollen, dass er auch nur überflüssige Staffage ist. D. G.
(Schlau folgt.) ''
Mooatschronik.
Rumänien« Prinz Napoleon berührte auf seiner Rundreise
auch Rumänien und nahm- hier eine ihm von den Juden über-
reichte Petition entgegen, welche seine Verwendung für schleu-
nige Abhilfe der bekannten Uebelstande in Anspruch nimmt.
Ulm. Bei den jüngst vollzogenen Wahlen zum Abgeordneten*
Hause ist hier Herr Pfeiffer gegen Herrn Adam zum Volksver-
280 Monatschronik.
treter gewählt worden. Es ist dies der erste Fall, dass in Wür-
temberg ein Israelit in's Parlament eintritt. Herr Pfeiffer ist
Nationalökonom und gehört der nationl- liberalen Partei an.
Wien. Die Vertreter der Böhmischen Landesjudenschaft
haben dem Reichskanzler von Beust eine Dankadresse für sein
energisches Eintreten zu Gunsten der Rumänischen Israeliten
überreicht.
— Der Vorstand der israelitischen Cultusgemeinde hielt die
erste Sitzung, zu welcher auch das Publicum Zutritt hatte, unter
dem Vorsitze des Vicepräses Reichsrathsabgeordneten Dr. &u-
randa. Gegenstand der Berathung war ein Gutachten an die
Statthalterei über das zu errichtende Rabbiner - Seminar. Es
wurde unter Anderem zum Beschlüsse erhoben: Der -Staat solle
für Erhaltung des Seminars als einer Staatsanstalt, gleichwie
für die anderen zur Heranbildung von Geistlichen und Seelsor-
gern bestimmten Anstalten aus Staatsmitteln Sorge tragen und
die Oberaufsicht über dasselbe, wie er sie sich über alle öffent-
lichen Unterrichts-Anstalten vorbehält, ausüben. Zur unmittel-
baren Leitung sei jedoch ein jüdisches Curatorium zu berufen.
Schüler, welche in's Seminar aufgenommen werden wollen,
müssen Bibel- und Talmudkenntniss besitzen, das Unter- und
Obergymnasium absolvirt und die Maturitätsprüfung gemacht
haben. Der Cursus ist auf fünf Jahre berechnet. Diejenigen
hingegen, welche Aufnahme gefunden haben, ohne die nöthige
wissenschaftliche Vorbildung zu besitzen, sollen sieben Jahre in
der Anstalt verbleiben. Die überwiegende Majorität des Vor-
standes sprach sich ferner dahin aus, dass Prag der geeignetste
Ort für die Errichtung des Rabbiner-Seminars sei.
Notizen.
Herr J. L. Borges, in Hrzmanmiecziz in Böhmen, theilte
mir schriftlich zu der Stelle Maiheft S. 175 ü^fclN G^TITOnh
DYVD mit? dass dieser Ausdruck sich nicht selten im jerusal.
Talmud finde. Vgl. Traktat Beza 1, 3 IfclN HWÖ3 ^nnntZ/ )TOÖ
DIU )b UQ<* sonst. F.
R. Abraham b. Isaak, Ab-bet-din aus üfarbonne.
Ein literarhistorischer Versuch«
Von
Dr. H. Gross.
(Schluss.)
IV.
Manche Responsen64) der Sammlung betreffen nicht
praktische Fälle, sondern die Erklärung schwieriger tal-
mudischer Stellen halachischen oder agadischen Inhalts.
R. Abraham b. Isaak bewährt sich in diesem Theile sei-
ner Responsen als tüchtiger Commentator. Er erinnert,
was Präcision und Durchsichtigkeit der Darstellung betrifft,
in vielfacher Beziehung an Raschi, den er sich hierin zum
Muster genommen hat. Ausser Raschi, den er häufig
citirt66), erwähnt er der Commentarien des R. Nissim aus
Kairuan60), R. Chananel b. Chuschiel67), und eines ano-
") Nr. 419, 435, 476, 504, 702.
**) Zuweilen bloss R. Salomo. Vid. Kr. 491. Dass darunter R.
Salomo Jizchaki zu verstehen sei, folgt aas der Uebereinstimronng des
betreffenden Citats mit der correspondirenden Stelle im Talmud-Com-
mentar. Sonst könnte es ja auch Salomo der Greise ans Narbonne
sein, der um 1100 gelebt hat.
••) Ms. Nr. 604 nnDDH 1ÜÜ Kflhroa TPNTl vergl. Mafteach ed.
Goldenthal p. 26 b. Eschkol p. 28.
•T) Sehr oft im Eschkol.
Frankel, MonatMchrift. XVU. 8. 22
282 R. Abraham b. Isaak,
nymen nordfranzösischen Commentators68). R. Abraham
b. Isaak verfasste zahlreiche Commentarien zum Talmud60),
die sämmtlich verloren gegangen sind. Dieselben sind
oft angeführt von Serachja Gerundi 70) in den Glossen zu
Alfassi, von Abraham b. David71), Nachmanides, Salomo
b. Aderet und sonst, nur einmal in den Tossafot72).
Gewiss ist es, dass er Commentarien zu B. Kama73), 8.
Mezia74), B.Batra76), Jebamot76) und Ketubot77) verfasst
hat.
V.
R. Abraham b. Isaak wird von Einigen auch ein Com-
mentar zum Buche Jezira zugeschrieben 78), was aber wahr-
scheinlich auf einer oft vorkommenden Verwechselung mit
R. Abraham b David79) beruht, der wenigstens als Ver-
fasser eines solchen Commentars galt. R. Abraham b.
Isaak gilt allgemein als bedeutender Kabbaiist, ja als einer
*•) Nr. 604 zu Berachot p. 63. pj£ -pH ItjpT "O Vßn *?* "1D1N1
Dipow v'dj;n iDifo ran *?x )vu itrn yj^a nt jtidd idnj m«Di nfen
•TpTjp nbp w»a* Knn *<b pmoi wn cnp ^d lrrnrn
*B) Vgl. Isaak de Lates a. a. 0. Iuchasin p. 84, vergl. oben An-
merkung 31.
ro) Vergl. besonders Maor zu B. Mezia If. vgl. das. Milchamot.
Tl) Commentar zu Sifra ed. Schlossberg p. 113 und sonst.
") Vid. Hacot. p. 18 b. Vgl. Zunz' Zur Geschichte und Literatur
S. 48.
") Vgl. Sefer ha-terummot 14, 1, vgl. Salomo b. Aderet B. Kama
p. 52 und 101.
") Maor zu B. Mezia II. a. a. 0. das. IX. Milchamot das.
") Commentar des Salomo b. Aderet zu B. Batra p. 51, 57, 65, 67.
70) Das. zu Jebamot IV.
TT) Das. zu B. Batra p. 47.
7S) Schalschelet ha-Kabbala citirt von Auerbach Einleitung zum
Eschkol p. 14. Ich habe die betreffende Angabe im Schalschelet nicht
gefunden v. YtrTP p "IDD von Moses Kunitz p. 94, 123.
") Sehern ha-gedolim I N Nr. 11. vgl. De Rossi Biographisches
Wörterbuch, übersetzt von Hamburger p. 23. Vgl. Beiträge zur Ge-
schichte der Kabbala von Jellinek, erstes Heft p. 10.
Ab-bet-din aus Narbonne. 283
der Hauptträger der Kabbala im Mittelalter80), allein zu
einer solchen Annahme fehlt uns jeder Anhaltspunkt; in
den Schriften R. Abraham b. Isaak's zeigt sich nirgends81)
eine Spur von Kabbala oder irgend welcher Mystik. Die
betreffenden Angaben über ihn als Eabbalisten sind
überdies widersprechend82) Asulai88) theilt eine Tra-
dition mit, nach der, mit Ausschluss R. Abraham ben
Isaaks, die Hauptträger der Kabbala im zwölften Jahr-
hunderte in nachstehender Ordnung aufeinander folgten*
Isaak Nasir, Jacob Nasir84), Abraham b. David, Isaakder
Blinde. Diese Tradition hat die meiste Wahrscheinlich-
keit für sich.
Conforte85) schreibt R. Abraham b. Isaak ein kabba-
listisches Werk Sefer ha-berit zu, was vielleicht auf einer
Verwechselung mit Abraham b. Isaak aus Granada be-
ruht88).
•°) Schalschelet ha- Kabbala p. 50, SchenvTob im Sefer ha-emu-
not 37 citirt von Sehern -ha -gedolim a. a. 0. Abraham Ab-bet-din,
heißet es daselbst, weihte seinen Schwiegersohn Abraham b. David und
dieser wieder seinen Sohn Isaak den Blinden in die Kabbala ein.
Abraham Ab-bet-din selbst soll in der Kabbala der Jünger des Jacob
Nasir gewesen sein. Vgl. Zunz* Analekten Geiger's Zeitschrift 1836,
2. Band p. 307. Vgl. Jellinek, Auswahl kabbalistischer Mystik, erstes
Heft p. 4. Was den Namen Jacob Nasir betrifft, so ist zu bemerken,
dass auch ein Sohn des Meschullam b. Jacob aus Lunel den Namen
Jacob Nasir führte. Vgl. Zunz Zur Geschichte p. 74« Es müsste also
zwei Kabbalisten Namens Jacob Nasir gegeben haben.
81 ) Im Eschkol p. 11 ist einmal das Buch Jezira citirt.
n) Diese verschiedenen Angaben sind zusammengestellt bei Jel-
linek Auswahl kabbalistischer Mystik, erstes Heft, p* 4.
w) Sehern ha-gedolim a. a. 0.
•*) Nach dieser Tradition könnte Jacob Nasir mit Jacob b. Me-
schullam identificirt werden.
••) Köre ha-dorot ed. Cassel p. 8.
••) Schem-ba-gedolim II. 2 Nr. 113, nfftiü TTd 1DD ed. Amster-
dam 1648, das auf dem Titel R. Abraham aus Granada als Verfasser
trägt, ist identisch mit man "1DD, unter welchem Titel es von Moses
Botarel in seinem Jezira-Commentar citirt wird. Vgl. Jellinek a. a. O.
p. 9. Fürst Bibliotheca judaica II. p. 19. Das genannte Werk kann
22*
284 B. Abraham b. Isaak
R. Abraham b. Isaak's, Name wird femer mit einer
Schrift in Verbindung gebracht, die den Titel Baruch
Scheamar87) führt und deren Verfasser sich auf seinen
Eschkol beruft; allein man hat das von uns besprochene
halachische Werk Eschkol mit einem kabbalistischen
Werke gleichen Namens verwechselt, dessen Verfasser
R. Lipmann aus Mühlhausen ist88).
Man hat ferner R. Abraham b. Isaak einen Commentar
zum Moreh Nebuchim zuschreiben wollen89), was aber
schon aus dem Grunde unmöglich ist, da R. Abraham in
der Zeit, in welcher der Moreh vollendet wurde90), längst
schon aus dem Grande nicht dem zwölften Jahrhunderte angehören,
da es bereits den Sohar citirt. Von einem Sefer ha-berit des R. Abra-
ham b. Isaak ist ausser bei Conforte nirgends die Rede.
ar) "lONt? JTÜ ed. ßklow 1804. Vgl. Eschkol Einleitung p. 15.
Fürst Bibliotheca judaica sub voce.
88 ) Vgl. die treffliche Notiz von Senior Sachs Kerem Chemed VIII.
p. 206. Vgl. Zunz' Zur Geschichte p. 209, 210, 380.
1DN6P "p-Q, das Anweisungen für Soferim enthält, ist aus drei
Th eilen zusammengesetzt a) aus einer dem Werkchen zu Grunde lie-
genden halachischen Abhandlung von Abraham Chasan b. Moses aus
Sinzheim (1330), einem Schüler des R. MeYr aus Rothenburg, b) aus
ausführlichen Randbemerkungen zur genannten Abhandlung von Sim-
son b. Elieser aus Sachsen (1375\ c) aus einem kabbalistisch gefärbten
Anhange über das Alphabet von Lipman aus Mühlhausen, dem Ver-
fasser eines kabbalistischen Werkes Namens Eschkol und des Nizachon.
••) Carmoly tptnw "»VrU nrtan p. 87. Carmoly citirt den Schaare
Zion ms. von Isaak de Lates. Abraham b. Isaak soll nach der ange-
führten Quelle auch einen Commentar zu Alfasi verfasst haben. Lei-
der kann man sich auf Carmoly 's Angaben nicht viel verlassen. In
der Einleitung wenigstens zum Schaare Zion findet sich die betreffende
Angabe nicht
•°) Der Moreh wurde 1190 vollendet. Vergi. Grätz' Geschichte,
6. Band, p. 363. R. Abraham b. Isaak hat die älteren Schriften Mai-
muni's ebenfalls nicht gekannt. Das in den handschriftlichen Respon-
sen und im Eschkol citirte DlBDn "IDD ist von dem Maimunischen
Werke gleichen Namens zu unterscheiden und hat R. Chefez zum
Verfasser.
Ab-bet-din aus Narbonne. 285
nicht mehr am Leben war. Abgesehen davon, beschäf-
tigte sich R. Abraham b. Isaak schwerlich so eingehends
mit der Philosophie, dass er einen Commentar zu einem
philosophischen Werke hätte schreiben sollen.
Andere91) wollten umgekehrt R. Abraham b. Isaak zu
den Gegnern der Philosophie und der Wissenschaft über-
haupt zählen; allein diese Angabe beruht, wie es scheint,
auf einer häufig wiederkehrenden Verwechselung R. Abra-
ham b. Isaaks aus Narbonne mit einem Gelehrten gleichen
Namens aus Montpellier92). Letzterer ist entweder der
Vater Salomo's aus Montpellier, eines Hauptgegners Mai-
muni's (1231), oder Abraham b. Isaak aus Montpellier in
Carpentras, der in dem Streite des Salomo b. Aderet eine
hervorragende Rolle spielte93).
R. Abraham b. Isaak wurde auch zu den liturgischen
Dichtern gezählt94), allein man hat ihn mit Abraham ha-
cohen, einem Zeitgenossen des R. Joseph Bon-fils, ver-
wechselt96).
VI.
Wir geben nun mehrere grösstentheils aus den hand-
schriftlichen Responsen geschöpfte Notizen über die Be-
ziehungen R. Abraham b. Isaak's zu seinen älteren und
jüngeren Zeitgenossen. Wir haben, um den Zusammen-
hang der Darstellung nicht zu stören, diese Notizen auf
das Ende der Abhandlungen aufgespart.
a. R. Abraham b. Isaak war ein Zeitgenosse R. Jacob's
aus Ramerü oder R. Tams, den er oft citirt96); da er
91 ) Rapoport Bicure ha-ittim XI. p. 99.
M) Vgl. Eschkol Einleitung p. 7.
••) Vergl. Perles, Salomo ben Adereth. Sein Leben und seine
Schriften p. 47.
M) Wolf Heidenheim WDW1 OWDH 1DND I: rVo!> rfotl 1W 13P1
•TWBoa flTDn nrafc wü kvi mnn nra nwy wn o: t^id ruo rfro
•■) Vergl. Landshut Araude ha-abodah p. 3. Vgl. Salomo Luria
Responsen Nr. 29. Grätz' Geschichte 6. Band, p. 395 N. 5.
••) Dass er seine Schriften gekannt hat, folgt aus Eschkol p 110
ara :inD-)D apjp '-i nm.
286 B. Abraham b. Isaak,
seiner als eines längst Verstorbenen gedenkt97), so
folgt daraus, dass er etwa 1172, d. b. ein Jahr nach
dem Tode des R. Tarn, noch am Leben war08). Dass
er 1170 — 1171 noch am Leben war, geht ferner dar-
aus hervor, dass Benjamin von Tudela") in demsel-
ben Berichte, in dem er von seinem Aufenthalte in
Narbonne spricht, des R Abraham b. Isaak als eines
noch Lebenden, des R. Mescbullam b. Jacob aus Lünel
dagegen, der um 1170 starb100), als eines bereits Ver-
storbenen erwähnt. Dass er um 1185 — 1186101) nicht
mehr am Leben war, geht daraus hervor, dass Se-
rachja Geruadi in seinen Glossen zu Alfassi seiner
als eines Verstorbenen gedenkt109). Das Todesjahr
R. Abraham b. Isaaks fallt daher zwischen 1172 bis
1185108). Da er ein hohes Alter erreicht hat, so fällt
seine Geburt vielleicht mit dem Tode Raschids, das
ist 1105, zusammen.
R. Abraham b. Isaak kann daher nicht bei Moses
ha-Darschan, der in der Mitte des elften Jahrhunderts
geblüht hat, gehört haben, er war vielmehr der Schüler
•r) Responsen ms. Nr. 497. Temim Deim Nr. 140 '«DD TIJ/OB>
••) Die Angabe Meiri's Einleitung zu Abot p. 17, dass R. Abraham
b. Isaak t^pnn *» 1159 gestorben sei, kann daher nicht richtig sein.
Vgl. Zunz in Geiger's Zeitschrift 1836, II, 309.
••) Itinerarium Anfang.
100 ) mVT B3ff citirt von Gräte Geschichte 6. Band. p. 397.
101) Serachja starb 1186 vid. rniiT Ü2tP a. a. O. Die Glossen
Serachja's zu Alfasi wurden vom Verfasser sehr früh, ja bereits in sei-
ner Jugend angelegt, vgl. Sehern ha-gedolim I sub voce; allein daraus
kann man in Bezug auf die darin erwähnten Personen keine Fol.
gerungen ziehen, da der Text von Seiten des Verfassers selbst viel-
fache Aenderungen erlitten hat, so dass der Zusatz ?"? später in den
Text gekommen sein kann. Vergl. Geiger Ozar Nechmad II. Jahr-
gang p. 8.
los) Maor B. Mezia Abschnitt II. das. IX.
,0>) Das Datum 1205 im Juchasin ed. Flipoweki p. 220 ist daher
gewiss falsch. Die Angabe Meiri's t^pnn ist vielleicht in ühpDD zu
emendiren,
Ab-bet-din aus Narbonne. 287
von Personen, die bei Moses ha-Darschan oder dessen
Jüngern gehört haben, woraus wohl der Irrthum ent-
standen sein mag104),
b. Der Hauptlehrer R. Abraham b. Isaak's war R. Moses
b. Joseph b. Merwan ha-lewi105), der Brudersohn des
R. Isaak b. Merwan ha-lewi und wahrscheinlich Schü-
ler des R. Moses des Demüthigen106) aus Narbonne.
R. Moses b. Joseph blühte in der ersten Hälfte des
zwölften Jahrhunderts, war Einer der bedeutendsten
Gesetzeslehrer107) von Narbonne, er führte den Titel
Gaon108). Seine Responsen werden in älteren Re-
sponsen-Sammlungen sehr oft angeführt109). Er war
auch der Lehrer Serachja Gerundi's110) und des Ra-
bed111), woraus hervorgeht, dass R. Abraham ben
Isaak, der Schwiegervater des Letzteren, noch ziemlich
jung war, als er bei R. Moses b. Joseph gehört hatte.
Er pflegte ihm noch später seine Responsen vorzu-
legen112), bevor er sie abschickte; das Amt eines Ab-
bet-din bekleidete R. Abraham b. Isaak noch bei Leb-
zeiten seines Lehrers, weshalb in dem besprochenen
Responsum des Narbonnensichen Rabbinatscollegiums
in den Unterschriften sein Name vor dem seines
Lehrers figurirt118).
104) Juchasin p. 84 und 217. Sehern- ha -gedolim sub voce vergl.
Additamenta zur Stelle.
,0») Responsen ms. Nr. 517 rpy» l"2 WD '") pr\2\ün tn Dy TTUl
das. Nr. 520. 606.
lo6) Juchasin a. a. O.
10 r) Meiri a. a. 0.
10>) Kaftor wa-pherach ed. Edelmann Einleitung p. 33.
1M) Temim Deim Nr, 78, 111, 137. Sefer ha-terummot 49, 4.
Uo) Maor Gittin Abschnitt IL
1U) Temim Deim Nr. 106.
1U) Responsen ms. Nr. 706. Responsum an Meschullam b. J.
^ rmni JH rpv itf3 rwo ,mf? mwnn anann ita i? totw nnw
vgl. das.. Nr. 719 ^| rpV "\"2 7WÜ "") 3"& nKT VTO Wim.
&1>) Vgl. °l)en Anmerkung 46. Der Unterschrift des Ab-bet-din
geht daselbst die des Nasi voraus.
288 R. Abraham b. Isaak,
c. R. Abraham b. Isaak hat ausserdem bei R. Isaak b.
Merwan ha-lewi gehört114), der im ersten Drittel des
zwölften Jahrhunderts in Narbonne geblüht hat116),
als rabbinische Autorität galt116) und wahrscheinlich
nach Moses dem Demüthigen Oberhaupt der Hoch-
schule war. Er starb vor dessen Bruder R. Joseph
kinderlos117)« Seine Decisionen und Responsen wer-
den oft angeführt118).
d. Ausserdem gilt allgemein R. Jehuda b. Barsilai ha-
Nasi aus Barcelona, der um 1130 geblüht hat, als
Lehrer R. Abraham b. Isaaks110). Letzterer spricht
von seinem Lehrer mit grosser Verehrung, er wandte
sich oft an ihn um Auskunft über Anfragen, die an
ihn ergangen waren iao), er citirt ihn häufig und bringt
zuweilen längere Auszüge aus dessen halachischen
Schriften ,ai).
11 4> Responsen ms. Nr. 406 $>"T ^H ]\~\ü p h"l j?TBP '1D TiyDP
Vgl. Eschkol p. 9, 17 pW XT1 1DK anOH "91.
,I6) V.TemimDeimNr.l88(d i.JbnMigaach)^nipVTW3Tl 3TD
^1 pD pN pPW '") 3TT1 OBQ vgl. Eschkol Einleitung.
11#) Meü-i a. a. 0.
11 r) Vgl. Sefer ha-terummot 14, 3.
lie) Temim Deim Nr. 169. 188. u. a. m.
"•) Responsen ms. 609. (1. V^TO) "W^l ^ p iTWT OTI. Vgl.
Eschkol p. 90 mVT '"I mnD TiyDff vgl. Simon Duran Responsen III.
Nr. 238. vgl. Zanz Additamenta ad Cod. Lips. Nr. 31.
It0) Responsen ms. Nr. 719 'Ol yti> $>Ntfc£ Tljna V*\.
lsl) Diese Schriften werden aber meist blos unter dem Namen
Halacbot angeführt. Z. B. Responsen ms. Nr. 518. das. 704. Ueber
diese Schriften, von denen uns keine einzige erhalten ist, herrscht
viel Unklarheit. Ich stelle die älteren Angaben über die Werke Bar-
silai's zusammen. Schalschelet ha-Kabbala ed. Ven. p. 40. (PHllT '"0
1DD h<1pJ njTlD vp-ni -|BO TN» DtfT» 1DD hOpJ OHM MH3 TOD 13PI
.onawm otküpi np^noa ^ru -nan "am rmw y\pt) todi Dvij/n
Asulai sub voce aus einem anonymen Manuscripte: Tun "DT!
D'1 ^d narrn mo p«D na™ pom otto ^m mo^nn fea naaji fcru
.onyn tod Tanon an Nim -ira^ Dnefpyoi ■»£ t»ti ü*
a. In den uns vorliegenden Responsen Nr. 710 ist citirt bttt DtM T1D
mvr n mn bald darauf onay nnat? nataa *£&> tod3 wy, es
Ab-bet-din aus Narbonne. 289
e. Kehren wir nun von Marseille, wo Jehuda b. Barsilai
wahrscheinlich gelebt hatte, nach Narbonne zurück,
so begegnen wir daselbst ausser den bereits Genann-
ten mehreren hervorragenden Gelehrten, welche gleich-
zeitig mit R. Abraham b. Isaak gelebt haben. Wir
nennen vor Allem die Narbonnensische FQrstenfamilie,
in der es mehrere bedeutende Männer gab, wie To-
dros b. Moses192) und dessen Söhne Kalonymös ias)
werden nun mehrere den Verkauf von Sklaven betreifende Fragen
besprochen. Es unterliegt nun keinem Zweifel, dass das zuletzt
citirte Werk mit dem genannten "lt&Q ")NtP D11T identisch ist, und
es folgt daraus, dass es nicht ausschliesslich eherechtliche Fra-
gen behandelte, sondern sich auch auf andere in den Tractaten
Kidduschin und Oittin vorkommende Punkte erstreckte. Es dürfte
ein halachischer Codex und Commentar zugleich zu den Tractaten
Jebamot, Ketubot, Kidduschin und Gittin gewesen sein, und würde
demnach einen Theil des von Asulai erwähnten umfassenden tPlTD
pDDI zum Talmud gebildet haben.
b. DTiyn ~)DD handelte nicht blos über Festbestimmungen, sondern
umfasste viele Gegenstände, die mit den Festbestimmungen in kei-
ner Beziehung. standen. Das folgt aus den Citaten im Temim Deim
Nr. 62, 104, 140, 142, 176, 180, 242 u. a. m. Wie Uta "INff D1PP
ganz DUM "TID so umfasste DTIJ/H "1DD wahrscheinlich 1]flö VID
c. Ebenso umfassend war sein Responsenwflrk, aus dem wahrschein-
lich R. Abraham b. Isaak den grössten Theil der von ihm citirten
gaonäischen Responsen geschöpft hat Das Werk ist citirt Eschkol
p. 64 otküti nip^no mcü m yojn ara b"i rnirr» n avn vgl. das
oben citirte Werk lüKW "jra p. 11, das. 15 13TW OTKÜT1 HOttTI
.^ra "13 otp wn ü^y ara rpv "\
d. nffütf "ppn ")DD, in ßefer ha-terummot blos ffllBlWI 1DD, erstreckte
sich, wie ebenfalls aus den Citaten im Sefer ha-terumroot hervor-
geht, auf das civilrechüicbe Gebiet überhaupt.
lM) MeSri a# a. O. Vergl. oben Anmerkung 46. Juchasin p. 84.
Die Fürstenfamilie war sehr verzweigt und die Namen Todros Kalo-
nymös und Moses kehren oft wieder. Daher die häufige Verwech-
selung dieser Namen z, B. Mein a. a. 0. „Todros und dessen Sohn
Lewi die hohe Ceder". Vergl. Isaak de Lates a. a. O. „Der Fürst
Moses b. Todros and dessen Sohn Lewi die hohe Ceder." Vergl.
Schalschelet ha-kabbala p. 54. Vgl. Zunz' Zur Geschichte p. 480.
"') Vgl. Benjamin von Tudela a. a. 0.
290 R. Abraham b. Isaak,
und Moses114). Der Sohn des Letzteren, R. Levi, „die
hohe Ceder" genannt, der von Charisi1*5) gefeiert
wird, war zur Zeit R. Abraham b. Isaaks noch sehr
jung.
f. Ausser dem Nasi Todros b. Moses werden noch als
Kollegen R. Abraham b. Isaak's genannt: R. Mei'r b.
Jacob1*0) und R. Meschullam b. Nathan197). Letzterer
ist wahrscheinlich der Verfasser eines Bibelcommen-
tars, den der anonyme Commentator der Chronik
citirt1*8), der in der ersten Hälfte des zwölften Jahr-
hunderts in Narbonne gelebt hat.
g. R. Abraham b. Isaak gedenkt ausser Meschullam b.
Nathan folgender Gelehrten von Narbonne, die er
über talmudische Anfragen, die an ihn ergangen
waren, zu Ratbe zu ziehen pflegte199):
I. R. Melr b. Joseph, ein hervorragender Ge-
lehrter, der den Titel Gaon180) führte und ein
W4) Vielleicht derselbe, der in dem so oft erwähnten Repsonsum
aus Narbonne citirt wird. Vgl. oben Anmerkung 46.
lti) Tachkemoni 46.
i»tj Vgl oben Anmerkung 46.
llr) Das. vgl. Köre ha-dorot ed. Cassel p. 13 wo ein Meschullam
b. Nathan zu den Gelehrten von Narbonne gerechnet wird. In den
Responsen ms. z. B. Nr. 495. findet sich oft Q^tiPD '")D TiyDP, es ist
dies wahrscheinlich der genannte Meschullam b . Nathan aus Narbonne,
nicht zu verwechseln mit Meschullam b. Nathan aus Melun, dem Cor-
respondenten des R. Tarn.
1,e) Vergl. den den Namen Raschids tragenden Commentar zur
Chronik II. Chronik 13, 2. Vergl. Kerem Chemed. Y. p. 241. Der
Commentator citirt blos R. Meschullam, allein, dass man an Meschullam
b. Jacob aus Lunel nicht denken darf, folgt daraus, dass I. Chronik
4, 31. 16, 35, Elieser der Sohn des genannten Meschullam citirt wird,
Meschullam aus Lunel aber hatte keinen Sohn Namens Elieser. Vgl.
Benjamin von Tudela a. a. 0.
,,g) Responsen ms. Nr. 606: TND '1 )tO *?& UVin 3D DJ/ TTOl
ütüh *i"3 mpTn '"i , foiDB> i"3 pror» ") , in: 'm d$wö 'i , rpv ifi
. rrnrr t* 2 -m *yi
1,0 ) VgL Eaftor wa-pherach Einleitung p. 33.
Ab-bet-din aus Narbonne. 291
Schüler von R. Isaak b. Merwan ha-lewi war,
dessen Decisionen er oft anführt111).
IL R. Isaak b. Samuel, wahrscheinlich derselbe,
den der anonyme Commentator der Chronik
öfter citirt18*)*
III. Chiskia b. Abraham1*3) und
IV. R. David b. Jehuda.
h. R. Abraham b. Isaak erwähnt ferner folgender Ge-
lehrten, von denen er Decisionen mittheilt, die er
selbst von ihnen gehört hat:
. I. R. Samuel b. Moses184), ein bedeutender Ge-
lehrter aus der Provence186).
IL R. Matatia186) und
III. R. Jacob ha- cohen187).
1,1 ) Temim Deim Nr. 122 vgl. Maor zu Beza Abschnitt III und
sonst.
"») I. Chronik 9, 39. 18, 3. 5, II. Chronik 24, 14. Vgl. Kerem
Chemed a. a. 0. Nicht zu verwechseln mit dem gleichnamigen Ur.
enkel Raschi's, welcher zum Unterschiede von seinem Narbonnensischen
Namensvetter oft TlD")Un genannt wird. Vgl. Temim Deim Nr. 203.
1M) Bei Salomo Luria Responsen Nr. 29 ist ein Chiskia aus Auxere
(~11Ü?N) genannt, der um dieselbe Zeit als Chiskia aus Narbonne gelebt
haben dürfte« Es gab auch, wenn ich nicht irre, einen Paitan gleichen
Namens aus dieser Zeit.
IM) Responsen ms. Nr. 500 WD 1"2 $WDt? ")D TlJrtW.
1M) Juchasin p. 84 und 217. Vgl. Temim Deim Nr. 171.
lii) Responsen ms. Nr. 434. KnrWjTI lTPnriD '1 ^DD TiyDB>. Der
Ortsname Castra und Castro kommt so häufig vor, dass sich durchaus
nicht bestimmen lässt, welcher Ort an unserer Stelle gemeint sei, wahr-
scheinlich ist es Castres bei Toulouse. In dem von Dukes „Ehren-
säulen" p. 30 besprochenen „Römischen Rituale" begegnen wir einem
liturgischen Dichter NnnDpD 2pjp "O DiTDNYgL Kerem Chemed IV. p. 38.
liT) Respons. ms. Nr. 704. fcnw 1 n W yiOTi apjp '") *W ^nyDB>
tdki toenw 'i DDnn vAy «nw rrnnn nroa üfo\y vn vnrarn snom
wm **bvnQ aro ort? ton nimn rata h ytün lrppoy >nd3 arf?
IHN b)} PlJtW vgL über diese Stelle Tossafot Berachot p. IIb. üeber
die Namen, die in dem citirten Responsum vorkommen, ist Folgendes
zu bemerken:
292 R. Abraham b. Isaak,
i. Von den Gelehrten, mit denen R. Abraham b. Isaak
correspondirte, das h eiset, welche Anfragen an ihn
richteten, ist vor Allem R. Meschallam b. Jacob aus
Lunel zu nennen138), dessen Sohn R Ascher, ein be-
deutender Talmudgelehrter189), die uns vorliegenden
Responsen an R. Meschullam, wie wir bereits bemerkt
haben, theilweise geordnet hat.
Der Ton, der in diesen Responsen herrscht, ist nicht
der eines Lehrers, sondern eines gelehrteren Freundes.
R. Meschullam, der übrigens als rabbinische Autorität
galt140), war vielleicht talmudisch minder gelehrt als sein
Narbonnensischer Freund, aber er überragte ihn sicher-
lich durch die Vielseitigkeit seines Wissens. Er hat sich
auf mehreren literarischen Gebieten zugleich versucht
und wenn er auch nirgends Bedeutendes und Bleibendes
geleistet, so hat er doch nach allen Seiten hin höchst an-
a. In unserer Sammlung ist das citirte Responsum Abraham b. Isaak,
in t0p7n 'hlW Nr. 2 dagegen Abraham b. David zugeschrieben.
Y3N") ist daselbst gewiss = Y3N Tl.
b. yiDH 3p]P '"/ ist ms. Nr. 518 in yTDH v'~) abgekürzt und diese Ab-
breviatur ist corrumpirt in fon '"1. Dasselbe Corruptel in *b)2W
Vpbn a. a. 0. Tosafot B. Mezia 27 a und Sota 38 a ist yon *,m\
vielleicht abgekürzt von y\Dr\ 3pJP '1 Zunz, zur Geschichte p. 51
liest yan rrnm *i.
c. Samuel ist selbstverständlich Samuel b. Mei'r, der ältere Bruder des
R. Tarn.
d. Asriel ist Tosafot Kidduschin p. 6 a B. Kama p« 10 a citirt und wie
in unserer Stelle so auch dort in Controversen mit R. Samuel
b. Mefir.
1,a) Die Zeit, in die die Responsen an R. Meschullam fallen, ist
1130— 1140, d. h. kurz nach dem Tode Jehuda b. Barsilai's.
"•) Vgl. Temim Deim Nr. 102, Nr. 203, sehr oft im Sefer ha-te-
rummot blos R. Ascher genannt. Er hat ein ntiTUDH "MDD verfasst,
aus dem der Verfasser des Kol-Bo sehr Vieles geschöpft hat Seinem
Namen begegnet man fast auf jeder Seite des Kol-Bo. Vgl. das. 24.
.myuon iddd ton 'n nuno m 5o
uo) Seine Responsen werden oft angeführt, vgl. Sefer ha-terum-
mot Pforte 46, Theil 4.
Ab-bet-din aus Narbonne. 293
regend gewirkt. Er regte einerseits Ibn Tibbon an,
Bacbja's Chobot ha-lelabofc in's Hebräische zu übertragen141)
und andererseits seinen Jünger den Rabed, einen hala-
chischen Codex anzulegen142).
Kehren wir nun zu R. Abraham b. Isaak zurück; er
correspondirte viel mit R. Joseph b. Chen148), der gewiss
der edlen und berühmten Familie Chen oder Graciano
in Barcellona angehörte. Zur Zeit des R. Abraham ben
Isaak ragte besonders der Nasi Schaltiel als Haupt der
genannten Familie in Barcelona hervor144). R. Joseph,
ein Verwandter des Letzteren, stand, als er mit R. Abra-
ham correspondirte, noch im jugendlichen Alter146). Er
wurde, noch jung, zum Lehramt berufen und R. Abraham
b. Isaak macht ihn indirect darauf aufmerksam, dass er
sich durch dies ihm von allen Seiten reichlich gespendete
Lob nicht abhalten lassen solle , sein Wissen immerfort
zu erweitern146).
Als dritter Correspondent wird ein R. Nathan b. Mor-
dechai aus Lünel genannt. Ein Responsum an den Letz-
tern über Tefilin ist handschriftlich vorhanden147).
Wir schliessen mit dem vierten Correspondenten148),
mit R. Abraham ben David, dem Schwiegersohne149) R.
141 ) Vgl. oben Anmerkung 27.
* l") Vgl. Temim Deim Nr. 14 TITm TüWl "IDD3 HTD TOTO 1331
h": ahm* '-i am *xh *mara vgl. das. Nr. 9 Nr. 245.
l4S) Vgl. oben Anmerkung 54. Das ms. hat )T\ "13. Ich emen-
dire in "jü "13 d. h. der Familie Chen angehörig, über diese Familie
vgl. Steinschneider in Ozar Nechmad IL Jahrgang p. 229. Zunz gab
in der A9cher'schen Ausgabe des Itinerarium des Benjamin von Tudela
einen besonderen Excurs über die genannte Familie. Diese Ausgabe
stand mir bei meiner Arbeit nicht zu Gebote.
l44) Benjamin von Tudela Anfang.
I4B) Folgt aus dem Tone, der in diesen Responsen herrscht.
14 •) Responsen ms. Nr. 488.
14 J) Vgl. De Rossi cod. 159.
14 *) Der grÖ88te Theil der den Namen R. Abraham b. Isaaks tra-
genden Responsen von Temim Dei'm sind gewiss an den Rabed ge-
richtet.
&") Vgl. Isaak de Lates a. a. 0. MeVri a a. 0. Vgl. Sehern ha -
gedolira sub voce.
294 R. Abraham b. Isaak, Ab-bet-din aus Narbonne.
Abraham b. Isaak's. Der Rabed spricht von seinem Lehrer
R. Abraham150), mit dem er sehr oft in älteren Schriften
verwechselt wurde161), mit grosser Verehrung; aber er
nahm ihm gegenüber eine ganz selbstständige Stellung
ein. Er berichtet über einen heftigen Disput über ein
talmudisches Thema, den er mit seinem Schwiegervater
hatte und in dem der Letztere ihm nachgeben musste '**).
Das ist eben der Grundzug des Charakters B. Abraham
b. Davids, dass ihm die Wahrheit über jede Rücksicht
ging. Was lag ihm z. B. in einem Dispute daran, dass
sein Gegner sein Schwiegervater und Lehrer zugleich war?
Die Wahrheit muss doch das letzte Wort haben.
B. Abraham b. Isaak hat noch den Ruhm seines Seh wie«
gersohnes erlebt, aber er starb noch zeitlich genug, um
nicht seinen eigenen Ruhm zu überleben. In dem Mai-
munischen Streite, dessen Schauplatz in der folgenden
Epoche hauptsächlich die Provence war, trat der Name
des seiner Zeit gefeierten Gesetzeslehrers von Narbonne
ganz in den Hintergrund. Man griff dessen Schriften
nicht an, man verbrannte und verdammte sie nicht, aber,
es widerfuhr ihnen Schlimmeres — man vergass sie.
lM) Temim Deim Nr. 39 u. a. m.
151 ) Vgl. Eschkol Einleitung. Vgl. oben Anmerkung 137 12"H1
und T"3N 21 wurden oft verwechselt R. Abraham, Ab-bet-din wurde
sehr oft in Y'3N"1 abgekürzt, z. B. Bp£n "fco* Nr. 15 ist "U"Nn —
Y'3N m nach ms. Kr. 607. Bet Joseph Nr. 22. zur Stelle xles Tur
3TO DnDK "Vn ist Anfangs der Stelle 72"tC\ = T2H 31 nach ms.
Nr. €06, vgl. oben Anmerkung 129. Die daselbst genannten Gelehrten
sind eben die in Bet-Joseph a# a. 0. erwähnten nyarti "»DD!"!.
1M) Temim Deim Nr. 56.
Wiederherstellung einer im Arucb gefälschten Stelle. 295
Wiederherstellung einer seit 800 Jahren im Aruch
gefälschten Stelle.
In allen Schriften aus der alten und mittelalterlichen Welt
stossen wir oft auf einxelne Wörter oder ganze Sätze, welche
jeder geregelten Erklärungskunst widerstehen, weil sie allein-
stehend, ohne Zusammenhang mit ähnlichen Sprach - Erschei-
nungen und Begriffen sich den nachgeborenen Geschlechtern
darstellten, oder weil ihre Gestalt sich beim Durchgang von
Händen zu Händen fleiss- oder gewissenloser Abschreiber sich
geändert, wobei der Fehler, welcher Platz im Texte gegriffen,
seiner Fortdauer durch Herkommen, Scheu vor Aenderung selbst
bei besserem Wissen und wissenschaftliche vis inertiae Ober-
haupt für lange Zeiten sicher ist. Bei den Schriften der ju-
dischen Vorzeit begünstigt noch ein anderer Umstand die starre
Aufrechthaltung hergebrachter Irrthümer: die fromme Heilig-
achtung der Texte und ein gewisses Gefühl von Unantastbarkeit
der Worte, aus denen sie zusammengesetzt sind. Aber es treten
oft Fälle auf, wo grade die Verehrung für den Namen der Schöpfer
jener Texte gebieten müsste, das überkommene Gebot der Un-
antastbarkeit ihrer verstümmelten oder ihnen unteqgeschobenen
Worte ausser Kraft zu setzen; Fälle, in denen die überlieferte
und doch verwerfliche Form oder Erklärung gegen den Namen
der unsterblichen Verfasser, ohne deren Schuld, Verwunderung
und Spott bewaffnet. Beim Eintritt eines solchen Falles lässt
sich auf das wissenschaftliche Streben des redlichen Forschers
eine zweite Weihe herab, die der hinzutretenden Pietät und des
daraus entspringenden Strebens, ein Rettungswerk für das be-
leidigte Andenken jener Männer zu vollziehen, den Makel der
Albernheit von ihrem Namen zu trennen. In diesem Sinne hat
auch JQ1 bei ähnlichem Vorkommnis s ausgerufen:
(Baba Mezia 62, b und öfter).
Aber keine misshandelte Stelle dieser Art ist rettungsbe-
dürftiger, als die Wurzel D^N hn Aruch des Natan ben Jechiel.
296 Wiederherstellung einer seit 800 Jahren
Wurzelwort und Erklärung daselbst in ihrer jetzigen Gestalt
richten nicht blos das Befremden des gesunden Verstandes auf
den sonst so klaren Geist Natan ben Jechiel's, nein, sie fuhren
auf denselben und zugleich auf den Targu misten Jonathan den
Vorwurf der Lächerlichkeit. Hier wie nirgends ist eine Emen-
dation heilsam, rettend. Um aber den Weg zur Lösung der
Aufgabe gänglicher zu machen, scheint es zweckmässig, densel-
ben in drei Absätzchen zu sondern, und dem Auge des Lesers
3 Rubepunkte zu widmen mit den Ueberschriften :
1) Verfälschung,
2) Verbesserung,
3) Vermuthnng.
I. Verfälschung.
Das hebräische Wort }rÖ wechselt seine Wiedergabe bei
den Targumim dreifach je nach der zu bezeichnenden Stellung
der Persönlichkeit, welche der Begriff einschliesst. Die vor-
herrschende Grundbedeutung ist: „Würdenträger". In dieser
geistlichen Bedeutung nimmt der Cbaldäer, unterscheidend, auf
die religiöse Angehörigkeit des jro Rücksicht. Ist der Altar-
diener ein Priester in Israel, so wird die hebräische Einkleidung
nur chaldäisch zugeschnitten, jrp wird jrp / WHDj ist aber von
einem götzendienerischen oder sonst nicht israelitischen Pfaffen
die Rede, so wird das im Hebräischen seltene, im Aramäischen
aber häufige *)fc1D dafür gesetzt. Ist dagegen der Begriff mit
dem Altardienst nicht verbunden, oder wenigstens nicht darauf
beschränkt, so geben Onkelos sowol wie die beiden Jonathan
das hebräische Wort durch das umfassendere K^H wieder, wel-
ches Würdenträger im Allgemeinen bedeutet. Letzteres finden
wir z. B. immer im Onkelos bei dem Epitheton unseres Jethro
jnip )TD> Exodus 2, 16. 3, 1. 18, 1 und ebenso übersetzt Pseudo-
jonathan an der zweiten Stelle. Um so stärker wird man da-
her überrascht, bei demselben Jonathan und demselben Jethro
zweimal das unverständliche, oder missverständliche DWK (DV1M)
Exod. 2, 16 und 18, 1 statt des üblichen fcO*l zu finden. Das
merkwürdige Wort mag eben erst durch das Citat des Aruch
so entstellt in die Handschriften des Jonathan eingedrungen
im Arnch gefälschten Stelle. 297
sein; aber hat Nathan b. Jechiel diesem Worte auch nicht das
Dasein gegeben, so hat er es doch auf seinem Wege in die Nach-
welt mit einer Erklärung beschwert, die an Seltsamkeit ihres
Gleichen in dem sonst so gediegenen Werke sucht. Hören
wir unsern Rabbi Nathan selbst bei dem Schlagworte DWW
(hinter dem Wurzelwort D3K. Landau hat D^):
nm pö bw iiön wn»D p& jro vAwrv mmn piyi dnw
.... duw -ffiDnb pip jr» jrote pw vro» onron
So wenig nöthig eine deutsche Uebersetzung dieser Worte
für unsere sachkundigen Leser ist, wollen wir doch eine solche
für nicht ganz überflussig halten, weil in der lebenden Sprache
die Erscheinung dieser Sonderbarkeit noch greifbarer hervor-
sticht: „Die Worte plöl DttW sind die des Jerusalemischen
Targum (<1. h. unser Jonathan b. Usiel) für pü ^r\D (Exod. 18, 1.
Aruch hat wie es scheint in der Stelle Ex. 2, 16 das DTDW nicht
vor sich gehabt) und sie bedeuten: Esel von Midian. Der chal-
däische Uebersetzer spricht mit Geringschätzung desselben,
denn so nennt man in 'der griechischen Sprache den Esel DOW."
Bis jetzt ist mir kein Midrasch bekannt geworden, der et-
was Aehnliches über Jethro spricht, oder auch nur andeutet,
und kein alter Commentator, welcher die Erklärung Jonathan's
kennt und in Anspruch nimmt. Rabbi Nathan allein hat uns die
Quelle dieser Erklärung flüssig gemacht, und es ist zu unter-
suchen Pflicht, ob sie bei Nathan, oder bei Jonathan getrübt
war, oder bei beiden. Viele Fragen sammeln sich hier um den
Forscher, aus welchen wir einige der wichtigsten wählen: Vor
Allem, fragen wir, ist es redlich, ist es sittlich und von Seiten
der jüdischen Frömmigkeit erlaubt, einen Mann zu beschimpfen,
in dessen Lob sich die ältesten Midraschim (Wl^DÖ) erschöpfen,
ein Lob, welches die Texteskritik bereitwillig in seinem vollsten
Umfange bestätigen wird? Gesetzt aber, Jonathan wäre, ganz
alleinstehend, noch befangen in der Ansicht, Jethro war in sei-
ner früheren Heidenstellung ein Verfolger der Israeliten, ein
Freund Bileams u. dgl. gewesen, so hätte man höchstens nach
Analogie einer particularistischen Schwäche ihn yim oder tfDÖ
nennen mögen, wie sich Pharao, Bileam, Nebuchadnezar, Ahas-
verus, Titus, Hadrian u. a. diesen letztern Beinamen, mehr oder
weniger verdient, zugezogen haben; aber welcher Anhaltepunkt
gibt einem Ausleger den Anlass, oder gar das Recht, an den
Frank«!, MonatMchriftXVH. 8. 23
298 Wiederherstellung einer seit 800 Jahren
Namen eines Mannes ein so plumpes Schimpfwort zu heften,
welcher Erfinder der ältesten Gerichtsordnung, der Berather
und Fuhrer des göttlichen Gesetzgebers, der Schwiegervater
desselben, der Gast und Freund des Volkes Israel war? Und
macht sich dieser Schimpf nicht zugleich den gelehrigen Moses
selbst und das ganze Volk zum Gegenstände? Wir fragen nur
noch, warum übersetzt hier Jonathan überhaupt das Wort jTO
mit „Esel", da er doch hier nicht paraphrasirt und nicht alle-
gorisirt, und sonat ja wirklich mit fcOI wie Onkelos übersetzt?
Und will er durchaus gegen Wahrheit und Recht den in seinem
Texte verherrlichten Jethro „Esel" nennen, braueht er diesen
Esel aus Griechenland herzutreiben ? ist er um das in seiner Sprache
so gewöhnliche Wort Xlön verlegen ? Aus dem Gesagten geht
schon zur Genüge hervor, dass das Wort DU1K bei Jonathan
in dem Sinne der angeführten Erklärung des Aruch und diese
selbst aus innern wie aus äussern Gründen unglaublich, un-
möglich, unbedingt falsch ist. Und wirklich ist neuerdings aus
der so selten sichtbaren Ausgabe des Aruch aus dem 15. Jahrb.
nachgewiesen worden, dass zudringliche Hände von Abschrei-
bern Katzengold zwischen das gediegene Gold Rabbi Nathans
geschoben haben, und hierdurch wird es um so gewisser, dass.
die angegebenen Worte DWN und JHÖ bw "Nön unbedingt falsch
sind, und diese Behauptung wird noch unwiderleglicher, wenn
eine Lesart gefunden ist, welche den Stempel der Wahrheit
unverkennbar vorzeigt.
Es ist aber diese der Zustimmung aller unbefangenen Ge-
lehrten gewisse Lesart keine solche, zu deren Auffindung die
Anstrengung besondern Scharfsinnes das ihrige zu leisten hat«
sie ist vielmehr eine solche, wie sie oft, beim Nachdenken in
Ruhe, durch plötzliches Auftauchen eines glücklichen Einfalls
zur wissenschaftlichen Vision wird. Wohl mögen daher hun-
dert Gelehrte diese im Folgenden aufgestellte Emendation schon
durch sich selbst kenneu, und mancher mag sie gar schon, ver-
öffentlicht haben, aber unter denjenigen, welche hier mit ihr
überrascht werden, dürfte mancher ausrufen: „das ist so einfach,
darauf konnte jeder kommen!"
Die Emendation hat übrigens das Eigentümliche, dass sie
durch zwei sich deckende Corruptionen ihre Beglaubigung
vervollständigt.
im Aruch gefälschten Stelle. 299
II. Verbesserung-.
Unsere Ueberschriffc „Verbesserung" wird mancher unpar-
teiische Leser für zu gemässigt finden, und dafür „Wiederher-
stellung" wünschen, indem er der Emendation seine unbedingte
Beistimmung zuwendet. Da hier aber die Lösung der Frage
noch kleiner Ergänzungen fähig ist, namentlich ungewiss bleibt,
welche Hand sich zuerst an der richtigen Lesart vergriffen, so
mag diese sich unter dem anspruchslosem Namen „Verbesserung"
den Eingang beim Leser erwerben. Zuerst muss jedoch schon
der prüfenden Vergleichung wegen ein Rückblick auf die, mir
bekannten, Erklärungen geworfen werden, welche sich an-
strengten, von Jethro und Jonathan das beleidigende Wort zu
entfernen, aber den aus demselben sich ergebenden Vorwurf
der Schmähsucht und der Lächerlichkeit der Deutung auf dem
edlen Nathan sitzen lassen. — Fünf Gelehrte früherer und neuester
Zeit haben sich mit der Erklärung des seltsamen Wortes be-
schäftigt: Buxtorf, Lara, Levy, Musafia und Sachs, jeder der-
selben kommt zu einem andern Ergebniss, überein kommen sie
alle nur, wie gesagt, in dem Ausschluss der im Aruch verzeich-
neten Erklärung, die vier letztern kommen auch darin überein,
dass das Wort DW1N griechisch ist, während der Erstere (Bux-
torf Lex. talm. 142) es für einheimisch aus der Wurzel DjN
leitet und QttW oder D^N = Part. OJfrJ oder D3N nimmt für:
Zwingherr, Tyrann im altgriechischen Sinne, also = &Q} wie
Jonathan selber das hebr. pD sonst übersetzt. Buxtorf, wie im-
mer, nachschreibend hat Castellus im Heptaglotton Q)X)H mit
derselben wörtlichen Erklärung, und gleich dahinter DUW „gr.
ovo? , asinus aüvestris". Mit Unrecht! Das Wort DUW oder
D"01K ist Hapaxlegom. and entweder, oder! entweder es heisst
Praefectus, oder asinus. Es kommt im Talmud und Midrasch
nur noch DttfflDTI (&»*«>«) vor. Von den vier andern Gelehrten
erklärt Lara im Wb. rtflTO "WO DIJIK = «*«4 v°c- •*«&
Levi (chald. Wb. 15) *= ewoog. Musafia s. v. mit dem latei-
nischen honos, was Schönhack im -pMflDTl in honestus ver-
bessert, und er hätte noch besser thun können, das griechische
onjurog zu empfehlen. Endlich Sachs (Beiträge 1, 163) vergleicht
mit D131M das griech. evywfc.
23*
300 Wiederherstellung einer seit 800 Jahren
Ich verzichte auf das jedem zustehende Recht, über diese
fünf verschiedenen Etymologien ein Urtheil abzugeben, gewiss,
sie stimmen auch darin überein, dass sie sämmtlich mehr oder
minder scharfsinnig sind, aber auch darin, dass sie Jonathan et-
was Anderes als die gebotene Uebersetzung des hebr. Wortes
p3 in die Feder legen; höchstens Buxtorf fühlt das Bedürfniss
in schwacher Annäherungsweise, dem alten Targumisten eine
sinntragende, wenn auch nicht annehmbare, Uebersetzung zuzu-
trauen. Der Uebersetzer des Jonathan in der Londoner Poly-
glotte (wo übrigens D\W gelesen wird) ist naiv genug, sich nicht
in den Etymologien - Kampf zu mischen, er übersetzt: Sacerdos!
Konnte der Uebersetzer einen Grund dafür, eine Rechenschaft
geben? Gewiss nicht, denn weder DUW noch sein D^IJJ be-
deuten sacerdos; und dennoch hat ihn eine gluckliche Ahnung
geleitet, denn D13W ist falsche Lesart, es ist dafür D1*nN zu
lesen, das heisst IsQsvg und das ist: sacerdos.
Mir tönt die missbilligende Stimme mancher Leser ins Ohr:
„Also eine Conjectur mehr, eine sechste zu den fünf altern aus
der unerschöpflichen Fundgrube der Etymologie!" Aber ich
kann lächelnd diese Stimme anhören und ertragen, sie erschüt-
tert meine Ueberzeugung von der Nothwendigkeit der genann-
ten Emendation so wenig, dass ich vielmehr der unbedingten
Beistimmung derer gewiss bin, welche nicht vom starren Buch-
staben ihr Urtheil bestimmen lassen, und welche unbefangen
die folgende kurze Begründung prüfen.
Schon vor 3 Jahren ist diese Conjectur ausgesprochen wor-
den1), aber ohne weitere Begründung, auch ist dort nur das
Wort DU1K und ohne Zusammenhang mit seiner Erklärung im
Aruch emendirt worden. Hier nun soll gezeigt werden, dass
gerade aus dem traulichen Beisammenstand des widersinnigen
Wortes mit der widerlichen Deutung eine Aenderung nicht blos
geboten, sondern bis zum höchsten Grade der Wahrscheinlich-
keit gehoben wird, durch welche das Widersinnige gegen Grad-
sinniges vertauscht wird. — Dass der griechische Worttheil le in
IN übergehen kann, bedarf keiner weitern Besprechung, zum
*l) Lebrecht in der hebr. Bibliogr. von Steinschneider, Band VIII.
S. 136.
im Aruch gefälschten Stelle. 301
Ueberfluss weisen wir auf das syrische hin*). Einer der stärk-
sten Beweise, dass der Uebersetzer legtvg gesagt hat, ist die nicht
ausser Acht zu lassende Notwendigkeit das Textwort TTD z&
übersetzen, welches doch nur durch ein „Priester" oder „Herr"
bedeutendes Wort geschehen konnte, also &Oro, N1D1D oder
Km oder: Isqsvq. Aber das schwerste Korn für den „Priester"
trägt der „Esel" zur Mühle und zwar so schwer, dass er sich
zu Tode daran trägt. Denn so derb auch das VHÖ ^ llttn ETTD
dem DUW in seiner Corruption entspricht, so entsprechen sich
doch beide schöner und edler bei ihrer Wiederherstellung:
pilD hw *nftn ttfl *PD hiess ursprünglich nicht anders
als jnto^W "lfc^D tm*PB. Das Targum übersetzte, wie erfor-
derlich, das hebr. pD mit DVllN und dies exotische Wort wurde
von Nathan oder seinem Vorgänger deutlicher gemacht durch
TD Ttf 10» 8).
Lassen wir vorläufig einige störende Schalensplitter noch
umher liegen, so ist der Kern unserer Aufgabe gelöst. Ich habe
den Muth zu vermeinen, ich dürfe die Worte der Matrone
Schelomit (Sabbat U6b) umkehren und für die Sache im All-
gemeinen sagen: K1)Dr6 W1D2) WW NnK ,Licht ist gekommen
und hat den Esel vertrieben ', speciell dem Andenken des Ver-
fassers des Targum jeruschalmi und des Jethro kann ich aber
die Worte des gotterkorenen Moses, mit einem kleinen Zusatz-
buchstaben, entgegenrufen: CDÄ TlKttO TIN "flön *<6n i°n l|aoe
Euch den Esel abgenommen!
Versuchen wir jetzt noch einige Nebenfragen zur Prüfung
vorzuführen, ohne dass wir uns durch die Fähigkeit, sie voll-
kommen zu erledigen, begünstigt wissen:
1) Hat Nathan selbst die Doppelcorruption hinterlassen, oder
ist sie das Werk des eingedrungenen Meborach4) ? 2) Was hat
■) D^BHIN für IsQoaoXvtut.
•) Entweder hat früher die hebr. Form 1DD (Defectiv) gestanden,
wovon der Uebergang in "iDn erleichtert war, oder ein Abschreiber
hat die Stellen des 1 und 0 irrthümlich vertauscht und 11DD statt 1D1D
geschrieben. Unwahrscheinlich ist, dass man aus Hass gegen Götzen-
priester mit Absicht einen naheliegenden Wortwitz spielen Hess.
4) S. Levy, chald. Wb. 1. 1.
302 Wiederherstellung einer seit 800 Jahren
unsern Jonathan zu einem griechischen Worte ge drangt, wo er
Über so gebräuchliche Worte seines eignen Idioms verfügen
konnte ?
Mit dem Versuche, diese Fragen zu prüfen, vielleicht glück-
lich in deren Beantwortung zu sein, machen wir den Ueber-
gang zu
ELL Vermuthnng.
Wenn R. Nathan DVttK gelesen hat, so müsste allerdings die
Notwendigkeit der alphabetischen Ordnung das Schlagwort um
mehrere Wurzeln tiefer versetzen, aber ein halbgelehrter Ab-
schreiber, der in seinem Aruch fälschlich DWN statt D1"W und
fälschlich llön statt *)fc^3 gelesen, konnte leicht verleitet wer-
den, das Schlagwort hinauf in die Reihe 3K zu setzen. Viel
lauter aber, als die alphabetische Stellung des Wurzelwortes
für D^N spricht der wissenschaftliche wie der sittliche Cha-
rakter des R. Nathan gegen die Annahme desselben: Nathan
b. Jechiel verleugnet in dem reichen Umfange seines Werkes
selten die angeborene Begabung des ungekränktesten Gradsin-
nes, aber niemals trifft den Adel seiner Ausdrucks weise bei Be-
urtheilung der Personen der Vorwurf einer Ausnahme, und ist
es daher von Seiten seines Sprachsinnes unwahrscheinlich, dass
er das alberne QWW seiner Feder anvertraut habe, so wird es
von Seiten seines Herzens unglaublich, dass er fähig wäre, so
von Jethro zu schreiben. Rabbi Nathans Feder hat demnach ent-
weder gar keine Verbindung mit dem, wohl schon früh unter»
geschobenen Artikel, oder ein vorwitziger Abschreiber hat „die
Milch der frommen Denkungsart vergiftend" aus den Wörtern
DmK und ")&D die Wörter q^n und 1&n gemacht.
Die Frage 2. warum das hebr, p3> das überall im Targum
sein entsprechendes Targumwort gefunden, hier durch einen
Fremdling vertreten wird6), führt auf die Vermuthung eines
•) Man mag DUttt, oder DHIN lesen, so wird das Wort für grie-
chisch erklärt von allen eben angeführten Erklärern: ovog, anrät, atr-
/e»*)?, ewovg, uqbvq.
im Aruch gefälschten Stelle. 303
neuen quid pro quo, welches sich an die verwirrungsschwangere
Vieldeutigkeit der famosen Abbreviatur Sj-j knüpft. Diese zwei
Abkürzungs-Buchstaben haben, wie bekannt, durch falsche Er*
gänzung dem Pentateuch ein |n^ Gtt"in zugezogen, während
sie ^IPW C13"in sagen wollten, und wahrscheinlich haben sie
auch umgekehrt aus Targum Jonathan im Talmud ein Targum
Josef geschaffen6). Dass Rab. Josef von Pumbedita nicht der
Verfasser der 20 in seinem Namen angeführten Targumstellen
im Talmud war, dafür sprechen mehrere indirekte und direkte
Beweise, uud wir wollen von jeder Klasse nur Einen anführen:
Die citirten Stellen sind sämmtlich mit geringen Abweichungen
aus Jonathan, was vermochte den Talmud, den Namen des gött-
lich inspirirten (Megilla 3) Uebersetzers zu unterdrücken und
einen Andern mit dessen Federn zu schmücken? Dass Josef
b. Chaja sich mit dem Targum viel beschäftigt (Raschi Kiddu-
schin 13, b) beweise wer kann, ja das Gegentheil dürfte eher
zu beweisen sein; gesetzt aber Josef hätte sich mit Jonathan
beschäftigt wie rppin p »TlSn mit Ezechiel, so durfte man doch
so wenig seinen Namen für Jonathan einschieben wie den Namen
Chananjas für EzechieL Und ist denn grade hier das Sitten-
gesetz plfcftt Qtm "Dl "flötti? ausser Kraft gesetzt? Der positive
Beweis ist verzeichnet Sota 49, b. Dort strebt derselbe Rab
Josef, die chaldaische Sprache aus Babylonien zu verbannen,
konnte er also sich vorzugsweise in und mit dieser Sprache
beschäftigt haben? Werke in chaldäischer Sprache zu schrei-
ben oder zu redigiren, und daneben die Leute aufzufordern,
sie sollten es bleiben lassen, diese Sprache zu pflegen, das
wäre eine Reclame, strotzend vom Reize der grössten Neuheit.
Der physisch erblindete und kranke Rab Joseph würde durch
solchen Widerspruch zwischen Thätigkeit und Ausspruch nur
zeigen, dass er auch geistig blind und krank war. Die Ge-
lehrtensprache des Rab Joseph (wie die der Schule von Pumbe-
dita überhaupt) war hebräisch, und für die Umgangs - Sprache
empfahl er die Sprache jenes Volkes, das kurz vorher ange-
•) Sollte hier zum ersten Male die Entstehung des angeblichen
Targum des Rab Josef b. Chaja auf diese Weise erklärt sein? Sollte
man mit dieser so naheliegenden Erklärung auf mich gewartet haben?
304 Wiederherstellung einer seit 800 Jahren
fangen Babylonien zu beherrschen und zu bevölkern, des per-
sischen. Ob ein politischer Grund bei dieser gut persisch ge-
sinnten Empfehlung anzunehmen sei, steht dahin, der Vorgänger
des Joseph im Oberamt der Schule, Rabba, war keine persona
grata der persischen Regierung, und musste unter ihrer Ver-
folgung sterben; erklärlich, konnte der Nachfolger suchen, sich
dieser Regierung angenehmer zu machen. .
Ich glaube, diese zwei Beweise reichen hin, die Annahme
zu befestigen, dass ein Abschreiber in seinem Originale V") (oder
hier noch verleitender *ph) vor sich gehabt, er hat aus Unkunde
*)ÖV C13*in daraus gemacht, und nachdem der Irrthum Eingang
gefunden hatte, schrieb man die Arbeit dem bekanntesten Ge-
lehrten Namens Josef zu und nothwendig trat auch das Wörtchen
21 hinzu, was bei Jonathan nicht nöthig und nicht sittengemäss
war, da zu seiner Zeit das Wort iy\ und 2n noch nicht im
Gebrauche war.
Die Zahl der verschiedenen Vorkommnisse bei den Ergän-
zungen der Abbreviatur ^j") ist aber durch die oben genannten
noch nicht erschöpft, zu den Verwechselungen zwischen
*]DV»'n * jrOV 'H /'»fcbtmT» ÜUin tritt noch wahrscheinlich: Qinn
iJW hinzu, welches bei dem allgemein verbreiteten Gebrauch
der griechischen Uebersetzungen oft in gelehrten Niederschrei-
bungen einen Platz finden musste und sich dann auch mit sei-
nem Compendium einschränkte. Aus der Annahme des Vor-
handenseins dieser zwei Buchstaben für ^p DU1H ist eine
Lösung für eine fast ähnliche Auffälligkeit wie die des yftffi
Pitt bw zu schöpfen. Wir meinen die vielbesprochenen Worte
des rWP ^3*1 über die Verfasserschaft des Targum Onkelos,
welche Tractat Megilla 3 verzeichnet sind: Onkelos der Pro-
selyt, heisst es dort, habe das Targum zum Pentateuch nach
dem Dictat des Rabbi Elieser und des Rabbi Josua angefertigt,
sowie Jonathan ben Usiel das Targum zu den Propheten nach
den Angaben der Propheten Haggai etc. Dass hier von einer
chaldäischen Version die Rede ist, und nicht von einer grie-
chischen, kann nicht bezweifelt werden. Aber im hierosolymi-
tanischen Talmud in demselben Tractat Cap. I, § 9 spricht der-
selbe PPttl^ ^31 dieselben Worte von der griechischen Ueber-
setzung des Aquila, ohne dort einer chaldäischen Uebersetzung,
oder im Babli einer griechischen neben der chaldäischen zu
im Aruch gefälschten Stelle. 305
gedenken, so dass man gewaltsam etwa sagen wollte, er habe
beide Versionen gekannt und ihre respective Entstehung an
zwei verschiedenen Orten unabhängig besprochen. Offenbar ist
die hierosolymitanische Beschreibung, wie so viele andere ge-
lehrte Kundgebungen, wie die Briefe des p2*) u. a. aus Palä-
stina nach Babylonien verpflanzt worden, dort hat man diese
palästinensische Mittheilung wie so viele andere falsch aufge-
fasst und hat aus D^pJJ einen Dl^WW gemacht. Dies ist er-
klärlich, da sowohl Wortform als die in Palästina selbst ge-
wöhnliche Verwechselung des X und y Anlass bot; schwerer
ist zu erklären, wie das so deutlich von der griechischen Ver-
sion im Jeruschalini gesagte so im Babli übersehen werden
konnte, dass man diese gradezu zu einer chaldäischen machte.
Unmöglich würden sich die babylonischen Bearbeiter der zu
ihnen gelangten Ueberlieferungen aus Palästiua solche fälschende
Aenderung erlaubt haben, wenn die Fassung der Stelle des
Jeruschalini in der Gestalt zu ihnen gelangt wäre, wie wir sie
heute vor uns haben. Wahrscheinlich war die Fassung so, dass
man die Abkürzung Sft darin las, welches wp CVin heissen
sollte, und das nahmen die Babylonier für ^öiwn1 GW)n> da
dieses Targum aus dem Munde der Gelehrten aus Jerusalem
stammte.
Das Mass meiner Belesenheit im Jeruschalmi verbietet mir
zu behaupten, dass spätere Zusätze Rücksicht auf den baby-
lonischen Talmud nehmen; wäre dies aber der Fall, so würde
ich die Vermuthung wagen, dass die zwei Zeilen tiefer zu
setzendeu Worte im Jerusch. 1. 1. rvölK 0!"6 DT3 TIK Wn
rYOW "pntt boshaft die Stelle des ^lnlD,^, *31 *«n Babli treffen
wollten, nämlich man habe fälschlich die griechische Version
für eine chaldäische ausgegeben. Wie die Worte wirklich
stehen, hinter den Worten rYOW N^N GrTPrfr rfe* mitTI HMW
ist die Emendation des hochseligen Moses Sofer vorzüglich:
Er emendirt nWI ^att tWWi «nd H. Chajut hat zur Unter-
stützung eine Parallele aus Midrasch Esther angeführt, wo wirk-
lich rVtiYI steht7).
T) S. Chajut, Igeres Bikorcs (Pressb. 1853) 19a. Diese Emen-
dation ist nicht blos an sich wichtig, sie ist es auch zur Würdigung
306 Wiederherstellung einer im Aruch gefälschten Stelle.
Ich komme nun zur Anwendung des Gesagten über den ver-
mutheten Gebrauch der Abbreviatur >"n auf das ursprüngliche
Thema und zugleich zum Schlüsse der Behandlung desselben.
Nathan b. Jechiel war es vergönnt, bei seiner ruhmvollen Ar-
beit zahlreiche Vorgänger zu benutzen, sehr viele Namen aus
seiner Bibliothek nennt er, sehr viele hat er verschwiegen.
Lange vor seiner Zeit mag nun ein Exeget oder Lexicograph
bei den Worten jHfc pS geschrieben haben pift DHW v'n d. h.
die griechische Version ijfli Qtt^in nimmt nicht wie "njP^K *}
^JHMDn in Mechilta die Bedeutung -)itf „Herr" an, sondern wie
JflLnrp '*} daselbst die Bedeutung 1^3 •). Den Lesern des Mit-
telalters, welchen besonders im jüdischen Babylonien die grie-
chischen Versionen ganz fremd geworden waren, bot sich viel
eher die Auflösung des V'p in löbtPrp Ginn dar, und bald
ging auch das Wort selbst in dieses Targum über, so dass es
Nathan schon in seinem Exemplar so gefunden haben mag.
F. Lt.
des wissenschaftlichen Charakters des hochgelehrten Moses ßofer: Bei
aller Strenge seiner Anhänglichkeit für den Talmud klebte diese doch
nicht so an dem Buchstaben, dass dieser nnablösbar wäre.
§) PPJ3PI p JrtWP W selbst mag dich bei seiner Erklärung auf
die Septuaginta gestützt haben, die er benutzen konnte, da er wohl
griechisch verstand. Ihm legte Aquila seine Uebersetzung vor, er
verkehrte häufig mit dem römischen Hofe, dessen Sprache mehr grie-
chisch als lateinisch war, er hielt sich in Alexandrien auf, und ihn
hat Jochanan ben Sakkal bei seiner Verhandlung mit Vespasian, nicht
blos zum Schein-Leichenträger, sondern zum vermittelnden Dolmetsch
gewählt. Diesen Dienst scheint der römische Hof auch dadurch be-
lohnt zu haben, dass er ihm Zutritt und Umgang gestattete.
Eine Paraphrase des Erasinus von Rotterdam. 307
Eine Paraphrase des Erasmus von Rotterdam.
Zu der Sammlung von alten und neuen Lesestücken über
die Geschichte der Makkabäer, welche Jacobus Magdalius Gau-
densis im Jahre 1517 veranstaltete1), hat auch Erasmus auf Er-
suchen de 8 Vorstehers des Collegiums „der Machabäer" Helias
Marcaeus Machebaetanus einen Beitrag geliefert, nämlich eine
Paraphrase des sogenannten IV. Makkabäerbuches , das noch
immer fälschlich unter dem Namen des Flav. Josephus geht.
Ueber diese Paraphrase urtheilt Grimm (Einl. zum IV. M. B.
p. 296): „Die genannte Paraphrase des Erasmus durfte, was
Schwulst der Darstellung und grenzenlose Willkühr betrifft,
wohl ihres Gleichen suchen und kann daher auch nicht den
mindesten exegetischen Werth ansprechen/4
Dies harte Urtheil ist ein gerechtes und hätte nur noch auf
die Latinität des Machwerkes ausgedehnt werden sollen. Keiner
aber, der Erasmus auch nur aus seinen Uebersetzungen kennt,
wird ihn solcher Sünden gegen die Treue und den Geschmack
fär fähig halten, wie sie tausendfältig diese Paraphrase begeht.
Und in der That hätte sehon Erasmus' Brief an den genannten
Helias Marcaeus Macheb., der den Ausgaben der Paraphrase vor-
gesetzt ist, Männer wie Gombefisius (in den Noten zur Ausgabe
des Paeudo-Jos. in Bibl. Patr. Gr. au ct. noviss. oft), und Grimm
a. a. O. belehren können, dass wir hier nicht eine selbstständige
Uebersetzung des unvergleichlichen Mannes vor uns haben, son-
dern eine von ihm nur ein wenig geglättete Paraphrase eines
alten christlichen Schriftstellers. „Nunc" so sagt Er. das. „quo-
niam Graecus codex ad manus non erat, e Latinis Graeca con-
jectans, mutavi nonnulla sed non admodnm multa."
Ein paar Worte, die Lambecius (bei Ittig prol. zu Jos.) aus
einer ungedruckten lat. Uebersetzung der Kaiserl. Bibl. zu Wien
anfahrt, halfen mir auf die Spur des Originals selbst. Der in
tab. cod. mss. etc. vol. I. Vindob. 1864 unter Nr. 577 angefahrte
*) Was Über den Inhalt der bei Encharius Cervicornus in Köln er-
schienenen äusserst seltenen Schrift Abweichendes berichtet wird, ist
falsch. Mir ataad ein Ewmplar der WoMbnk Bibliothek am Gebote.
306
Eine Paraphrase des Erasmus von Rotterdam.
cod. enthalt von S. lb bis 20a eine „Passio Sanctorum Macha-
baeorum major". Sie ist das Original. Man vergleiche folgende
Abschrift des Wiener Cod., die mir durch freundliche Ver-
mittelung des Herrn Dr. Güdemann zugegangen ist, mit Erasmus :
cod. Vindob.
„Principium meura Philoso-
phico quidem sermone sed
christiano explicabitur sensu.
Necesse est enim cogitationem
huinanam breviter explicare.
et passionein ipsam deliberan-
tis adsignare sentenci$. Nam
qui ad tolerandam omnein pro
deo iniuriam semel dicavit
animum martirium mihi vide-
tur explesse.u Am Schlüsse
f. 19 b: „Uli vero quos inter-
ficis. Site [sie!] — f. 20a —
credis divino utentur imperio.
et de salute. et de ultione se-
curi. In virtute patris. et filii.
et spiritus saneti. amen. Ex-
plicit."
Erasmus :
„Machabaeorum agones ad-
mirationedignissimosnon ora-
torio sermone, sed nostro po-
tius eloquio, ad exhortationem
nostrae prosapiae , Polybio
Megalopolita id flagitante, tra-
dere volui. Necesse est autem
nobis in his rationem huma-
nam paucis explicare et pas-
sionem ipsam deliberandi (1.
— tis) assignare sententiae.
Nam qui ad tolerandam orn-
nem pro Dei gloria injuriam
semel dicavit animum in (1. is)
martyrium mihi Videtur im-
plesse". Am Schlüsse: „Illi
vero quos interficis (mihi
crede) divino utuntur imperio.
et de salute et de ultione se-
curi. Nam qui" etc. noch 2
Sätze.
So wenig die Identität beider Paraphrasen angezweifelt
werden kann, so ist es doch klar, dass die Erweiterungen der
Vorlage nicht von Erasmus ausgegangen sind und sicherlich
wird sich irgendwo noch ein Exemplar der alten Paraphrase
vorfinden, das der Erasmischen viel näher kommt. Meine Nach-
forschungen sind bisher ohne Erfolg geblieben.
Die alte Frage, die schon für Ittig (a. a. O.) kein Räthsel
mehr war, ist hiermit der Hauptsache nach endgiltig beant-
wortet. Alles Weitere gehört nicht hierher. Nur auf Einen
Punkt mache ich noch aufmerksam. Die alte latein. Ueber-
setzung hat nicht blos historischen, sondern auch kritischen
Werth, den ein Blick auf die jämmerliche Beschaffenheit des
giiech. Textes unserer Schrift kennen und schätzen lehrt
Eine Paraphrase des Erasmus von Rotterdam. 309
Alle bis jetzt verglichenen9) codd. haben einen schon arg
zerrütteten Text und stammen, wie mehrere gemeinsame Lücken
und Interpolationen zeigen, aus Einem Archetypos.
In noch schlimmerem Zustande als die Handschriften befin-
den sich die Ausgaben. Die besten der bis jetzt erschienenen,
deren Stirne Namen wie Wilhelm Dindorf und Immanuel Bekker
zieren, gehen durch Vermittelung Hudson's auf eine Ausgabe
zurück, von deren Beschaffenheit sie kaum mehr als eine Ah-
nung gehabt haben können \ welche seit Hudson schwerlich
einer der Männer zu Gesichte bekommen hat, die unseren
Pseudo-Josephus herausgegeben oder über ihn geschrieben ha-
ben: auf die Ausgabe des Joann. Luidus (Oxon. bei Jos. Barne-
sius 12°. 1590»).) lttig a. a. O.; Fabricius bibl. Gr. 1. IV, c. VI,
§ VII. Harles ib. p. 33; Grimm a. a. O. gestehen das offen ein;
Oberthür ib. p. 33 leugnet die Existenz einer Ausgabe von 1590
und behauptet aufs Bestimmteste, sie sei vom Jahr 1690 in 8°.
(Dasselbe Jahr auch bei Fabr. und Grimm.) Dindorf und Bekker
aber würden sich, wenn sie diese Ausgabe gekannt hätten, wohl
gehütet haben, ohne erhebliche Benutzung des reichen hand-
schriftlichen' Materials einen Text zur Grundlage zu nehmen,
der von einem mittelmässigen Kritiker aus einer mittelmässigen
Handschrift (N.) und einer verstümmelten Ausgabe (Argent. 1526)
vor fast 300 Jahren zusammengeschweisst worden ist.
*) Zu den von Grimm a. a. O. S. 294 angeführten kommen hin-
zu ein cod. Cantabr. (bei Huds. Hav.); cod. Sinait. (ed. Tischend.) und
mehrere von mir zuerst benutzte, nämlich ein Münchener (cod. Gr.
Nr. 488 von Oberthür in Fabr.-Harl. bibl. Gr. I. IVc. VIII p. 26 und
daher auch von Grimm ebenso wenig erwähnt, wie die von Coxe im
cat. mss. Bibl. Bodl. aufgezählten und andere); zwei Wiener (cod.
hist. gr. CLV Ness. und cod. theol. gr. CIV; und mehrere Pariser
(ausser den schon für Haverk. collationirten Reg. 1875 (R); Paris. 1475
(D) noch Paris. 548. 1516. 1527 1528.) Die Collationen der Wiener
codd« verdanke ich Herrn M. Haupt, die der Pariser Herrn Dr. Prinz;
doch habe ich auch hierbei der theilnehmenden Bemühungen der
Herren Dr. Güdemann in Wien und Dr. Gross in Paris dankbar zu ge-
denken.
s) Ich benutze ein Exemplar der Gott. Üniv.-Bibl.
310 Analekten.
Bei solchem Zustande der Handschriften und der Ausgaben
ist jede Beisteuer zur Verbesserung des Textes dankbar anzu-
nehmen und nach vielen Anzeichen hat der alte Paraphrast ei-
nen Text benützt, der in manchen Stücken über den uns jetzt
vorliegenden hinausgeht. Wie gross daher auch die Willkühr,
die Geschmacklosigkeit und die Unkenntniss des Mannes sein
mag, der künftige Herausgeber unserer Schrift wird die nicht
leichte Aufgabe übernehmen müssen, aus den verzerrten Zügen
ein Bild des ursprünglichen Textes in einigen wichtigen Punkten
wiederherzustellen.
J. Freudentbai.
Analekten»
PoSsies Hebrai'ques par Lelio della Torre,
Professenr ä Flnstitut Rabbinique ä Padoue. Padoue 1868,
auch unter dem Titel:
vm^ wn vran "wk crmn nsp& ^d ibo pih^ bu
hv^biK atro rj»n*np G^nnxn nw rap arvbv ibdwi
(XX, 208 SS.)
Je mehr sich die hebräische Sprache in unserer Zeit über
eine stiefmütterliche Behandlung zu beklagen hat, desto erfreu-
licher ist es, Einzelne zu finden, welche ihr Müsse und Pflege
widmen und sie mit Meisterschaft handhaben. Herr Lelio della
Torre, durch seine mannigfachen Leistungen auf dem Gebiete
der jüdischen Literatur in weiteren Kreisen bekannt, bewährt
sich auch in vorliegender Sammlung als ein gründlicher Kenner
der hebräischen Sprache; seine Poesien zeugen von seltener
Gewandtheit und bekunden das schwungreiche poetische Talent
des Dichfters. Wir haben es hier zumeist mit Jugendprodukten,
nH^ b® wie der Titel schon besagt, zu thun. Herr Lelio della
Torre trat noch Knabe in das öffentliche Leben; nicht älter als
16 Jahre wurde er als Lehrer nach Turin berufen, wo er auch
später die Functionen des Rabbiners übernahm. Als er das
Recensiouen und Anzeigen. 311
erste hier veröffentlichte Gedicht verfasste, war er nicht älter
als 14 Jahre; der junge Dichter wurde bald von mehreren Sei-
ten um poetische Produkte angegangen: bald galt es eine Hymne,
bald eine Elegie, bald einen Gesang zur Einweihung einer Ge-
setzesrolle oder einer Synagoge, bald endlich eine Grabschrift.
Aus dem reichen Inhalt dieser Sammlung von Gedichten, welche
in dem Zeitraum von 1814 bis 1829 entstanden, heben wir be-
sonders hervor die Elegien auf die Rabbinen R. Moses Chaim
Soscino in Florenz (1823), R. Moses Sacut in Monferato (1823),
R. Jacob Ehai Ricanati (1824), den Gesang zur Einweihung der
Synagoge in Turin (1826), die Uebersetzungen mehrerer So-
nette und Cantaten von Metastasio, Horaz (Od. XVI und XVIII
Lib. II), Muret u. A.
Jeder Freund der hebräischen Poesie wird dem geehrten
Verfasser für diese auch äusserlich schön ausgestattete Gabe
den wohlverdienten Dank zollen.
Kg.
Recensionen and Anzeigen.
Maleachi. Eine exegetische Studie über die Eigenthumlich-
keiten seiner Redeweise. Inaug.-Diss. von Max Sänger.
Jena 1867. 87 S. 8.
(Schluss.)
Es handelt sich hierbei nämlich um die schwierige Stelle
•"VpSn TP @9 ^) we^cne Verf. unter Berufung auf Alschech so
auffasst, als ob plfcfl *)y stünde = „saubere Nachkommenschaft".
„Denn", sagt Herr S., „sollte nicht vielleicht wirklich die ur-
sprüngliche Leseart p1tf und die corrigirende Hand der Masso-
rethen dabei im Spiele gewesen sein?" (S. 66.) Hier scheint
Verf. seine Expectoration gegen „das leichtfertige Handhaben
und Corrigiren von Text und Vocalen der Bibel" sammt den
citirten Worten Geiger 's (S. 36) völlig vergessen zu haben. Oder
gehört Herr S. auch zu den „Exegeten, welche sich zur Correc-
312 Recensionen und Anzeigen.
tur des massorethischen Textes geneigt fühlen," die er jedoch
in eine ganz bescheidene Note verweist? (S. 32 f.) Darüber
bleibt der Leser natürlich im Unklaren. Es ist Herrn S. nur
darum zu thun, die Bedeutung, die er für das schwierige njfljn "1$
eruirt hat, festzuhalten, es soll nur die geschichtliche Anspie-
lung auf Er und Onan gerettet werden, die schon Alschech
„richtig geahnt" hat. Allein, was diesen Exegeten betrifft, so
gehört schlechterdings, was er im Namen „der Rabbinen der
ältesten Zeit anführt, mW ^y "DTfc Hl p)DÜW nur zu V. 11,
wo allenfalls eine Hindeutung auf den Patriarchensohn gesucht
werden kann. Wenn hingegen Verf. aus diesem an unrechter
Stelle angeführten Citate für V. 12 und für seine Conjectur
(oder Erklärung PDlJfl = UlfcO) Capital schlägt, so ist Alschech
für diesen lapsus nicht verantwortlich. Aber hiervon abgesehen,
gibt dann das folgende nnJp WWI, selbst wenn es mit WVjb
rotejP. "lttfN in Verbindung gebracht und als Hinweisung auf den
früher gerügten äusserlichen Opfercultus gefasst wird, keinen
rechten Sinn. Mochte Mal. es „mit dem präcisen Ausdrucke
und classischer Construction". noch so wenig genau nehmen: in
Räthseln durfte er doch wohl nicht sprechen. Er konnte, wie
Verf. seine Rede treffend charakterisirt, den tiefernsten Ton
mit dem sarkastischen wechseln lassen ; aber, fragen wir, sollte
er auch in seiner Rede vom zukünftigen Gerichte, wo er offen-
bar den tiefernsten Ton anschlägt, mit einem „Wortspiel" (auf
seinen Namen ^DN^fc) beginnen und im sarkastischen oder iro-
nischen Tone sprechen? (S. 53, vgl. auch S. 74 über das iro-
nische TP*)3 2, 4.)
* • •
Ueberhaupt ist die Exegese des Herrn S. bisweilen etwas
gesucht und weit hergeholt. 3prp ^5 (3, 6) soll mit Rücksicht
auf das spätere ]Dp (V. 8 und 9) und die geschichtliche Anspie-
lung auf Gen. 27, 3 den Sinn enthalten: ihr seid „noch immer
die alten Jakobssöhne, die Nachkommen eines Ahnherrn, von
dessen Namen in grauer Vorzeit schon der eigene Bruder voll
Bitterkeit die witzige Deutung gab: '^) tottf fcOp OH und yap
statt 2py „scheint absichtlich von Mal. gewählt zu sein, um die
angedeutete Handlungsweise des erlauchten Patriarchen nicht
allzu grell hervortreten zu lassen" (S. 62). Einen solchen Wort-
witz auf Kosten des „erlauchten Patriarchen" sollte sich der
Recensionen und Anzeigen. 313
Prophet erlaubt haben? Und weshalb? Bedeutet denn jnp
ohne Anspielung auf M]p und 2py nicht auch, wie das arab.
£*3 heimlich thun, betrügen? Oder, ist es nicht dem Charakter
des ebensosehr besänftigenden und tröstenden als geisselnden
Volksredners angemessener, die zweite Hälfte des Verses 3, 6
entsprechend der ersten als Trostworte zu fassen?
Indess, Verf. will seine Auffassung nur als Versuch gelten
lassen; nur schade, dass der Versuch nicht immer ein glück-
licher genannt werden kann. Und so müssen wir im Allge-
meinen gestehen, dass in dieser wahrhaft gründlichen Abhand-
lung oft nur die vorhandenen Ansichten durch neue vermehrt
werden, ohne dass die eigentliche Schwierigkeit glücklich
gelöst wird. Immerhin aber bleibt das Verdienst, das der Verf.
sich durch seine interessante Studie erworben hat, anzuerkennen,
und hoffen wir daher, dass er durch die weitere Ausführung
der in diesem Werkchen unternommenen Forschung die exe-
getische Wissenschaft mit ferneren schätzbaren Beiträgen be-
reichern wird. D. G.
Die Geschichte der Juden in Erfurt, nebst Noten, Urkun-
den und Inschriften aufgefundener Leichensteine. Grössten-
teils nach primären Quellen bearbeitet von Dr. Adolph
Jarczewsky. Erfurt 1868. Selbstverlag des Verfassers.
In Coinmission bei Carl Villaret.
Dem Beispiele anderer Historiker folgend, welche in neuester
Zeit Monographien über die Geschichte einzelner jüdischer Ge-
meinden publicirt haben, hat der Verfasser obiger Schrift es
unternommen, in derselben die Geschichte einer Gemeinde zu
behandeln, welche während des Mittelalters eine hervorragende
Rolle unter den jüdischen Gemeinden Mitteldeutschlands gespielt
hat. Nach meinem Dafürhalten wäre es zwar zweckmässiger
gewesen, wenn Herr Dr. Jarczewsky die Geschichte der Juden
in Erfurt in eine Geschichte der Juden Thüringens eingeflochten
hätte, weil die Juden in Erfurt grösstentheils mit denen in ganz
Thüringen ein gleiches Schicksal hatten und die Geschichte
jener durch eine Betrachtung dieser häufig erst richtig v er st an -
Frank«! Monatsschrift. XVII. 8. 24
L
314 Recensionen und Anzeigen.
den wird; da. indes? Herr Jar, es vorgezogen hat, die Geschichte
der Juden ip Erfurt allein zu schildern, die der Juden in an-
deren thüringischen Städten dagegen nur hjer und da in Betracht
zu ziehen, so kann es bei einer Kritik seiner Schrift nur darauf
ankommen, zu prüfen, ob das von ihm Mitgetheilte überall richtig
ist, ob seine Arbeit viel Neues bietet und ob er alles schon durch
frühere Forschungen Bekannte bei derselben benutzt hat. Wenn ich
nun im Folgenden Veranlassung finden werde, sowohl Herrn J. man-
cherlei Unrichtigkeiten nachzuweisen als auch vieles von ihm
Uebergangene nachzutragen, so hoffe ieh, dass derselbe, dessen
gnten Willen ieh gern anerkenne, in meinem Verfahren nur das
Bestreben erkennen werde, ihn bei etwaigen späteren Publi-
catiooen vor ähnlichen Irrthümem z>u bewahren und ihn zu ver-
anlassen, in Zukunft überall, namentlich aber bei Benutzung von
rabbinisehen Quellen, gründlicher zu Werke zu gehen. Schon
das Vorwort, in welchem übrigens blo» allgemein Bekanntes
vorgebracht und meist nur auf längst veraltete Forschungen
R&eksicht genommen wird, erheischt hier und da eine Berieh«
tigung. So wird z. B. daselbst behauptet, dass das Hoheite-
recht über die Juden im Jahre 1360 auch auf die freie Reichs-
stadt Nürnberg übergegangen sei, was aber nicht der Fall war,
da der Kaiser in dem genannten Jahre und noch viel später die
Juden Nürnbergs in seinen und des Reiches Schutz nahm und
nur dem dortigen Rathe befahl, sie zu beschirmen. (Siehe meine
Regesten S. 134 Nr. 237.) Auch wird in dem Vorworte von den
verschiedenen Lasten der Juden und den von diesen zu zahlen-
den Steuern gesprochen, ohne dass der Abgaben an die Geist-
lichkeit gedacht wird, zu denen die Juden in, den meisten S$dten
verpflichtet waren. Doch gelten wir zu der Monographie selbst
§ber. Gleich zu Anfange sagt der Verfasser; „Dass die (iieder-
lftssviqg der Juden in Erfurt vor dem Ende des 11. Jahrhunderts,
stattgefunden haben mu,ss, wird sich beweisen lassen". Allein
er erklärt später selber, dass die Juden Erfurts erst \a der
zweiten (soll heissen: ersten) Hälfte des zwölften «Jahrhunderts
aug U¥*em, mystischen Dunkel heraustraten, und weqn er aus dem.
{Imstande, d&aa. man in, Erfurt einen I^eiohenstein, aus dem «fahre-
U37 g;efi\n,den m*d dass fle dortige Min}sterialbibHothet; ejn#a
^a^qr-Co^e* aus; dem, Jahre. U42 aufbewahrt, auf die Nieder*
lftasuftg de.r Juden, in Erfurt yor dem Ablaufe des H. Jjbrfcuu-
Rezensionen und Atizeigen. 315
derts schliesst, so ist dies eben nur eine Vermutburig uiid noch
kein Beweis. Vollends aber beweist das Vorhandensein1 jenes
Codex durchaus nicht, dass in dei* ersten Hälfte des 12. Jahr-
hunderts (bei Jär. S. 2 unrichtig: in der zweiten Hälfte des
11. Jahrhunderts) in Erfurt Juden gewesen sind, denn wenn auch
aus dem Codex, — vori dem es übrigens noch dahin steht, ob
er 1349 im Judensturme geraubt Worden ist, da er mögliche?
Weise, zumal wenn man an die Minhagim und Randbemerkungen"
denkt, zu den Büchern gehört haben könnte1, Welche der ftath
von den Juden bei ihrer Vertreibung im Jahre 1458 zurückbe-
halten hatte (vergL Re*gesten S. 251 Nr. 244) und Von dem de*r
Verfasser nicht erst anzugeben brauchte, dass er in Erfurt oder
ausserhalb Erfurts geschrieben sei, was sich ja von gelbst Ver-
steht — , Wie hier angenommen wird, iti der Synagoge vorge-
betet Worden sein sollte, go bleibt es ja immer noch zweifelhaft,
ob dasMachsor gleich nachdem es geschrieben War, zu diesem
Zwecke in Erfurt verwendet Wurde oder erst später dorthin
kam. lieber diesen Codex gibt der Verfasser in Note 1 nähe-
ren Aufschluss, doch so, dasä die dort aufgestellten Vermuthungefn
kaum Auf Zustimmung rechnen können. Der Schreiber Abraham
ben Isaac soll mit dem gleichnamigen Schuler des* Meschüllam
bett Jacob identisch sein und jener gewisse (sie) in Närbonne
lebende Abraham ben Isaae, der Verfasser des büttWI *1DÖ sdll
für die Erfurter Gemeinde ein Mächsor geschrieben haben,
welche Combinätiön ! Zudem ist es unrichtig, dass R. Abraham
ben Isaac Ab-beth-din der Schüler des R. Meächtfliain war.
In Betreff des R. Jaöob ben Nachman und des R. Jizchäk bar
Schlomöh, die von dem Schreiber der Minhagim genannt Wen-
den, war aus Zun z: Zur Geschichte S. 89 und 208 riabere Aus-
kunft zu erlangen. Auch finden sich, abgesehen von den vielen
Druckfehlern, durch welche diese Note entstellt ist, in derselben
gar mancherlei unrichtige Angaben. So Werden z. B. R. Jizcfhak
ben Jebuda und R. Samuel ben Chofhi häcohetf um 1Ö0 Jähre
zu spät, R. Elieser aus Metz dagegen mindestens um ein halbes
Jahrhundert zu früh angesetzt und soll ein Salomo, Schüler des
R. Jacob, den Rasehi Lehrer der Gemeinde und der h. Schrift
nennt, anter Berufung auf Zunz a> a. O. SK 124 — - wo aber von
keinem Salöööö die Rede iat — um 1150 gebläht haben!
316 Recensionen und Anzeigen.
Nach der Mittheilung des aus der zweiten Hälfte des 12.
Jahrhunderts stamm enden, von dem Erzbischof Conrad von
Mainz herrührenden und vielfach publicirten Erfurter Juden-
eides, (worüber noch zu vergleichen ist Stobbe: Die Juden in
Deutschland S. 157 und Anm. 148,) berichtet Herr Dr. Jar. mit
Ueb ergehung der Mittheilung, dass bereits Konig Otto IV. im
Jahre 1212 den Eribischof von Mainz mit der Bede von den
Juden in Mainz, Erfurt und anderen Städten des Erzbisthums
belehnt hatte (cf. Regesten S. 4, Nr. 21), über die im Jahre 1221
(nicht 1220, wie Schaab in seiner diplomat Geschichte der Ju-
den in Mainz S. 47 angibt) in Erfurt stattgehabte Judenver-
folgung, wobei noch zu bemerken ist, dass das im chronicon
St. Petri für jene Abschlachtungen angegebene Datum: XVI, Kai.
Julii genau mit dem wegen derselben in Erfurt festgesetzten
Fasttage am 25. Siwan übereinstimmt, da beide dem 16. Juni
entsprechen, der damals auf einen Mittwoch fiel. Wahrschein-
lich hat aber das Morden mehrere Tage gedauert, da noch am
Sabbath ein Mann nebst seiner Frau und Tochter verbrannt
wurden, wie, nach Zunz : synag. Poesie S. 26, Salomo ben Abra-
ham, in der Selicha 0"fl ü\*"6k and R. Elasar aus Worms in
dem Sulat ^K pN *inbtt> das nach dem Alphabet als Akrostichon
die Worte rbü JÖK p« pDNI pffl mm OTT1 p |öpn "ITJ^K
ergibt, mit den Worten berichtet Qpn )T\yi TWW Wtt )Ü*W1
TfflSÖf weshalb dieses Sulat auch wohl für den Sabbath nach
dem 25. Siwan bestimmt ward. Unrichtig ist aber die Vermu-
thung des Herrn Jar., dass bei dieser Katastrophe dem R.
Elasar Frau und Töchter ermordet worden seien, da er diesen
Verlust schon 1214 oder schon früher 1196 oder 1193 erlitten
und darauf die Zionide ^NtPH &6n ]VX gedichtet hatte. Siehe
Lands huth Amude haaboda S. 25 (wo jedoch 1197 unrichtig ist)
un4 Zunz' Literaturgeschichte S. 317 und 320 1). Mit Unrecht
citirt Herr Jar. auch eine Stelle im Sehern hagedolim „unter
Cap. 8 § 23" (sie) , in welcher gesagt sein soll , dass R. Elasar
') In. dem Catalog der Oppenheimer'schen Bibliothek vom Jahre
1826 sind die Worte npnn ntPN wm nwyü übersetzt: historia de.
occisione uzoris aromatorü (!), was Zunz zur Geschichte 6. 238 zu
rügen vergessen hat
r.
Monatschronik. 317
ein Sulat für den Sabbath den 25. Siwan auf das Verhängniss
Erfurts gedichtet habe, während daselbst nur angegeben ist,
wann R. Elasar gelebt hat, von dem Sulat aber gar nicht die
Bede ist. Allein Herr Jar. hat nur das Verzeichnis» der Pei-
tanim von Heidenheim vor Augen gehabt, in welchem das Zeit-
alter R. Elasar' s mit den Worten niK O^nJD OW 'DU 2ir03
y'D'^D'N angeführt und am Schlüsse noch von Heidenheim an-
gegeben wird , . dass R. Elasar auch jenes Sulat verfasst habe.
Auf die Verfolgung in Erfurt bezieht sich, wie bemerkt, auch
.die gedachte Selicba des R. Salomo ben Abraham (vergl. noch
Zunz Literaturgeschichte S. 313), aus welcher wir erfahren, dass
der Vorwand für dieselbe das Kinderschlachten gewesen sei
und dass unter den Ermordeten Samuel nebst Weib und Tochter
wie auch dessen Schwiegertochter, Brüder und Söhne, ferner
Simcha, Joseph nebst seinem Enkel, Moses, der mit Sohn und
Tochter in's Feuer ging und ebenso Schab tai nebst seiner Frau
sich befanden, Namen, die nicht ganz mit den bei Jar. S. 65
aus dem Mainzer Memorbuche mitgeth eilten, übereinstimmen.
Der daselbst genannte Samuel Chasan ist ohne Zweifel der
schon um 1280 als Märtyrer angeführte Samuel Dewlin in Er-
furt, über welchen bei Zunz a. a. O. S. 465 Näheres sich findet,
und die Worte BnitOl ^H K21 in dem mehrgedachten Sulat des
R. Elasar beziehen sich entweder auf R. Schemtob halevi oder
auf R. Mordechai ben Eijakim halevi. Dr. M Wiener.
(Fortoefarang folgt.)
Monatschronik.
Paria. Der „Alliance israelite universelle" geht von ihrem
nach Abyssinien gesandten Bevollmächtigten folgende Depesche
zu, die aus Marseille datirt ist : „Meine Reise nach. Abyssinien
ist geglückt. Ihr Erfolg ist befriedigend. Ich habe geschicht-
liche Documente erworben und Verbindungen mit unseren Brü-
dern angeknüpft. Ein junger Falascha begleitet mich.
Joseph Halevy."
M8 Notizen.
Fest. Wie dem „Wanderer" geschrieben wird, Ist die Con-
gressangelegeuheit in ein neues Stadium getreten. Iu letzter
Zeit hatte der Cultusminister einige Herren aus dem Central-
comit£ f&r Leitung der Wahlangelegenheiten des Cofigresses
zu steh beschieden und ihnen eröffnet, dass er in Kurzem
Ober die jüdischen Angelegenheiten seiner Majestät Bericht
erstatten und das Einberufangsschreiben zum Congresse vor-
legen werde. Es ist demnach gegründete Aussicht vornan*
den, dass die Einberufung des Kongresses im Namen Sr. Ma-
jestät und nicht als einfache Verwaltungsmassregel stattfinden
werde, was freilich demselben in seinen Beschlüssen eine ganz
andere Bedeutung verleihen dürfte. Der Congress wird wahr-
scheinlich auf den 12. November einberufen werden. Wie von
anderer Seite berichtet wird, soll auch allen Cultusbeamten das
volle Wahlrecht eingeräumt werden, während man bisher daran
dachte, die Cultusbeamten von der Wählbarkeit anszuschliessen,
was in vielen Kreisen Anstoss erregt hat.
Rumänien. Bratiano hat kürzlich eine Note an den Oster-
reichischen Agenten und Generalkonsul gerichtet, m welcher er
demselben mittheilt, dass die Juden in der Moldau in die Ort-
schaften, aus denen sie gewaltsam vertrieben wurden, bereits
zurückgeführt worden sind und aass die Tribunale nächstens
sowohl über den ihnen zu restituirenden Schaden, als auch über
die Strafe, welche sich die Regierungsorgane in Bakan, Berlad,
Calarasch und Galacz haben zu Schulden kommen lassen, ent-
scheiden werden.
Notizen.
Koch ein Wort über Frank.
Meine historische Monographie über „Frank und die Fran-
kisten44 und ihre Schwindeleien in dem diesjährigen Seminar*
Programm hat mehr Beifall gefunden als sie verdient. Mehrere
journalistische und feirilletomstische Blätter haben Aaszüge
daraus mitgetheilt. Es ist vorauszusehen, dass der romanhafte,
Notizen. 319
sohiipinerode Gegenstand mehr Federn anziehen wird, dass
neue Quellen aufgefunden und neues Licht über manche dunkel
gebliebene Partie verbreitet werden dürften, namentlich den
Punkt; woher <jenn Frank diese enormen Summen hergenommen
hat, um eine Art Hof zu fuhren. Diese Frage* welche an mich
von verschiedenen Seiten gestellt wurde, vermag ich nicht zwei-
fellos zu beantworten, ebenso wenig wie das die Zeitgenossen
wussten. Mir war es bei dieser Arbeit nur darum zu ihun, an
einem eclatanten Beispiel nachzuweisen, wohin die Verirrüngen
der kabbalistischen Mystik geführt haben. Es wird mich daher
freuen, wenn eine fähigere Feder diesen für mich widerliehen
Gegenstand aufnehmen und behandeln wurde. Diesem könftigert
Biographen Franks will ich einige Notizen an die Hand geben,
die ich bei der Quellenangabe nicht, erwähnt habe.
Zunächst zwei Notizen aus den Wundererzählungen über
Israel Mienziboi oder Baal- Sehern (B"ttfjnn TDttf P- 7b).
Dort wird erzählt, dass dieser Stifter des Chassidismus bedauert
habe, das» die Frankisten von ihren Gegnern zur Taufe gedrängt
wurden. Wie jedes kranke Glied am Organismus1, so lange es
mit demselben in Verbindung bleibt, auf Heilung Aussieht hat,
eben so jeder Jude, so lange er mit der Schechina in Verbin-
dung bleibt: -flDXW OT&Pipi 21PBD TWDtf VßTWJV jnw röÖl
ttn T3TTTÖ istxrw pt bo : m&w rkb*ö rwDwnw tftwnn
mbusf napn )b p« idnh parorrcoi • rmm m\x )b jttw ropn
WDttHÖ "DK WH ^nitnö "IHN bl *D - An einer anderen Stelle
(p. 24 b) wird erzählt, Israel BaaU&chem habe einen Rabbiner
aufmerksam gemacht, dass der Gemeindeschächter in seinem
Orte zu den Sabbatianern (verkappten Frankisten) gehört und
in das Schlachtmesser geflissentlich Scharten hineingebracht
habe: TID JÖ )bw önWTW 3WB^ pj^ 3Tb ö"tWÖTl rbw
tuo pddh )b ntnnv? nn*£ v niBnü itowd wrn ^a» >naw
yDtöb HD WflpH bV p3D3« Ein kindischer antitalmudischer
Muth wille! Einige von mir namhaft gemachte Quellen über die
Anfange der frankis tischen Bewegung finden sich auch in Nova
Acta historico - ecclesiastica, oder Sammlung zu den neuesten
Kirchen -Geschichten, Weimar 17€0, zweiter Band S. 102—142
und S. 229 -262. Ich konnte bei Bearbeitung der Monographie
diesen Band in der hiesigen königlichen Bibliothek nicht in
Händen bekommen. Namentlich finden sich in den Nova acta:
320
Notizen.
1) Ein Abdruck der Aktenstücke (in meiner Monogr. S. 9 Nr. 1)
Coram judicio Nicolai . . . Dembowski, die ausführliche Er-
zählung des ersten bei dem Bischof von Kamieniec gegen
die Antitalmudisten eingeleiteten Processes und des Bischofs
gegen die Talmudisten parteiisches Urtheil.
2) Vorangeht eine Rede der Contratalmudisten an den Bischof
d. d. 31. Juli 1756, worin sie zuerst ihr heuchlerisches
Glaubensbekenntniss ablegen. Sie ist aus dem Polnischen
übersetzt.
3) Das Bittgesuch an den Erzbischof von Lembtrg. (Monogr.
S. 8).
4) Die Bittgesuche an den König von Polen und den Primas
(das. S. 4 und Beilage S. XVII— XXIII).
5) Die brüske Antwort des Primas, der ihr heuchlerisches
Bekenntniss durchschaute.
6) Noch ist zu bemerken, dass von Frank auch Brunet han-
delt in seiner Schrift: Paralleles des Religions, Paris 1792.
T. IL Doch bietet sein Material nichts Neues.
Graetz.
Berichtigung.
S. 186 Z. 1 statt Bunno lies Buöno.
„ 28 „ Ponem
„ 30 „ qua
„ 35 „ er dem
„ 187 „ 12 ,, Aetera
„ 13 „ mamore
„ 25 „ Keynosa
„ 27 „ Araham
„ 29 „ Del
„ 31 „ vorigen
„ PonenDÜM.
„ que.
„ erste.
„ Altera.
„ marmore.
„ Reynoso.
„ Abraham.
„ Dal.
„ vorige.
Drei Controversisten.
Von
Dr. M. Kayserling.
In dem Masse als das Christentum und die Kirche
an Macht und Ansehen in den europäischen Staaten zu-
nahmen, tritt auch das Bestreben der Geistlichkeit her-
vor, die Juden ihrem Glauben zu entfremden und der
Kirche zuzuführen. Was der unmenschliche Druck der
Herrscher nicht vermochte, sollte darch süssliche Bekeh-
rungsversuche der Geistlichen erzielt werden; zu diesem
Zwecke Hess der 'fromme Ferdinand von Castilien auf
Anrathen des bekehrungssüchtigen Dominicaner-Generals
Raymund de Pefiaforte in den Priesterseminarien die he-
bräische Sprache unterrichten, um aus den jüdischen
Schriften neues Material zur Bekämpfung des Judenthums
und Bekehrung seiner* Anhänger zu gertinnen; man wollte
die Juden mit ihren eigenen Waffen schlagen. Die theo-
logischen Disputtitionen zwischen unwissenden Priestern
ader ftöäWflligeti Neophyten und eingeschüchterten, in
ddr'Rtfdfe beschränkten und gehemmten Rabbinern gingen
mit den Judenverfolgungen Hand in Hand.
Nach der Vertreibung der Juden ans Spanien schien
Itetito för Religionsgespräehe und Controversen der ge-
eignetste Boden. Italien wurde der Sammelplatz der
gebildeten spanischen Flüchtlinge, der Sitz der intelligen-
testes Juden; es fehlte somit nicht an Männern, welche
F r a n k e 1 , MonatMchrift. XVII. 9. 25
322 Drei Contro vereisten.
befähigt waren, den zudringlichen Dienern der Kirche
Gegenpart zuhalten: wissenschaftlich gebildete Rabbiner,
Aerzte und Philosophen schracken vor einem Colloquium
mit einem Priester nicht zurück. Die Disputationen haben
übrigens um diese Zeit einen von den früheren Jahrhun-
derten verschiedenen Charakter angenommen; sie wurden
nicht mehr mit solchem Eifer geführt als zu einer Zeit,
wo nach einer einzigen, den Vertretern des Judenthums
scheinbar beigebrachten Niederlage eine Massentaufe ins
Werk gesetzt wurde; das Feuer war verraucht, die Waffen
waren abgenutzt, die Masse hatte an derartigen Wort-
gefechten das Interesse verloren. Oeffentliche Disputa-
tionen wurden nicht mehr veranstaltet; es waren nur noch
einzelne fromme Mönche, welche mit einzelnen Juden in
theologicis zu machen für ein gottgefälliges Werk hielten,
oder es fiel einem geistlich angehauchten Fürsten ein,
sich von einem gelehrten Juden eine Standrede halten zu
lassen und sich an den Einwendungen zu vergnügen,
welche von seinem Beichtvater zur Verteidigung der
Dreieinigkeit und Menschwerdung gemacht wurden. Aehn-
lich dem Grauen, das die Juden in früheren Jahrhunderten
erfasste, wenn von einer theologischen Disputation ver-
lautete, war im 17. Jahrhundert die Freude, so es galt
für das Judenthum eine Lanze zu brechen: Die Juden
waren nicht mehr von vorn herein der unterliegende
Theil; Italien war das Land, wo es ihnen gestattet wurde,
mit den geistlichen Kampfhähnen ein freies Wort zu
wechseln und ihre Ansichten über Christenthum und Ju-
denthum offen und rückhaltlos darzulegen. Sonder Scheu
und mit der vollen Kraft der Ueberzeugung traten hier
Männer wie Aboab, Luzzatto, Cardoso und viele Andere
für ihren Glauben ein: ihnen schliessen sich der minder
bekannte Danielo aus Livorno und der fast ebepsßi un-
bekannte Proselyt Carrasco, ganz besonders der I^eib-
arzt Elias Montalto als Controversisten an.
• • «»
Die drei Genannten, welche uns hier beschäftigen
sollen, verschieden an Beruf und Lebensgang, entfalteten
ihre apolegetische Thätigkeit zu Ende des 16. und Anfang
des 17. Jahrhunderts grösstenteils in Italien, und zwar
Drei Controversisten. 323
in Venedig uud Li vorn o. Die beiden ersteren verhalten
sich gewissermassen gleich Zöglingen zu Montalto, der,
so bedeutend auch sein Ruf, als Controversist völlig un-
bekannt ist1).
Dieser seiner Zeit gefeierte Arzt siedelte, vor der In-
quisition aus der Heimath geflüchtet2), nach längerem
Aufenthalte in Livorno nach Venedig8) über, wo er sich
grosse Achtung erwarb und mit mehreren der Venezia-
nischen Nobili im Verkehr stand. In der Lagunenstadt
bot sich ihm bald Gelegenheit, sich über die Grunddogmen
des Christenthums auszusprechen.
Ein spanischer Dominicaner, welcher Rom besucht
hatte, kam auf seiner Rückreise nach Venedig und wandte
sich an einen Venetianischen Nobili mit der Bitte, ihm
eine Unterhaltung mit Montalto zu ermöglichen, damit er
mit ihm unter den Augen des Nobili über gewisse schwie-
rige Stellen der heil. Schrift disputiren könne. Montalto
durfte dem Venetianer, dem er zu Dank verpflichtet war,
die Bitte nicht abschlagen. Die mündliche Unterredung
hatte aber kaum begonnen, da drängten die Umstände
den Dominicaner, seine Rückreise nach Spanien zu be-
*) Um öftere Wiederholungen zu vermeiden, geben wir seine
apologetischen Schriften gleich hier an:
Tratado do IL H. E. Montalto sobre o Capitulo 53 de Isaias e ou-
tros Textos da Sagrada Escritura. 3 Theile in einem Band.
Portugiesisch Ms. in meinem Besitze.
Razonamiento del Senor Hahara Montalto en Paris, zum ersten Male
jüngst gedruckt in Danielillo o Respuestas a los Christianos etc.
(s. weiter) Brnselas 1868, S. 104—132.
Livro fayto por el illustre Eliau Montalto, em que mostra a ver-
dade de diversos textos e cazos, que alegaon as Gentilidade?,
para conflrmar suas seictas. Ms. M. s. De Rossi, Bibl. Judaic.
Antichrist. 71.
*) Nosß08 antepassados padecerao principalmente em Portugal
debaixo de Jugo dos Reys D. Manuel e D. Juao, y nos padecemos
debaixo de aquella Fera Inquisicao .... Tratado, 128.
•) üeber seinen Aufenthalt in Venedig s. meine Geschichte I, 147.
Note 1.
25*
324 Drei Controversisten-
schleunigen, und sie verabredeten die Controverse schrift-
lich zu Ende zu führen: Montalto sollte seine Ansichten
über das 53. Capitel des Jesaias ihm schriftlich mittheilen.
Auf inständiges Bitten seines christlichen Gönners ging
der Jude auf diesen Vorschlag ein ; gerade das Propheten-
wort, das yon den Gegnern zu ihren Zwecken und Be-
hauptungen ausgebeutet zu werden pflegt, bot ihm die
sichersten Anhaltspunkte, die ihm entgegengehaltenen Be-
weise in Nichts aufzulösen4).
Sowohl in seinem Tratado als in dem Razonamiento,
von dem später die Rede sein wird, richtet sich Montalto
znnächst gegen die Erbsünde.
Der Arzt sucht dem Gegner von der humoralpatho-
logischen Seite beizukommen. Er behauptet nämlich,
dass Adam dem leiblichen Tode nicht erst in Folge des
Genusses der Frucht vom verbotenen Baume verfallen
sei; der Mensch ist von Natur sterblich, indem er aus
entgegengesetzten Elementen zusammengesetzt und sein
Leben von der Erhaltung der natürlichen Wärme ab«
hängig sei; hört diese Wärme mit der Abnahme der
Lebenssäfte auf, so muss notwendiger Weise der Tod
eintreten5).
Noch viel weniger kann die gegnerische Behauptung,
dass Adam und mit ihm das ganze Menschengeschlecht
den geistigen Tod verwirkt habe, stichhaltig sein. Eine
solche Behauptung hebt nicht allein jede göttliche Gnade
auf, sondern steht auch mit jeder wahren Philosophie in
Widerspruch. Adam war, so argumentirt Montalto, eine
endliche Substanz, keine endliche Substanz kann eine
unendliche Wirkung erzeugen, mit anderen Worten, eine
4) Veyo a esto cidade de Veneza hnm Frade Dominico, o quäl
chegava de Roma, o se valeu de hum Noble Veneziano, a quem Eu
son obrigadiesimo , para que ein sua companhia pudese conferir co-
migo, ou argnir sobre diversos paseos da S&grada Escritura . . . . o
Tempo llie nao dava tempo para conferencias, porque neceseitava
partir com brevidade para Espanha .... Einleitung zum Tratado.
•) Tratado 5.
Drei Controversisten. 325
begrenzte That der Sünde kann nicht unendliche Wirkung
hervorbringen0). Wollte man hiergegen einwenden, dass
die Sünde Adam's mit Rücksicht auf das unendliche
Wesen, dessen Gebot er übertreten, von unendlicher Wir-
kung sei, so müsste zugegeben werden, dass ebenso wie
die Sünde, auch die gute That eines Menschen unendliche
Wirkung erzeuge und z. B« die Beschneidung als gute
ThatAbraham's die Sündhaftigkeit des Menschengeschlechts
aufgehoben habe7).
Mit dem Dogma der Erbsünde im innigsten Zusammen«*
hange steht das Dogma der1 Menschwerdung. Nach
der christlichen Lehre vermag nämlich keine Busse und
keine Besserung die Befreiung von der Erbsünde und die
Versöhnung des Menschen mit Gott zu erwirken; erst
durch die Leiden und den Tod des Stifters des Christen-
thums soll das Erlösungswerk vollbracht und erst durch
den Glauben an diesen Erlöser oder Messias auch die
Vergebung der Erbsünde herbeigeführt worden sein. Mit
der Erbsünde steht und fällt consequenter Weise das
Dogma der Menschwerdung und Dreieinigkeit, gegen das
Montalto streng logisch seine Polemik nunmehr beginnt.
Wir mögen ihm auf diesem Streifzuge nicht folgen und
bescheiden uns, das Wesentlichsie seiner Widerlegung
kurz anzudeuten.
Es ist unmöglich, sagt Montalto, dass zwei Naturen
sich in einem Wesen vereinen, denn eine und dieselbe
•) Dieser Satz, der unwillkürlich an Spinoza erinnert: Praeter
Deum nulla dari neque concipi potest substancia, oder : Omnis substan-
cia est necessario infinita, Etbic. pars I, prop. VIII, XIV, wird von
Montalto an zwei Stellen seines Tratado in Anwendung gebracht;
S. 12: nenhua Stibstancia ou Potencia finita pode produzir efeito In-
finito, sendo pois Adam Sabstancia finita e sua Potencia limitada,
como pudia produzir hua accao ou efeito Infinito. Fast mit denselben
Worten S. 104: Hua Substancia ou Potencia finita nao pode produzir
hua acc,aö ou calidade (qualidade) infinita y illimitada, y assim sendo
hum hörnern de finita y limitada easencia, nao pode ser o seu pecado
infinito.
7) Tratado 12 f., 105, 109.
326 Drei Controversisten.
Substanz kann z. B. nicht Mensch und Stein zugleich
sein; die Negation der Einheit schliesst schlechterdings
jede andere Voraussetzung aus. Göttliche und mensch-
liche Natur lassen sich in einem und demselben Wesen
um so weniger denken, als zwischen beiden eine unend-
liche Verschiedenheit herrscht. Wollte man sich Gott in
irgend einer Person vorstellen, so würde das die unbe-
grenzte Macht des allerhöchsten Wesens aufheben8).
Auch den von älteren Polemikern bereits geltend gemachten
Einwurf Hess Montalto nicht unberücksichtigt, dass, wenn
der Messias in der Person Jesu wirklich erschienen und
durch sein Erscheinen die Sünde Adam's als Erbsünde
gesühnt wäre, folgerichtig auch die Strafen, welche dem
ersten Menschenpaare angedroht worden und durch das-
selbe in die Welt gekommen, hätten aufhören, dass der
Mensch sodann wieder unsterblich sein, das Weib ohne
Schmerzen Kinder gebären, der Erdboden nicht mehr
verflucht sein, überhaupt der Zustand des goldenen Zeit-
alters hätte wieder hergestellt sein müssen9)* Alles das
und die daraus fliessenden Folgerungen führen Montalto
auf den Unterschied zwischen der christlichen und jüdi-
schen Messiaslehre. Während das Christentum in der
Messiasidee die Vergebung der Sünde, die Versöhnung
des Menschengeschlechts sieht, erwartet das Juden thum
mit der Ankunft des Messias eine Befreiung Israel's von
jedem äusseren Drucke, die Anbetung des einig-einzigen
unkörperlichen Gottes von allen Völkern der Erde, das
Aufhören von Blutvergiessen und Krieg, den allgemeinen
Weltfrieden1).
•) Tratado 63 ff.
•) 109ff.
l) Tratado 109 ff. Mit dem Eintritte des Christen thums, meint
Montalto, der hierin augenscheinlich Nachmani u. A. folgt, haben die
Kriege und Meinungsverschiedenheiten nicht allein nicht aufgehört,
sondern erst eigentlich angefangen. Entre o corpo y a alma com per-
petua Bateria do appetite y da rezaö y o que peor he, o appetite
irracional mais senhor y a rezaö mais escrava que nnnca. Ebenso
Danielo: nunca hubo mas guerras que despues que el Mesias vino, y
Drei Controversisten. 327
Wie der „Tratado" von dem spanischen Dominicaner
aufgenommen worden, erfahren wir nicht; dass der Geg-
ner so leicht überzeugt sein würde, glaubte Montalto
selber nicht Wusste er doch, dass vorgefasste Meinungen
eine Ergründung der Wahrheit nicht zulassen, dass das
hartnäckigste Vorurtheil aber der blinde Glaube ist, der,
gleichsam ein dicht ausgebreiteter Schleier über das Auge
der Erkenntniss, wie Montalto sich ausdrückt, den Geist
in Finsterniss gefangen hält und den Menschen zwingt,
auf den freien Gebrauch der Vernunft zu verzichten2).
Derselbe Montalto, welcher diese Controverse in seinem
Studirzimmer zu Venedig niederschrieb, hielt einige Jahre
später auf Befehl des ungläubigen Heinrich IV., wenige
Tage bevor Ludwig XIII. auf den Thron gelangte, in der
Hauptstadt Frankreichs in Gegenwart der gelehrtesten
Theologen und vieler Hofleute eine Standrede (Razona-
miento)3), in welcher er, der königliche Leibarzt und
Rath , nicht minder freimüthig und unerschrocken seine
Ansichten über das Christenthum darlegte.
nunca nosolros estuvimos mas derramados, ni hubo maß disensiones
en las religiones. Danielillo, 28. — Deus Bendito fara hua tal refor-
macao no mundo com a vinda do Mesias, que as irdas seraö mais
largas, e fomes do Pecado y inracional appetito emfreado debaixo do
jugo da rezaö e a Terra sera fertilissima na Produccao de seus Par-
tes com menos trabalho humano e outras muytas felicidades. Tra-
tado 83.
») Tratado 88.
3) Danielillo 102: • • . razonamiento, que hizo en Paris uno de
nuestros Hebreos, llamado el Haham Montalto, por mandado del
Rey Enrique IV. y Luis XIII. ßu hijo (siendo principe) — pocos
dias antes que empezase de reinar — delante de los mayores
Teologos y Doctores de su corte. Diese Angabe leidet an verschie-
denen Widersprüchen. Montalto kam frühestens im Mai 1611 nach
Paris (vgl. meine Geschichte I, 147), Heinrich IV. wurde bekanntlich
am 14. Mai 1611 plötzlich ermordet und sein Sohn Ludwig war bei
seiner Ermordung erst 81/» Jahre alt; bestieg er nun auch nach dem
Tode seines Vaters den Thron, so übernahm er doch keineswegs
gleich die Regierung«
328 Drei Controversisten.
„Höre Israel, der Herr unser Gott, der Herr ist einig",
begann Montalto seine Rede. Gott ist einig, einzig, ein
Wesen an sich, ohne Mehrheit, von jedem anderen Wesen
unabhängig. Daraas folgt, dass Alles, was, sei es Betreff
des Daseins oder der Erhaltung, des höchsten Wesens
bedarf, Geschöpf ist. Hit vielen Stellen aus dem A. und
N. Testament beweist der königliche Rath, dass Jesus
von Nazareth nur Mensch und nicht Mensch und Gott
zugleich ist.
„Wir Juden halten es für ein untrügliches göttliches
Gesetz, nicht zu wandeln in den Wegen anderer Gott-
heiten, welche unsere Väter nicht gekannt — will man
uns zwingen, anderen Göttern zu dienen, so müssen wir
nach dem bestimmten Ausspruche des wahren Gottes,
unser Leben preisgeben/6 ...... „Israel ist das edelste,
Der Todestag Montalto's ist erst jängsl durch Herrn D, H. <Je Castro
in Amsterdam vermittelst Auffindung seines Grabsteins festgesetzt
Seine von de Gastro entzifferte Grabschrift lautet (vgl. N. Isr. Week-
blad, 2. Jahrg. Kr. 19):
K
KTl "in 1ND b Ü1ÜH2 VTW TW1 TOT T!**
Kin wpy unv xbn tdj; idp hov pH
toH rf> v& top hpn orrwa ort? wn!
^"p"WT «Aköjid lrrfoc Tnnt» Hot mn v«pn ^pfon Hfl
bs* öwd3 erntan n« T&ryn mn p*a aar*
Bann folgt nachstehende portugiesische Grabsohrift:
Aqui esta Bepultado o ill*« £ asinaado
Varao Kforenu e Sabio, universal Medico
Del Rey de Franca o Rab Raby Elisa Mon-
Talto cuia memoria seia en Bendicao
O Quai se apegou com el Deo em XXIX
Do Mee de Sevath do anno de VMCCCLXXVI.
29. Sehe vat 5376= 19. Februar 1616, nicht 16. Februar, wie de Bar*
rios u. A. angeben; hiernach ist Geschichte I, 147 zu berichtigen.
Drei Controversisten. 329
würdigste, verständigste und beiligste Volk des Erden-
rundes, edel und würdig schon wegen seines Alters:
Med er, Perser, Chaldäer, Griechen, Inder und Römer,
welche sich den grössten Theil der damals bekannten
Welt unterjocht hatten, — sie Alle gingen unter und Ter-
schwanden spurlos; ihre Götter vermochten sie nicht zu
schützen. Ganz anders verhält es stell mit Israel. Sind
die Israeliten auch jetzt wegen ihrer Sünden in die vier
Enden der Welt zerstreut, ohne Staat and ohne. Herr-
schaft, so leben sie doch zufrieden und halten mit unver-
brüchlicher Treue an ihrem Gott und ihrem Glauben,
und wenn auch Castilien und Portugal sich alle erdenk«
liehe Mühe gegeben, sie ihrer Religion zu entfremden und
alle diejenigen, welche im Judentbum verharrten, grausam
martern und verbrennen — Aehnliches geschah in Eng-
land, auch in Frankreich und anderen Staaten — «o hat
sie doch nichts in ihrer Glaubensinnigkeit und Festigkeit
erschüttern können. Nur das unbedingte Vertrauen, das
Israel in Adonai, seinen Gott, setzt, bat alles Dieses zu
Wege gebracht4)."
Diese Standrede schickte Montalto in Abschrift*) einem
jungen Freunde in Livomo, seinem früheren Wohnorte6),
Namens Danielo, welcher sieh freilich seibat den kleinen
Daniel (Danielillo) nannte, doch aber in aller Beschei-
denheit von sich behauptete: .,Ich bin jener kleine Daniel,
der ich, trotzdem der Flaum mir um die Lippe spielt,
4) Razonatniento 121, 123f
•) Danielillo 5 Respuestas & los Öristianös,* escrito- <eft Amsterdam
por Isaac Mendes en el an» de< 1788, arreglado j publicado por M.
Caplan. Bruselas, van Gelder, 1868. Herr Caplan edirte dieses Schrift-
chen nach einem in der k. Bibliothek zu Brüssel aufgefundenen Mscr.
(ein anderes Exemplar befindet sich nach Carmoly, Rev. Orient. II, 113
in einer Bibliothek zu Constantinopel.) Dose Isaak Mendes nur der
Copist, nicht aber der ca. 150 Jahre früher lebende Verf. des dehrift-
chens ist, bedarf keiner weiteren Begründung und ergibt sieh deutlich
genug aus dem Schriftchen selbst.
•) Danielillo 103: el cual razonaraiento nos enviaros de atta, todo
per escrito«
330 Drei Controversisten.
die grössten Männer Europa's habe zittern machen, näm-
lich jene, welche auf ihrer Reise nach Rom livorno pas-
sirten; viele der verständigsten dieser Pilger änderten
hier, sobald sie die Wahrheit erkannten, ihren Reiseplan,
und schlugen statt nach Rom den Weg nach Jerusalem,
nach Holland ein"7).
In der That war Livorno um jene Zeit gerade der-
jenige Ort, wo die Wege sich kreuzten : ob Rom, ob Jeru-
salem. Hier brachte Montalto den jungen Paul de Pina
von seinem Vorhaben ab, nach Rom zu gehen und fahrte
ihn dem Judenthume wieder zu. Hier gelangte der Ca-
pitata Miguel de Barrios „durch dunkle Wälder zum
hellen Lichte", wie er seinen Brüdern in Oran meldete,
und nannte sich hier als Bekenner des Judenthums Daniel
Levi de Barrios. Hier warfen noch viele Andere die
Larven sammt dem Ordenskleide ab und bekannten sich
offen zu der jüdischen Religion. Auch Danielillo sah
seine Bemühungen, durchreisende spanische Mönche und
Ritter für das Judenthum wieder zu gewinnen, mit Erfolg
gekrönt.
Ein edler Ritter des 8. J&go-Ordens, D. Antonio de
Contreras, von Zweifel über die Grunddogmen der
christlichen Lehre gequält, schickte sich, um vor den Nach-
stellungen der Inquisition sicher zu sein, auf Anrathen
eines wohlmeinenden Freundes zu einer Reise nach Rom
an. Auf dieser Pilgerfahrt gelangte er nach livorno.
Dort besuchte er mit mehreren Dominicanern und Carme-
litern, welche sich unterwegs zu ihm gesellt hatten, die
Strada Ferdinanda (calle Fernandina), bekanntlich die
schönste Strasse dieser reichen Handelsstadt, und trat
in einen Laden, um einige Einkäufe zu machen« Der
') Io soy aquel Danielillo, qne, con mfe pocas barbas, he* faecbo
temblar a los mayores sujetos de Europa:, digo aquellos, que hau
pasado por aqni a Roma; 7 machos de los mas entendidos torcieron
el camino, y en lugar de ir a Roma, se fueron a Jerusalem, y otros
4 Holaada, asi que vieron la verdad, y descubrieron la mentira
Danielillo 74.
Drei Controversisten. 331
Kaufmann sprach so vortrefflich spanisch und zeigte sich
gegen den landsmännischen Ritter so zuvorkommend,
dass er alsbald ein Gespräch mit ihm anknüpfte und ihn
nach den Gründen fragte, die ihn bewogen hätten, ein so
herrliches Land wie Spanien mit seinen reichen Handels-
plätzen Madrid, Sevilla, Toledo, Granada zu verlassen
und Livorno zum Wohnorte zu wählen, wo er ja, wie er-
sichtlich, kaum mit der Sprache vertraut wäre. „Herr",
erwiderte einer der Anwesenden, „der Besitzer dieses
Ladens hatte in Madrid, seinem Geburtsorte, einige Feinde,
welche ihn als ungläubig bei der Inquisition anklagten.
Das Tribunal zog ihn ein, belegte sein sämmtliches Ver-
mögen mit Beschlag, und wies ihm ungefähr vier Jahre
lang eine Zelle als Wohnung an, die nicht grösser war
als jenes Bett da; schliesslich gab es ihm die Tortur und
zwang ihn durch falsche Zeugen ein Bekenntniss abzu-
legen, dass er Jude sei und jüdische Ceremonien be-
obachte, und dabei war er damals ein besserer Christ
als die Herren Inquisitoren selber. Nach vier Jahren
gewann er mit Verlust seines sämmtlichen Vermögens die
Freiheit und bekannte sich offen zum Judenthum, was die
Meisten thun, denen es gelingt, den Erallen der Inquisition
zu entgehen, und warum sollten sie es nicht? Man sieht
ja täglich mehr ein, dass das ganze Glaubensgericht nichts
als Lug und Trug ist und nur Geld will. Sie begeben
sich dann nach Livorno oder nach Holland, wo sie frei
und offen das Gesetz beobachten, das Gott durch den
grossen Propheten Moses seinem Volke Israel übertragen
hat8)."
•) Danielillo 11: fleoor, ese bidalgo qae eeta aqui tuya tienda,
tenia algnnos enemigos qae le faeron & acusar a la Inquinicion, y
prendiendole le embargaron todos aus bienes, y le tuvieron allä muy
cerca de 4 anos, en an aposentico (1. apoeentillo) poco mas quo la
cama, y al cabo le dieron an may gentil tormento, y aanqae negaba,
le dijo 8u letrado, que si pasaba con la negativa adelante, le habian
de qaemar, por estar convencido de testigoe, adonde, aanqae eran
falßoB, le fae* necesario confeaar le qae por la imaginacion no le habia
pasado, porqne el era antes mejor cristiano qae ellos • • •
332 Drei Controversisten.
Als frommer Christ hielt es D. Antonio für Pflicht,
dieser Behauptung entgegenzutreten, er entwickelte seine
Ansichten über den Gottmenschen, „dessen Ankunft alle
Propheten verkündet hätten und der nun mit offenen
Armen alle Diejenigen aufnehme, welche sich zu ihm be-
kennen wollten".
Ein jünger Mensch von fünfzehn Jahren, welcher mit
Schreiben beschäftigt in einem Winkel des Ladens sich
befand, sprang bei diesen Worten auf und trat, von dem
Principal des Geschäfts, seinem Oheim, aufgefordert, nä-
her, um dem Ritter Bescheid zu geben. Es entspann sich
nun zwischen D. Antonio und dem fünfzehnjährigen Knaben
— dem kleinen Danielo — eine Controverse, welche sich
um den Messias drehte, und auf die wir nicht näher
einzugehen brauchen, da sie in ihren Beweisen und Gegen-
beweisen eben nichts Neues bietet: Danielo belegt seine
Behauptungen mit den classischen Stellen aus den Pro-
pheten und flicht dann sehr geschickt eine sechs Monate
früher mit einem spanischen Dominicaner geführte Con-
troverse ein9).
Auch diese Controverse, welche hinsichtlich des In*
halts der früheren ziemlich gleichkommt, unterscheidet sich
nur durch den Ton, welchen die Kämpfer darin anschla-
gen: Danielo, immer ruhig, zuweilen neckisch, immer
schlagfertig, — wie weit er die Waffen Montalto's benutzt
hat, wollen wir hier nicht untersuchen, unbekannt waren
sie ihm nicht — ; der Mönch, aufbrausend, in beständiger
Verlegenheit, rechthaberisch, bis er sich endlich auf Gnade
und Ungnade Danielo als besiegt ergibt.
Der Mönch, Lehrer der Theologie in Salamanca, wel-
cher in der frommen Absicht nach Livorno gekommen
war, um dort Judenseelen zu fangen, liess von seinem
Vorhaben ab, gab seine Reise nach Rom auf und wurde
Jude; er und einer der ihn begleitenden Ritter verblieben
noch einige Wochen in Livorno, begaben sich nach Con-
') Danielillo 43—103.
Drei Controversisten. 333
stantinopel, wo sie sich beschneiden Hessen, und von da
nach Jerusalem1).
Und D. Antonio? Der edle de Contreras kehrte nach
Madrid zurück, ordnete seine häuslichen Verhältnisse und
trat sodann seine Rückreise nach Italien an. Sein bedeu-
tendes Vermögen gab er in Genua auf die Bank de los
Ferraras und lebte als guter Jude (buen Judio) in Li*
vorno*).
Haben wir es hier mit historischen Personen oder mit
einer Fiction zu thun? Enthält Danielillo Wahrheit oder
Dichtung? Es sind das Fragen, die sich nicht leicht von
der Hand weisen lassen. Niemand wird Danielo und die
in der Controverse auftretenden Personen für fingirt er»
klären, Niemand die Facta selber in Zweifel ziehen können.
Sie bilden eine neue Blattseite in der jüdischen Geschichte
und liefern neue, unumstössliche Beweise für die Zähigt
keit der jüdischen Ueberzeugung, für die innere Lebens-
kraft der jüdischen Religion., Man denke sich — wir
führen das nur beispielsweise an — einen Mann wie
Isaak Penso3), der im Kerker der Inquisition das. Ge-»
lübde thut, innerhalb eines Jahres Jude zu werden. Er
ermöglicht mit Lebensgefahr seine Flucht, reist nach Ant-
werpen, beschäftigt sich, bevor er noch au die Sicher*
Stellung seines grossen Vermögens denkt, mit den „Reich-
thttmern seiner Seele", wie er sich ausdrückt, eilt in 24
Stunden von Havre de Grace nach Zeeland, nach Middel-
l) . . • quedando alyunos dias en este Liorne, al cafee de 15 dias
iba una nave para Constantinopla, adonde se embarcaron . . . Danie-
lillo 141, 139.
*) £1 buen D. Antonio de Contreras dispuso (en Madrid) sns
cosas y junto mucho dinero qae paso en letras a Genoa, a pagar a
los Ferraras ... y cobrando su dinero todo, se paso a este Liorno,
donde existe, habra dos anos, hecbo muy buen Judio. Dan. 145.
•) Isaak Penso Felix (st 28. Scheyat 5443 * 24. Februar 1683)
war der Vater des Novellisten Joseph Penso de la Vega. Ueber das
hier Mitgetheilte vergL Jos. Penso's Oracion funebre en las exsequias
de su padre D. Ishac Penso Felix. Amst 1683.
334 Drei Controversisten.
bürg, trifft am Tage, da sein Gelübde abläuft, dort ein,
und lässt ungesäumt die schmerzhafte Operation der Be-
schneidung an sich vollziehen. Klingt das weniger roman-
haft? War nicht Isaak de Rocamora als Mann noch
Fray Vicente, Mönch, Beichtvater einer österreichischen
Kaiserin und doch später der eifrigste Jude? Und Abra-
ham Peregrino, Israel Escudero und noch viele Andere?
Unter den spanisch- portugiesischen Marranen sind der-
artige Erscheinungen keine Seltenheiten. Gewahren wir
nicht in Juan Carrasco dieselbe Metamorphose?
Wer war Carrasco? Man kennt seinen Namen und
weiss, dass er ein noch heute un gedrucktes Buch zur
Verteidigung des Judenthums geschrieben4) — im Gan-
zen ist es eine unbekannte Persönlichkeit, die erst jetzt
nach zweihundert Jahren, Dank Danielo ! ihr Auferstehungs-
fest feiert.
Juan Carrasco aus Madrid war -Mönch in einem
Augustiner-Kloster zuBurgos5). Auf einer Romfahrt machte
er in Livorno Halt und wurde in Folge einer zwei Tage
währenden Disputation, welche er mit einem dortigen
Juden, Danielo, hielt, „erleuchtet"; er gab seine Reise nach
Rom auf, blieb in Genua oder Livorno, wo er zum Juden-
thum übertrat und ein „sonderbares" Buch gegen den
Katholicismus schrieb1). Carrasco galt für einen der be-
deutendsten Prediger Spanien's, für eine Säule der Reli-
gion, so dass sein Uebertritt zum Judenthum für unglaub-
*) M. s. De Rom, Bibl. Ant. Christ 23: Carascon, über hisp. pro
religione judaica adversus catholicos 12. Nodriza 1633.
•) • . • el Padre Fr. Juan Carrasco, natural de Madrid, fraile
Agostino, qui, pasando a Roma .... estuvimos disputando por es-
pacio de dos dias . . .; despues de haberse bien enterado de la ver-
dad, y del engaho, en qne toda sa vida habia estado .... Dan. 62 f.
vgl. 67.
•).... antes que de aqui se fuese, hizo an libro curioso, en
qae maestra los errores de la religion cristiana. Dan. 64. Carrasco
selbst sagt estampä alli nn libro, qne con esta le remito a V., el
cnal le manifestara la mncha falsedad qae hay en la qae segaimos.
Dan. 69. Das Bach befand sich in Händen Danielo'«.
Drei Controversisten. 335
lieh gebalten wurde, und man in seinem Kloster steif und
fest behauptete, er habe auf der Reise im Meere seinen
Tod gefunden7). Später siedelte er nach Holland über,
wo er sich beschneiden Hess und sehr zufrieden lebte,
wie er Danielo und anderen Freunden in Italien brieflich
mittheilte8). Wir lassen einen Brief Carrasco's an einen
intimen Freund hier folgen:
„Herr und Freund!
Das Denkwürdigste, was mir auf meiner Reise begeg-
nete, ist, dass ich in Livorno wahrlich eine ergiebigere
Goldgrube entdeckt habe, als diejenigen waren, welche
von den Entdeckern Indiens aufgefunden wurden; diese
haben sie erst suchen müssen, ich aber fand sie ohne
Mühe, denn statt nach Rom zu gehen, um dort reich und
rein zu werden, blieb ich in Genua. Auf dieser herrlichen
Reise fand ich das wahrhaft göttliche Gesetz; auch liess
ich dort ein Buch drucken, das ich Ihnen anbei tiber-
sende und aus dem Sie ersehen werden, welchen Irr-
lichtern wir so lange gefolgt Ich fasste den Ent-
schluss, diese Irrthümer zu beseitigen und begab mich
nach Flandern, wo ich eine treffliche Aufnahme fand und,
nachdem ich mich habe beschneiden lassen, ganz nach
Wunsch mit allem Nöthigen versehen wurde. Ich brauche
Ihnen nicht zu sagen, dass ich glücklich und zufrieden
in der Befolgung der Gotteslehre lebe, und mit dem kö-
niglichen Sänger ausrufe: „„Eine Leuchte meinem Fuss
ist dein Wort und Licht meinem Pfade" ". Ich wäre gern
T) Conoza muy bien — sagt der Mönch, mit dem Danielo dispu-
tirte — al Padre fray Juan Carrasco, que es de los mejores snjetos
de nuestra religion, y afamado Predicador: pero, en cuanto ä que
dijese semejantes cosas de Cristo, y sns imagenes, y las cruces, me
parece imposible, ni tampoco que mudase de religion, haciendo tal
afrenta a su convento, cuando alla se dice, que el muriö en la mar«
Dan. 67.
8) ... ee pasö a flandes, y esta viviendo alla en la Ley verda-
dera de Dios, muy eatisfecho, como nos escribe. Dan. 67.
336 Notizen zur Geographie Palästina's.
in Genua oder Livorno verblieben, aber ich bin an diesen
Orten zu bekannt, und will nicht, dass Unwissende, deren
es auf der Reise von Spanien nach Rom dort beständig
gibt, mich mit Fragen belästigen9)."
Notizen zur Geographie Palästinas.
*
Von Dr. N, Brüll
I. Seen.
Währenddem wir aus der Bibel blos drei palästinische Seen
kennen, zählt eine alte geographische Notiz, die durch die Tal-
mude und Midraschim auf uns gelangt ist, sieben grosse Ge-
wässer und zwar neben dem Mittelmeere, das den Westen des
Landes bespült, noch sechs Seen auf, welche innerhalb der Grenzen
desselben liegen. Schwarz (Tebuot ha-Arez 27, 6 ff.; das heil.
Land S. 20 ff.) und Rappaport (Erech Miliin p. 208) haben zwar
diese geographische Urkunde, die nach Bab. bat 74 b von dem
palästinischen Gesetzeslehrer R. Jochanan (3. Jahrb.) herrührt,
bereits in den Kreis ihrer Untersuchungen gezogen*, doch hat
der erstere, obzwar er eine gründliche Erörterung derselben
versuchte, es unterlassen, sich vorerst einen kritisch gesicherten
Text herzustellen und der letztere, dem ebenfalls nur zwei Re-
censionen desselben bekannt waren, begnügte sich blos, dieselben
anzuführen und betreffs der speciellen Auseinandersetzung auf
die weiteren Theile seines Werkes zu verweisen, die aber noch
nicht erschienen sind.
Es gibt sechs Recensionen dieser Notiz t welche y zumal sie
von einander unabhängig sind, früher verglichen werden müssen,,
ehe man zur geographischen Fixirung und literarischen Nach-
weisung der einzelnen Seen schreiten darf.
°) Des Brief bei Dan. 69 ff.
Notizen zur Geographie Palästina'*.
337
Nennen wir die Stellen, wo diese vorkommen: j. Kilajim fy 4;
j. Ketubot 12, 4-, b. Bab. bat. 1. c., Midrasch Psalm. 24, 1, Mi-
drasch Psalm 24, 1. Midrasch Konen (in dem Sammelwerke Am ade
sche&ch ed. Lemberg 1785) p. 38 a, Jalkut II, 667 nach der hier
gegebenen Reihe A, B, C, D, E, F, so stellen sich uns folgende
Texte dar:
A.
B.
C.
püio dw njnw
fbaiDpowninw
rB^pÖV:#DWJDW
•£*frcn p«
•V«
DWjnwpfcRr^R
i. *en rö*
i.
nn rö*
i.
jttoö ^ rßi
2. Rnatn röv
2.
nrnan m>
2.
ohd te rw
3. xxxn Rfc1»
3.
133D1 Rtf»
&
rfcn ter rw
4. RH^Ö"! RÖ*
4.
Nn^m rö^
4.
Nr6n iw nw*
5. Rrfom rö*
5.
whm rö*
5.
^30 te wy»
6. rp^tzn w
6.
nrfrnm rö*
6.
R^&DDR 0^1
7. OTDEWn RÖ'1 7.
RnDDUTI WD1
7.
^rai o*i
D.
E.
F.
haitfw ^nti^ p»
1t BW
•ow njDib to
•ow
i. «an wd^
1.
OTTO &
1.
ni-DB te nt)^
2. Rn3OT RÖ^
2.
. in^o D^
2.
rfrn te rwi
3. anton rb*
3.
•pBl CT
3.
dhd te raw
4. wbn Rfc1» -.
*
4.
fiten o*i
4.
Oy te HW
5. «rfrrn rö*
5.
rnnyn o*i
5.
DfcWDD te JW
6. rpn«n rö1»
6.
vnao co
6.
*3DD !w HO'»!
^ 7. Kn»wn R&1
7.
• ^run o>i
7.
teun D^
Wie zu ersehen, bezeichnet hier, wie in der Bibel (vergl.
Winer Realie*. I., S. 407, Anm. 3) D^ sowol ein Meer als auch
einen See und da dies n»rch Gen. 1, 10 der Ausdruck für alles
angesammelte Wasser ist, so konnte jedes grössere Land-
gewässer damit gemeint sein; p331D bedeutet hier nicht „um-
geben" wie man aus dem in C. (und F.) hierfür steheuden
Frank el, Monatsschrift. XVII. 9.
26
338 Notizen zur Geographie Palästina^.
TOppft schKessen könnte, sondern „sich darin befinden41, „dort
liegen" in welchem Sinne dieses Verb auch schon Gen. 2, 11
und 14 zu nehmen ist. A. und D. enthalten die ursprünglichsten
und daher auch die richtigsten Lesearten; der Untersuchung
der einzelnen Namen wollen wir daher den Text A. zu Grunde
legen und selbe nach der dortigen Aufeinanderfolge erklären.
1.
Das grosse Meer nimmt in A., B., D. unter dem aramäischen
Namen *Q"i WCP die erste , in C, E., F. , wo der biblische Name
br\Xl Ü* beibehalten ist, die letzte Stelle ein; bekanntlich ist
dies das Mittelmeer, das auch in j. Schekalim 6, 2 zu den Haupt-
gewässern Palästina' s gerechnet wird. Nach der Mischna (Be-
raehot 9, 1) wurde es nicht mit den Seen in eine Kategorie ge-
stellt, da R. Jehuda für dessen Anblick eine andere Segens-
fbrmel vorschreibt als die, welche bei dem Anblicke grosser
Gewässer überhaupt üblich war. Die Bezeichnung Km KD*1
kommt oft in den Targumim vor; im Status constructus wie bei
GV1 ^"D/ ÜV1 HJHÖ heisst es blos Q>; sonst findet sich auch
noch dafür der umfassendere Name D1WW (Shfarog) vgl. Ps. Jon.
Num. 34, 6 GWplN JO*i KD' ]d? WV K3TJTD OTITO. Dass aber
DIPpttt überall, wo es vorkommt, nur eine uneigentliche Be-
nennung für das mittelländische Meer sei, wie Rappaport (L c.
p. 189) behauptet, ist durchaus unerwiesen; vielmehr erscheint
es in den Mid rasch im nur in der Bedeutung „Weltmeer**. So
lehrt R. Jochanan (Bereschit rab. c. 4), Gott habe von dem Wasser
der Schöpfung die eine Hälfte dem Firmameute und die andere
dem Ocean zugetheilt Qjrül rWlT» WO b? lYapH bvü i"i TÖK
Dti'pttO DW11 JPpia QWI» wo doch offenbar nicht das Mittel-
meer gemeint sein kann. Ib. c. 5 sagt R. Abuhu, dass der Ocean
höher als die Welt (d. i. das Land) sei und dass diese dessen
Wasser trinke TWO &Q üfrwn toi ^D G^Pfi tob STOJ DWpiK
CPTYW GH (vgl« ib. c 23), welche letztere Behauptung übrigens
schon der Tannaite R. Elieser b. Hyrcanos aufgestellt hat ib.
c. 14 vgl. Kohelet rab. zu Koh. 1, 7 Tljr6tt*1 rmW tHNTI pYTD)
ry\ vmv 'n b"t* pan p rfem tw a^ron owpw w» töhc
efsid p ppnöö tk p prnte wd vb wpw n«y „Woher
trinkt die Erde?" R. Elieser sagte: von dem Wasser des Oceans,
wie es heisst: „und ein Dunst stieg auf von der Erde" (Gen. 2, 2).
Notizen zur Geographie Palästina^. 339
Da fragte R. Josua: Das Wasser des Oceans ist ja salzig? und
derErstere erwiderte: „in den Wolken versüsst es sich". Fast
scheint es, dass Dl^pW nur das Weltmeer bezeichnet, denn das
DWplK HTi W Jonat's. steht nicht vereinzelt da; beide Namen
zusammen haben der Midrasch (Bereschit rab. c. 32) NVDttf N^K
Dttyi*6 h*ÜH D^ und Ephraem Syrus (Quaest. in Gen. 2, 12)
Jatf c£j& *y.? °°* b* ^ SBGuuoJ.
Besonders bemerkenswerth ist eine Stelle im Tanchuma (ed.
Stettin Bereschit Nr. 7), wo DWpW das ägäi sehe Meer zu be-
zeichnen scheint, als welches es dem adriatischen Meere (D&OT1N)»
das sonst in den Talinuden, Targumim und Midraschim nirgend-
wo genannt ist, gegenübergestellt wird. Diese Stelle, die auch
sonst Beachtung verdient, lautet: TWyb ttfpattf ^D h2 HfcCtt &Q
Mrv töw pfr: *a onoi dw "Tina pe!» )b roia h£k l&sy
vrown im« vraam jndxn rwn paaro own enn *pnb
r6w& poaa paa^n *oe& pe!» * nw anroo niw£
piate phm onnn ja masv nwi» vrn cvnaa enn w pa
ovppi*6 D«mN pa puaa piek h roa dtti • . rbytb w
„Sieh' nur, wer sich zum Gott erheben will, baut sich einen
Palast im Wasser. Pharao errichtete einen Palast im Wasser
und verstopfte deshalb die Mundung des Nils, damit dessen
Wasser nicht in das Meer gelange. Die Kraft des Wassers (im
Meer) hielt den Palast, hob und trug ihn empor (gemäss Ezech. 2, 93).
Sanherib liess sich am Libanon auf künstliche Art einen Palast
zwischen zwei hohen Bergen bauen, aus denen Quellen ent-
sprangen, deren Wasser den Palast trug (gemäss ib. 31, 19).
Chiram errichtete sich künstlich einen Palast zwischen Adrias
und Ukenos (d. i. zwischen dem adriatischen und dem ägäischen
Meere) vergl. meine Notiz „die Semiramis der Rabbinen" in B.
Ch. Jahrg. 8 S. 252, wo vermuthet wird, dass dieser Darstellung
die Kunde von den hängenden Gärten zu Grunde liege.
2.
In A., B., D. erscheint der See von Tiberias an der zweiten
Stelle, wie er auch den in Galiläa lebenden Lehrern neben dem
Mittelmeere zunächst in den Sinn kommen musste ; in C. und F.
wird er gar zuerst genannt, wogegen er in E. erst die sechste
Stelle einnimmt. Dieser Name des früheren Chineret-Sees findet
sich bekanntlich auch bei Johannes 21, 1 (4 öaXccoor} tng TißeQiados)
26*
340 Notizen zur Geograplüe Palästina's.
und bei arabischen Schriftstellern (Bachr et-Tiberieh); d'alowfrj
Tifisfuifoe heisst er auch spater noch in Vita S. Sabal bei Co-
teler, monumenta ecclesiae graecae II, 240.
Hieronymus identificirt das alte Chineret mit dem späteren
Tiberias (Onomasticon s. v. und ep. 129 Cinnereth quae nunc
Tyberias appellatur), was von den Neueren mit Recht bestritten
wird (vgl. Winer a. a. O. II, 620). Er hat aber wahrscheinlich
eine ähnliche Tradition von den jüdischen Lehrern, mit denen
er Umgang pflegte, gehört und nur den See oder vielmehr die
Seeküste mit der Stadt verwechselt. In Ber. R. c. 98 sagt R.
Berechja: low *oy mn rdn rmj *npj nnao bw q1 *pn bj
Q^W m v^QX JA"). „Die ganze Rüste des Tiberias - See's
heisst Chineret und der Name Ganesar bedeutet nach der Er-
klärung der Rabbinen soviel als gane-sarim (Fürstengärten)
(vgl. Megilla 6a).
Nach j. Erubin 8, 8 war der See ganz von Bergen umgeben
nnW f&p'ß Cnn nn^Ü CS «nd damit stimmen auch die Be-
schreibungen der Reisenden überein. „Seine Ufer werden von
steilen, nur durch wenige Schluchten unterbrochenen Bergen
.... begrenzt . . . . v. Schubert rühmt die malerisch schöne
Form der jäh abstürzenden Berge (Winer a. a. O. I. S. 407).
Die Wasserfülle dieses Sees war sprüchwörtlich Ber. R.% c. 78
nvrfc rw bx rraa apr wdk *p: c^m nw yiv wnv na b
!"P*nü ^D HN> doch vermischten sich seine Fluthen nicht mit
denen des durchfliessenden Jordans feO"13DT KÖ^D "HJ? K3TP PT1
TO Siynö Hb) (Ber. R. c. 4, nicht 2, wie es bei Schwarz Te-
buot ha-Arez S. 30 und darnach das heil. Land S. 25 heisst).
Durch die Sage berühmt war ein Strudel in der Nähe der
Küste, der Mirjamsbrunnen, der nach der Schwester Mosis,
Mirjam, so benannt wurde; man glaubte, dass dieser Brunnen
den Israeliten in der Wüste Wasser geliefert, sich mit ihnen
unterirdisch fortgewälzt und als sie in Palästina ansässig wur-
den, im Tiberias -See seinen bleibenden Platz gefanden habe.
So heisst es j. Kilajim 9, 4 ftf pOTtnPl "OD b)l nSpttWI 3TO
pw K5»i jiotp Tb rb)v ww *o bo öok -d =) «na wn
pm roniw prm yk onö bw mn wn m maa cd ,tod
panon «np^ny ww^i mn» wnn kp bo ron» Knien.
„Es heisst: die hinausschaut in das Jeschimon: (Num.21, 20).
Notizen zur Geographie Palästina^. 34 t
Wer auf den .Berg Je Schimon (Asamon?) steigt und eine siefc
artige Vertiefung im See von Tiberias entdeckt, d*er wisse, das«
dies der Mirjamsbrunnen sei. R. Jochanan sprach: Die Rabbinen
haben ermessen, dass er genau dem mittleren Tbore der alten
Synagoge von Serumjin (Sirin?) gegenüberliegt." Vgl. Wajikra
Rab. c. 22 und Koh. r. zu Koh. 5, 7 wo X>12ÜT für pMHDl steht.
In Bamidbar R. c. 19 heisst es: "^fcO Hl ftoTOVI ^D by HOPtt^
pö wn ^d bv rwnrrt rmao hm riff ~\rb norow -ip vtöv ntam
naan wvn iun *6m ovi ^na nan vgl. Taucnuma
Ghukkat c. 22 und Jalkut I, 764; mit Bezug auf den Mirjams-
brunnen heisst es wol auch Beresehit rab. c. 5 pfiaa ^D tibtO
rO pÖW btnun bD) HS nmi n:üp. Der babylonische Talmud
lässt den Mirjamsbrunnen im Mittelmeere und im Gesichtskreise
desKarmel liegen, vgl. Sabbat 35 a m*0 mrb PSTO K"n T'K
*wi w o>a maa pfca rami man te-on iwni> n^jp ena bw
ona b» mm ton w ■«■» bwböwi pyD ai tdk on» !w rnaa
vergl. noch Sifr^ ed. Friedmann II, 306 und Taanit 9 a. Nach
einem weiteren Bericht war der Mirjamsbrunnen tief gelegen
und stand mit den Heilquellen in Verbindung, so dass Badende
leicht hineingerathen konnten, aber ohne Gefahr, ja noch mehr
gekräftigt aus demselben wieder herauskamen, vgl. Wajikra Rab.
1. c; Bamidbar Rab. c. 18, Tanchuma Chukkat c. lflaiöa TWVö.
V2Q) «nw 'jn«i «naoa bwisb tw nn« (aL prpwa) pnw
'DnfcO ^riDN} D'HÖH «*)^i5 „Ein Aussätziger ging einst nach Ti-
berias baden» doch der Zufall wollte es, dass er in den Mirjams-
brunnen sank, dort badete und geheilt wurde"). Von der
*) "»DriKI ist hier = ^DNfWI , wie im Aramäischen das Aleph der
quiescentia lit. N in manchen Verbalformen wegfällt, so lantet z. B.
das Partie, von "ON auch "OD für ">DKD; dies führt anf das Verständniss
einer sehr schwierigen, bisher verschieden, aber unrichtig- erklärten
Stelle des Midraech. In Schemot rabba c. 42 wird nämlich das J"DDD
T .. -
(Exod. 32, 8) verschiedentlich gedeutet Neben anderen bemerkt nun
R. Iflak darüber ^TIN ND1D *0K "p rftpn ION HDDD WPI flOTT© )wh
PDDD bty ÜT\b wy '*üff „das ißt ein Sardioton- Ausdruck, Massecha,
so heile ich sie, wie es heisst, sie haben sich das Gussbild eines Kalbes
gemacht". B. Ben Kohen meint,- der Agadist habe PDDD mit "pD> in
Verbindang gebracht und üV*T© sei == OWim IM ein Fürst der
Gemeinen, der Sinn wäre demnach, sie' hätten da? Kalb nicht als den
342 Notizen zur Geographie Palästina's.
Mirjamsquelle ist sonst nirgendswo die Rede. Synb. 106a wird
wol eine Biramsquelle zu den drei Quellwissern gezahlt, welche
noch von der Süodfluth herrühren (tOW tn2& WH TWI Piyfa
CTO1 YCH »der Schlund von Gadara und die heisse Quelle
von Tiberias und die grosse Biramsquelle"), und man könnte
aus dem Umstände, dass die erstgenannten Quellen in Palästina
und in der Nähe des Tiberias-Sees lagen, schliessen, dass auch
die Biramsquelle dorthin zu versetzen und von der Mirjams-
quelle nicht verschieden, zumal Jalkut I, 57 Q*)in för DTD liest
und die Sage von der Mirjamsquelle den babyl. Lehrern nicht
gut bekannt war; allein da Kidduacbin 71 a ein cm vorkommt,
und in Ber. Rab. c. 33 als die drei Quellen CTOfatO maü pjflD
D^DD rVIJflDI »die Quelle von Tiberias, Ablunis (balneae? oder
TVPlXl wonach man "HJ hinzufügen mfisste) und die Paneas-
Grotte" genannt werden, so ist an die Mirjamsquelle hier nicht
zu denken. Sie wird auch nicht zu den Heilquellen gezählt;
vgl. Sab. 109a *83 WöV '03 pÖH IM (L TU) TU *»ön pWTTI
•dhd bv rxon vb) . . . ♦ iron an vb bat anaü
3.
TDÖDT WD1 heisst in B. 3 13DET tf& in C. 5, D. 4 v^Dl NÖ\
in E. 3 *]tt3l Q> und endlich in F. 6 V£D bfü KÖ^- Dass der See
Samochonitis gemeint und somit DÖD die richtige Leseart ist,
ist unzweifelhaft; die LA. ^DSD hat übrigens in Bezug auf eine
weiter anzuführende Stelle bereits Frankel, Vorstudien zur Se-
ptuaginta S. 103 gerechtfertigt Es ist der Merom der Bibel, durch
wahren Gott, sondern blos als einen Schatzgeist betrachtet und
wäre die Heilang oder die Rechtfertigung ihres religiösen Irrthams.
Mose Helen (in Jede Mosche z. St) emendirt, pDN ND1D in }ET\)}, wo-
nach R. Isak sagen wollte, dass auf die Sonde die volle Strafe komme.
Indessen sind . . . NEHD ••• "p die wörtliche Uebersetzung von ro pp,
in welche Bestandteile das Wort HDDD nach agadischer Manier zer-
legt wurde; für JWT1D jedoch muss 'ptDD'HlD (ovqiotI) gelesen wer-
den, welches Wort rieh noch einmal in j. Nedarim 10, Ende findet
(vgl. Rappaport Erech Miliin p. 222). Demnach sagte R. Isak: Ma-
secha, das heisst im Syrischen „so heile ich" sie, darum heisst es:
sie haben sich ein Masecha-Kalb gemacht ~
Notizen zur Geographie Palästina's. 343
den der Jordan seinen Lauf nahm, vgl. Tosifta Bechorot c. 9;
bab. bat. 74 b; Bechorot p. 55 a; Jalkut II, 4 rnjJÖÜ K!fp pT
(ono bv rwsi) k^dd bw wai -"otd bv mm -firto) d"öd
btVn &b («1. bDOT TM ^H1, »der Jordan gebt aus der Pa-
neas-Grotte hervor, lauft durch den Samochonitis- , den Tibe-
rias- und den Sodom-See und fallt dann in das Weltmeer" (über
den sudlichen Jordan hatten die Rabbinen, die zumeist in Gali-
läa wohnten, nur eine mangelhafte Kunde). Man rechnete den
Samochonitis-See zum Stammgebiete von Naphtali, vgl. Tosifta
Baba kama c. 8 ijj» rmnö bti TWti C\H pTS ünDMfll pK
Din bw fen *6ö )b panw ^»ö «!?« tw *6i ^ns» h* wrw
*cppy 1 ^n w n nm nurr» am a 'w o^ bw lömb
d> m narr» ma» Vw na1» n? om wid in? ro* m er töw
blTTI- »Öie Stämme haben nicht das Recht des Fk^ifanges in
dem Tiberias-See, weil dieser zu Naphtali gehört und überdies
ihm noch ein Strich Landes im Süden des Sees zur Ausbreitung
der Netze überlassen ward, da es heisst: „das Meer und der
Süden ist (sein) Besitz (Deuteron. 33, 23)" Worte Jose's des Gali-
läers; R. Akiba sprach: Das Meer, das ist der Samochonitis-
See, der Süden, das ist der Tiberias-See; der Besitz, das ist
das Mittelmeer". In j. Bab. bat. 3, 3 (vgl. ib. Bab. mez. 5, 1)
lautet die Ansicht R. Akiba's ffl (C^) TDÄt p*i nttTP Om D1
W72& bti? U* DT ffllH OÜD bw D1- In *>• BaDa kama 81 b findet
sich nur der erste Theil der angeführten Tosifta und in Sifre II,
355 ist die Stelle selbst in der neuesten Ausgabe verkürzt. und
corrumpirt, da dem Editor, der sonst eine sorgfältige Textkritik
übte, die wichtigeren Parallelstellen entgangen sind. Der reci-
pirte Text lautete rrnOD-bv STD* ST? üim VB)0 bw a !T! D^
\ar\ ¥bü DITO ipin t> OT1» "fiD^Ö STUfT. Herr Friedmann
hat diese Stelle gänzlich missverstanden. Er streicht das OITfl
und setzt es vor HWV; An dessen früherer Stelle schaltet er,
gestützt auf die Pesikta des R. Tobia "tfDW ^2*1 ein, so dass
demnach die Deutung von Qi streitig gewesen wäre. Allein die
Tosifta lehrt genug deutlich, dass PP"DtD " ü* eine Ansicht, näm-
lich die R. Akiba's, darstellt, wie es doch genau in derselben
Fassung auch in j. Bab. bat. 1. c. vorliegt; dagegen kann die
Deutung von fllPT nicht R. Akiba angehören, da er darin doch
eine Hinweisung auf das Mittelmeer findet und sie wird in der
That in der Tosifta 1. c. auch R. Jose dem Galiläer zugeschrieben.
344 Notizen zur Geographie Palästina'«.
wofür R. Tobia Tai hatte. Wir haben also mit der Sifristelle
niehts mehr vorzunehmen, als das fehlerhafte ^3DTD oder ^20»
wie eine Hdschr. hatte, in >DD0 zu emendiren und von ,"WV>
den Namen des Autors mit dem Wörtchen *fi33N einzuschalten.
Der richtige Text wird also sein: pfi ÜTH) XD3D b& D* DT D*
)b wütf nöbö rwv om iöw a*nTO ^n tvtd® bv rw»
ten l"6ö OTTO Ip^n» Ueber die Lage des Samochonitis-
See's gibt auch j. Schekalim 6, 2 (vgl. Jalkut II, 383) Auskunft,
wo es mit Bezug auf Ezechiel 47, 8 folgendermassen heisst:
wod bv d1 m rwonpn rbbv\ bx owp rbvc\ dw ^x "Baro
noi Nnao ^ nvn nmin (Mass. ^y) }>« rrro (*l ndwd)
„Und er sprach zu mir: Dieses Wasser, das in das östliche
Galiläa gemW, d. L der Samoclionitis- See, und in die Ebene
hinabzieht, d. if der Tiberias-See, und in's Meer, gelangt» d. i.
der Salzsee, in das Meer die Ausgänge, das ist. das. grosse Meer."
Offenbar haben, die Rabbi nen hier den Jordan unter dem Was-
ser verstanden (vgj. Bechorot U c.) und wiederum angenommen,
dass derselbe in das Mittelmeer münde: eine weiter anzu-
fuhrende Stelle wird jedoch zeigen, dass die falsche Anwen-
dung des Namens todtesMeer zu einer, solchen Annahme
fahrte.
Auch die anderen LA. für QöD in der geographischen Notiz
lassen sich auf den Grund ihrer- Entstehungen zurückfahren.
In >33D und D£D sind blos die Labialen verwechselt (Prankel,
a. a. O.). *nö"l in Midr. Konen ist vielleicht gar aus •|WP ent-
standen, indem der Harmich (Hieromax), dessen ebenfalls in b.
Bab. bat. 74b Erwähnung gethan wurde, mit dem D&D Samo-
chonitis-See gleich gesetzt wurde. Auch die LA. QDD wird
ihre Rechtfertigung finden (No. 2).
(ScbloM folgt.)
Ajsalekten. 345
Aüftlekten.
Jacob Margoles, Rabbiner au Begensburg und dessen
gleichnamige Amtsgenossen.
Von
Dr. M. Wiener.
Ueber K. Jacob Margoles in Regensburg, weicher neulich
noch von Gratz mit dem gleichnamigen Rabbiner zu Nürnberg
confundirt worden ist, gibt uns dessen Sohn, der bekannte 1522
zum Christentbume übergetretene Apostat Antonius Marganitha.
in seinem oft gedruckten Buche: der ganze jüdische Glaube,
Nachricht. Derselbe berichtet nämlich (siehe edit. Leipzig 1705
£r. 138), dass sich sein Vater, welcher oberster Rabbiner in Re-
gensburg gewesen sei, bei dem Hauptmanne RorbecJb für die
in Folge einer Angeberei von. Seiten eines Glaubensgenossen
von diesem gefangen, gehaltenen Juden verwendet habe, und
dieser Rabbiner war kein anderer als R. Jacob Margalitha,
welcher zu Anfange des sechszehnten Jahrhunderts, See. XVL
ineunte, wie Wolf bibl. hebr. III, 515 richtig angibt« zu Regen»-,
bürg lebte und mit Reuchlin correspondirte. Wie Gratz in seiner
Geschichte B. 8, S. 456 und B. 9, S. 91 diesen Regensburger
Margoles mit dem Nürnberger- verwechseln und behaupten
konnte, dieser habe mit Reuchlin, correspöndirt, ist um so un-
begreiflicher, als Margoles in den epist. clarorum virorum1) und
aus diesen auch bei Wolf loc. cit. ausdrücklich Primas judeorum
Ratisbonensis genannt wird. Diese Verwechselung mit Mar» -
goles in Nürnberg führte Gratz auch zu der irrigen Behauptung«
jener Brief in den ep. dar. vir. an Reuchlin müsste zwischen
1490 und 1492 geschrieben sein. Einen Anhaltspunkt für die
Abfassungszeit dieses Briefe» bieten vielleicht die Worte 1U3JJ1
JBIplDttf *VJD "1*1» wenn sich nämlich ermitteln Hesse, wann
Reuchlin sich in Stuttgart aufgehalten hat.
x) Boilänflg sei bemerkt, dass auch die Angabe, die erste Edition
jener epist sei die von Hagenau 1,519 (Gräte 8, 456) unrichtig ist;
doch ist diese Angabe bereife daselbst 9, 164 und Noten & IX berichtigt.
346 Analekten.
Wann die Verwendung des R. Jacob Margoles für die Ge-
fangenen in Regensburg stattfand, gibt Antonius Margaritha
freilich nicht an, allein sie muss zwischen 1499 und 1512 statt-
gefunden haben, denn, wie Gemeiner in seiner Regensburger
Chronik IV, 30 mittheilt, wurde Rohrbeck oder, wie er sich von
jener Zeit an schrieb, Siegmund von Rohrbach 1499 als Reichs-
hauptmann in Eid und Pflicht genommen und blieb in diesem
Amte bis zu seinem im Jahre 1512 erfolgten Tode (cf. denselben
a. a. O. S. 182). Nach einer anderen Angabe Gemeiners (a. a.
O. S. 118), nach welcher sich Rohrbach noch 1507 der Juden
Regensburgs sehr annahm, könnte man sogar vermuthen, dass
das von Margaritha berichtete Factum, bei welchem der Haupt-
mann so hart gegen die Juden auftrat, erst zwischen 1507 und
1512 stattfand.
Aus den bisherigen Erörterungen geht nun unzweifelhaft
hervor, daas die beiden gleichnamigen Rabbiner Jacob Margo-
les, von denen der eine seinen Sita in Nürnberg, doch schwer-
lich schon 1476, wie Gritz B. 8» 8. 280 annimmt, wo wahrschein-
lich noch R« David Sprintz, auch R. Tewel genannt (siehe weiter
unten), daselbst das Rabbinat bekleidete, der andere dagegen in
Regensburg hatte, gar wohl von einander zu unterscheiden sind,
und bedarf es demnach überall, wo eines Jacob Margoles aus
dem fünfzehnten Jahrhundert Erwähnung geschieht, noch erst
der Untersuchung, ob damit der zu Nürnberg, in Beziehung auf
welchen Kaiser Friedrich III. die Brüder Abraham und Salomon
zu Ulm im Jahre 1487 dahin privilegirte, dass sie nur vor ihm
oder dem Hochmeister zu Nördlingen belangt werden sollen*),
oder der zu Regensburg gemeint sei. Welcher von Beiden Ver-
fasser der D^BJip^ und des HlP^m pöl T1D (siehe jedoch weiter
unten) gewesen oder ob die zwei genannten Werke verschie-
denen Verfassern angehören, muss vorläufig unentschieden blei-
ben, keinesweges aber war, wie Zunz: Zur Geschichte S. 106
meint, — dem Hock in seinen Adnotationen zu Gal Ed. S. 41
ohne Quellenangabe nachschreibt und was auch D. Cassel zu
Köre haddoroth 27 b nicht merkt — der Margaliot, welcher mit
Jacob Weil, Joseph Kolon und Reuchlin correspondirte, eine und
•) Siehe meine Regesten 6. 98 Kr. 1%
Analekten. 347
dieselbe Person, da, wie wir gesehen, der mit Reuchlin corre-
spondirende Rabbiner der zu Regeosburg war, während unter
dem Rabbiner, der bei Jacob Weil eine Anfrage machte (cfr.
dessen QWl Nr. 33), in dem Streite gegen Moses Kapsali für
diesen Partei ergriff und der, den Joseph Kolon in seinem Gut-
achten Nr. 26 ü*\ j"-] «in wnp CTffcK EPH rtipHl HÖDTO rbEXQ
TXfyD'Q apJP TfiTB bTOn 3VI nennt, wie ihn R. Jehuda Minz»)
als TDm p^TS im ^TD bezeichnet, sicher der zu Nürnberg
verstanden wird. Zweifelhaft dagegen könnte es schon sein,
ob nicht der ebenfalls von Kolon GA. Nr. 168, in welchem die«
ser gegen das von R. Israel Brunn gegen einen gewissen Sal-
moni (vergl. Grätz 8, 275) beobachtete feindliche Verfahren an«
kämpft, erwähnte Margoles wiederum der Regensburger sei,
weil in demselben GA. der damals in Nürnberg fungirende
Rabbiner R. Tewel nw nKTOl rüpHl .TWm bnXTI 3T1
fST ^ayö YTtt, Margoles dagegen nur fjfcan "TOton rm»
y'JT1 H^TÖ 'H'TftD genannt wird, allein mir ist es doch wahr«
scheinlich , dass auch hier wiederum der Nürnberger Margoles
gemeint ist, da aus anderen Stellen hervorgeht, dass R. Tewel,
welcher, wie ich bald nachweisen werde, mit R. David Sprints
eine und dieselbe Person ist, gleichzeitig mit R. Jacob Margoles
in Nürnberg lebte, dagegen vermuthlich viel älter als dieser war
und das Rabbinat in Nürnberg inne hatte zur Zeit als letzterer
wohl nur als Dajan daselbst fungirte. Von den vielen Beleg-
stellen, aus denen die Identität des R. David Sprintz mit R. Te-
wel oder auch B^VlÖ* wie er häufig abgekürzt genannt wird
erhellt, mögen hier drei angeführt werden. Wie in Regens-
burg von Seiten des R. Anschel dem R. Israel Brunn bei dessen
Niederlassung daselbst die Erlaubniss, dort rabbinische Funk-
tionen auszuüben, streitig gemacht wurde, so erhob später in
Nürnberg, als sich R. David Frank, ein Verwandter des R. Israel
•) Dass dieser Name Hinz und nicht Menz in Beziehung auf Mainz
zu schreiben ist, wie zuerst Wolf in seiner bibl. hebr. III. Nr. 751
and später Grätz 8, 436 annahm, glaube ich im Ben Chananja 1864,
871 und in meinem Aufsätze über die Geschichte der Joden im Elsass
im 'dritten Jahrgange der Achawa unwiderleglich nachgewiesen zu
haben.
346 Analekten.
BrÜnn, in gleicher Absieht in dieser Stadt niederlasse« wollte,
R. David Sprints gegen die ihm drohende Concurrenz Einspruch,
worauf sich R. Israel Brunn seines Verwandten energisch an-
nahm und erklärte (cfr. dessen OA. Nr. 253), das« R. David
Frank, obwohl er einst der Schüler des R. David Sprinte ge-
wesen, doch, nachdem sich letzterer in einem schriftlichen Do-
kumente seiner Autorität gegen jenen begeben habe, mit R. Da-
vid Sprints vollkommen gleich berechtigt sei. In diesem durch
Druckfehler leider sehr verunstalteten Gutachten wird der Geg-
ner des R. David Frank bald uynDW in YllTÖ (wie überall
statt y"-)ÜW zu lesen ist) bald ^Qy& YVJÖ genannt, woraus
also die Identität beider Personen folgt. Einen zweiten Beweis
fÖr diese Identität liefert das Gutachten des IL Moses Minz
Nr. 9 verbunden mit dem GA. des R. Israel Isserlein Nr. 19.
In beiden GA. wird über die Gültigkeit des Scheidebriefes aus
dem Jahre 1455 oder 1457 (je nachdem die Leseart 'ft9 bei Moses
Minz oder rnttßJ ]QW bei Isserlein Nr. 11 die richtige ist), in
welchen? das Jahrhundert nicht angegeben war, verhandelt und
R. Moses Minz ertheilt seinen Bescheid dem R. David Sprintz,
R. David Frank, IL Salomo halewi und R. Jacob in Nürnberg,
während Isserlein Nr. 19 angibt, er sei wegen dieser Angelegen-
heit bereits vor fönf Wochen von n'Höl pStn\ TVBD i E)"V!Ö
tt&Btt'Yt befragt worden, woraus demnach wiederum erhellt,
dass tf'inö d. h. R. Tewel und R. David Sprinte eine und die«
selbe Person ist. Als dritter Beweis für die Identität beider kann
das Gutachten des IL Moses Minz Nr. 82 gelten, wo (siebe S. 125 d)
derselbe Rabbiner theils als pDgtQ Y"1HD iwittM WttO OHOT! 3*1
theila als TVID ItttOn 3"1 ttPttPH erwähnt wird. Aus den bei-
den zuerst genannten GA. geht aber auch zugleich hervor, dass
der darin genannte R, Jacob in Nürnberg, sicher kein anderer
als unserer Margoles, schon 1457 oder gar 1455 daselbst wohnte
und wiederum identisch ist mit dem auch sonst noch erwähnten
R. Jacob DÖttO^N- Daher konnte auch R. Moses Minz in sei-
nem GA. Nr. 21 an letzteren schreiben, er möge zusehen und
mit den in Nürnberg, also mit ihm an einem Orte wohnenden
Rabbinern R. David Sprintz, R. David Frank und R. Salomon
halewi wegen einer bei einem Scheidebriefe vorgekommenen
Unzuträglichkeit in Unterhandlung treten plDJfl rW"! pb> damit
sie den Scheidebrief für gültig erklären. Wie häufig des R.
Analekten. 349
Jacob Margole s in den zeitgenössischen Gutachten unter der
blossen Bezeichnung MJP WtäD Erwähnung geschehen mag,
ist schwer zu ermitteln, indess scheint es mir, dass er es wohl
ist, an den R. Moses Minz sein GA. Nr. 107 unter der Bezeich-
nung üpjp YVtiD *)£WT W?b richtet und den Joseph Kolon
GA. Nr. 79 fjfi 2pJP YTiTÖ'ttWVl ITT nennt.
Von den näheren Lebensumständen beider Margoles ist wenig
bekannt, auch beider Todesjahr ist nicht mehr genau zu ermit-
teln und nur in Betreff des Nürnberger wissen wir aus dem
GA. des R. Jehuda Minz Nr. 13, dass derselbe 1492 bereits ver-
storben war, da das in diesem GA. erwähnte Faktum, wie auch
noch anderweitig bestätigt wird (cfr. Grätz, 9 Noten, S. XXI)
im Jahre n"J1 (wie es in der Editio Venedig richtig heisst,
während in der Editio Salonich i durch Druckfehler n"tfi steht)
stattfand und dabei R. Jacob Margoles schon mit dem Zusätze
Vt bezeichnet wird und aueh daselbst von seinem Grabe die
Rede ist. Dass beide berühmte Männer eine grosse Anzahl von
Schalern hatten, lässt sich voraussetzen; ob aber Jacob Pollak
ein Schüler des Nürnberger Margoles war, wie Grätz 9, 63 und
65 unter Berufung auf das gedachte GA. Nr. 13 des R. Jehuda
Minz mit Sicherheit behauptet, steht eben noch dahin, da R.
Jehuda Minz, der a. a. O. Jacob Pollak wegen seines respects-
widrigen Benehmens gegen Margoles tadelt, nur vermuthet,
dass derselbe des letzteren Schüler war, wie aus den Worten
m dk nrnpan -pna im irrhrto **•)> yttsi hv oro "pn» ^
iTö^n mn *6 ck *po • • • • Tn pwn bw Tbbrw mach o«
nrn brtiÜ mHISi? )b .TD t6 deutlich zu ersehen ist. Dagegen
wird im Maharii (Uilch. 3*1 my) der p| fTW als Schüler des
Jacob Margoles genannt, mit welchem aber sicher nicht, wie
Hock in seinen Annotationen zu Gal Ed. Nr. 18 vermuthet, der
1550 in Prag verstorbene Schulrector Selkelin, sondern vielmehr
der im Maharii a. a. O. etwas spater nochmals erwähnte R. Sa-
loinon Kitzingen, der Freund Joseph Kolon's, gemeint ist und
die Bezeichnung pf flTTÖ ist nur Druckfehler für p"tYTÖ- Von
dem Regensburger Margoles erfahren wir ausserdem durch
Antonius Margaritha a. a. O. S. 110 und 177, dass er in Regens-
burg noch einen Sohn, welcher ein guter „Hustens" und viel-
leicht auch Vorbeter war und in Prag noch Verwandte gehabt,
so dass sich vermuthen lässt, dass der daselbst wohl im 69. Jahre
350 Analekten.
▼erstorbene Jizehak Eisak Margoles, weleher nach Jucaasin ed.
Cracau 164 b gemeinschaftlich mit R. Jacob Pollak das Rabbinai
in Prag verwaltete und zu seines Vaters Jacob Margoles ptM T1D
ein Vorwort schrieb, ein Sohn des Margoles zu Regensburg
(nicht aber zn Worms, wie Hock a. a. O. zu Nr. 76 Zunz irrig
nachschreibt) war.
Ein dritter Jacob Margoles, wenn derselbe nicht etwa mit
dem Nürnberger identisch ist, lebte in der zweiten Hüfte des
fünfzehnten Jahrhunderts in Ulm und richtete an R. Moses
Minz (siehe dessen GA. Nr. 73) eine Anfrage, bei der er sich
IV^IÖ ITUftDlD DpJP unterzeichnet. Derselbe muss ein tüch-
tiger Talmudist gewesen sein, da ihn R. Moses Minz in seiner
Antwort apjp TftTÖ- W9 ?TO n^i NTPOTB nennt, lebte, wie
aus dem gedachten Gutachten zu ersehen ist, gleichzeitig mit
R. Ascher Enscben in Ulm, scheint aber nicht zu dem Rabbinats*
collegium daselbst gehört zu haben, da er das iTOTD njDtPD 2TO
aus dem Jahre 1465, welches in dem rttrtn TlD hinter den GA.
des R. Jebuda Minz mitgetheilt ist, nicht mit unterzeichnet hat.
Derselbe R. Jacob Margoles in Ulm wird auch mehrfach in dem
GA. Nr. 74 des R. Moses Minz genannt, wie S. 105 d, 106 b,
107 d, 108 b und U2d, woraus hervorgeht, daas er sich auch
einige Zeit in Woerd bei Nürnberg aufgehalten und sieh mit
JWW beschäftigt hat.
Endlich erwähnt noch R* Moses Minz (siehe dessen GA.
Nr. 114) im Jahre 1474 zur Zeit als er sich in Posen aufhielt,
eines R. Jacob Margoles in Lueoa4) , welcher daselbst bei der
*) Xp& oder Hpf? (bei Moses Hinz Kr. 43) ist Lncca (igL Zum
im Benjamin von Tadels ed. Asher IL, 16) and nicht Lack, wie es
in Franker» Zeitschrift flu* die religiösen Interessen des Jadenthume
1846, 387 heisst, wo überhaupt mancherlei za berichtigen ist So hielt
sich R« Moses Minz nicht im Jahre Tl (welches übrigens dem Jahre
1444 entspräche and nicht 1404, wie daselbst als Druckfehler steht),
sondern im Jahre p^th 'H"l <L h. 1474, wie a. a. 0. deutlich za er-
sehen Ist, in Posen auf, and dass die Stelle nicht die einzige ist, in
der R. Moses Minz von seinem Aufenthalte in Posen spricht, zeigt
sein GA. Nr. 100 anweit des Schlosses, wo er sagt, er habe jenen
IWlttWn nsiTDn TTD festgestellt, als er noch in Deutschland and zwar
in Bamberg gewesen, nachdem er aber später nach Polen and zwar
Analekten. 351
Ertheiluog eines Scheidebriefes als Rabbiner fnngirte, ohne dass
festgestellt werden kann, ob dieser Margoles eine der bereits
genannten gleichnamigen Personen oder von diesen verschie-
den ist.
nach Posen gekommen sei KJTID p"p^ yhw üTmcf? TOOP TUO, habe
er manche Veränderungen in den Traubriefen wahrgenommen« Es ist
demnach unnöthig, nPD statt tiDD zu lesen. Die beiden citirten Stellen
aus den GA. des R. M. Minz führt übrigens schon Perles in seiner
Geschichte der Juden in Posen (siehe diese Monatsschrift 1864, 283)
an, wobei nur nicht einzusehen ist, was denselben zu der Behauptung
bestimmt hat, M. Minz wäre aus Bamberg nach Posen geflüchtet,
da ja die Vertreibung der Juden aus Bamberg durch den Bischof
Philipp erst im Jahre 1475 stattgefunden hat (cf. meine Regesten
8. 206 Kr. 664), während, wie wir gesehen, M. Minz schon 1474 sich
in Posen aufgehalten hatte. Was M. Minz, der sich erst im Siwan
1469 in Bamberg niedergelassen, bewogen haben mag, diese Stadt
wieder zu verlassen und seinen Plan, nach dem gelobten Lande zu
reisen (siehe GA« Nr. 60 und 107), aufzugeben und dafür in Posen
seinen Wohnsitz zu nehmen oder ob er den gedachten Plan später
doch noch zur Ausführung gebracht haben mag, lässt sich schwerlich
noch ermitteln. Verbindungen zwischen deutschen und polnischen
jüdischen Gemeinden fanden während des Mittelalters gar wohl statt
und will ich hier nur einige erwähnen, die von Zunz (in Frankel's
Zeitschrift 1846, 382 ff.) übergangen worden sind. R. Israel Brunn er-
wähnt in seinem GA. Nr. 55 einen Bescheid, den er an R. Samuel
nach Cracau (31p"lp, wie diese Stadt auch in den GA, des R. Meir aus
Rothenburg ed. Prag Nr. 864 und ed. Lemberg Nr. 382 genannt wird,
während sie bei Moses Minz 8. 84 b und im ?erumoth haddesehen
Nr. 216, wo ein R» Jacob ans Cracau » mit dem R. Meir aus Rothen»
borg correspondirte, vorkommt, 2üptOp und bei Späteren, wie in n"W
plK nDS Nr. 15 und bei Salomon Luria im paj ?y HD^P bw D"» 37*
tip^p oder tfptillp heisst) gesandt und wobei ich es dahin gestellt sein
lassen muss, ob dieser R. Samuel identisch ist mit Samuel aus Russia,
welcher, nach Zunz, Collectaneen aus dem Talmud geschrieben, die
356 Bl. in 4. stark im Vatican liegen. Ebenso ertheilte derselbe (cf.
dessen GA. Nr. 264) der Lemberger Gemeinde Bescheid auf eine An-
frage, welche diese wegen eines in ihrer Mitte vorgekommenen Todt-
schlages an ihn gerichtet hatte. Auch Israel Isserlein zeigt sich als
mit den Zuständen in Polen vertraut und erwähnt (cf. GA. Nr. 8 und
382 BeeensMmeo nad Anzeigen.
teceisitaei ni Aizeigei.
Die Geschichte der Jaden in Erfurt, nebst Noten, Urkun-
den und Inschriften aufgefundener Leichensteine. Grössten-
teils nach primiren Quellen bearbeitet von Dr. Adolph
Jaraczewsky. Erfurt 1868. Selbstverlag des Verfassers.
In Commission bei Carl Villaret.
(FoitfleCsnng.)
Was Herr Dr. Jar. S. 8 ober den Stadtbezirk, den die Ju-
den Erfurts ehemals bewohnten, wie auch über deren Bad und
Spital berichtet, findet sich bereits ausführlicher in Hartung's
Häuserchronik der Stadt Erfurt S. 212 ff. f wo auch über den
Gottesacker der Juden gesprochen und mitgetheilt wird, dass
54) des dortigen Brauches bei Schreibung des 8chetdebriefe# wie auch
des Umstandes, dass die dortigen Mitosen meist ans Kopfer besteben
und nur wenig Silbergehalt haben, and nur in Rücksicht auf Litthanen
in Rnssland sagt er (a. a. O. Hr. 224), dass Juden ans Deutschland
selten dorthin kommen N*wb yiiS UD0KD im *n n«ND TTW ib.
Ebenso kennt R. Israel Bronn den üsiis bei den Benedictionen in
Polen (cfr. dessen GA. Kr. 121) und erwähnt die Gelehrten in Posen
(das. Kr. 285). VgL auch Zunz Ritas 8. 73. br. Isserlein scheint aber
mit der Gemeinde zn Posen in vielfachem Verkehre gestanden zu
haben, denn wie Israel Brunn (GA. Hr. 253) berichtet, ertheilte er
einem gewissen R. Moscheh iwiD, welcher längere Zeit hindurch m
Posen das Rabbinat unentgeltlich versehen und auch nicht unerheb-
liche Summen auf die Förderang des Talmndstadiams verwendet,
spater aber, als sich swei Gelehrte Hamens R. David und R. Kasariah
in Posen niederlasten ond daselbst ebenfalls rabbmische Funktionen
ausüben wollten, es dfesen hatte verwehren wollen,- weil er darin
einen Eingriff in sehte Autorität sah, eine derbe Zurechtweisung, ein
Factnm , dessen bei Perles a. a. O. keine Erwähnung geschieht. Ausser-
dem ertheilte er der Posener Gemeinde Bescheid, wie es in Betreff
der Abgaben, welche eines ihrer Gemeindemitglieder von seinen aus-
stehenden Schulden zu geben sich sträubte, su halten sei (cfr. GA.
Kr. 144), und erwähnt dieselbe auch noch neben der von Kaiisch an
einem anderen Orte (s. das. Kr. 73).
Recensiouen und Anzeigen. 35&
letztere von jedem Todten 30 Pfennige an den Mainzischen Hof
entrichten mussten. Ueber alte Erfurter jüdische Leichensteine
handelt Herr Jar. an vielen Stellen seiner Monographie, jedoch
in einer Weise, aus welcher ersichtlich ist, dass er Zu dz' Werk:
Zur Geschichte und Literatur gar nicht in Händen gehabt, sonst
würde er sowohl eine weit grössere Anzahl von Erfurter Leichen«
steinen kennen gelernt als auch vielfache von Bellermann be-
gangene und von Zunz bereits berichtigte Irrthüroer nicht wie*
derholt haben. Die briefliche Mittheilung von Zunz, dass schon
vor 140 Jahren in Erfurt alte Leichensteine aufgefunden worden
seien, ist schon a. a. O. S, 397 zu lesen und der Dank an Wolf
dafür, dass er einige dieser Epitaphien der Vergessenheit ent*
rissen habe, ist überflüssig, da Wolf uns keine Erfurter In*
Schriften erhalten hat. Von den 26, ausser den drei unlesbaren,
von Zunz a. a. O. S. 405-416 nachgewiesenen und aus den Jah-
ren zwischen 1137 und 1391 herrührenden Erfurter Epitaphien
erwähnt Herr Dr. J. nur vier, nämlich die aus den Jahren 1137,
1285, 1328 (für Jecbiel ben Jechiel) und 1391, aber ohne Verwei-
sung auf Zunz und daher auch ohne Rücksicht anf die von
diesem gemachten Berichtigungen, so dass er einen Rabbiner
Namens Wadarasch erfindet, den er zum Präses des Rabbinats-
collegiums in Erfurt macht, während Zunz S. 407 Jehuda Ascher
ben Sarach ha- Cohen liest, was sich doch hören lässt» Die
hier nochmals publicirte Grabschrift des R. Moscheh ben Kalo-
nymos glaubt Herr Jar. von den Fehlern Bellermann's befreit
zu haben v allein aus Zunz S. 416* hätte er noch manche Unrich-
tigkeit beseitigen können. Auch macht er diesen Leichenstein
fast um ein Jahr jünger als er ist, denn der 14. Schebat 5151
fiel nicht in den Dezember, sondern war der 20. Januar 1391.
Was nun die von Herrn Jar. mitgetheilten und erst in neuerer
Zeit bekannt gewordenen Grabschriften betrifft, so ergeht sich
derselbe hier wiederum in sehr gewagten Vermnthungen. So
soll der 1288 (nicht 1281) verstorbene R. Elieser ben Kalonymos
identisch sein mit dem von R. Bezatel erwähnten R. Elasar aus
Erfurt, obgleich die freilich häufig unbeachtete Verschiedenheit
des Namens Elasar und Elieser schon dagegen spricht und wird
der genannte R. Elieser für den Vater des Nakdan Kalonymos,
der „ein Werk über Masorah Ketanah" geschrieben hat, erklärt,
obgleich bei letzterem der Zusatz halevi fehlt. Ueber diese
F ra n k e 1 , Monatsschrift XVIL 9. 27
354 ßecensionen und Anzeigen.
kleine Masorah gibt übrigens Geiger in seiner judischen Zeit-
schrift Bd. VI, 57 ff. Nachricht und vermuthet, dass Kalonymos
Nakdan nur die Bemerkungen zur kleinen Masorah hinzugefugt
habe, welche als spätere Ansätze erscheinen. S. 118 ist der
Leichenstein des Baruch ben Samuel nicht aus dem Jahre 1285,
sondern zehn Jahre älter und der des R. Joseph ben Samuel
ha-Cohen nicht aus dem Jahre 1368, sondern aus dem Jahre 1338.
S. 119 muss die mittlere Inschrift unrichtig gelesen sein, da im
Jahre 1382 der neunte Tamus auf einen Sabbath fiel, au welchem
keine Beerdigung stattfinden konnte.
S. 11 wird ein Ereigniss aus dem Jahre 1272 (nicht 1271,
wie es hier und bei Grätz VII, 184 Anm. heisst) besprochen,
bei welcher Gelegenheit Herr Jar. sich manche Ungenauigkeit
zu Schulden kommen lässt. Schon das Citat „Responseu zu
Maimonides Jod Hachasake (sie) aus dem Jahre 2TOÖa ist ziem-
lich unverständlich und wird damit die Amsterdamer Edition
vom Jahre 1702 gemeint, deren Angabe hier übrigens ebenso
überflüssig ist, wie bei Grätz a. a. O. und S. 480. Das richtige
Citat war schon aus Zunz: Zur Geschichte S. 165 und Literatur-
geschichte S. 618 Note 26 (wo jedoch Q)yt statt nffPK steht)
und aus Grätz a. a. O. zu ersehen. Ungenau ist aber die An-
gabe, dass der Mann, dessen Frau des Ehebruchs verdächtig
war, aus der unmittelbaren Nähe Erfurts gewesen sei und die-
selbe vor die Schranken des Erfurter Rabbinats gefordert habe,
da aus dem in Rede stehenden Gutachten über den Wohnort
jenes Mannes nicht das Geringste zu ersehen ist und wir nur
erfahren, dass die drei Rabbincn, an die der Mann sich gewendet
hatte, über die Angelegenheit unter Anderen auch mit den in
ihrer Nähe wohnenden Rabbinern Erfurts verhandelt haben,
aus deren Bescheide übrigens weiter nichts mitgetheilt wird, als
dass sie dem Manne gestattet haben, sich von seiner Frau schei-
den zu lassen. Auch ist rQlHD falsch durch „Scheidegeld"
wiedergegeben.
Im vierten Kapitel theilt Herr Dr. Jar. nach einer, Falken-
steins Erfurter Chronik entnommenen Urkunde mit, dass die
Juden schon wieder im Jahre 1266 unter den Augen des Rathes
misshandelt worden seien. Allein dieses Factum, bei welchem,
wie aus dem Briefe des Erzbischofs Heinrich, desselben, auf
dessen Veranlassung, als er noch Bischof von Basel war, R.
Recensionen und Anzeigen. 355
Meir von Rothenburg 1286 gefangen genommen wurde (cf. Vor-
wort zu meinen Regesten S. XIII) hervorgeht, der jüdische Be-
gräbnissplatz wie die Synagogen entweihet worden waren, muss
wenigstens ein Jahr früher stattgefunden haben, da die Urkunde,
nach welcher Erzbischof Werner den Erfurtern den ihnen wegen
der Misshandlung der Juden entzogenen Gottesdienst wiederum
gestattete» vom XIII. Kniend. Januarii 1266 datirt ist, was dem
20. Dezember 1265 entspricht. Auch ist der Inhalt jener Ur-
kunde ziemlich ungenau wiedergegeben, da die Worte des Erz-
bischofs: ,volumus etiain eosdem judeos eojure, libertate pariter
et honore perfrui et gaudere ad illum terminum, quo nostris ac
praedecessorum nostrorum literis sunt niuniti' keineswegs be-
sagen, dass er verordnete, die Stadt bei ihren Rechten über die
Juden zu belassen, sondern vielmehr, wie schon Galletti in
seiner Geschichte von Thüringen III, 172 richtig angibt, dass
die Erfurter sich bequemen mussten, den Juden den Genuss
der Gerechtsame und Freiheiten zu verstatten, die ihnen die
Erzbiscböfe verliehen hatten.
Ueber die bedeutenden Geldgeschäfte der Erfurter Juden
besitzen wir schon aus dem 13. Jahrhundert eine Nachricht, in
welcher berichtet wird, dass im Jahre 1294 bei ihnen dem Land-
grafen Albrecht von Thüringen Pfänder in Gold und Silber
standen, für welche ihm Landgraf Dietrich 1008 Mark Freiberger
Silbers zu geben versprach (cf. Kopp: König Adolph S. 82),
und waren schon früh die Gerichtsgebühren an sie verpfändet
(siehe Guden hist. Erfurt, p. 70 f. >
In dem fünften Kapitel wird zwar mancherlei über den Kampf
der Erfurter mit dem Landgrafen Friedrich erzählt, in Betreff
der dortigen Juden dagegen hören wir nur, dass sie bei der
Belagerung der Stadt im Jahre 1309 die Mauern derselben in
Gemeinschaft mit den Christen besetzt hielten. Was dann noch
über die Judenverfolgung in Weissensee, über welche auch
Sidori: Geschichte der Juden in Sachsen S. 19 f. handelt, berichtet
wird, findet sich bis auf den Druckfehler, nach welchem der
ermordete Knabe zum Sohne eines Bergmannes gemacht wird,
während sein Vater ein Burgmann, castrensis, war, nebst den an-
gegebenen Quellen wörtlich bei Galletti a. a. O. III, 91 f. und
wir erfahren von Herrn Dr. Jar. nicht, dass auch damals die
Juden Erfurts in grösster Gefahr schwebten, die sie nur durch
356 Recänsionen und Anzeigen.
eise grosse Summe Geldes abzuwenden vermochten, wie aus
übereinstimmenden Quellen bei Sidori a. a. O. S. 21 und Leib«
nitz script. rer. Bransvic. II, 1125 zu ersehen ist. Bei letzterem
heisst es nämlich, es seien damals die Juden in Thüringen und
den anliegenden Staaten ermordet worden. Effordia, in qua pe-
eunia tunc salvati sunt, excepta. Sequenti tarnen anno (d. h.
also 1304) et ibidem per communitatem sunt occisi, welche letz-
tere Nachricht indess, so weit, mir bekannt ist, durch andere
Chroniken nicht bestätigt wird und wohl auf Verwechselung
mit einer auf das Gemetzel von 1349 sich beziehenden Nachricht
beruht, wie sie fast wörtlich in einem Codex bei Klose sich
findet (cfr. Grätz VII, 397 Anm. 1 ). Auch für die Mittheilung,
dass Kaiser Ludwig der Baier seinem Schwiegersohne Friedrich
dem Ernsten die Oberhoheit über die Juden in Thüringen,
Meissen und dem Osterlande verlieh, hätte wiederum Gal-
letti III, 234 als Quelle angegeben werden müssen, da ihm das
Mitgetheilte wörtlich entlehnt ist.
Mit Uebergehung dessen, was hier meistens nach einer Ab-
handlung Michelsens über den Judensturm in Erfurt, welcher
nach Galle tti III, 280 am Sonnabend vor Laetare d. i. am 21. März
1349 stattfand und in Beziehung auf welchen es bei Leibnitz
loc. cit. III, 379 heisst, dass schon 1348 die Juden aus Erfurt
vertrieben und wohin sie gekommen waren, an eine Säule ge-
bunden und gestäupt worden seien, wie auch über die Nach-
wehen desselben referirt wird, bemerke ich, dass im achten
Kapitel das wichtige Privilegium nicht hätte übergangen werden
müssen, welches nach Lud ewig reliquiae MSS. dipl. X. prae-
fatio p. 27 und pag. 229 seq. Friedrich, Balthasar and Wilhelm,
Landgrafen zu Thüringen und Markgrafen zu Meissen, den in
ihren Landen befindlichen Juden am 1. Dezember 1368 ertheilt
hatten und nach welchem dieselben sich verpflichteten, die Ju-
den nebst ihren Frauen, Kindern und Dienern als ihre Kammer-
knechte zu schützen und sie bei allen jüdischen Rechten zu
lassen; falls sie Jemand belangen wollte, sollten sie mit ihrem
jüdischen Rechte und ihrem Eide auf Mosis Buch, wie es von
Alters Herkommen ist, sich reinigen können, womit die Kläger
sich begnügen müssen; kein Vogt, Schulze oder Amtmann sollte
über die Juden ein Recht haben, sondern die Landgrafen woll-
ten einen Rath ernennen, damit die Juden gleiche Rechte und
Rezensionen und Anzeigen. S57
Freiheiten mit den Christen hatten. Die heimischen Juden
sollten frei von Zoll und Geleite sein, nicht aber fremde Juden;
zwei Jahre hindurch sollten die Juden, welche dafür 1000 Gul-
den gegeben hatten, nicht besteuert werden; nach Halle und
Erfurt durften sie ziehen und auf ein Schock einen halben Gro*
sehen die Woche Zins nehmen d. h. 43'/t Procent; nach Ablauf
von zwei Jahren aber sollte dieser Brief ungültig sein. Später
im Jahre 1370 gaben, wie Spiker: „Ueber die ehemalige und
jetzige Lage der Juden in Deutschland" S. 1G7 berichtet, die
genannten drei Landgrafen den Juden und Judinnen in ihren
Landen das schriftliche Versprechen, sie gegen einen jährlichen'
Zins von 1100 rheinischen Gulden sechs Jahre lang in Schutz
und Schirm nehmen, sie von den Gerichten der Vögte und Schul-
theissen exinnren, ihnen ihre herkömmlichen Judenrechte er-
halten, sie gegen jeden geistlichen und weltlichen Bann verth ei-
digen und ihnen so gut wie den Christen Recht widerfahren
lassen zu wollen. Ebenso hätte erwähnt werden sollen, dass
der Rath von Erfurt am 28. März 1372 mit dem Erzbischof Jo-
hannes von Mainz übereinkam, ihm für die dortigen Juden fünf
Jahre hindurch jährlich 100 Mark iöthigen Silbers zu zahlen,
nachdem bereits im Jahre 1357 der Erzbischof Gerlach von
Mainz den Erfurtern gestattet hatte, für die ihm geliehenen
400 Mark Silber den dortigen Judenzins von 100 Mark jährlich
vier Jahre hindurch zu erheben (Siehe meine Regesten S. 133,
Nr. 229 und S. 138 Nr. 260). Auf diese letztere Thatsache be-
zieht sich die von Herrn Jar. S. 26 mitgetheilte Nachricht bei
Dominikus, dass die Judengefälle einige Zeit von dem Erzbischof
Gerlach an die Bürger verpachtet worden seien und die von
Herrn Jar. beabsichtigte Verbesserung von Gerlach in Gerhard
ist demnach unrichtig. Zu den Abgaben, welche die Juden in
Erfurt an den Rath zu zahlen hatten, gehörten auch die für das
Tanzhaus, wie Herr Jar. S. 41 nach einer in Hogel's Chronik
S. 222 enthaltenen Nachricht, aus welcher er übrigens noch hätte
ersehen können, dass die Bestimmung des Rath es nach welcher
kein Jude in Erfurt wohnen dürfe, der nicht daselbst Bürger
geworden war, nicht für diejenigen Juden Geltung hatte, die bei
ihren Glaubensgenossen dienten, angibt« Das dabei stehende
Fragezeichen erledigt sich durch den Hinweis, dass ein solches
Tanz- oder auch Brauthaus, in welchem die Hochzeiten abge-
358 Recensionen und Anzeigen.
halten wurden, weshalb es auch wie z. B. in den RGA. des
R. Meir aus Rothenburg ed. Prag Nr. 118 SlpH b& ntinn rP3
genannt wurde, auch andere Gemeinden besassen, wie z. B.
Augsburg, Cöln (wo es Spielhaus hiess), Frankfurt a. M., Speyer,
Worms u. a. Vergl. meine Bemerkung in dieser Monatsschrift
1863, 428 Anm. 110. Das Brauthaus in Erfurt wird auch in den
GA. des R. Israel aus Brunn Nr. 162 erwähnt und wurde, wie
aus jener Stelle zu ersehen ist, auch noch zu anderen Gemeinde-
Zwecken benutzt. Einen argen Verstoss begeht aber Herr Jar.
S. 43, indem er sagt, dass „der dritte Theil des Vermögens der
Juden von vorn herein dem Kaiser gehörte, den dieser den gol-
denen Opferpfennig zu nennen beliebte" und somit die wahr-
scheinlich erst von Ludwig dem Baiern eingeführte Abgabe
eines Guldens, den jeder Jude und jede Jüdin über 12 Jahre
jährlich zu erlegen hatte mit der den dritten Theil ihres Ver-
mögens betragenden Abgabe, welche die Juden bei der jedes-
maligen Krönung eines Kaisers zu entrichten hatten und die
bereits unter Friedrich I. im Jahre 1155 vorkam (cf. Regesten
S. 3 Nr. 13), verwechselt.
Ueber die Schicksale der Erfurter Juden unter König Sieg-
mund erfahren wir weiter nichts, als dass ihnen derselbe, nach-
dem er sie, wie aus der Zeitschrift des Vereins für thüringische
Geschichte IV, 328 Anm. zu ersehen (wo jedoch nicht Alles mit
den Angaben des Herrn Jar. S. 47 übereinstimmt), im Jahre 1416
um 6000 Gulden gebrandschatzt hatte, in dem darauffolgenden
Jahre einen Schutzbrief auf zehn und im Jahre 1427 einen sol-
chen wiederum auf sechs Jahre ertheilte und endlich zwei Jahre
darauf zwei Mandate zu ihren Gunsten erliess. Den letzten
Schutzbrief erwähnt schon Aschbach in seiner Geschichte
Siegmunds 111, 463, der auch daselbst S. 462 mittheilt, dass König
Siegmund bereits vorher, nämlich am 10. September 1427 dem
Erhard Venk über den Empfang des goldenen Opferpfennigs
von Seiten der Erfurter Juden quittirt hatte. Dagegen gedenkt
Herr Jar. mit keinem Worte der Acht, die der genannte König
über den Juden Friedel in Erfurt verhängte, noch der Leiden,
welche die dortigen Juden während der Hussitenkriege zu er-
tragen hatten. Gegen Friedel, der sich wahrscheinlich geweigert
hatte, die ihm auferlegten Abgaben zu entrichten, hatte nämlich
König Siegmund am 9. August 1420 ein von Spiess in seinen
r
I
Monatschronik. 359
archivischen Nebenarbeiten I, 125 und von Spiker a. a. O.
S. 132 f. mitgetheiltes Mandat erlassen, in welchem er allen
Unterthanen des römischen Reiches kund that, dass sein Schwa-
ger, der Burggraf Johann, den Friedel nebst dessen Weibe und
Kindern in die Acht gethan habe, einem Jeden verbot, mit den
Geächteten Gemeinschaft zu haben, letzteren jedes Recht in den
Judenschulen wie in den Judenkirchhöfen untersagte, ihnen den
Frieden und das Geleite entzog und namentlich verbot, diesel-
ben zu beherbergen, zu schützen, ihnen zu essen oder zu trinken
zu geben und mit ihnen Handel zu treiben, bis sie sich mit dem
genannten Burggrafen vertragen haben würden. Dass die Er-
furter Juden während des Hussitenkrieges viele Drangsale zu
erdulden hatten, geht aus dem in Halichoth Kedem S. 80 von
Luzzatto mitgetheilten Schreiben des Maharil hervor, in welchem
dieser berichtet, dass ihm von vielen jüdischen Gemeinden,
unter denen er auch Erfurt namhaft macht, Zuschriften zuge-
kommen seien, aus denen ersichtlich sei, in welcher Angst sich
die Gemeinden befänden, nachdem bereits . mehrfache Mord-
thaten unterwegs verübt worden wären. Die Unsicherheit,
welche damals nflflKD W auf den von Erfurt ausgehenden
Landstrassen herrschte, erhellt auch aus dem Gutachten des
R. Israel aus Brunn Nr. 278. Dr. M, Wiener.
(Schiusa folgt.)
Monatschronik.
Berlin. Die Frage, ob an jüdischen Elementarschulen der
Rabbiner zum Lokal - Schulinspektor ernannt, oder ob vielmehr
diese Schulinspection dem Ortsgeistlichen übertragen werden
muss, ist bei Gelegenheit einer von der israelitischen Gemeinde
zu Nakel dem Abgeordnetenhause eingereichten und von diesem
der Regierung zur Berücksichtigung empfohlenen Petition durch
ein Rescript des Cultusministers vom 16. August entschieden
worden. Dasselbe bestimmt im Wesentlichen Folgendes: Als
ein Recht können die jüdischen Schulgemeinden die Berufung
8G0 Monatschronik.
des Rabbiners zur Inspection über die Schule nicht in Anspruch
nehmen. Die bestehenden Gesetze nöthigen aber auch nicht,
die Localinspektion Ober jüdische Elementarschulen dem christ-
lichen Ortsgeistlichen zu übertragen. Die Staatsbehörden kön-
nen zwischen Rabbiner und Ortsgeistlichen nach ihrem Ermessen
wählen. Wo letzterem die Inspection bereits anvertraut sei,
bedürfe es, wenn er dieselbe zur Zufriedenheit erledige, sehr
gewichtiger Gründe, um ihm das Amt wieder abzunehmen.
— Professor Lazarus ist an die hiesige Kriegsakademie als
ordentlicher Lehrer der philosophischen Disciplinen berufen
worden. Professor Pringsheim ist zum ordentlichen Mitgliede
der kgl. Akademie der Wissenschaften ernannt worden und ver-
lässt daher die Universität Jena, wo er bisher einen Lehrstuhl
für Botanik inne hatte.
Bonn. Bei Gelegenheit des hier stattgefundenen Universitäts-
jubiläums wurde dem 01>erbibliothekar und Professor Dr. Ber-
nays der rothe Adlerorden 4. Klasse verliehen. Zu den von der
Universität bei diesem Feste creirten Ebrendoctoren gehört auch
Professor Pringsheim, welchem das medieinische Doctordiplom
ertheilt wurde.
Darastadt* Auf eine vom Abgeordneten Edinger eingebrachte
Interpellation wegen Zulassung der Juden zu Staatsämtern er-
theilte der Ministerpräsident von Dalwigk folgende Antwort:
Au den Präsidenten der zweiten Kammer der Stände des Gross-
herzogthums. Die mit dem gefälligen Schreiben vom 19. Juni
d. J. mir mitgetheilte Interpellation des Herrn Landtagsabge-
ordneten Edinger, die Verwendung der Juden im Staatsdienste
betreifend, beehre ich mich dahin zu beantworten: bei der An-
stellung und Beförderung von Juden im Staatsdienste findet die
Regierung keine principiellen Bedenken, wie dies schon daraus
hervorgeht, da&s. Juden im Staatsdienste stehen.
Paria. Unter den beim Napoleonsfeste Decorirten befindet
sieb auch der Grossrabbiner des israelitischen Consistoriuma
von Strassburg, Herr Aron, der zum Ritter der Ehrenlegion
ernannt wurde.
Berichtigung.
S. 313 in der Recension „Die Geschichte der Juden in Erfurt"'
lies Jaraezewsky statt Jarczewsky.
Sie Alliance Isra&ite Universelle.
Wir freuen uns, nach dem in jüngster Zeit ausgegebenen
Bulletin der Alliance wieder, über die bedeutende Wirk-
samkeit dieses Vereins berichten zu können und welchen
Einfluss er auf die sociale Stellung der israelitischen
Brüder in fernen meist halbbarbarischen Staaten und auf
Errichtung von Schulen und Hebung des Unterrichts bei
diesen Glaubensgenossen übt. Den Bestrebungen der
Alliance stehen zunächst die französische und englische
Regierung zur Seite, die Alliance ruft nie vergebens
ihre Verwendung an, französische und englische Consuln
treten allenthalben energisch für die gemisshandelten Juden
auf-, die Alliance hat sich aber auch seit der Zeit ihres
Bestehens (1863) zu einer moralischen Macht erhoben,
deren Stimme nirgends ungehört bleibt. Wir geben in
Folgendem einen Auszug aus ihren Sitzungen und fügen
einige in dem Bulletin enthaltene Aktenstücke bei.
In der Sitzung vom 2. Januar 1868 erstattet Herr
Eduard Da'costa-Marquittos aus Rio Janeiro Bericht über
die Lage der Juden in dieser Stadt, deren Zahl sich da-
selbst auf ungefähr tausend Seelen beläuft. Artikel 5 der
Constitution erklärt die katholische Religion als Staats-
religion und duldet andere Culte nur unter der Bedingung,
dass sie durch kein äusseres öffentliches Zeichen an den
Tag treten. Es ist daher den Juden nicht gestattet, weder
F.rankel, Monatoschri ft. XVII. 10. 28
36*2 Die Alliance Israelite Universelle.
eine Synagoge zu bauen, noch einen besonderen Fried-
hof zu errichten, und es sehen sich die jüdischen Familien
Ton einer festen Ansiedelung abgeschreckt. Herr Da-
costa-Marquittos meint, man müsse die (brasilianische)
Kammer um ein Gesetz angehen, welches die öffentliche
Ausübung des israelitischen Cultus gestatte: er ersucht
das Comitö der Alliance das Localcomitä zu Rio-Janeiro
zu veranlassen, in diesem Sinne zu wirken. Ein ähnlicher
Schritt wurde von den englischen Protestanten gethan,
und der Erfolg den er hatte, gibt Raum zu der Hoffnung,
die Bitte der Alliance werde günstig aufgenommen werden.
Herr Carl Stetter, Mitglied des Centralcomitä theilt aus
Kairo die beklagenswerthe Lage der Juden in Persien mit:
ein grosser Theil will nach Palästina auswandern. Herr
Stetter ist bereit, wenn ihn das Comitä dazu ermächtigt,
eine Reise nach Palästina zu machen, um die Lage der
Juden zu erforschen und sich über die Hülfsquellen zu
unterrichten, welche die Landarbeit den Einheimischen
und Jenön, die sich dort ansässig machen wollen, darzu-
bieten im Stande sei. Dieser Vorschlag wird ange-
nommen.
Es wird hierauf Bericht erstattet über einige Beschlüsse
des Untercomitö für Schulen, von welchen wir einige
hervorheben.
Auf das Ansuchen des Hrn. David Serusi aus Safly
wird der Schule dieser Stadt eine Summe von 100 Fr.
zum Ankaufe von Büchern bewilligt, ferner eine Zulage
von 100 Fr. für den Director.
Herr Hermann Cohn aus Mogador theilt mit, dass das
Elend der jüdischen Bevölkerung daselbst das Austreten
einer grossen Zahl Schüler veranlasst hat. Man wird sich
an die Gemeindeverwaltung wenden, dass sie Suppen
an die Schüler vertheile.
DasComüö bewilligtHrn. Weisskopf, Direktor der Schule
zu Damascus, eine Entschädigung von 1500 Frs. für die
Kosten seiner Niederlassung in der Stadt.
Hr. Weisskopf und das Comitö zu Bagdad übersenden
die Klagen der Gemeinden zu Diarbekir, Saku, Erwin und
Saida über den Amtsmissbrauch der türkischen Behörden.
Die AUiance lsra&ite Universelle. 363
Man beschliesst, das Centralcomitö der Türkei ^u er-
suchen, die Intervention der Pforte anzurufen. Ferner
Sir Francis Göldsmith zu ersuchen, die britische Regie-
rung in Kenntniss zu setzen von der Beschwerde, die
die Gemeinde zu Sai'da gegen einen englischen Consular-
agenten führt.
Die georgischen Juden, die nach Jerusalem gekommen
sind, um dort dem Ackerbau obzuliegen, bitten, die AUiance
möge ihnen zur Verwirklichung ihres Vorhabens beistehen.
Das Gesuch wird an Hrn. Stetter geschickt, der es über-
nommen, eine Untersuchung zu diesem Zwecke anzu-
stellen.
In einer anderen Sitzung (16. Januar) werden Briefe
aus Rumänien verlesen, welche von den Verfolgungen
der Juden in den verschiedenen Städten berichten. Wir
gehen über diese und die Schritte, die von der AUiance
gemacht wurden, als bekannt weg.
Die Herren Levy D. Gazes und Gogmann zu Tetuan
theilen mit, der Anführer der Räuber Aissa habe
von neuem gedroht, dass, wenn bis zu einem gewissen
Zeitpunkte er nicht eine gewisse Summe Geldes, Kleider
und Vergebung der Verbrechen, die er früher gegen die
Juden begangen, erhalten werde, er alle Juden, die die
Stadt verlassen, tödten werde. Das Comit6 hat sich un-
mittelbar an die französische und englische Regierung
mit der Bitte gewendet, ihren Vertretern zu Marokko
Aufträge zu Gunsten der Juden zukommen zu lassen.
In einer andern Sitzung (12. März) legt der Präsident
Bericht ab von den Schritten, die er gethan hat bei dem
Minister der auswärtigen Angelegenheiten, erstens hin-
sichtlich der häufigen an Juden zu Tetuan begangenen
Morde von dem Räuber Aissa, zweitens hinsichtlich
der an den Juden zu Tunis begangenen Mordthaten, die
die Regierung des Bay ungestraft gelassen hat, drittens
hinsichtlich der Lage der Juden zu Rumänien, an welchen
von den Ortsbehörden alle möglichen Plackereien verübt
werden. Der Minister hat dem Präsidenten die beruhigend-
sten Versprechungen gegeben.
28*
364 Die Alliance Israelite Universelle.
Sir Francis Goldsmith schreibt, Lord Stanley hat ver-
sprochen, ernstlich die Klage der Israeliten zu Sai'da gegen
den englischen Co nsula ragen ten zu prüfen, der ihnen
einen Theil ihres Gottesackers weggenommen hat.
Herr David Serusi aus Safly schreibt, dass die Schritte
der Generalconsuln von Frankreich und England eine
vollständige den Juden gegebene Entschädigung für die
gegen sie begangenen Verbrechen zum Resultate gehabt,
und dass die Schuldigen bestraft worden sind.
Wir gehen nun, gedrängt durch die Kürze des Raumes,
zu mehreren wichtigen Aktenstücken über, die das treff-
lichste Zeugniss für die Thätigkeit der Alliance und das
Ansehen, dessen sie sich bei den mächtigsten Potentaten
erfreut, ablegen. Ueber die Schritte des Vereins in der
rumänischen Angelegenheit bei den Fürsten Europas und
deren Erfolg gehen wir als bekannt weg und wenden
uns zu den schriftlichen Dokumenten, die seine Erfolge
in verschiedenen anderen Ländern darlegen.
1.
Ministerium der auswärtigen Angelegenheiten.
Paris, 19. Mai 1868.
Herrn Ad. Cremieux, Präsidenten des Centralcomitö
der Alliance Israälite Universelle.
Ich habe die Ehre, Ihnen in^ Bezug auf die Mitthei-
lungen, die ich vergangene Woche Herrn Leven1) über
die Schritte gemacht habe, die der Herr Minister der aus-
wärtigen Angelegenheiten dem Minister zu Tanger vor-
geschrieben, um auf die Bestrafung der Banditen zu
dringen, die Mordthaten und andere Frevel an den Juden
zu Tetuan ausgeübt, Abschrift zweier Telegramme vom
13. und 19. Mai, die wir soeben erhalten, zu übersenden.
Diese Depeschen besagen die Strafe, die der Räuber-
hauptmann Aissa und einer seiner. Gesellen erlitten. Der
l) Leven ist Sekretair des Central-Comitö der Alliance.
Die Alliance Israelite Universelle. 365
Herr Marquis de Mousier hat sich veranlasst gesehen,
Ihnen ohne Zeitverlust diese Neuigkeit mitzutheilen , die
uns hoffen läset, dass die Handlungen der Unmenschlich-
keit, gegen die wir protestirt haben, sich nicht mehr er-
neuern werden. Empfangen Sie die Versicherung meiner
Hochachtung.
Der Cabinetchef
Graf von Saint-Vallier.
Der Minister Frankreichs in Tanger an den Minister
der auswärtigen Angelegenheiten.
Tanger, 13. Mai.
Aissa und einer seiner Kameraden soll getödtet wor-
den sein, ich erwarte die Bestätigung dieser Neuigkeit.
Die Fregatte der kaiserl. Marine rPanama", die zu
meiner Disposition gestellt worden ist, um mich nach
Rabat zu bringen, ist hier seit dem 8. d. M.
Tanger, 19. Mai.
Die Neuigkeit von dem Tode Aissa's und eines der
Seinen bestätigt sich. Ihre Leichen sind öffentlich aus-
gestellt worden, ehe sie an den Thoren der Stadt Tetuan
aufgehängt worden sind, ihre Köpfe sind, wie hier ge-
bräuchlich, abgeschnitten und dem Sultan überschickt
worden.
Tripoli, 19. April 1868.
Dem Herrn Präsidenten des Central-Comit^s der
Alliance Isra61ite Universelle in Paris.
Den Brief, mit dem sie mich am 18. Mai v. J. beehrten,
habe ich empfangen. Ich fühle mich geschmeichelt von
Ihren Glückwünschen, mit denen Sie mich zu der ent-
sprechenden Lösung des Vorganges zu Sliten beehrten.
Diese Angelegenheit hat um so mehr unsere Aufmerk-
samkeit auf sich gezogen, als sich die Sorgfalt Sr. Maj.
des Sultans in gleicher Weise über alle seine Unterthanen
ohne Unterschied der Confession erstreckt.
366 Die Alliance Israelite Universelle.
Es ist mein Vorsatz, bei der nächsten Reise, die ich
nach Homs machen werde, den Plan zu der neuen Syna-
goge zu zeichnen und bei der Grundsteinlegung zu prä-
sidiren.
Ich danke Ihnen für die Freiheit, mit welcher Sie mir
die Klage der Juden zu Benghazy mittheilen, gelegent-
lich des Raubes eines Theils ihres Gottesackers durch
einen ottomanischen Unterthan. Ich habe schon nach
Benghazy die nöthigen Befehle ergehen lassen, um den
Hergang festzustellen und das Unrecht gut zu machen.
Sobald der Bericht mir zugehen wird, werde ich nicht
ermangeln, ihn Ihnen mitzutheilen.
Genehmigen Sie, Herr Präsident, die Versicherung
unserer ausgezeichneten Hochachtung.
Ali-Risa,
Gouverneur der Provinz Tripoü.
3.
Kaiserl. Russische Gesandtschaft.
Paris, 12. Juni 1868.
Herrn Ad. Cremieux u. s. w.
Mein Herr!
Sie haben die Gnade des Kaisers angerufen zu Gun-
sten des Herrn Jankel Juskiewicz, der in den Gefängnissen
von Saratof sich befindet. Es ist mir ein Vergnügen,
Ihnen mittheilen zu können, dass Se. kaiserl. Majestät
befohlen, dass diesem Individuum die Freiheit gegeben
werde und zugleich die Erlaubniss, bei seinem Sohne im
Gouvernement Charkow wohnen zu können, doch werden
die persönlichen Rechte, welche Juskiewicz verloren hat,
ihm nicht wiedergegeben.
Empfangen Sie die Versicherung der ausgezeichnetsten
Hochachtung.
Tschitscherini.
Die Alliance Israelite Universelle. 367
4.
Herrn Ad. Cremieux u. s. w.
Jerusalem, 12. März 1868.
Herr Präsident!
Ich habe mit einem Gefühle lebhafter Dankbarkeit den
Brief gelesen, mit dem Sie mich beehrten und in dem
Sie mir danken für einige Anstrengungen, die ich gemacht
habe, um in Jerusalem das Werk, das die Gesellschaft:
Alliance Isra&ite Universelle sich vorgesetzt hat, zu er-
leichtern: den Unterricht Ihrer orientalischen Glaubens-
genossen.
Es war für mich eine wahrhafte Pflicht, soviel an mir
lag, eine Institution zu beschützen, die ein solch' edles
Ziel verfolgt: durch den Unterricht einen der wichtigsten
Theile der ottomanischen Nation zu regeneriren.
Abgesehen von der Sympathie, welche jeder Aufge-
klärte für eine so umfassende und grossartige Idee fühlen
muss, bietet sie in meinen Augen noch ein höheres In-
teresse dar, denn sie ist die theilweise Lösung des Pro-
blems, dessen Wichtigkeit Niemandem entgeht: die Ver-
breitung des Unterrichts in der Türkei. An die Reali-
sirung dieses Programms knüpft sich die Zukunft unseres
Vaterlandes; unsere Mitwirkung ist daher irn voraus ge-
sichert allen Initiativen, die direkt oder indirekt darauf
hinzielen. Ihre Gesellschaft gibt ein edles und über-
raschendes Beispiel, indem sie zu Jerusalem, diesem Cofti-
cidenzpunkt der drei grössten Religionen der Welt,
deren Anhänger die ottomanische Nation mit Stolz in
ihrem Schosse zählt, diesem geheiligten und neutralen Boden,
auf welchem der Koran , die Bibel und das Evangelium
sich begegnen und brüderlich die Hand reichen, indem
sie, sage ich, diesen Mittelpunkt des Unterrichts gründet,
dessen wohlthätiger Einfluss sich schon durch Thaten
offenbart. Die ottomanische Regierung kann nur beloben
und mit aller Kraft ein Werk unterstützen, welches in so
glücklicher Weise den lebendigen Impuls fördert, welchen
sie zur Zeit im ganzen Reiche dem Unterricht der Massen
gibt. Ihr Schutz ist daher hier und allenthalben dem Werke
368 Die Alliance Israelite Universelle.
gesichert, welches die A. I. U. mit so vieler Hingebung
verfolgt, und welches uns ein kostbares Contingent liefert
in diesem Vernichtungskriege, den jede weise Regierung
gegen Unwissenheit führen muss, gegen diesen weltlichen
Verbündeten des Fanatismus und der Barbarei.
Nasif-Pascha,
Generalgouverneur von Palästina.
5.
Jerusalem, 2. April 1868.
An die Herren Mitglieder des Central-Comit6 der A. I. U.
zu Paris.
Meine Herren!
Ich habe nur eine Antwort auf die wohlwollenden
und freundlichen Worte, mit denen Sie mich beehren.
Alle Agenten Frankreichs können nur ihre Sympathien
einem Werke zuwenden, welches darauf hinzielt, die
Moralität der Völker zu veredeln und sie auf eine höhere
Stufe der Civilisation zu erheben. Das Resultat der Be-
mühungen einer Anstalt muss zunächst hier im Orient
sein, die verschiedenen Racen und Culten zu einer
Gemeinschaftlichkeit der Gefühle zu vereinigen, und so
mitzuwirken zu der Wiederbelebung dieses grossen orien-
talischen Reiches mit Hülfe der Prinzipien der Liebe und
der religiösen Freiheit, welche Frankreich und die meisten
europäischen Mächte bekennen, sowie die ottömanische
Dynastie und die gegenwärtige Regierung des Landes-
fürsten.
Die Agenten der Regierung des Kaisers entsprechen
nur, indem sie in solcher Weise wirken, den Wünschen
ihrer Regierung, und den Gefühlen, die in Frankreich
die grosse Majorität der Nation belebt.
Ich habe Ihre Schulen gesehen und die Schüler durch
die Freundlichkeit Ihres Angestellten, Herrn Krieger, ge-
prüft, welcher die Güte hatte, sie auf das französische
Consulat zu führen , wo ich selbst ihren Fortschritt bewun-
dern konnte. Man kann mit aller Gerechtigkeit sagen,
Die Alliance Israelite Universelle. 369
dass Herr Krieger durch das Vertrauen, das er einzu-
flössen wusste, und durch seine persönliche Erfahrung
der örtlichen Schwierigkeiten, deren er so geschwind
Herr wurde, nach Ihnen der wahrhaftige Gründer dieser
wohlthätigen Schule ist. Seine tiefe Kenntniss der Lan-
dessprache und der vorzüglichsten europäischen Sprachen,
erleichtern ihm mehr als jedem Andern die Ausführung
dieser schweren Aufgabe, und er ist in jeder Hinsicht
Ihrer Sorgfalt würdig.
Genehmigen Sie meine Herren mit dem wahrhaft auf-
richtigen Ausdrucke aller meiner Sympathien für das
civilisatorische Werk, das Sie unternommen und welches
schon in diesen Gegenden glückliche Resultate gebracht,
die Versicherung der moralischen Unterstützung, die wir
nie aufhören werden ihm zu leisten, und zugleich die
Versicherung der ausgezeichneten Hochachtung.
Edmond de Barfcre,
französischer Consul.
Und nun lassen wir den ausführlichen Bericht des
Herrn Halövi über seine Reise nach Abyssiuien und über
die Falachas folgen, auf die wir schon in früheren Heften
hinwiesen.
Bericht
an das Centralcomit6 der Alliance Isra61ite
Universelle betreffend die Mission bei den
Falachas.
Vorgelegt in der Sitzung vom 30. Juli 1868 von Jos. Hal6vi.
Meine Herren!
Ich finde keinen Ausdruck für das freudige Gefühl,
das mich jetzt durchdringt in der Mitte einer Versamm-
lung, die ich nach mehr als einjähriger Abwesenheit zum
ersten Male wiedersehe. Der Wohlthätigkeitssinn, der
Sie zu einem Verbände geeinigt, dessen Aufgabe es ist,
der leidenden, unterdrückten Menschheit Trost und Hülfe
zu spenden, scheint sich in dem Masse vermehrt zu ha-
370 Die Alliance Israelite Universelle.
ben, als die bisher erzielten staunenswerten Resultate
Sie zu einer richtigen Würdigung Ihrer eigenen Kraft
sowohl, als auch der Ergiebigkeit des weiten Gebietes,
dessen Urbarmachung Sie sich vorgenommen haben, hin-
führten. Meine Herren! ein neues Feld öffnet sich Ihrer
Thätigkeifc. Das geheimnissvolle Dunkel, in welches eine
Völkerschaft des alten Aethiopien bisher gehüllt war,
ist nunmehr vor Ihnen gelichtet. Ich meine die der Fa-
lsch as, von denen man bisher kaum etwas Anderes als
den Namen anzugeben wusste. Treu den erhabenen Wahr-
heiten des sinaitischen Gesetzbuches haben sie die ver-
schiedensten Phasen des socialen Lebens durchgemacht,
dabei trotz aller Missgeschicke nichts von der Frische ein-
gebüßt, die ein Volk befähigt, sich zu der Höhe desjenigen
Geistes aufzuschwingen, der das Wesen unserer beutigen
modernen Gesellschaft ausmacht Von diesen Falachas
nun, deren Regsamkeit und Intelligenz zu den grössten
Hoffnungen berechtigt, bin ich beauftragt, dem Central-
comit£ der Alliance Isra61ite Universelle ihre brüderlichen
Grösse verbunden mit dem Ausdrucke der tiefsten Erkennt-
lichkeit zu überbringen. Schriftlich besitze ich allerdings
nicht das Mindeste hierüber, denn die Schreibkunst ist
bei ihnen nicht sehr verbreitet. Die heillose Anarchie,
die ihr Land zerrüttet, gefährdet alle diejenigen, bei denen
man andere Schriften, als auf den Handel bezügliche vor-
findet, da man sfe alsbald in Verdacht hält, verrätherische
Zwecke zu verfolgen. Doch haben unsere abessynischen
Glaubensgenossen ein wirksameres Mittel ausfindig ge-
macht, um Ihnen ihre Hochachtung an den Tag zu legen.
Dieser Jüngling hier ist es, der von ihnen dazu ausersehen
wurde; er befindet sich hier, um im Namen seiner Brüder
die Alliance durch Bitten zu bewegen, ihm eine religiöse
und wissenschaftliche Erziehung angedeihen zu lassen,
auf dass er einst der Lehrer von Myriaden von Menschen
werde, die nach dem Lichte der Bildung und Aufklärung
sich sehnen. Ich überlasse es ihm, Ihnen seine Wünsche
und Gefühle vorzutragen. Seine Muttersprache ist die
amharische; ich werde den Sinn aller seiner Worte genau
im Französischen wiederzugeben suchen.
Die Alliance Israeli te Universelle. 371
Doch zunächst muss ich über meinen Aufenthalt unter
unseren abessynischen Glaubensgenossen berichten. Ich
gedenke in einer Arbeit von grösserem Umfange unter
dem Titel ,Essai sur les Falachas' alle Notizen zu ver-
öffentlichen, die ich über die Gegend selbst gesammelt
habe. Diese Arbeit wird es versuchen, auf gewisse Pro-
bleme der Geschichte, Ethnographie und Theologie so-
wohl der jüdischen als der anderer abessynischer Völker-
schaften einiges licht zu werfen. Wir werden daraus das
häusliche und sociale Leben der Falachas, den Grad der
Cultur und Gesittung, den diese bisher so wenig gekannte
Völkerschaft einnimmt» kennen lernen. Die Resultate
einer derartigen Untersuchung, neu und merkwürdig wie
sie sind, werden gewiss nicht verfehlen, die Aufmerksam-
keit der Gelehrten auf sich zu lenken. Ich denke durch
diese Arbeit, die ich dem Comitö widmen werde, Ihrem
hochgeschätzten Vereine zu zeigen, wie sehr ich mich ihm
gegenüber verpflichtet fühle für die ehrenvolle Mission,
mit der mich derselbe beauftragt hat.
Ich bedaure nur, dass in Folge des mangelhaften Ver-
kehrs, meine von Sudan und Abessinien abgeschickten
Briefe nicht in Ihre Hände gelangt sind; sie hätten Ihnen
Andeutungen gegeben über die jedesmalige Richtung, die
ich in- und ausserhalb des Landes einschlug, sie hätten
auch meiner Familie, die mich schon für todt hielt, viele
Stunden des Kummers erspart. Von diesen meinen ßriefen
habe ich einige in den Händen von Arabern wiedergefun-
den, denen ich sie zur Beförderung nach Massua über-
geben hatte.
Der Brief, welcher Ihre Instructionen für mich enthielt,
traf mich erst nach meiner Abreise aus Abessinien. Gleich-
wohl war ich nach Kräften bemüht, alle diejenigen Fragen
in Untersuchung zu ziehen, welche Ihrem Vereine und
der Wissenschaft überhaupt von Interesse sein dürften.
Ich will zunächst die Richtung kurz angeben, die ich
einschlug, um nach Abessinien zu gelangen. Es ist Ihnen
bekannt, dass ich in der Voraussetzung, dass die Falachas
nicht da anzutreffen sein würden, wohin die englische
Expedition sich eben wandte, Zula verliess und die Rieh-
372 Die Alliance Israelite Universelle.
tung nach Norden einschlug. Am 24. November war ich
in Kören, im Lande Bogos, über dessen Besitz die Egypter
und Abyssinier im Streite liegen. Ich gedachte anfänglich
durch das Land der Counamas hindurch zu ziehen, um
nach Ghir6 zu gelangen Aber die Schwierigkeiten des
Weges veranlassten mich, diesen Plan aufzugeben, und so
wandte ich mich nach Barka, dessen unermessliche
Ebenen dem mächtigen Sigrischen Stamme der Beni Amer
als Tummelplatz dienen. Nach 14 Tagen kam ich in
Cassala an, einer bedeutenden Stadt im südlichen Sudan,
am Mareb (Gach) gelegen und (Residenz) Sitz eines egyp-
tischen Gouverneurs. Ich hörte von allen Seiten entmu-
thigende Mittheilungen, alle Welt benachrichtigte mich von
der Gefahr, der ich in Abessinien unfehlbar entgegen-
ginge. Dies bestimmte mich, eine Provinz aufzusuchen,
die bisher von Europäern weniger besucht war.
Meine Wahl war schon längst auf Walquait gefallen,
wo seit dem Besuche Packyns kein Weisser sich hatte
sehen lassen. Parallel dem Laufe des Atbara - Flusses
ging ich durch die von den Stämmen Noaima und
Homran eingenommenen Tiefländer. Der letztere dieser
beiden Stämme wohnt an beiden Ufern des Tacazz6 oder
Setit in der Nähe von Changalla und Walquait. Der
Scheik von Homran machte mich auf das Gefährliche
meines Unternehmens aufmerksam und weigerte sich, mir
einen Kameeltreiber zu besorgen, der mich bis zur Grenze
führen sollte, da der abessinische Herrscher sein Tod-
feind war. Ich verlor den Muth nicht, setzte über den
Tacazz6 in der Nähe einer Insel Namens Abu-Edris, wo
ein Europäer, der mit wilden Thieren handelt, eine
Jagdstation errichtet hatte. Zu Kir-Lebanos traf ich eine
kleine Karawane des Stammes Dabai'na mit Kameelen,
beladen mit Salz und Baumwolle, die nach dem Markte
von Gabtha zog. Ich schloss mich ihr an und nach fünf
Tagen kam ich daselbst in der Eigenschaft eines Rhino -
ceroshändlers an. — Um den Feindseligkeiten der Amharas
zu entgehen, quartierte ich mich bei einem Mohamedaner
ein, der einer der drei Richter des Marktfleckens war.
Mein Wirth gab mir Andeutungen über die Einwohner
Notizen zur Geographie Palästina's. 373
und den Ort und mit Freuden hörte ich von dem Vor-
handensein einer Gemeinde der Falachas, deren mehrere
Mitglieder das Schmiedehandwerk trieben. Unter dem
Vorwande, Einkäufe zu machen, begab ich mich in das
eine Stunde entfernte Quartier der Falachas. Ich gab an,
dass ich den Debtära (Chacham) zu sprechen wünschte
und sogleich lief eine grosse Menge herzu, um den weissen
Juden zu schauen. Viele hatten Mühe zu glauben, dass
ich derselben Religion angehöre wie sie; aber im Laufe
des Gespräches schwand endlich jeder Zweifel. Ich musste
einen Monat in Gabtha warten, bevor ich mich weiter
wagen durfte. Begleitet von einigen Falachas reiste ich
endlich nach der Stadt Walquai't und nach Th&gadi6.
Der Weg nach Waggara schien mir zu unsicher. Ich
passirte Armatycho, indem ich mich einige Tage in Amir-
fala aufhielt, von wo aus ich mich auf den Weg nach
Djafancara machte. Hier wohnt eine beträchtliche An-
zahl Falachas in den Dörfern, um den Berg Hohacoa
herum, der auch hauptsächlich der Aufenthaltsort der
Asceten oder Nazirener ist.
(Schluss folgt.)
Notizen zur Geographie Palästina^.
Von Dr. N. Brüll.
(Schluss.)
4.
Ueber das Salzmeer Kn^Dl Nft^ (A 4, B 4, D 5), das C 2,
E 1, F 3 unter dem jüngeren Namen QHD bvj 7XG* Sodoms-See
erscheint (welcher Name übrigens von Winer Reallex. Art.
todtes Meer gar nicht erwähnt wurde), findet sich im Talmud
sehr wenig und selbst dieses Wenige ist bekannt. Die Angabe
R. Demes DHD1 WW Nim JDÖ *6 d?WO (Sab. 108b) wird
durch Josephus bestätigt, wie bereits Schwarz (Tebuot ha-Arez
p. 29, Anm. 1; das heil. Land S. 22 Anm.) bemerkt, vgl. noch
die Nachweise bei Winer a. a. O. II. S. 77 Anm. 5. Dem Salz
des Sees schrieb man einen schädlichen Einfluss auf die Augen
374 Notizen zur Geographie Palästina^.
zu D^jm nK KfcDÖttf rrtttTD nfe (Erub. 17 b and die Parallelst.),
was sich wohl auf die Ausdünstungen des Sees bezieht, und
was hineingerieth, galt als unwiederbringlich verloren, daher das
oft vorkommende rfwi D^ PKOn T^P (vgl- Tebuot ha- Are z
a. a. O.). Zu bemerken wäre nur, dass die Bezeichnung todtes
Meer (ödlaoact jj vnt^d, Pausanias 5, 7, 3; mare mortuum Justinas
36, 3) auch den Rabbinen nicht unbekannt war. In Schemot
rabba c. 15 wird nämlich dargestellt, wie Gott bei der Schöpfung
die Gewalt des Weltmeeres unterdrückt und ertödtet habe und
dazu bemerkt: OV6tf Tnjn niöH Q^ Dl^fTOt mpj "p^>
dpöpi wma Dwmön nttn bt* 'w vuwnb „Damm wird der
Ocean das todte Meer genannt; aber Gott wird es1 dereinst wie-
der gesund machen," wie es heisst: in das Meer der Ausgänge
und das Wasser wird geheilt (Ezech. 47, 8). 0W2flön JTÖ1 wurde
wohl, wie j. Schekalim 1. c. beweist, auf das Mittelmeer gedeutet,
doch kann die Bezeichnung H1ÜDD C nur eine Reminiscenz an
den Namen des Asphaltsee's sein.
5.
Krfcm NB1 B 5, D 5 schreiben Nfl^VI und ebenso C 4 KD*
KPl^n bw F 2 n^n bw WO^- Noch heute heisst der Samo-
chonitis-See Bachr-al-Chuli und wird von den Juden r^TT\ C1
genannt (vergl. Tebuot- ha -Arez a. a. O.); auch neuere Reise-
beschreiber nennen ihn häufig den See Hule. Es ist nieht un-
wahrscheinlich , dass die Rabbinen so den See $10X17 nannten,
der nach Josephus b. j. 3, 10, 7 als der eigentliche Ursprung
des Jordans zu betrachten ist. Schwarz bringt einen Beweis
hierfür aus der gegenwärtigen Benennung dieser Gegend Balad-
al-Chuli (d. heil. Land S. 20); man könnte dies auch dadurch
bestätigt finden, dass der andere Name Balad-al-Malchi gewiss
den Verfasser des Midrasch Konen veranlasst hat, diesen See
rten D^ zu nennen, denn anders lässt es sich nicht erklären,
wie daselbst DHD C1 und r&ÖD G^ als zwei verschiedene Seen
aufgeführt werden. Jedoch beruht die Identität des Kr6im KÖ*
mit dem See $iaXr\ nur auf sehr schwachem Grunde, wenn nicht
der erstere Name noch anderswoher nachgewiesen wird.
Ich halte Nrffln ^r ^en Landstrich 'OvXa&a, der nach Jo-
sephus ant. 15, 10, 4 neben Phaneas lag und mit diesem die
Besitzung des Zenodoros bildete, die nach dessen Tode dem
Notizen zur Geographie Palästina's. 375
Herodes zugetheilt wurde. Von diesem 'Ovla&a ist wohl nicht
verschieden die Landschaft 'OvdXa&a, welche nach Jos. ant. 17,
2, 1 der syrische Statthalter Saturninus dem babylonischen
Juden Zamaris (HET) anwies. Nach ihr kann der See Phiale,
der darin lag oder daran grenzte, ganz gut Nn^im KD1* genannt
worden sein.
Dieselbe Gegend ist wohl auch in j. Demoi 2, 1 gemeint
mbirDttf DWV lo appellativem Sinne mag wohl NP^IH eine
sandige Gegend bezeichnen wie der Name tTOPBJN D^in (j-
Demoi 1« c. ; j. Horajot 3y 6; Wajikrä rab. c. 5) zu erklären ist.
Einen Beweis hiefür liefert Sifra Bechukkotai c. 13, Arachin 3, 2,
wo es geradezu ein unfruchtbares Stuck Land bezeichnet, "IHK
^Dono niDTiDa wyon nnw nren rbra wnp&n, da die
Sandgegend von Machuz den Gärten von Sebaste gegenüber-
gestellt wird, ßaschi nimmt n?in in dem Sinne von Umgebung
und vergleicht dazu Q*DH r6lfflD (Kilajim 4, 1 wo in Tosa-
fot Jom-Tob ib. 2 jryiy für pniTJJ zu lesen ist); doch scheint
hier die Antithese mehr auf den Appellativen r6in und niD^T©
als auf den Namen der Ortschaften zu beruhen. Die Ortschaft
V\TXD lässt sich fest nicht nachweisen. In der Mechilta Beschal-
lach c. 3 (ed. Weiss 35, 6) wird wohl ein ^lnöH ^DV &ON ge-
nannt, aber ich bezweifle die Richtigkeit dieser Leseart, nach-
dem in der Tosifta Mikwaot 3 ein ^"finn '■DP N3N genannt ist,
dessen Identität mit QTinn nDP '"1 (Menachot 37a; Sifra Emor
3a, 8) unzweifelhaft ist; er war also aus Bethoron. In Succa 45, b
wird ein ^nöH Ttf"! genannt, aber selbst hier ist die LA. ^nöTI
so verdächtig, wie in derselben Zeile das ^niDttil) das auch au
einen Ortsnamen hinweist. Genug, r6m ist ein Appellativ und
bezeichnet eine Sandgegend, daher auch von Cäsarea gesagt
wird Pl^inn P3 rQttfWt dass es zwischen Sandstrecken liege
(Megilla 6a); «n^Pl aber ist Ulatha, und XH^im Nft^ der See
Phiale.
4
6.
Hier variiren alle Recensionen, doch führen sie auf eine
sichere Grundform zurück. In A 6 heisst der See JV^ttH Rtt\
B 6 hat nr6mn, c 3 rfrn ^, D5 rvnttn KÖ\ E 2 m^D Q\
F4 oy hw D^« Entweder Scheliat oder Scheriat muss der See
geheissen haben, denn das ttf zu Anfange haben alle Texte bis
auf F, welches für sich in Betracht kommen muss, nur in E ist
376 Notizen zur Geographie Palästina's.
es in das verwandte B übergegangen. Man darf daher durchaus
nicht n^K daraus machen , wie es Schwarz, auf die fehlerhafte
LA. des bab. Talmuds gestützt, gethan hat, denn offenbar stand
daselbst n^Ytttf hü) und das W ging durch das voranstehende
^ttf verloren. Man müsste auch in diesem Falle aus dem ela-
nitischen Meerbusen einen palästinischen See machen. (tnn^TP
bedeutet einen Teich (vgl. über das hehr, rbw die Bemerkungen
Geiger's In der jüdischen Zeitschrift für Wissenschaft und Le-
ben, Jahrg. 5, S. 104) und kann wohl hier auf einen kleineren
See hinweisen, der sonst nicht namhaft gemacht wurde und hier
nur als solcher angenommen ward, um die Zahl sieben zu comple-
tiren) oder vielleicht steht dieser Name mit dem des mittleren
Jordan X+£w&Jt in Beziehung und bezeichnete eine Bucht des
Tiberias - Sees; doch ist keineswegs an Elat zu denken. Die
LA. "J3J7 ^itf erkläre ich mir aus dem Umstände, dass nach j. Sche-
kalim 6, 2 das Weltmeer bei Akko einen Damm hat, also der
Sammler des Jalkut, dem es um die Richtigkeit der geogra-
phischen Angaben nicht besonders zu thun war, hier einen
Gedächtnissfehler begangen hat oder weil Akko wegen seines
Fischreichthums berühmt war (vergl. Bereschit rab. c. 4). In
Pesikta rabbati c. 8 (auch angeführt bei Nachmani zuGittin7a)
heisst es ^ Q-pD bv ."ÜIOT )DV KVI IT D^Tl "BWÖ npjTC b)p
ML
7.
*P£B*n Kfc\ B 7 OTSEW C 6 D 7 WfcDDK, F 5 DOTM, E 5
»"unyn D1* Die letzte LA. ist eine gedankenlose Reminiscenz
aus der Bibel. Gemeint ist der See von Apamea, der auch bei
Abulfeda tabula Syriae p. 152 und p. 157 genannt ist und frei-
lich nicht in Palästina lag (vgl. Rappaport Erech Miliin p. 180);
die LA. F. weist auf die Paneasgrotte hin, die ebenfalls bei
Abulfeda 1. c. p. 155 als See von Banias bezeichnet wird. Es
ist merkwürdig, dass eine alte Notiz beide Seen nennt und nach
Palästina versetzt. Der Cod. Augusteus 110 bezeichnet als Seen Pa-
lästinas lacus Tiberiaden, lacusBanaian, lacus Cades seuEmessae,
lacus Apameae. Rappaport hat indess gezeigt, dass man noch
einen grossen Theil von Syrien zu Palästina rechnete, und man
kann daher hier nicht eine Ungenauigkeit der Angabe consta-
tiren.
Notiz«i. zur Geographie Palästina'?: 377
Auch der. See von Emesa wird im Anbange zu sämmtlichen
Recensionen ausser zu E genannt und die Angabe', dass Dio-
cletian, der doch bekanntiioh in Paneas sich einige Zeit auf-
hielt (Ber. r. c. 63), ihn durch künstliche Hineinlettung meh-
rerer Flusse in ein Becken geschaffen habe, ist gewiss unver-
fänglich und historisch glaubwürdig. Der See ist noch jetzt
unter dem Namen Bachr- Chams oder Bachr-Kadisa bekannt
(Schwarz, d. heil. Land S. 21). ' :y ;
IL Coehaba.
Herr K. (Kirchheim) bemerkt in einer Note: ZU Schwarz das
heil. Land S. 133, dass in Pesikta rahbati c. lfi ein Ort Coehaba
angeführt ist rODD p "UlK WÖn *1 *£>KW.- Die Apposition
fehlt in den Parallelstellen Bamidbar rab. c. 21, Tanchuma Pinehas
ed. Stettin "Nr. 13, Jalkut II, 950; nur in Mid rasch Mischte c. 13
findet sich die LA. afcöttfi ^Uft "IHK* • Man kann die Ortsangabe
nicht ohne Weiteres für einen corrapten Zusatz erklären j wie
Herr K. gethan hat; es ist vielmehr anzunehmen, dass die Ori-
ginalstellen sie noch bewahrten und erat die Secundairquellen
sie ausliessen. Ob HMD oder Stfütt^ ^3 die richtige LA. ist,
lasst sich nicht mehr entscheiden; es handelt sich nur darum
ob sich Ortschaften dieses Namens anderswoher nachweisen
lassen. Herr K. meint, dass Coehaba mit Bet-Schemesch in
Isacbar, welches später Kankab-el-Chama hiess, identisch ist;
es ist jedoch kaum anzunehmen, dass der hiblische Name von
der Hälfte eines viel später aufgekommenen arabischen Namens
verdrängt wurde und der Ort den Juden nur unter -dem letzteren
bekannt war. Man könnte an %toßa denken, welches Judit 4, 4
und 16,4 genannt ist und in der Nähe von Jericho lag, und der
Umstand, dass ein Chobaa (al. Kaukaba) bei Eusebius onom.
s. v. als Hauptsitz der Ebioniten bezeichnet wird, böte dieser
Vermuthung eine Stötze, allein dessungeachtet wäre dieselbe
noch wenig begründet, da die syrische Uebersetzung des Buches
Judit an der ersten Stelle isco schreibt* wofür Lagarde aus
einem Walter'schen Codex sogar ;^D anmerkt und ein Coehaba
mit ganz bestimmter Lage sich nachweisen lässt. Nach Epi-
phanius haer. 30, 18 lag ein Coehaba in der Nähe von' Edrei
Ko%aßwv iv tjj Baaavfaidi yrj hcSneuw, 'Adyacw, denselben Ort ver-
setzt er ib. 40, 1 nach Arabien, d. i. in das jenseits 4es Jordans
F ra n k e 1 , Monatsschrift. XVII. 10. 29
378 Notizen zur Geographie Palästina's.
gelegene Land, welches auch unier diesem Namen begriffen
wurde. In haer. II, 29, 5 nennt er diesen Ort Kanaßt} und ib. 8
spricht er sich über dessen Namen ganz klar aus iv rg Bccaocvl-
vtii vg tejopbq JTanuxßg, V*nP§*\ & kß^küftt XtfOfthy. Auch bei
Euseb. hist. ecel. I, 7 wird ein Kmxctßa in der Nahe eines Ortes
Nager? genannt; die Identität mitzogoßj lässt sich aber erst dann
behaupten, wenn Afatgäfc fixirt ist.
Was die 2. LA. 2K2&n >2 betrifft, so lässt sich diese mit
rOSID um so weniger combiniren, als Jeschebab ein Personen-
name ist, und ein Ort nach einem solchen wohl genannt worden
ist. Ein Ort 2KV kommt in den Midraschim häufig vor; dort-
her war der fruchtbare Agadist R. Möme (vergl. d. Midrasch
rab. zu Koh. 8, 1^ 9, 7) und ein weniger bekannter R. Sakkai
(Bamidbar rab. c. 17); Josephus nennt inn als die Heimath des
heldenmütigen Eleasar b. Samaias (bellum jud. 3, 7, 21 Saaß
dk wuqlg avxq> ti}s räkdaUtg),
Möglicherweise , dass SfcOtt^ *D die vollere Namensform
für 2MP ist
in« Kasyun.
Bereits in einer Notiz über die hebräischen Inschriften der
Synagogen zu Kefo-Bereim (Illustrirte Monatshefte für die Ge-
sammtinteressen d. Judenthums I. S. 295) habe ich darauf hin-
gewiesen, dass Kasyun auch im Talmud vorkommt. Zu der
Baraita nin» TOttO DnST T\ (Tosifta Beza c. 4; b. Beza 32 a)
findet sich inj. Beza 5, 5, wo sie auch angeführt ist, folgende
Bemerkung r©öpJD Tafel WO 'T3 DTO "1 OttD JPSpT pnv» 'T;
in j. Berachot 8, 7 steht )W)pT für jPJfpT und Schwarz, dem
nur die letztere LA. bekannt war, musste JTCHp von KptPTp
(vergl. cras), morgen, ableiten, um es mit Zeret - ha - Schachar
(Ups. 13, 19) identificiren zu können (d. heil. Land S. 181). In-
dessen bedarf es keines Beweises, dass p>Hp die richtige LA.
und Kasyun in Galiläa darstellt (Vgl. diese Msch.S. 154. D.B.)
IV« Kepharetaia.
In j. Magilla I, 1 wird Hazzidim (Jos. 19, 35) mit dem spa-
teren N»ÖTI TM identificirt. Die Richtigkeit dieser Behaup-
tung dahingestellt sein lassend, wollen wir nur constatiren, dass
im Stammgebiete von Naphtali ein Ort fcpi^n TM l*g- Der-
Zur talmudischen Geographie 378
selbe wird auch in j. Horajot 3, 1 Ber. rab. c. 65; b. Chagiga 5b;
Wajikra rab. c. 7 genannt und Schwarz findet eine Spur dieses
Namens in dem heutigen Chittin, das 2 Stunden westnordwest-
lich von Tiberias liegt. Allein die Kirchenväter haben den tal-
mudischen Namen in präcisirter Form erhalten. fcp>üVl "1DD
war die Vaterstadt des HlresiarchenMenander, eines Schulers des
Simon Magus, auf den die Menandriten ihre Lehre zurückführten.
Dieser Ort heisst bei Eusebhls histor. eccl. III, 12 Ka»a^atalccf
bei Justin us Martyr. opera p. 134, 4) Ksopccgetata. Vergl. noch
Epipbanius haerw 12 und Theodoretus haeres fabul. I, 11.
^ ■ * mm
Zur talmudischen &eographie.
Vom
Rabbiner Dr. Oppenheim in Gr.-Becskerek.
IL Der Himälaya.
Es ist bekannt, dasä der Name dieses wahrhaft riesigen
Scheidegebirges, der sehr verschiedenartig geschrieben und
gelesen wird, ein Compositum aus 2 Sanskrit wurzeln (himavata
und alaya) sei, und gewöhnlich mit „Schneegebirge" erklärt
wird. Das indische Wort wurde von fremden Völkern, die das
Gebirge kennen lernten, in höchst verstümmelter Form aufge-
nommen: so haben die Griechen den "ipctog oQog (Im aus), die
Türken den Mus-Tagh daraus gemacht, bei Pallas, dem Byzan-
tiner, wurde Musart daraus. Wir glauben die Spur dieses mäch-
tigsten Gebirges der Erde in freilich ganz anderer Gestalt auch
im Talmud gefunden zu haben.
Chullin 59 b wird von zwei ganz ausserordentlichen Thier-
species gesprochen, die von ungewöhnlicher Grösse seien : dem
l£Hp> das trotzdem es nur ein Hörn habe, dennoch zum Genüsse
erlaubt sei und dem D*UE« Mar Jehuda erklärt: rjviK D*ttü
^b^V ^"1/ **b*V ^"1 *raü EHp/ UHp sei der Hirsch, DTJÖ
der Löwe von itfrjf ^2 • Darauf wird von der ungeheuren
Grösse dieser zwei Thiere und von dem Löwen eine fabelhafte
Geschichte erzählt: R. Josua b. Chananja habe denselben einst
29*
380 Zur talmudischen Geographie«
au? Wunsch des römischen Machthabeins ("ID^p) vdn seinem
Wohnorte aufgeschreckt, nnd sein erschreckliches Gebrülle haben
Schwangere gebären, die Mauern Roin's einfallen gemacht u. s. w.
— Es handelt sich nun um die Erklärung der zwei Thiernanien
Und um die Festsetzung der Ortsbestimmung. Im Jahre 1855
habe ich in dieser Monatsschr. (S. 281 ff.) VT)p mit dem Fabel*
thiere fievoxiQmg erklart *— eine Ansicht, in der ich, trotz des
Widerspruches von Lewysohn1) (D. Zoologie d. Talmuds S. 152),
durch einige Momente noch mehr bestärkt wurde. Von dem
Einhorn herrschten bei den Alten die fabelhaftesten Vorstellungen,
die griechischen Schriftsteller haben allerlei buntes Zeug über
dieses Thier, dessen Existenz heute ganz in Frage gestellt ist,
zusammengeschrieben und dessen Ursprung und Aufenthalt
nach Indien verlegt (vergL Plinius, Ktesias u. s. w. bei Rosen-
müller, d. bibl. Thierreich S. 190 F.). Ein gleiches gilt von dem
Tiger D"UÜ (*'??*£> **WÖj der gleichfalls nach Indien versetzt
und mit dem Löwen verglichen wird (S. Lewysohn, S. 70). Den
Ort wfay ^n nun erklart Aruch (s. D*tt£) mit Wald „Uai", was
gar nichts für sich hat, dagegen Raschi beide Worte als einen
Ortsnamen fasst. Zwar liegt die Bedeutung dieser chaldäischen
Worte auf der Hand, allein man kann doch nicht „den Ort
(Haus) der Oberen*)4- als einen Ort auffassen, wo Thiere hausen,
vielmehr müssen sie ein ganz bestimmtes Nomen propr. sein.
Bedenkt man aber, dass vom Einhorn und Tiger bei den Griechen
Vorstellungen im Schwange waren, die mit der Beschreibung
des Talmud übereinstimmen, und dass man beide auf den Bergen
Indiens wohnen Hess, so wird es einleuchten, dass wir auch
unseren Löwen des Vt^y >a den „Löwen des Himalaya" werden
nennen, und also ^K^JJ ^2 als Himalaya*) werden auffassen, können.
Die bedeutende lautliche Abweichung braucht uns keineswegs
zu beirren. Bei Herübernahme fremder Namen aus anderen
Sprachen war es dem Volke immer darum zu thun, das fremde
Wort der eigenen Zunge anzupassen, es sich mundgerecht zu
1 ) Der Oryx, den Lewysohn mit BHp identificirt, hat thatsächlich
zwei Hörner. Oryx ist vielmehr der K^niN des Talmud (Sebach 113b).
*) In diesem Sinne hat sich die Kabbala des Wortes bemächtigt.
*) Kohut's Erklärung (Deber die jüd. Angelologie nnd Dftraonol.
etc. 8. 103): „der arische Dreibeinige des Waldes" ist verunglückt.
i
Zur talmudischen Geographie. 381
machen, der Esprit der Joden dagegen gab dein fremden Worte
eine Form, die auch in der eigenen Sprache gleichen Sinn und
ähnliche Bedeutung hatte. Besonders die chaldaisch redenden
Juden hatten in der lautlich und begrifflich ähnlichen Umge-
staltung von Fremdwörtern. eine besondere Virtuosität, und es
ist nicht immer leicht, in solchen Fällen die Pointe herauszu-
finden, da die Transformirung einmal mehr, das andere Mal
weniger glücklich war. So wurde ja Airya in j"p *pft< zerlegt,
so wurden >pniDN , fcriu 1^3 ,D*lpDN «• m. A. in der witzigsten
Seite so erklärt, als wären sie chaldaisch: statt vnoQrpirj sagte
man „es bleibe da", statt Epikuräer erklärte man „Freigeist",
statt Tempel der Aglaja irgend ein Ort der Schmach4). Zudem
ist unsere, jetzt gewöhnliche »Schreibweise, nämlich Himalaya,
keineswegs genau und correct. Das Ut^JJ ■ gibt jedenfalls den
zweiten Theil des Fremdnamens wieder. Stände w^ty i&, so
wäre damit • das indische Wort vollkommen gegeben : und es ist
in der That wahrscheinlich, dass es Anfangs so gelautet,, und
mit dem >3, welches als Ortsbezeichnung viel gebraucht wurde
(s. Buxtorf, Levy v. 13) nur vertauscht wurde.
III. Das asiatische Khusch (Aethiopien). .
Im 1. Verse des Buches Esther, dessen Authenticität man
heute geradezu für unanfechtbar erklären darf, werden als die
aussersten Grenzen des Reiches des Ahaschwerosch die Länder
Hodu und Khusch angegeben. Zwei Amoräer sollen über die
Lage dieser 2 Länder entgegengesetzter Ansicht gewesen sein.
Im b. Megilla IIa wird hierüber berichtet: TJ i twiöttfl 3*1
^aa trai rnn "ton inv ,ubivr\ rpra ehdi dmn *pra Hin •»&
)ü)0 iy» Rah erklärte jedes der beiden Länder als die beiden
aussersten Gegenden der Erde, während Schemuel behauptete,
Hodu und Khusch lägen neben einander und es soll mit der
Anführung dieser 2 Grenzländer gesagt sein, dass die aussersten
und entferntesten der 127 Provinzen des grossen Reiches gerade
so (fest und stark) regiert wurden, wie etwa Hodu und Khusch,
4) Aach heute werden noch Fremdwörter in solcher Weise ins
Hebräische eingeführt 31 xf?l (Telegraph , hl V© (Protokoll), npy rVQ
(Akademie) schon bei de Rossi.
382 Zur talmudischen Geographie.
die nahegelegenen Grenzländer. Es sollte dies das Grossartige
des Reiches und seiner Regierung noch sprechender illustriren.
— Wenn man nun auch zugeben muss, dass Schemuel's Erklä-
rung keineswegs dem reinen Wortsinne entspreche, so mnss
man sich doch andererseits Mühe geben, das scheinbar so grelle
geographische Paradoxon zu erklären. Und in der That kennt
die alte Geographie ein Khüsch im Innern Asiens. — ■ Wollten
wir uns an jene Exegeten und Geographen halten, die das Land
und das Volk „Khüsch" mit Rücksicht auf Genes. 2, 13 in Asien
suchen, wie z. B. Reland, der darunter den Stamm der Cossaci
•begreifen will, oder Michaelis, der es nach Khat (Chorawesne)
verlegt (s. Rosenmüller, Winer, Reallexicon), so hätte die Ansicht
Schemuel's damit allerdings ihre Rechtfertigung gefunden. Allein
wir können bei der* vulgären Erklärung mit „Aethiopien", wie
sie aus der Völkertafel (Genes. 10, (fy und äusserem. 13, 23 so
klar sich ergibt, immerhin verbleiben, und müssen dennoch un-
serem Schemuel Recht geben. Khüsch bedeute immerhin die
Stämme der Chamiten und umfasse die damals bekannten Län-
dermassen von Africa: trotz alledem konnte man von einem
Khüsch bei Indien sprechen. Herodot, der alte „Vater der Ge-
schichte" gibt uns hier über den Talmudisten von Nehärdea den
besten Aufschluss, er kennt Aethiopien in Asien, Nachbarn
der Inder, die er unter den Völkern im Heereszuge des Xerxes
mit aufzählt. Daselbst (VII, 70) heisst es von ihnen: , . . ot 9h
an rjUov dvaxoXianr Alfrlonsg (9i%ol yäg Sri iotQVTevovto) 7tQOrteT£ta%c(TO
xolg 'ivdoiat,* . . . . ql idv yaq ino rjUov Afoioneg &vrQi%ig etat, ol 9k
in zfjs Aißvyg uvl&cuxov tQl%a>(ia fyovoi .... ovtoi 9h ot in trjg
'Aoitis Al&loitsg %a phv nUco natu neq 'lv9ol iaeod%cczo x. t. X. Die
Al&Uwsg ot ix Trjg Aairp werden auch noch B. III, 94 erwähnt,
und von den Erklärern in die Gegend des alten Gedrosien, des
heutigen Balutschistan versetzt (siehe d. Note ed.. Stein). Der
Talmud und Herodot verbürgen also, einander gegenseitig die
Richtigkeit ihrer Mittheilungen, und Schemuel kotinte mit allem
Recht sagen: W>p ip nTI "W WDI Hin. — Wie leicht fühlt
Unwissenheit sich nicht versucht, über derartige Auslassungen
unserer Talmudisten mitleidig zu lächeln!
IV. Das Mondgebirge.
Seit Ptolemäus, der im IV. Buche seiner Geographie (c. 9)
unter dem Namen asXrjvrig ooog einen ungeheuren Gebirgszug an-
Zur talmudischen Geographie« 388
fuhrt, welcher in zwei ununterbrochenen parallelen Kämmen
die Breite Africa's von Habesch bis zum Senegal durchzieht,
ist der Name des „Mondgebirges" in die geographische Litera-
tur eingebürgert. Die zahlreichen arabischen Geographen, die
den Ptolemäus benutzten oder übersetzten, nennen dieses Gebirge
j+*M J^>" > was in der Regel auch mit Mondgebirge übersetzt
wurde. Diese Berge, die in der Vorstellung der Alten als un-
geheure, unübersteigliche Bergkette galten, sind auch der ju-
dischen Alexandersage bekannt und finden sich an einigen Stellen
im Talmud und Midrasch unter dem Namen Httfh i"in »Die
Berge der Finsternisse oder „die dunklen (schwarzen)
Berge". Gehen wir an die einzelnen Stellen!
In ziemlicher Uebereinstimmung erzählen T. jer. Tr. Baba
mez. II, 5 (Livorno 6a) und Midr. rabba Genes, s. 33 die be-
kannte Sage von dem Zuge Alexanders, des Makedoniens, nach
Libyen Op^DW» zu dem Könige von frOSfp, der hinter den „Ber-
gen der Finsterniss" sein Reich hatte : X&Q1? ^]K P^P^ OTTÜM^
'131 *lttfn ^"in ^Tintti* *PSp* Die durchschossenen Worte sind
im jer. Talm. ausgefallen, doch Jalkut zu Ps. 36,7 der die Stelle
aus dem Jer. citirt, hat die Worte: *]^n 'HH *VQ^« Dieselben
Worte finden sich auch im Tanchuinazu Levit. *M£K 'B, und
im Levit. Rabba s. 27 in gleicher Fassung, obwohl hier eine
andere Erzählung mit diesem Zuge in Verbindung gebracht
wird. Im 6. Tamid 32a heisst es sogar sehr bezeichnend: ri&N
*]Wn nn- 7DD1 ,rbw IV5» vbAVlbtfo) fT^ »Du vermagst da-
hin nicht zu ziehen, denn ,die Berge der Finsterniss* liegen da-
zwischen!"
Soviel leuchtet ein und steht fest, dass unter dem Riesen-
gebirge der Volkssage, tief im Innern von Africa, da wo gleich-
sam kein Ausgang mehr ist, „den Bergen der Finsterniss" nichts
Anderes zu verstehen ist, als „das Mondgebirge" des Ptolemäus
und der späteren Araber. Jedoch wie stimmt der Name dieser
Berge mit ihrer Benennung bei Ptolemäus?! Allein man darf
nicht vergessen, dass es schon eine alte Streitfrage ist, ob denn
auch der oQog aelrprqg die richtige Uebersetzung des ursprünglichen
einheimischen Bergmannes sei, und ob andererseits der *+*£ J^>-
der Araber mit „Mondgebirge" zu übersetzen und zu erklären
sei? Denn gerade die dieser Uebersetzung entsprechende Lese-
884 Zu* talmodischen Geographie.
weise: j+aU von j& „Mond" wird von den gewichtigsten ara-
bischen Geographen (Makrisi, Ibn Said u. A.) verworfen, und
eine andere empfohlen. A- von Humboldt, der über Mond-
gebirge, Nilquellen u. s. w. im I. Bd. der „Ansichten d. Natur'
S. 129 f. eine wissenschaftliche Note hat, zieht bei Besprechung
des eigentlichen Namens eine Stelle aus Silv. de Sacy's Noten
zu seiner Ausg. (1810) des Abd'allatif an, 4*e wir zum Verstand-
niss unserer weiteren Bemerkung zum Theil anführen müssen:
„Od traduit ordinairement le nom de ces montagnes .... par
,montagnes dfe la lune', et j'ai suivi cet usage. Je ne sais si les
Arabes oat pris originairement cette denomination de Ptolemee.
On peut croire qu'ils entendent effectivement aujourd'hui le mot
j+s dans le sens de la „lune" en le prononc.ant Kamar: je ne
crois pas cependant, que c'ait ete l'opinion des anciens ecri-
vains Arabes, qui prononcent commele prouve Makrizi korar,
Aboulfeda*) rejette positivement l'opinion de ceux qui pronon-
cent Kamar et qui derivent ce nom de celui de la lune. . Coinme
lemotkomr, eoneifiere.commepluriel de j-*^ signifie an objet
*
d'une couleur v-erdatre -ou d'un blanc sale, suivant l'auteur
du Kamous, il paroit que quelques ecrivains ont cru que cette
wontagne tirait son. nom de sa couleur.
Man ersieht aus den Zweifeln Sacy's und aus dem Umstände,
dass die angeführten arabischen. Autoren die Ableitung von Ka-
mar verwarfen, und den Namen ajs Bezeichnung der Farbe er*
klaren wollten, dass „Moodgebirge" keinesfalls die richtige
Uebersetzung des arabischen Wortes sei, dass diese nur durch
ein Missverständuiss bei Ptolemäus und den Späteren Aufnahme
gefunden — die Erklärung mit Kamar, Mond, ist ja in der That
naheliegend! — und dass wir in der arab. Bezeichnung ein an-
deres Wort zu suchen haben. Und gerade über die Bedeutung
des dunklen al-Komr verbreiten „die finstern Berge" Licht!
Die Wurzel K.m.r bedeutet in den semitischen Idiomen (hebr.,
chald., syr.) „schwarz, dunkel seinu — es ist dieselbe, die als
regelmässig formirter plur, tract. der Farben bedeutenden Ad-
*) Reinaud in seiner Oeberftetzung des Abolfeda citirt noch zwei
andere Geographen, die al-Komr lesen.
Recensioneq und Anzeigen. 885
jectiya6) in -*äU J*aäU „die schwarzen, dunklen Berge" be-
deutet. Die arabische und jüdische Tradition stimmen in der
Benennung vollkommen ü herein : die GihalufUkoniru und die
*]Wh ^*vn sidd eins! Der Ursprung dieser Bezeichnung scheint
in der Vorstellung zu liegen, dass diese Berge am äussersten
Ende der bewohnten Erde gelegen sind, da wo die Strahlen der
Sonne nicht mehr bindringen. Dadurch .Hesse sich auch das
unerklärte fcOJJp fcote als König des (äussersten) Endes er-
klären. Allein es scheint dieses Wort auch ein Nom. propr.
su sein. Vielleicht ist das Volk gemeint, welches Herodot (IV* 194)
unter dem Namen ZVgamc als im Innern Libyen's wohnend an*
führt, oder gar, dass.es eine Verstümmlung des einheimischen
Landnamens Muezi ist (s. Humboldt a. a. 0.), das auch nicht
in dieser Leseweise sichergestellt .ißt'). Aber, die Identität der
*Jttfb 'Hil mit dem sogen. „Mondgebirge" ist festgestellt..
Recensioneu and Anzeigen.
Die Geschichte der Juden in Erfurt, nebst Noten, Urkun*'
den und Inschriften aufgefundener Leichensteine. Grössten-
• tbeils nach primären Quellen bearbeitet von Dr. Adolph
Jarac&ewsky. Erfurt 1868* Selbstverlag des Verfassers.
In Commission bei Carl Villaret.
(Schlug.)
Ebenso erfahren wir aus einer in den Forschungen zur
deutschen Geschichte VI, 192 Anm. vorkommenden Notiz, wie
sehr die Erfurter Juden damals bedrückt wurden und der Hülfe
bedurften. Es wird daselbst nämlich mitgetheilt, dass der Raths-
herr Gieseler in Münden um 1430 an Herrmann von Schneen
und Herrmann von Lemmershausen geschrieben habe, wie er,
•CÜ )
.•) Analog •*» plur. von j+&*\ rober.
7) Es soll dies ein Käme des angrenzenden Landstrich es in den
Idiome» von Congo. sein, and. unser tfgp mag immerhin eis Wort aas
einem africanischen Dialecte sein. ^
386 Recenslonen and Anzeigen.
falls sie es für zweckmässig hielten, mit Einzelnen aus dem
Rathe über die vielen Juden zu Erfurt zu sprechen, er wohl im
Sinne hatte, was auch von vielen Leuten gebilligt werden würde,
dass man nach Erfurt Leute sende, um die Juden zu beschirmen
und dass dies wohl helfen würde, die bösen Wichte fortzu-
schaffen. Endlich gehört in diese Zeit noch eine in Jovii Chro-
nicon Scbwarzburgieon S. 477 und von Spiker a. a. O. S. 132
erwähnte Nachriebt, nach welcher am 14. April 1432 ein kaiser-
licher Commissair nach Erfurt kam, um flu" den Kaiser Sieg-
mund die Judensteuer in diesen Landen und in der Grafschaft
Schwarzborg beizutreiben. Derselbe musste jedoch gegen den
Grafen Heinrich reversiren, dass ihm Solches an seinen Privi-
legien, Ehren, Würden, Freiheiten und Briefen unpräjudicirlich
sein solle.
Im zehnten Kapitel handelt Herr Dr, Jar. von den inneren
Verhältnissen und den Gelehrten Erfurts, indessen bedürfen
seine Angaben nicht selten der Berichtigung und können auch
noch mannigfach ergänzt werden. Der Gottesdienst in den
Synagogen, sagt Herr Jar., folgte dem Minhag Sachsen, in dessen
Bereiche Magdeburg und Erfurt die bedeutendsten Gemeinden
waren. Diese Notiz ist Zunz' Ritus S. 70 entnommen, welcher
auch bereits mittbeüt, dass man sich in Erfurt wie in Oesterreich
des Fettes am Thierbauche DIDH bfPD d?n enthielt und am
I. Nissan bis Mittag fastete und Selichoth sagte (a. a. O. S. 71
und 127). Indessen spricht R. Moses Minz GA. Nr. 101 p. 153 d
im Jahre 1468, wo doch die Juden längst aus Erfurt vertrieben
waren, von drei Gemeinden in Sachsen fitfpNn VVbnp 'JE DDH9
in denen sich ein Rabbinatscollegium befunden, und rechnet
jedenfalls auch Halle zu denselben. Dass das, was Herr Jar.
hier von dem Vorsitzenden des Rabbinatscollegiums und dem
Rabbiner W adarasch wiederholt, unrichtig ist, habe ich bereits
oben bemerkt. Die auf einer Mittheilung von mir beruhende
Angabe, dass in der zweiten Hälfte des 13 Jahrhunderts R. Sa-
muel ben Menacheui halevi und R. Siracba ben Gerschom in
Erfurt gewirkt haben, bedarf noch der Motivirung. In den GA.
des R. Meir aus Rothenburg ecL Cremona Nr. 17 heisst es näm-
lich von zwei mit einander processirenden Männern ftQ 12D1
Ditrm na nmw *i *»to ^i croa in btmv Y-in vd? pi?
Receasionen und Anzeigen. 387
(lies BTinjO) jFVQ'IIQ W *WtO WJJttl , woraus ich vermutete,
dass die beiden genannten Rabbiner, vor denen jene Männer
zuerst ihre Klagen vorbrachten, wohl in. Erfurt gewohnt haben
müssten. Zu bemerken ist jedoch, dass um dieselbe Zeit von
Erfurt aus einer Entscheidung, des R. Meir. in einer die Gemeinde
zu Stendal betreffenden Angelegenheit zugestimmt wird,. welche
Zustimmung aber von R, Pavid. ben Abraham und R. Baruch
ben Jechiel unterzeichnet ist (siehe dieselben Gutachten ed.
Lemberg Nr. 108). Auch ist noch zu erwähnen, dass der Er-
furter Gemeinde um diese Zeit. als B"11B"1K ^2 ganz allgemein
in den nämlichen GA. ed. Frag Nr. .052. gedacht wird. — Herr
Jar. wendet sich dann zu Alexander Süsskind hacohen, dem
Verfasser des Agudah, in Erfurt, und bringt einige Notizen bei,
die ihm von Herrn Kirchheim mitgetheilt worden sind, die «r
aber nicht verstanden, zu haben scheint. Dass R, Alexander
Cohen zu den Märtyrern des Jahres 1349 gehörte, war bereits
aus Zunz synagog. Poesie S. 40 und aus der von Landshuth im
Anhange zu seinem Amude haabodah p. IV. initgetheilten i"tf>3
zu ersehen und auch in dem Hannoverschen Memorbuche wird
derselbe als pj^ ")"ÜOai>K Dlp^ '1 ain erwähnt und dieser
R. Susskind Cohen, abgekürzt *n"1fflD genannt - der aber nicht
zu verwechseln ist mit einem anderen ebenfalls ^l"*nÖ dfc h. Ä.
Salomo Cohen benannten, jedoch erst in der ersten Hälfte des
15. Jahrhunderts in Nürnberg lebenden Rabbiner — war eben
der Schüler des schon im 13. und nicht erst im 14. Jahrhundert,
wie Herr Jar. schreibt, gleichfalls in Erfurt lebenden R. Isaac
halevi (siehe miJK ^EHin zu Sabbath p. 78d), welcher letztexe
wiederum, wie aus den RGA. des Maharil Nr, 203 zu ersehen
ist,. ein Zeitgenosse des R. Schemarjah ben Chajim, doch nicht
älter, wie Zunz in den additam. ad cod. Ups, XXX VH. B.
meint, sondern vielmehr etwas jünger als R. Meir aus Rothen-
burg war, da.es daselbst heisst QYiTÖ QttD >b rÖW "^H *"lß1ö
y?. Dass R, Süsskind Cohen ein durch Gelehrsamkeit hervor-
ragender Rabbiner war, bezeugt nicht allein R. Jacob Weil,
sondern noch früher R. Jacob Levi in seinen Responsen Nr. 79,
wo er sagt bV2) *V1 HOTTO! rTOH ^JD ^TOI pDH pDBW IM
rotmn und Nr. 104, wo es von ihm heisst JHW iW TWTm !*E»
•pan in« »\w rrnyia rawo woö owmdi ntep vergi.
auch daselbst Nr. 105. S. 66 führt Herr Jar. eine den Verfasser
388 Rezensionen und Anzeigen.
des Agudah betreffende Stelle aus den GA. des R. Meir aus
Rothenburg Nr. 9^4 an, welche er folgendermaassen übersetzt:
„Wir haben es gedruckt (!) nach einer Handschrift des Suss-
kind Cohen aus Erfurt-Sefer Baruch, wo zu ergangen sch'hetiko".
Was Herr Jar. sich hierbei gedacht haben mag, ist mir völlig
unklar. AHein ein Einblick in das bezeichnete GA. zeigt, dass
derselbe diese ihm von Kirchheiih iiritgeth eilte , in der That
etwas dunkle Stelle gän/lich missverstanden hat Es heisst dort
nämlich in Betreff einer von den Gemeinden getroffenen Ein-
richtung, deren in dem Werke des R. Baruch (wahrscheinlich
ben Samuel in Mainz), welches die bei R. Meir Anfragenden
in einer von R. Süsskind Cohen angefertigten Abschrift besassen,
Erwähnung geschehen soll ^DN l'^HT' arottü UpW? ÜW
nsi tvbnpn iwy nyn? ropn vn yn *todd ©■wo» jro und
diese Worte hat Herr Dr. Jar. in so unverständlicher Weise
wiedergegeben! Üebrigens braucht aus dieser Stelle nicht erst
geschlossen zu werden, dass der Verfasser des Agudah noch
Vor 1293 gelebt habe und R. Meir bekannt gewesen sein müsse,
da letzterer in dem gedachten GA. weiter ausdrücklich sagt
"h TÖK-p3 EU'pDfl '") 3T1- Freilich müsste R. Süsskind dann
ein sehr hohes Alter erreicht haben, denn wenn er vor 1293,
wie aus dem genannten GA. zu ersehen ist, schon in einem ge-
wissen Ansehen stand, so muss er damals doch wohl mindestens
25 Jahre alt gewesen sein und da er, wie wir gesehen, 1349 er-
mordet wurde, so muss er wenigstens 81 Jahre alt geworden
sein. Versehieden von R. Süsskind Cohen ist sein Zeitgenosse
R. Susslein, vollständig Israel ben Joel Susslin genannt, der
ebenfalls in Erfurt wohnte, aber noch 1353 lebte, wie aus Codex
de Rossi Nr. 73 hervorgeht, den sein Schüler, der Schreiber
Meir, für seinen damals noch lebenden Lehrer in dem genannten
Jahre anfertigte. Wegen der Aehnlichkeit des Namens wurde
indess dieser R. Susslin mit R. Süsskind Cohen häufig verwech-
selt, was noch von Zunz in den bereits angeführten Additamenten
zu cod. Lips. XXXV11B, aber auch schon früher im Jahre 1382
in einem handschriftlichen Mordechai geschah, in welchem nach
einer Mittheilung Carmoly's im Ben Chananja 1865, 913 der
in neuerer Zeit so vielfach besprochene R. Meir halevi in Wien
seinen Lehrer nennt p^Bm TV» JOptfl )HD "TODD^* '"} Sin und
in welchem sich auch die Worte finden i^ "fl^N ^fo-| Q"^nÖ
Reoensiouen und Anzeigen* 380
piHWT "Y'TI OT Ctt>2> so dass wir in dem Schreiber jenes Codex
keinen Geringeren als R. Meir halevi erkennen, wonach also
Zunz: Zur Geschichte S. 209 Anm. E zu ergänzen ist. R. Süss-
lin, von dem wir, wie Zütiz Literaturgeschichte S. 509 angibt,
ein in den RGA. des R. Meir Rothenburg und Moses Minz ent-
haltenes Gutachten und Tosafot zum Alfasi besitzen, deren
übrigens ausser Maharil auch R. Israel aus BrOnn GA. Nr. 194
S. 72 a mit den Worten DE&N "prt3 IfYJ« WBTl tfXNI y*Vß pl
gedenkt, bat auch eine Zionide verfasst, in welcher er 22 Orte»
6 Länder und 13 Rabbiner als Märtyrer namhaft macht, die aber
Zunz leider nicht mittheilt.
Herr Jar. erwähnt auch noch, nachdem er ohne Quellen*
nachweis einen mir wenigstens unbekannten Meister Machir in
Erfurt namhaft gemacht, dessen Sohn David 1898 in Frankfurt
gelebt haben soll und wofür es wahrscheinlich Meister Meiner
von Erfurt heissen muss, dessen Sohn David nach Kriegkt
Frankfurter Bürgerzwiste S. 549 von 1398—1400 m Frankfurt
lebte, nach einer ihm von mir gemachten Mittheilung aus dem
1&. Jahrhundert R. Anschel Cohen und R. Hillel in Erfurt, wo-
zu ich bemerke, dass jener bei R. Israel aus Brunn GA. Nr. 162
erwähnt wird, aus welchem zugleich hervorgeht, dass derselbe
nach R. Jacob Weil blühte. Dagegen lebte R. Hillel in Erfurt
vor letzterem und wird bereits von R. Salomon Cohen "JVYID
in Nürnberg genannt, wie aus Laria's rtöblV bw On zu jt&j p. 34 a
zu ersehen, wo es heisst Tf rflMP mOIW b"l pTTlÖÖ YWDV
pM W tivb T^TSTl W^n- Dass unter m"n& R- Hillel verstan-
den werde, wird a» a. O. p. 36b ausdrücklich bemerkt Y1JJÖIP
Vm tvt1» mw b"i ni'rto am iök n"rtö» ««<* vermutlich
ist es dieser R. Hillel, welcher im Maharil nnifll ^WVV ***
Schüler des R. Meir halevi in Wien angeführt wird. R. Hillel
aus Erfurt wird häufig als Autorität citirt und namentlich in
Beziehung auf die Schreibweise in den Scheidebriefen wie z» B.
in dem tOJTl T"»D (hinter den Gutachten des R. Jnda Minz § 54
und 105. Unser R. Hillel ist auch, wie mir scheint, identisch
mit dem in Urkunden vorkommenden Judenmeister Heller in
Erfurt, an welchen 1406 eine Verordnung des Rat h es in Betreff
auswärtiger Juden erging (Jar. S. 45) und in Beziehung auf
welchen Landgraf Wilhelm von Thüringen nach Lud ewig reli-
quiae Mss. X. p. 254 im Jahre 1416 anordnet, dass sämmtliche
300 Recensionen und Anzeigen.
Joden in seinem Lande anter Meister Hellern, Jaden zu Erfurt,
stehen and ihm, soviel die jüdischen Rechte betrifft, gehorsam
sein sollen.
Herr Jar. spricht dann von einem Fidel aus Erfurt, der einem
Selichah-Erkiärer Mittheilungen gemacht hat. Allein der Mann
hiess nicht Fidel, sondern Friedet, wie Zuoz Ritus 8. 196 (nicht
201) richtig angibt und ist wohl derselbe, den König Siegmund,
wie 'ich bereits oben erwähnt habe, 1420 in die Acht erklärt hat.
Ausserdem führt Herr Jar. von Erfurter jüdischen Gelehrten noch
zwei an, nämlich R. Jacob Weil und R. Selmelin. Was nun
jenen betrifft, so behalte ich mir vor, denselben an einem anderen
Orte ausführlich %u besprechen und werde mich daher hier da-
mit begnügen, die über ihn von Herrn Jar. gemachten unrich-
tigen Angaben zu berichtigen. Israel Isserlein war nicht Weil's
Schüler, sondern sein jüngerer Freund, mit dem er in brieflichem
Verkehre stand, und aus seinem 6A. Nr. 24 ist gar nichts über
Weil zu entnehmen, da dessen daselbst nicht Erwähnung ge-
schieht, wohl aber folgt aus seinem GA. Nr« 269, dass Weil in
der Rheingegend geboren und auferzogen worden ist. Weil's
Sohn Jausel war sieht mit dem gedachten Israel, sondern mit
Israel aus Brunn verschwägert; auch hatte er noch einen an-
deren Sohn ff'nnfc, der Rabbiner in Ulm war. Dass auch die
Gemeinden von Wien und Prag Weil's Entscheidung nachgesucht
haben sollten, ist aus seinen Gutachten nicht ersichtlich und die
angezogene Stelle aus dem GA. Nr. 163 hat Herr Jar. nicht
richtig aufgefasst und daher auch nicht sinnentsprechend wieder-
gegeben. Zu der Streitsache, .welche zwischen Abram Esra und
David Zehner stattfand, weil jener diesem die für seine Frau
und Enkeltochter auf deren Befreiung verwendete Summe von
1100 Gulden nicht wieder erstatten wollte, habe ich Folgendes
ergänzend zu bemerken. David Zehner war Hansbesitzer in Er-
furt (cf. Jacob Weil Q^l § 70), während Abram Esra wahr-
scheinlich in Merseburg wohnte, bei dessen Bischof er in Folge
seines Reichthumes viel galt. Die Gemeinde zu Merseburg
stand aber unter dem Rabbinate von Halle, woselbst damals
R. Schalom, als iwflD WTW häufig angeführt, Rabbiner war,
vor welchem Abram Esra gern Recht nehmen wollte. Derselbe
mochte sich indessen in diese Angelegenheit nicht mischen,
weil er, da die Juden in Halle unter der Herrschaft des Erz-
Recensionen und Anzeigen. 391
bischofs von Magdeburg standen, auf welchen wiederum der
Bischof von Merseburg einen gro3sen Einfluss übte,' die Ranke
des Abram Esra fürchtete, der ihm durch seine Einwirkung auf
den Bischof schaden konnte. (Siehe Jacob Weil GA. Nr. 149).
Stattgefunden muss dieser Streit aber erst nach 1445 haben, da
Weil GA. Nr. 148 sagt» dass es allgemein bekannt sei, däss der
Bischof die Gefangenen weit eher wurde haben befreien können,
bevor die Herzoge das Land getbeilt hatten r als nachdem die
Theilung geschehen wäre. Nun fand aber die Landestheilung
zwischen den Herzogen Friedrich und Wilhelm erst im Jahre
1445 statt; wie Galletti a. a. O. IV, 139 berichtet, aus welchem
auch a. a. O. S. 146 ff. zu ersehen ist, in welcher innigen Be-
ziehung der Bischof von Merseburg zu dem Erzbischofe von
Magdeburg stand* Ob dieser David- Zehner derselbe ist, welcher
später die junge Schwägerin des R. Jacob Pollak gebeirathet
hat und welche Ehe letzterer wieder aufzulösen bestrebt war
(cf. Graetz IX, 65), steht dahin.
Was nun R. Selmelin aus Erfurt betrifft, so. mag derselbe
unter dem Namen p^ oder HJD^ltf oft genug in den verschie-
denen Gutachten vorkommen, ohne dass es sich nachweisen
lässt. Dass er der eigentliche Rabbiner gewesen sei, während
Weil sich nur Rabbiner der Chewra der Jünglinge nenne, ist
eine unbegründete Vermuthung des Herrn Jar., dje sich auf
eine Stelle in WeiPs C^l § 41 stützt, wo derselbe sagt TUrUH)
W lÖlb *bm Onran bttf. nD.Dn TOS. Allein dies beweist
nur, dass Weil gewöhnlich die Synagoge (nicht Chewra) der
D^WD besuchte, unter denen aber nicht Jünglinge, sondern
Talmudbeflissene zu verstehen sind,, wie aus den GA. des R*
Israel aus Brunn Nr, 118 deutlich zu ersehen ist. Dass R. Sel-
melin dem Redakteur der Minhagim des Maharil Mittheilungen
in Betreff des letzteren gemacht und an diesen Anfragen ge-
richtet habe, wird daselbst rDl^D TtffcO riDS"! mitgetheilt; auch
wird er daselbst in mnöttf nO^H erwähnt.
Zunz sagt in seiner Literaturgeschichte S. 493, dass Chajim
Paltiel, von dem er nach Ritus S. 22 glaubte, dass er in Böhmen
gelebt, vermuthlich in Erfurt oder Magdeburg gewohnt habe,
ohne dass ich anzugeben weiss, worauf wohl seine Vermuthung,
dass derselbe in Erfurt seinen Wohnsitz hatte und demnach
hier ebenfalls erwähnt werden müsste, beruhen dürfte. Als
902 Recensionen und Anzeigen»
lapsus calami ist es wohl anzusehen, wenn er daselbst den Vater
dieses Gelehrten Barach nennt, während er schon zur Geschichte
S. 193 den richtigen Namen desselben Jacob angefahrt hatte,
wie er sich ausdrücklich in den GA. des R. Meir aus Rothen-
burg ed. Cremona Nr. 32 findet. Bereits früher habe ich in
Steinschneiders Hamaskir B. VI, 44 von diesem R. Chajim Pal-
tiel, der9 wie ich vermnthe, den Beinamen Wurm hatte, weil er
sich nicht allein selbst immer njT^D unterzeichnete, sondern
auch, wie aus den GA. des R. Meir Rothenburg ed, Lemberg
Nr. 177 zu ersehen ist, von Anderen ny^H Hpö^B D^n ge-
nannt wurde, gesprochen und angegeben, dass er in Magdeburg
gelebt habe, wobei ich mich auf dieselben GA. Nr. 476, aus
welcher zugleich erhellet, dass er 1291 lebte, stutzte, die aus-
drücklich nyifln iWöbD D^n pTiaTTO bnp unterzeichnet ist.
Auch aus den GA. des R. Moses Minz § 63 c, wo der Einrich-
tungen , die er wie sein alterer College Schabtai ben Samuel
(vergl. Jacob Weil Q'O'H § 60 und GA. des R. Israel Brunn
Nr. 120, wo bWtohü 0*^11 2« lesen ist) getroffen, gedacht und
mitget heilt wird, daBs er oder R. Schabtai die rftJpn des R.
Jacob Tarn in Magdeburg eingeführt habe, ist zu erseben, dass
Chajim Paltiel in Magdeburg gewohnt haben tnuss, wo er eine
fruchtbare ThatigkeÜ entwickelte, denn ausser den von Zunz
mUgetheilten Dichtungen besitzen wir von ihm noch viele Gut-
achten, wie aus den Responsen des R. Meir aus Rothenburg,
mit welchem er correspondirte, ed. Prag Nr. 226, ed. Cremona
Nr. 32 und 33 und ed. Lemberg Nr. 13*, 136, 157, 164 und 476
wie auch aus dem Züricher Semag (cf. Zunz Ritus S. 216) er»
hellet und hat er auch Minhagim verfcsst, die nicht allein von
Klausner und Maharil (QTO* OWTO / HPBVS und rD)ü)9 wie Zunz
a. a. O. S. 22 angibt, sondern auch von R. Israel aus Brunn
GA. Nr. 147, wo WüM statt jrtiÖS zu lesen ist, angeführt wer-
den, so dass er, wenn er auch nicht in einer Geschichte der
Juden in Erfurt zu erwähnen ist, doch, ebenso wenig wie andere
jüdische Gelehrte Magdeburgs, von Güdemann in seiner Geschichte
der dortigen Juden hatte übergangen werden dürfen.
Ich benutze diese Gelegenheit zum Hinweise auf einige an-
dere Stellen, in denen über einzelne Vorgänge oder Persönlich-
keiten in der Erfurter jüdischen Gemeinde Nachricht gegeben
wird. Auf die in Erfurt stattgehabte Rabbinerversammlung,
Recensionen und Anzeigen. 393
welche Kirchheim bei Jar. S. 65 sicher zu froh ansetzt, haben
bereits Frank el im Literaturblatt des Orient 1847, 677 und Gratz
VIII, 434 aufmerksam gemacht und scheint mir, dass dieselbe
zwischen 1420 und 1430 stattgefunden haben wird» Auf dieselbe
weist nach meinem Dafürhalten auch R. Israel Brunn in seinem
GA. Nr. 162 p. 60b hin, wo er berichtet, dass, als ein gewisser
Liwa Bromber einem "NM in Erfurt ein Ohr abgeschnitten hatte,
R. Liepmann, R. Abraham Cohen, R. Michel und R. Chiskija
(die beiden ersten Namen sind daselbst corrumpjrt) von dem
Ochsen zu essen erlaubt haben, was auch in Erfurt geschehen
sei. Hier werden nur vier Gelehrte genannt, während Isserlein
GA. Nr. 24 deren fünf anführt. Wenn Grätz aber glaubt, dass
von den dabei genannten Rabbinern keiner bekannt sei, so, irrt
er und will ich hier nur in aller Kurze bemerken, dass R. Ichel
oder auch R. Michel wahrscheinlich in Breslau lebte und
wohl derselbe ist, welcher, wie Stobbe in der. Zeitschrift des
Vereins für Geschichte und Alterthumskunde Schlesiens aus
Breslauer Signaturbüchern mittheilt, um: 1418 In Breslau eine
grosse Rolle spielte und, ebenfalls bald Ichel bald Michel aus
Reichenbach genannt, der Stadt Breslau grosse Summen vor-
streckte, später aber in's Gefängniss kam. R. Liepmann ist
sicher R. Liepmann in Mühlhausen; R. Natqn war der be-
rühmte Gesetzeslehrer in Eger, dessen ieh schon in meinem
Emek habacha Note 218 gedacht habe und der später nach Pa-
lästina ging, wo er starb. R. Chiskija ist ohne Zweifel der
von Jacob Weil (D^l § 50 und im n'TWn zu MahariJ *flDWD }"b
und hieraus in den Erläuterungen zu Tyrnau's Minhagim) ge-
nannte R. Chiskija Weissenfeis, der auch wohl unter dem
ITpTIT "Y'VflD ^u verstehen ist, welcher in dem GA, des R. Ja-
cob Levi Nr. 79 vorkommt, und R. Abraham Cohen ist der
als V"3 K""VIÖ io dem Gutachten aus dein Beginne des 15. Jahr-
hunderts oft gedachte Rabbiner in Halle, der unter Anderem
auch mit Maharil in Correspondenz stand.
Aus Jacob Weils GA. Nr. 126 und 190 erfahren wir, das*
einst ein getaufter Jude seiner Frau einen Scheidebrief nach Er-
furt schicken wollte und dass gegen Ende des Jahres 1443 ein
gewisser Natan beu Meschullam Cohen, genannt Sussinanu, in
Erfurt seiner Frau Hendlin bath Nachman durch Simon ben
Joseph einen Scheidebrief übersandte, bei welchem Akte Juda
F r a n k e 1 , Monatsschrift. XVII. 10. 30
394 Recensionen und Anzeigen.
ben Baruch halevi und Menachem hen Isaac als Zeugen fun-
girten; ebenso hören wir aus dem GA. des R. Moses Minz
Nr. 109, dass dieser in Erfurt als Zeuge bei einer KODIfiTI rDIHD
anwesend war, die ein gewisser Abraham Lucker unter der
Leitung des R. Jacob Weil ausstellen liess. Ueber den Handel,
welcher nach Beendigung der Hussitenkriege von Seiten jüdischer
Kaufleute von Erfurt aus nach Eger und von da wiederum nach
Prag in einer Entfernung von je 18 Meilen getrieben wurde,
gibt das GA. des R. Israel Brunn Nr. 278 einige Andeutung,
und über einzelne Persönlichkeiten aus der Erfurter Gemeinde
erhalten wir noch hier und da Nachricht. So kommt in einer
im Besitze des germanischen Museums zu Nürnberg befindlichen
Urkunde vom Jahre 1314 unter den vier Meistern der damaligen
Nürnberger Judenschaft, denen von Amtswegen der Titel Herr
beigelegt wurde, einer vor, welcher als Ysac, Herrn Bonfantis
Eidam von Erfurt angefahrt wird (siehe Anzeiger für Kunde der
deutschen Vorzeit 1859, 445 und 1865, 423). Ob dies wohl der-
selbe ist, auf den sich die Worte *?"! tttDJQ 1/#V1Ö rOWD in
dem GA. des R. Jacob Levi Nr. 73 beziehen r In Frankfurt a. M.
wohnte 1346 ein gewisser Fiselin oder Fischlin von Erfurt, wel-
cher 1348 als Fischs oder Fyschs von Erfurt, genannt zum Stock,
angeführt wird, so wie auch dessen Sohn Meyer oder Meyher
(cf. Kriegk Frankfurter Bürgerzwiste S. 549 und 551). Im Jahre
1377 kommt ein Jude Moller von Erfurt, in Würzburg wohnhaft,
vor, der sehr vermögend gewesen zu sein scheint und mit hohen
Herren in Geldgeschäften stand (cf. Regesten S. 213 Nr. 292 a),
und im Jahre 1385 wird in einer Urkunde von dem Ju4en Meyr
von Erfurt gesprochen, der in Nürnberg wohnte und der Glau-
biger dea Bischofs Gerhart von Würzburg war (daselbst S. 150
Nr. 330). Vielleicht war dieser Meyr derselbe, der anderwärts
Meirlein von Erfurt genannt wird, 1382 in Nürnberg aufgenom-
men wurde und keinen jährlichen Zins zu zahlen brauchte, weil
er dem Rathe Geld geliehen hatte (cf. Baader im Anzeiger für
Kunde der deutschen Vorzeit 1867, 136).
Unerwähnt will ich auch nachträglich nicht lassen, was
Luzzatto im Kerem Chemed VII, 56 aus einem handschriftlichen
Maharil mittheilt, dass nämlich R. Jacob Levi einst die Mainzer
Gemeinde veranlasste, einen ^itf bw IDHtf nach Erfurt zu
senden.
Recensionen und Anzeigen. 395
Im elften Kapitel führt Herr Jar. die Geschichte der Juden
in Erfurt weiter, versäumt aber anzugeben, dass er seine sammt-
lichen Nachrichten auf S. 57 wie auch die in Betreff des Kaisers
Friedrich III. aus den Jahren 1453 und 1456 einem Aufsatze
Michclsen's in dem vierten Bande der Zeitschrift des Vereins
för thüringische Geschichte entnommen hat, wie aus meinen
Regesten S. 245 Nr. 205 und 211; S. 247 Nr. 222 und S. 248
Nr. 229 zu ersehen ist. Er erwähnt auch kurz der Predigten,
welche der Mönch Johann von Capistrano in Erfurt gehalten,
gedenkt aber nicht der Kränkungen, welche der Legat Nicolas
von Cusa den Juden dadurch zufügte, dass er sie zwang, einen
gelben Ring auf der Brust als Unterscheidungszeichen zu tragen,
welches der Erzbischof Dietrich von Mainz auf des Legaten
Autrieb nach Galletti a. a. O. IV, 188 in Erfurt einführte. — Hier-
auf handelt Herr Jar. im zwölften Kapitel über das Leibzoll-
wesen, wobei ihm die diesen Gegenstand betreffende Schrift
von Scheppler entgangen ist, wie dieselbe auch Stobbe nicht
zu kennen scheint, der sie in seinem Buche: Die Juden in Deutsch-
land S. 41 unerwähnt lässt, und schliesslich widmet Herr Jar.
im 13. Kapitel der neueren Geschichte Erfurts eine kurze Be-
trachtung. Als dankenswerthe Zugabe sind noch die Urkunden
zu betrachten, soweit dieselben bisher noch nicht veröffentlicht
waren, doch lässt die Beschreibung der Erfurter Codices noch
gar Manches zu wünschen übrig. — Möge Herr Dr. Jaraczewsky
aus der eingehenden Weise, in welcher ich seine Schrift beur-
theilt habe, das Interesse erkennen, mit welchem ich derselben
gefolgt bin und mir bei späteren Publicationen Gelegenheit ge-
ben, neben seinem Streben auch seine Gründlichkeit anzuer-
kennen. Dr. M. Wiener.
Sabbat-Stunden zur Belehrung und Erbauung der israeli-
tischen Jugend von Dr. David Cassel. Berlin, Louis
Gerschel Verlagsbuchhandlung. 1868. 8. 388 S.
Es ist eine jüdische Eltern und Religionslehrer gleich sehr
mit grosser Besorgniss erfüllende Thatsache, dass unsere Schul-
jugend — zumal in grösseren Städten — der ganzen heilsamen
Wirksamkeit der Sabbat-Institution dadurch verlustig geht, dass
es ihr bei der gegenwärtigen Organisation der höheren Unter-
396 Recensionen uad Anzeigen.
richtsanstalten benommen ist, aa der gemeinsamen gottesdienst-
lichen Sabbatfeier zu participiren. Es gibt gegen diesen Uebel-
atand nur eine Abhülfe: die Einrichtung einer besonderen ausser-
halb der Schulzeit fallenden Sabbat- Gottesdienst-Stunde
für die gesammte jud. Schuljugend, in welcher neben ausge-
wählten Gebeten die aus der heil. Schrift geschöpfte, an den
Wochenabschnitt anknüpfende religiöse Belehrung das Haupt-
xnoment bilden muss.
Für diesen Zweck wird das oben angezeigte Buch vortreff-
liche Dienste' leisten. Dasselbe ist mit grossem pädagogischem
Geschick abgefasst. Der Verf. knüpft einen jeden seiner 54 Ab*
handlungen an den betreffenden Wochenabschnitt an, resumirt
im Eingange dessen Gesammtinhalt und wählt ein bedeuten-
deres Thema aus demselben zur religiösen Betrachtung aus.
Der Verf. versteht es, die tiefen sittlichen Gedanken der Reli-
gion in einer den Anschauungskreis der erwachseneren Jugend
nicht übersteigenden, gemüthvollen und herzgewinnenden Weise
darzustellen und sie durch zahlreiche Beispiele und Bilder aus dem
Leben, dieser „jungen Welt" recht anschaulich zu verlebendigen.
Einen besonderen Reiz müssen die in sorgfältiger Auswahl und
mit Mass eingestreuten Sprüche und Erzählungen aus dem
Legendenschatz des Mi drasch auf die jugendlichen Gemüther
üben. Auch dass der Herr Verf. hier und da die Jugend mit
manchen gegen Juden und Judenthum intra et extra muros noch
herrschenden Vorurtlteilen und Vorwürfen bekannt macht und
ihr die Waffen zur Widerlegung und Bekämpfung derselben in
die Hand drückt, — wie z. B. im 50. Abschnitt über den Vor-
wurf „die Juden seien Fremde im Vaterlande", über die Vor-
züge der heiligen Sprache VS. 81), über die Ausdrucksweise
der heil. Schrift (S. 141), über Sklaverei nach der biblisch-tal-
mudischen Lehre (Abschnitt 32), über die dem Tode der From-
men zugeschriebene sühnende Macht (Abschnitt 29) u. a. - können
wir pädagogisch nur sehr gerechtfertigt finden. Dagegen müssen
wir offen gestehen, dass wir ungern in dem Buche die Bespre-
chung vieler, die jüdische Jugend angehenden religiösen Satzungen
vermissen, wie der Zizis-, Tefillin- und Sabbath- Gebote, der
Speiseverbote u. dgl. Wir können uns die den Verf. zu dieser
Unterlassung bestimmenden praktischen Beweggründe denken
— der Verf. selbst deutet sie im Vorworte an, wenn er sagt:
M
Recensionen und Anzeigen. 397
Von scharf ausgeprägten Parteistandpunkten konnte und durfte
hier keine Rede sein; auf der breiten Grundlage der israelit.
Sittenlehre sollten alle der Jugend zugänglichen Verhältnisse
sich aufbauen" — aber wir können sie nicht billigen.
Dagegen ist alles das, was der Verf. in seinen „Sabbat-
Stunden" bietet, eine so gesunde Kost für unsere Jugend, dass
es die sittliche Bildung derselben mehr fördern dürfte, als die
trockenen, in Paragraphe gebrachten Sittenlehren der verschie-
denen Katechismen allesammt.
Wir wünschen darum diesem Buche die verdiente Verbrei-
tung, Einführung in Schule und Haus. Der gediegene Inhalt
sowohl, wie die elegante Ausstattung, die die Verlagsbuchhand-
lung ihm gegeben , machen es ganz besonders zu Barmizwa-
und Confirmationsgeschenken geeignet. P.
Libanon. Ein poetisches Familienbuch von Ludw. August
Frankl. Vierte Auflage. Wien 1858 .Pichler's Wittwe
und Sohn. 476 S.
Lessing sagt irgendwo von einer Gedichtsammlung, dass,
wenn ein Neuntheil darin vortrefflich, ein Neuntheil gut, und
noch ein Neuntheil erträglich, -— man auch den Rest gern in
den Kauf nehme. Schon dies allein würde es erklären, dass
von dem bei seinem Erscheinen allgemein günstig aufgenom-
menen „Libanon" in so kurzer Zeit eine vierte Auflage noth-
wendig geworden. Allein wir haben hier noch ein gut Theil
mehr als .Lessing verlangt. Der Herausgeber hat nebst einigen
vortrefflichen eigenen Gedichten eine Auswahl des Besten ge-
liefert, „was die Dichter der gebildeten Nationen zur Verklärung
des Judenthums gesungen haben". Neben bekannteren Gedichten,
theils deutschen, theils trefflichen Uebersetzungen aus anderen
Sprachen, enthält die Sammlung eine beträchtliche Zahl neuerer
Originalgedichte, die immer irgend eine Seite des Judenthums
poetisch darstellen. Es ist mit einem Worte das ganze geistige
Leben des jüdischen Volkes von den ältesten Zeiten bis auf die
Gegenwart in künstlerischer Form und mit einem wahrhaft poe-
tischen Hauche wiedergegeben. Nur Hesse sich hin und wieder
über die Auswahl einzelner Stücke rechten, die, ohne dem Werthe
398 Recensionen und Anzeigen.
des Baches Eintrag zu thun, hätten aasgeschieden werden können.
Indess, wo des Vortrefflichen so viel geboten wird, wo die Aus-
wahl eine so reichhaltige ist, bleibt nur der Wunsch auszu-
sprechen, diese neue, elegant ausgestattete Auflage möge ebenso
wie die früheren eine weite Verbreitung finden: ein Werk wie
Frankl's „Libanon" durfte in jedem jüdischen Hause eine Zierde
der Bibliothek bilden. D. G.
E^j^-pp2 Lyrische Klänge, Original-Poesien und Ueber-
setzungen von Nathan Samuel i. Herausgegeben von
Michael Wolf. Lemberg 1868. 149 S.
Immer seltener werden die Klänge der hebräischen Muse;
als sollte sie bald ihren Kreislauf beschliessen, hört man sie
nur hie und da — wie einst an den Ufern des Tajo und Guadal-
quibir — ein Lied noch zirpen. Nachklänge, Uebersetzungen
aus neueren Sprachen und Variationen älterer Poesieen bringt
wohl noch jeder Frühling; aber es fehlt meist die Frische und
Farbenpracht der echten Bluthen. Doch der Freund der he-
bräischen Poesie wird auch diese Gaben dankbar hiunehmen
und auch eine Sammlung wie die Eingangs erwähnte nicht ohne
Befriedigung aus der Hand legen. Denn es lässt sich dem jun-
gen Dichter Tiefe der Empfindung sowie eine gewisse Gewandt-
heit und Leichtigkeit des Ausdrucks nicht absprechen, wenn
auch bisweilen die Ausführung des poetischen Gedankens wenig
Schule verräth. So wird in dem Liedercyclus 2'2NTi der Kampf
des Frühlings mit dem Winter wahrhaft poetisch durchgeführt
und an das Hervorbrechen der hellen Sonne die Reflexion über
den Sieg des geistigen Lichtes über das Dunkel angeknüpft.
Dieser Gedanke ist aber in <jem ersten Gedichte vollständig
erschöpft und es bleibt für die beiden folgenden nur die Wieder-
holung Übrig, die noch durch das Aufgeben der eingestreuten
Reflexion Einbusse erleidet. Mehr Talent verrathen die Ueber-
setzungen, die sich an L. A. Frankl und Lenau anlehnen, und
es lässt sich nach diesen Proben nur wünschen, der Dichter
möge, getreu dem Heine'schen Motto, das er seinem Büchlein
vorausgeschickt, ferner in Lust und Leid sein Herz im Lied er-
— TT"
Monatschronik. 399
schliessen. Nur darf er die äussere Form nicht zu gering an-
schlagen und die typographische Ausstattung nicht allzu sehr
vernachlässigen. D. G.
Monatschrooik.
Algier. Der Vicepräsident des Civiltribunals, Santayra,
veröffentlicht eine französische Uebersetzung des die judischen
Ehegesetze enthaltenden Codex „Eben-HaSser", den er in Ge-
meinschaft mit dem Grossrabbiner von Oran, Charteville, bear-
beitete.
— Der Moniteur de l'Algerie veröffentlicht unter der Auf-
schrift „das israelitische Consistorium zu Algier" folgenden Ar-
tikel: „Das israelitische Consistorium, welches unlängst durch
kaiserliches Decret eingesetzt wurde und das einstimmig Herrn
Honel, Advocaten am Hofe, zu seinem Präsidenten ernannt hat,
scheint bereit zu sein, alle Versprechungen, die man hat in dem
von uns veröffentlichten Rundschreiben lesen können, mit rigo-
roser Genauigkeit zu erfüllen. Wir haben wie Jedermann mit
Beifall die zugleich freisinnige und energische Sprache auf-
genommen, die diese Behörde an die Anhänger des mosaischen
Cultus gehalten, eine Sprache, die wir in folgenden Worten zu-
sammenfassen können : Wurde und Einheit im Cultus, Ordnung und
Sparsamkeit in der Vertheilung der den Armen zu vertheilenden
Hülfsmittel, absolute Noth wendigkeit für die eingeborenen
Israeliten, sich den Europäern zu nähern und sich zu ihrer Höhe
durch Unterricht und Händearbeit emporzuschwingen.
Crefeld. Herr Consistorialrabbiner L. Bodenheimer ist
am 25. August in seinem 69. Jahre verschieden. Sowohl unsere
Gemeinde als der Consistorialsprengel erleidet in seinem Hin-
tritte einen schmerzlichen Verlust und wird lange sein Andenken
mit heiliger Ehrfurcht bewahren. In ihm verband sich ausge-
breitetes Wissen mit tiefer Frömmigkeit; seine innige Gottes -
ergebung hielt ihn aufrecht in den langjährigen Leiden, die ihn an
jeder freien körperlichen Bewegung verhinderten. Er ging nach
langem schmerzlichen Kampfe ungebrochen an Geist und rüstig in
. ■>
400 Monatschronik.
der Ausführung seiner Amtspflichten in das Land heim, wo diesen
edlen Dulder ein reicher Lohn seiner Wirksamkeit wie seines
frommen Erlragen s erwartet.
Oalacz. Die Drachensaat, die Bratiano ausgesaet hat, tragt
ihre Fruchte. Der 3. October sah in unserer Stadt ein Schau-
spiel der Judenverfolgung und Plünderung, wie sie die traurigsten
Tage des Mittelalters nicht schrecklicher kannten. Ein Polizei-
beamter reizte die Menge gegen die Juden auf, indem er einen
Juden beschuldigte, er habe wollen einen Christenknaben um-
bringen. Bald rottete sich ein Pöbelhaufen zusammen, überfiel
das Haus des österreichischen Unterthanen Simon Dolingen,
misshandelte ihn, seine Frau und die anderen Einwohner furcht-
bar, zerstörte das Haus und demolirte und plünderte die in
dem Hause befindliche kleine Synagoge. Von dort begab sich
diese Horde, die mittlerweile an Zahl zugenommen hatte, io die
anderen Bethäuser am Neuen Markte, und erst als mehrere Bet-
häuser zerstört und geplündert, Privathäuser erbrochen waren,
und über fünfzig schwerverwundete Juden auf dem Platze blieben,
erschien Militair. Da begab sich diese Rauberbande nach dem
Innern der Stadt zur grossen Synagoge, erbrach die Thure,
zertrümmerte die Lade und die ganze innere Einrichtung, raubte
silberne Leuchter, die Kronen der Thoras, viele goldgestickte
Ornamente, zerriss und zerstreute viele Bibeln, Gebet- und son-
stige Bücher. Nachdem diese Verwüstung eine halbe Stunde
gedauert, erschien ein Militairpiquet, das, als der Haufe Miene
zum Widerstand machte, wieder abzog. Viele behaupten unter
den Plünderern der Synagoge Cömmunalbeamte gesehen zu haben.
Nicht zu verwundern ! Hat doch die Regierung von oben herab,
als es ihren Zwecken dienlich schien, ihre Beamten mit der
Judenverfolgung beauftragt, und mit welchem trefflichen Beispiel
ging nicht der judenersäufende Präfect Lupaco voran! Der
Polizeibeamte mochte wie die Oommunalbeamten bona fide
handeln und nach der früher von oben gegebenen Parole wäh-
nen, sich um die Regierung verdient zu machen. — Der
Minister des Innern eilte am anderen Tage herbei und entsetzte
den Präfecten und den Bürgermeister, und befahl die Inhaftirung
der Rädelsführer; doch kommt es zur Anklage, so werden diese
blutbefleckten Minister zuerst auf der Anklagebank sitzen.
fc*
***.
Sie Alliance Israelite Universelle.
(Schluss.)
Die Unruhen wurden immer stärker, Kriegslärm drang
in diese friedlichen Wohnungen, und ich war gezwungen,
mich von hier zu entfernen. Ich wandte mich also ost-
wärts und kam über Warge-Laouh Thyerkin und Awassa
nach dem Markte Godawi6, woselbst ich mehrere Falaschas
traf, die Körbe und Töpfe verfertigten. Sie riethen mir
nach Matamma zu gehen, dessen Markt gewöhnlich von
ungefähr 15 falaschischen Familien besucht ist, die dasselbe
Handwerk treiben. Ich blieb nun einen Monat bei den
Falaschas von Matamma, um eine günstige Gelegenheit
nach Cuara abzuwarten, einer Provinz, die zahlreiche
jüdische Niederlassungen enthält. — Wir hatten kaum
einen Marsch von drei Stunden auf dem Wege nach Fer-
feridi6 zurückgelegt, als wir erfuhren, dass diese Provinz
muthmasslich zum Schlachtfeld dienen werde in dem zwi-
schen den beiden Feldherren Imar und Desseta ausge-
brochenen Kampfe. Der erstere nämlich war dem König
Theodor treu geblieben, während letzterer in offener Em-
pörung gegen ihn stand. Um nicht ganz fruchtlos auf
demselben Wege wieder umzukehren, änderte ich alsbald
meine Richtung und schlug mit meinen Reisegefährten die
grosse Strasse ein, die von Matamma nach Gondar führt.
Wir waren gegen Freitag Abend unweit von Wahni, aber
K ran kel. Monatsschrift XVII 11. 31
402 Die Alliance Israelite Universelle.
der Sabbatrahe wegen konnten wir nicht mehr in's Innere
der Stadt hinein, und, wie es sich später herausstellte,
zn unserem Glück. Tags darauf nämlich ward der
Marktflecken geplündert, der vonTirsoGobaziä, dem Feinde
des Königs, eingesetzte Statthalter verjagt und die Stadt
von der königlichen Armee unter Anführung des Walde-
Gu6bro Mariam aus dem Stamme Eemmante besetzt.
Die Falaschas erwirkten mir durch ihre Verwendung die
Erlaubniss zur Fortsetzung meiner Reise. Drei Tage
später wurde ich abermals von einem Detachement der-
selben Armee in die Mitte genommen, aber ich ward bald
entlassen und hatte die unliebsame Ehre, von einer drei-
tausend Mann starken Escorte bis Thyelga geleitet zu
werden.
Von der Unmöglichkeit, nach Dembäa zu kommen,
war ich überzeugt. Die Armeen der beiden Gobaziä
hatten einander gegenüber sich bereits in Schlachtordnung*
aufgestellt in der Nähe von Gondar, bereit sich ein Treffen
zu liefern. (Es kam bald hierauf auch wirklich zu einem
Gefechte, welches dem Befehlshaber von WalquaXt das
Leben kostete.) Ich wandte mich nun nach Arvamba,
hielt mich aber zunächst in Abba-Debtera auf, im Gebiete
von Thyaougo. wo ein berühmter Tempel (Mesgid) sich
befindet. Nachdem ich dort das Passahfest gefeiert hatte,
schlug ich wieder die Richtung nach Matamma ein, um
aus Abessinien herauszukommen.
Ich kehrte also nach Cassala zurück auf dem Wege
über G£daref. Von Cassala ab reiste ich mit einem bie-
deren rechtschaffenen Manne, Hrn. Hausmann, zusammen,
dem ich mich überaus verpflichtet fühle. Wir gingen längs
des Südrandes von Barka, nachdem wir Sabd6rat-Alg6d6
und Bicba passirt hatten. Einen Aufenthalt machten wir
nur in Cufit, einer Festung mit einer zahlreichen egyp-
tischen Besatzung, die dazu dient, die Gegend von Baria
und die der Cunamas zu schützen. Ein glücklicher Zufall
verschaffte uns Gelegenheit, von hier bis Tender zu kom-
men, im Lande der Couuamas, wo wir Müsse hatten
schwedische Missionäre zu besuchen.
Die Alliance Israelite Universelle. 403
*
Von Cufit muesten wir uns nordöstlich wenden, doch
stets Barka entlang und so erreichten wir Kören, nach-
dem wir Cheytel und das Thal B6gu passirt hatten.
Hierauf gingen wir l&ngs der Flussbette Daro, Auseba
und Lebka und kamen, nachdem wir uns zuvor noch
einige Tage in Emkullou aufgehalten hatten, nachMassouah.
Der egyptische Dampfer Hartoum brachte mich nach Suez,
doch musste er zuvor noch acht Tage in Tar auf der
sinaitischen Halbinsel vor Anker liegen.
Ich will nun in gedrängter Kürze einige vorläufige
Notizen über die Falaschas geben. Es ist dies eine Völker-
schaft, interessant in mehr als einer Hinsicht. Die wissen-
schaftliche Seite der Frage soll anderwärts erörtert wer-
den. Ich will hier nur die Grundzüge des Gemäldes
zeichnen, welches dieser so merkwürdige Theil der jüdi-
schen Nation unserem Blicke darbietet. — Eine beträcht-
liche Völkerschaft von mehr oder weniger schwarzer
Hautfarbe, ohne darum den Typus der Negerrace zu
haben, zerstreut auf der weiten Ebene hin, welche sich
von dem südlichen Ufer des Tacazzä bis zu den Ufern
des blauen Nils erstreckt, — diese ist es, welche sich
derselben Abstammung rühmt mit unseren Patriarchen und
Propheten. Ihre ganz afrikanische Hautfarbe scheint einer
solchen Behauptung zu widersprechen; aber die ausser-
ordentliche Feinheit ihrer Züge und die rege Intelligenz,
die aus ihren schwarzen Physiognomien hervorleuchtet,
schlägt alle Zweifel und Einwürfe nieder. Ihre hohe Ab-
stammung wird ausserdem durch das ausdrückliebe Zeug-
niss ihrer christlichen Mitbürger verbürgt Die Fala-
schas beten den einig-einzigen Gott an und betrachten ihn als
den Gott ihrer Vorfahren,, den Gott Abrahams, Isaacs und
Jacobs. Sie sind stolz darauf, dieser alten und doch ewig
jungen Nation anzugehören, die nie aufhören wird, den
ihr gebührenden Einfluss auf die Geschicke der Mensch-
heit auszuüben. Die Liebe zum heiligen Lande erfüllt
ihr warmes, für die Eindrücke zarter melancholischer
Empfindungen höchst empfängliches Herz. Die erhabenen
Erinnerungen an das „Volk Gottes" sind vorwiegend ihre
geistige Nahrung. Der Name „Falascha" (Verbannten), den
31*
404 Die Alliance Israelite Universelle.
sie sich selbst beigelegt, zeigt zur Genüge, dass sie sich
selbst nur für Fremdlinge auf aethiopischem Boden halten.
Sie bewohnen die Provinzen Chirä Adiabo, Asqu£di6
Walquaft im Norden. Wenig zahlreich in Armathyoho
und Gala- Agar a, sind sie weniger zerstreut in den
Provinzen Tembien Enderta Semen, Djanfankara, Waggara
Belessa und Lasta. Sie bilden zum grossen Theile die
Bevölkerung von Thyelga Deinbea und B6gem6dir.
Vornehmlich zahlreich haben sie sich in den Provinzen
Cuara Atyefer, Gadyg6 Tacossa und Alaffa angesiedelt.
Ihre Colonien reichen bis Agaoumeder ins Land der
Azabo-Gallas und bis nach Choa Mtätya; GodjamundTigr6
euthalten keine falaschischsn Einwohner. — Sie sprechen
zwei Sprachen zugleich, die aber nicht einem und dem-
selben Sprachstamme angehören; zunächst die herrschende
Landessprache, das Amharische, dessen sie sich im Ver-
kehre mit ihren Nachbaren bedienen Es ist dies eine
entartete Tochtersprache des alten Geez, eine semitische
also, mit dem Hebräischen, Arabischen und den aramäischen
Dialecten in gleichem Grade verwandt. Sie sprechen
ferner eine Mundart der Agaou Sprache, deren Einreihung
noch zu erwarten steht. Sie bedienen sich ihrer gewöhn-
lich im trauten Familienkreise und tragen in ihr die Bibel
ihren Kindern vor. Ein Theil der Gebete, die man sonst
im Tempel aethiopisch zu recitiren pflegt, wird immer
von der Versammlung in diesen Dialect übersetzt und so
abgesungen.
Das Agaou, wie es bei den Falaschas gesprochen wird,
theilt sich in drei untergeordnete (Neben-) Dialekte, den
von Dembea, den von Euara und den eigentlich fala-
chischen (Falachina). Diese letztere Sprache haben die
Falaschas mit einer ganz räthselhaften Bevölkerung gemein-
sam, welche die Gegend von Wahin bis Djanfankara be-
wohnt, eine besondere Religion hat und unter dem Namen
der Kemmantes (Kam ante) bekannt ist. Die Falaschas
von Gabtha, Walqualt und Chirö sprechen gewöhnlich den
daselbst herrschenden Dialekt, das Tigrische, und kennen
das Agaou nur unvollkommen. — Sie führen entweder
biblische Namen, hebräische Worte nach abessinischer
Die Alliance Israeli te Universelle. 405
Weise ausgesprochen, oder auch gelegentlich gebildete
Namen nach Art der alten Hebräer und Aethiopier. Die
Namen letzterer Gattung gehören bald der aethiopischen
bald der amharischen Sprache an. Man trifft auch sehr
oft auf Namen, die dem Agaou entnommen sind. Einen
chaldäischen , arabischen oder griechischen Namen habe
ich nicht gehört. — Ihre Kleidung unterscheidet sich nicht
von der üblichen Landestracht. Die Wohlhabenden tragen
kurze Beinkleider, eine Art Kamiaol und eine römische
Toga mit rothein Saume (Chamma), ausserdem Pantoffeln
aus Sudan. Die Armen begnügen sich mit zwei Stücken
Tuch, von denen eines um die Lenden befestigt, das an-
dere um die Schultern geworfen wird. Knaben bis zu
10 Jahren empfinden nicht immer das Bedürfniss, in Klei-
dern zu gehen. Die jungen Mädchen werden besser mit
Gewändern versehen. Die Frauen tragen ein langes
Hemd, Armbänder, Ohrringe u» s. w., doch kennen sie nicht
die arabische Mode, die junge Mädchen dazu verurtheilt,
sich die Nase zu durchbohren. Gewöhnlich bleibt man
unbedeckten Hauptes, selbst während des Gebetes. Die
Priester und die Naziräer allein tragen Turbane. Männer
und Weiber rasiren gewöhnlich das Haupt. Ausnahms-
weise habe ich einige Personen bemerkt, welche das Haar
nach Art der Amharas gebunden trugen.
Ihre Nahrung besteht zum grössten Theile aus Kuchen
von Thief, einer feinkörnigen Getreideart, ähnlich dem
Mohn. Der Teig wird bald gesäuert (Endjera) bald unge-
säuert (Qitha) zubereitet; ausserdem kennt man auch das
Dourra (Machilla). Das Getreide, welches einige Pro-
vinzen produciren, ist für die ärmere Klasse der Bevöl-
kerung zu theuer. Das Dagoussa - Brot ist das am wenig-
sten dem Gaumen angenehm. Fleisch wird nur sehr selten
gegessen. Der widerwärtige Gebrauch, rohes Fleisch (Be-
sends) zu geniessen, stark verbreitet bei den Amharen,
konnte bei den Falachas keine Wurzel fassen, da sie das
Blut verabscheuen. Eine gepfefferte Sauce ist sehr in der
Mode. Ausser dem Wasser trinkt man oft, besonders
aber an Festtagen Meth (Thedy) und eine Art berauschen-
den Bieres (Thella). Da Bürgerkriege das Land ver-
406 Die AHiance Israelite Universelle.
heeren, so gibt es wenig Milch und noch weniger Butter.
Käse wird in Abessinien nicht bereitet.
Die Falachas bauen ihre Häuser stets in der Nähe
fliessenden Wassers, um ihre zahlreichen Waschungen
mit grösserer Leichtigkeit vollziehen zu können. Ihre
Möbel sind höchst einfach. Eine Matte oder ein Fell
dient ihnen als Tisch, als Stahl und als Bett, doch findet
man zuweilen auch das Alga oder das Angareb von Su-
dan, eine Art Bett, durch netzartig verschlungene Schnure
zusammengeknüpft. Flaschenkürbisse von verschiedener
Grösse dienen ihnen als Becher, Schüssel und Flaschen.
Zwei Steine zum Mahlen des Korns, des Kaffe's und des
unvermeidlichen rothen Pfeffers finden sich am Eingange
eines jeden Hauses vor. Eine Cisterne zur Aufbewahrung
von Wasser und gährendem Bier, einige Geräthe aus ge-
brannter Erde zur Zubereitung von Brot und anderen
Gerichten fehlen nie in einer gut eingerichteten Wirt-
schaft.
Die Gr uppirung der Häuser ist bei den Falaschas nicht dem
Zufall überlassen. Das Haus des Familienvaters ist immer in
der Nachbarschaft des seiner Eltern. Zur Seite ist eine
kleine Hütte errichtet, welche alle diejenigen aufnimmt,
die sich durch ein kaltes Bad bei Sonnenaufgang zu rei-
nigen haben. In einiger Entfernung vom Hause und manch-
mal selbst ausserhalb des Zaunes, welcher gewöhnlich die
Häusergruppe umgibt, gewahrt man die Hütte, welche für
alle diejenigen bestimmt ist, die sich erheblich verun-
reinigt haben, für Frauen während ihrer Regel, für die-
jenigen die einen Leichnam berührt haben u. s. w. Die Aus-
sätzigen werden noch vollständig abgesondert und sie
sind oft dazu verurtheilt, die schönsten Jahre ihres Lebens
unter dem Schatten eines Cactus oder Baobab zuzubringen.
Aus völligem Mangel aller medizinischen Kenntnisse
werden sogar oft Leute ausgeschlossen, die nicht das
geringste Symptom einer Krankheit aufzuweisen haben.
In einer Ecke des falaschischen Dorfes erhebt sich das
Gotteshaus, Mesgid d. h. „Ort der Anbetung" genannt,
dessen Bestimmung eher der des alten Heiligthuras als der
unserer modernen Synagogen gleicht. Das Allerheiligste
Die Alliance Israelite Universelle. 407
(OUpttlp) wird nur vom Hohenpriester am Versöhnungs-
tage betreten. Der übrige Theil des Tempels ist für die
Priester während des Gebetes geöffnet; das Volk stellt
sieh im Hofe auf, jedoch sind beide Geschlechter getrennt
Diese strenge Einrichtung namentlich in Betreff des Vor*
rechtes das dem Hohenpriester zustehet, ist bereits fast in
Vergessenheit gerathen, und die Naziräer betreten den
Tempel gerade so gut wie die Priester. In einer Ecke
des Hofes befindet sich der Altar aus rohen Steinen auf*
geführt; es werden Opfer daselbst gebracht, die eher den
Charakter einer herkömmlichen Ceremonie als den einer
vorgeschriebenen Pflicht an sich tragen. Darum sucht
man sie auch nie mit den Vorschriften des mosaisehen
Gesetzes in Einklang zu bringen. An Sabbathen und am
Jörn Kippur werden keine Opfer gebracht. Von allen
Opfern sind die gewöhnlichsten die für die Buhe der
Verstorbenen, wie dies auch bei den verschiedenen
Völkerschaften Abessiniens der Fall ist
. In der Umgebung des Tempels zerstreut liegen die
Wobnungen der Priester, welche das Heiligthuin bewahren.
Sie beobachten eine stränge Reinlichkeit, bebauen ihre
Felder, bereiten sich selbst ihre Nahrung und halten sich
fern vom Gewühle der Aussenwelt. Das Volk gibt ihnen
einen Theil der Ernte und auch andere Geschenke, na«
mentlich an .dem Vorabende der Hauptfeste. Die Priester
beschäftigen sich Vorzugsweise mit der Erziehung der
Kinder, denen sie die Bibel und die traditionellen Ge-
bräuche beizubringen suchen. Dasselbe thun die Asceten
oder Naziräer, die das Gelübde der Enthaltsamkeit und
des Cölibats abgelegt haben und geistlichen Studien sich
hingeben. Das Studium der biblischen Geschichte ist
ziemlich verbreitet. Unglücklicherweise wird die Schreib-
kunst nur selten in das Programm der Lehrgegenstände
mit aufgenommen.
In der Mitte des geweihten Umkreises lassen die Priester
ihre Gebete zum Himmel aufsteigen. Von Mitternacht
an hört man die hellen taktgemässen und melancholischen
Töne der Vorsänger, denen das monotone Recitativ der
Umstehenden erwidert Das Lob des Ewigen, die Erlö-
406 Die Alliance lsraelite Universelle.
sung Israels, die Liebe zu Jerusalem, der sehnsüchtige
Wunsch, eine glückselige Zukunft für die ganze Mensch-
heit eintreten zu sehen — dies sind die Ideen, deren
Ausdruck ihnen Seufzer and Thränen erpresst, untermischt
mit Ausbrüchen des Gefühls der Freude und Hoffnung.
Die Morgendämmerung findet die geweihten Schaaren der
Gottesdiener stets in Andacht versammelt und die Sonne
geht nie unter, ohne dass zuvor das Echo in der Um-
gegend durch die Laute dieser unermüdlichen Beter zwei-
mal herausgefordert worden wäre. Das mit dem Ausrufe
Abba! Abba! (Vater! Vater!) beginnende Gebet, wie auch
unter häufigen Kniebeugungen die Worte Abiel! Abiel!
(Herr! Herr!) werden mehrere Male mit einer ausser-
ordentlichen Inbrunst hervorgestossen. — Der häusliche
Herd ist nicht minder rein als das Heiligthuin. Die Frau
ist fast unabhängig, aber arbeitsam und massig, führt eine
reinliche Wirthschaft und lässt die Familie die Früchte
ihrer Arbeit gemessen. Sie besorgt das Hauswesen, und
der Liebe ihres Gatten gewiss, ist sie ihm in den schwie-
rigsten Lagen und Lebensverhältnissen stets treu zur Seite.
Polygamie ist gesetzlich nicht verboten, gilt jedoch für
tadelnswertb. Kebsehen sind gänzlich unbekannt. Hei-
ratben werden erst in reiferem Alter geschlossen, von
einem Ehescheidungsfalle hört man nur äusserst selten.
Die Neuvermählten geben in den ersten zehn Tagen nicht
aus dem Hause. Bei einem Todesfalle besorgen drei oder
vier Personen die Waschung und Beerdigung, das Volk be-
gleitet die Leiche bis zum Zaune des Begräbnissplatzes
unter dem Absingen von Gebeten. Sieben Tage später
rasirt man sich das Haupthaar und bringt das übliche
Todtenopfer Die Debteras und die Armen nehmen Theil
an dem Mahle und ermangeln dann nie, die Tugenden
desjenigen zu preisen, den die Familie eben verloren hat.
Die Falaschas, die sich eines guten Rufes als Land-
wirthe erfreuen, repräsentiren zu gleicher Zeit auch die
Industriellen im Lande. Alle Handwerke werden fast
ausschliesslich von ihnen betrieben Sie sind Schmiede,
Böttcher, Töpfer, Weber, Zimmerleute u. s. w. Viele unter
ihnen verstehen mehrere Handwerke zugleich. Die Frauen
Die Alliance Israelite Universelle. 409
sind ihren Männern bei der Arbeit behülflich und ver-
lassen sie nur, wenn sie die häuslichen Bedürfnisse zu
besorgen haben. Die jungen Knaben hüten die Heerden,
die jungen Mädchen gehen Wasser schöpfen oder ver-
bringen ihre Zeit mit Spinnen.
Der Handel ist bei den Falaschaß nicht gerade blühend.
Sie betrachten ihn als etwas der Redlichkeit Widerstre-
bendes und halten mit besonderer Strenge darauf, dass
die Beobachtung der religiösen Vorschriften nicht darunter
leide. Den Sklavenhandel verabscheuen sie vollends, er
gilt ihnen für gesetzwidrig. Wenn ein Falascha durch
Zufall in den Besitz eines Sklaven gelangt ist, so Versucht
er zunächst ihm die zehn Gebote und die Reinlichkeits-
gesetze beizubringen. Er wird fortan als Jude betrachtet,
darf nicht wieder verkauft werden, und seine Dienstzeit
beträgt höchstens sechs Jahre. Nach Verlauf dieses Zeit-
raumes wird er in den Schoss der jüdischen Nationalität
ohne irgend welche Beschränkung aufgenommen und in
allen Stücken als Jude angesehen. Die Sklaven hingegen,
die sich gegen die Glaubenslehren des Judenthums sträu-
ben, können weder zur Zubereitung von Lebensmitteln
noch zu anderen häuslichen Verrichtungen gebraucht
werden, da ihre Berührung jeden Augenblick beschwer-
liche Reinigungen erheischen würde. Solche Sklaven
werden sorgsam gemieden.
Wenn nun die Falaschas den Handel verschmähen, so
tragen sie doch nicht im Mindesten Bedenken, als Soldaten
in die Armee einzutreten. Sie sind sehr tapfer und ver-
theidigen sich mit viel Muth gegen ihre Angreifer. In
den Provinzen, wo sie in grösserer Zahl auftreten, wissen
sie sogar ihren Nachbaren Achtung einzuflössen, die sie
fast niemals ungestraft angreifen. Während z. B. die Fa-
laschas des Nordens die bittersten und grausamsten Er-
pressungen erdulden müssen, sind die jüdischen Bewohner
von Alyefer und Kuara ein Schrecken in den Augen
der A ulnaren. Der König Theodor zählte sie in seiner
Armee nach Tausenden, und unter den unglücklichen
Kriegern, die von Tsaddiq bei seinem Einfall in Alguäden
befehligt wurden, befand sieh eine grosse Anzahl Falaschas
410 Die Alliance Israelite Universelle.
aus Adiaba. Ihr Vaterland geht ihnen über Alles und sie
sind entröstet über Jedermann, der es wagt eine ungün-
stige Bemerkung Aber Abessinien und seine Bewohner
zu machen.
Die Justiz befindet sich in den Händen der Aeltesten
(Chimaqu61i£). Alle Klagen und Prozesse kommen vor
sie und ihrer Entscheidung fügen sich stets beide Parteien.
Niemand wagt es, sich zu widersetzen oder an eine am-
harische Obrigkeit zu appelliren. Die Falaschas sind meist
heftig, Streitigkeiten unter ihnen daher nicht selten. Jeder
vertheidigt seine Sache mit grosser Beredtsamkeit unter
ausdrucksvollen Geberden; aber dieses Feuer der Rede
wird nie auf die Spitze getrieben, und sobald Jemand als
Vermittler dazwischentritt, vergessen sie Alles was da
hätte geschehen können, und reichen sich brüderlich die
Hand. Zur Ehre der Frauen sei übrigens noch erwähnt,
dass sie fast nie das gute Einvernehmen mit den Nachbarn
durch Wortwechsel ihrerseits stören. — Die Religions-
einheit der Falacbas besteht seit undenklichen Zeiten.
Noch nie gab es ein Schisma oder eine Secte. Jede Pro-
vinz, jede Stadt unterwirft sich willig den Entscheidungen
ihres Priester und ihrer Debteras. Jede Gemeinde ist
autonom und unabhängig; nur wo es die Sache der Re-
ligion gilt, vereinigen sie sich zur Abwehr des gemein-
samen Feindes. Nur durch diese Einigkeit ist es den schwa-
chen und unwissenden Falaschas möglich geworden, gegen
das Andringen der heiligen Schaar der Missionäre und
gegen die vielen Bekehrungsversuche ,,ad majorem Dei
gloriam et ecclesiae" mit Erfolg Stand zu halten.
Die Falaschas nehmen unter den Juden eine ganz be-
sondere Stelle ein. Ihre Gebräuche und Geremonien
machen den Theologen im höchsten Grade stutzig. Sie
besitzen unseren ganzen Canon in aethiopischer Sprache,
nebst den von der abessinischen Kirche adoptirten apo-
kryphischen Büchern. Mehrere unserer ceremoniellen
Gebräuche finden sich bei den Falachas gar nicht, wie
z. B. die halbfeste Cbanukah und Purim. Andererseits
beobachten sie verschiedene Ceremonien und halten nament-
lich eine ziemliche Menge von Halbfeiertagen, die sich
Die Alliance Israelite Universelle. 411
auf andere apokryphische Bücher gründen, von denen
einige aus sehr verdächtiger Quelle zu kommen scheinen,
an der sie aber gleichwohl mit einer Zähigkeit festhalten,
die einer besseren Sache würdig wäre. Ohne Kenntniss
eines mündlichen Gesetzes haben sie ihr Verhalten nach
Gewohnheitsregeln eingerichtet, hervorgegangen aus einer
ganz besonderen Art und Weise der Textesauslegung,
die nicht immer mit der Erklärung der übrigen jüdischen
Secten übereinstimmt. Man umhüllt sich beim Gebete
nicht mit einem Talith; man kennt auch nicht den Ge-
brauch der Gebetriemen, ebensowenig sind die Thüren
mit der Mesusah versehen.
Bei einem Volke, welches schon seit Jahrhunderten
fern von den bewegenden Ereignissen der Welt sich be-
findet, kann man keine besondere Entfaltung der Geistes-
kräfte voraussetzen. Indessen haben wir auch hier einen
neuen Beweis, dass der jüdische Geist sich nirgends ganz
verläugnet. So haben auch die Falaschas ihre Literatur,
in aethiopischer Sprache nach Art der Apokryphen im
Stile der Midraschim geschrieben. Der Mysticismus, der
schon so viel Unheil angerichtet bat, ist auch bis nach
Abessinien gedrungen, mit seinem Gefolge von Daemonen,
Engeln und Zauberern. Beschwörungen und Amulette
sind bei den Falaschas minder gewöhnlich als bei den
Christen und Mohamedanern. Doch der blinde Glaube
des Volkes verschafft jedem Aberglauben leichten Eingang.
Man sieht nicht selten Falaschas sich an der Leetüre kab-
balistischer Namen aus Büchern erbauen, deren nicht-
jüdischer Ursprung unverkennbar ist und die man mit
grosser Kühnheit dem leichtgläubigen Volke aufzudrängen
nicht verschmäht
Die Traditionen, welche die Falaschas über ihren Ur-
sprung bewahrt haben, bieten ein Gemisch von Dichtung
und Wahrheit, das sehr schwer zu sichten ist. Sie be-
richten über ihre Einwanderung genau dasselbe, wie die
Christen, sie behaupten nämlich, die Abkömmlinge jener
jüdischen Gesandten zu sein, die das Ehrengeleite
der Maqu6da, der berühmten Königin von 8aba und ihres
Sohnes Menilek, der den König Salomo zum Vater hatte,
412 Die Alliauce Israel ite Universelle.
bildeten. Von ihren Schicksalen seit der christlichen
Aera wissen sie nur sehr dunkel und verworren zu er-
zählen. 8ie berichten, dass sie einst ein unabhängiges
Königreich unter der Herrschaft von Königen und Kö-
niginnen Namens Gideon und Judith, gebildet haben. Ein
ehrwürdiger Greis Namens Abba Guidon, der in Semen
wohnt, gilt für den Nachkommen der verfallenen Dynastie,
deren Namen er führt. Der ehemalige Gouverneur von
Semen, Oubiö, der sich übrigens zur christlichen Religion
bekennt, hält fest an dem Glauben, dass seine Familie
von jenen jüdischen Königen, seinen Vorfahren, nur durch
sieben Generationen getrennt sei. — Die Wiederherstel-
lung der jüdischen Nationalität ist einer der wichtigsten
Glaubensartikel bei den Falaschas. Ueber die Ankunft des
Messias haben sie keine theoretische Vorstellung, sie ge-
brauchen selten das Wort Messih, um die zukünftigen
Beherrscher der ganzen Nation zu bezeichnen, sondern
nennen ihn vielmehr „Sohn des Löwen", anspielend auf
seinen Ursprung, der aus dem Stamme Juda sein muss.
Bisweilen nennen sie ihn den grossen Theodor, eine Be-
nennung, die deu chiliastischen Legenden des abessinischen
Volkes entlehnt ist. Als sie zum ersten Male die Missio-
näre kategorisch behaupten hörten, dass der Messias be-
reits gekommen sei, beeilten sie sich an den obengenannten
Hohenpriester schriftlich die Frage zu richten, ob diese
Nachricht begründet wäre. Ihre Absicht lag offen genug;
sie würden im Falle einer bejahenden Antwort das Land
ihrer Verbannung schaarenweise verlassen haben.
Der Charakter der Falaschas hat einen Zug aufzuweisen,
der sie von den übrigen Völkerschaften Aethiopiens vor-
teilhaft unterscheidet. Im Gegensatze zum Abessinier,
der Alles wissen möchte und seiner Würde zu vergeben
glaubt, wenn er von einem Europäer etwas lernt, gesteht
der Falascha seine Unwissenheit ein und zeigt grosse Lern-
begierde. Weniger träge und bei Weitem einsichtsvoller
als die übrigen Völkerschaften haben die Falaschas die
Gabe, sich in kurzer Zeit den Sitten der civilisirten Na-
tionen anzupassen. Wenn die schöne Stirne des Falascha
nicht vom Zorne gefurcht ist, trägt sie eine gewisse sym-
Die Alliance Israeltte Universelle. 413
pathische Anmuth zur Schau, die man auch in allen seinen
Bewegungen wiederfindet.
Die Zahl der falaschischen Bevölkerung scheint eine
ziemlich beträchtliche zu sein. Bei der grossen Ausdeh-
nung des Landes und der isolirten Lage ihrer Wobnungen
ist es aber unmöglich, diese Zahl genau anzugeben. Die
Schwierigkeit hierbei wird noch grösser, indem Unsicher-
heit im Lande die Bewohner der Ebenen nöthigt, ihre
Wohnsitze zu verlassen und auf den Bergen ein Asyl zu
suchen.
Die weiten und fruchtbaren Ebenen von Dembea und
B6queineder, die einst so dicht bevölkert waren, gewähren
jetzt den Anblick einer Einöde; ihre ehemalige Bevölkerung
ist theils decimirt, theils zur Auswanderung veranlasst
worden. Doch war ich so glücklich, über diesen wich-
tigen Theii des jüdischen Volkes sehr genaue Angaben
zu erhalten. Mein Verzeichniss enthält nicht weniger als
160 Ortschaften mit ihren Namen und ihrer Einwohner-
zahl, die sich mitunter bis auf mehr als 11,000 Familien,
d. h. bis auf 50 oder 60,000 Seelen beläuft. Bedenkt man
ferner, dass die Zahl der Dörfer und Weiler im amha
rischen Lande unberechenbar ist und fast jedes dieser
Dörfer mehr oder weniger falaschische Familien enthält,
so ist man berechtigt, die Gesammtzahl der Falaschas min-
destens auf das Dreifache der im Verzeichnisse angenom-
menen Summe zu veranschlagen, d. h. auf ungefähr 30
bis 40,000 Familien oder auf 150 bis 200,000 Seelen.
Sie bilden demnach nahezu den 10. Theil der Bevölkerung
des Landes.
Die Beziehungen der Falaschas zu den Amhara sind
nicht minder merkwürdig. Der Abessinier braucht den
Juden, um sich von ihm die notwendigsten Acker- und
Hausgeräthschaften anfertigen zu lassen, auch hasst er
ihn nicht, obwohl er ihn für einen Ungläubigen, für den
Mörder des Heilandes hält. Im Gegentheil, der Aberglaube
schreibt den Falachas die ausschliessliche Eenntniss der
Magie und der übrigen Geheimwissenschaften zu, und so
werden sie dadurch ein Schrecken für ganz Amhara. —
Bis zum Regierungsantritte Theodors konnte der Jude
414 Die Alliance Israelite Universelle.
Verfraltungsbeamter sein. Dieser König, dessen Streben
auf Glaubenseinheit gerichtet war, nahm ihnen diese
Befugniss mit Gewalt Hierauf kamen die Proselyten-
m acher, die eine Verfolgung gegen diesen unschul-
digen Theil der Bevölkerung ins Werk setzten. Die fana-
tischen Europäer drangen bis in die friedlichen Woh-
nungen der Falaschas, man bestach die Einen, beredete die
Anderen, man rief den Arm der weltlichen Macht zu Hilfe,
um den Bekehrungen desto grösseren Nachdruck zu ver-
leihen. Geblendet von Ehrgeiz und Hass gegen das Juden-
thum, führten die protestantischen Puritaner ihre jüdischen
Neophyten der ketzerischen abessinischen Landeskirche
zu, nur um sich die Protection des Abanna, des Erzbischofs
der abessinischen Kirche, nicht entgehen zu lassen. — Man
bereitete einen Entscheidungsschlag gegen das sinaitiscbe
Gesetz vor und wollte unter grossem Aufsehen den Illu-
minaten von Europa den Sturz des Judenthums in Aethio-
pien verkünden. Mehrere falaschische Priester wurden
vor den Hof von Gondar zu einer religiösen Disputation
geladen. Die Fanatiker und Apostaten entwickelten hier-
bei eine angestrengte Thätigkeit, um dem Kreuze den Sieg
zu sichern. Ein panischer Schrecken bemächtigte sich
der bedrängten Falaschas, sie wähnten sich in die Zeiten
des Antiochus zurück versetzt. Aber bald zeigten sich
zum Glücke ihre Maccabäer. Die jüdischen Priester kamen
nicht allein, sondern begleitet von Hunderten ihrer wackeren
Glaubensgenossen. Der Disput begann und wurde mit
Hitze fortgeführt. Der König, gereizt durch die Hart-
näckigkeit der jüdischen Priester, befahl seinen Soldaten,
auf die Rebellen anzuschlagen. Doch unerschrocken riefen
diese einstimmig: „Wir sind jeden Augenblick Alle bereit,
für die Sache unserer Religion zu sterben". Der ritter-
liche König Theodor bewunderte die Standhafügkeit der
Falachas, entliess alsbald die Versammelten und schickte
den jüdischen Priestern kostbare Geschenke.
Die Sache der Missionäre verschlimmerte sich hierauf
von Tag zu Tag. Ja es kam so weit, dass ein Apostat
gegeisselt und hierauf in Fesseln gelegt wurde. Der
König Hess sich den Briefwechsel der Europäer über-
Die Alliance Israeli te Universelle. 415
setzen und musste die Kränkung erfahren, sich schmäh-
lich hintergangen zu sehen von Leuten, denen er mit
wahrhaft königlicher Gastfreundschaft entgegengekommen
war. Die Schuldigen wurden verhaftet, und auch Jene,
die sich zum Fürsprecher aufwerfen wollten. Die Fala-
schas athmeten wieder auf, ihre Verfolger waren wie
durch einen Zauber verschwunden. — Aber die geheimen
Schliche der Missionäre hatten gleichwohl den Juden be-
deutende Verluste bereitet. Ich meine nicht die Wenigen,
welche aus Furcht oder anderen Motiven dem Glauben
ihrer Vorfahren untreu wurden; ich meine vielmehr die
zahlreichen Opfer, die in selbstgewählter Verbannung den
Leiden und Entbehrungen erlagen. Europa weiss es heute
noch nicht, wie viel Thränen „die Apostel des Heils" in
diesen fernen Ländern erpresst haben, wie viel Blut ihret-
wegen geflossen ist. Die Furcht, auf einen Wink des
Herrschers das kostbare Erbe ihrer Väter zu verlieren,
scheuchte die Falascbas von ihren friedlichen Wohnsitzen
auf und sie betrachteten diese Leiden als Vorläufer der
messianischen Zeit.
Die kalte Ueberlegung musste den Vorspiegelungen
einer schrankenlosen Einbildungskraft weichen, eine un-
geheure Menge Männer, Frauen und Kinder verliessen
den heimathlichen Herd, ehrwürdige Greise übernahmen
die Führung des Zuges, indem sie mit Fahnen vorangingen
und Lobgesänge anstimmten. Ohne irgend welche Vor
sichtsmassregel, sogar ohne genügende Kenntniss des
Weges wandten sie sich gegen Sonnenaufgang hin, indem
sie sich mit der Hoffnung trugen, bis zu den Ufern des
rothen Meeres zu gelangen, das sie trockenen Fusses
durchwandern würden« •
Aber das Meer war noch sehr weit entfernt, als Mangel
an Lebensmitteln die Unklugen zwang, sich in Arum, einer
tigrischen Stadt, aufzuhalten Die Ebene daselbst war zwar
keine Einöde, aber das Klima sowohl als die vielen Ent-
behrungen hatten die Reihen dieser Unglücklichen sehr
stark gelichtet. Die Greise und Kinder erlagen zuerst.
Trotzdem liess man den Muth nicht sinken, und erst nach
unerhörten Anstrengungen liess man nach Verlauf von
416 Die Alliance Israelite Universelle.
drei Jahren das Project, nach Jerusalem zu ziehen, fallen.
Nur Trümmer kehrten von der ganzen 8chaar zurück;
in einem bejammernswerthen Zustande suchten sie ihre
Hütten wieder auf, die mittlerweile Hyänen und Scorpione
in Besitz genommen hatten. Ihre Notb ist grenzenlos,
doch gereicht es ihnen zum Tröste, dass kein Missionär
sich mehr bei ihnen blicken lässt. — Nach dieser Kata-
strophe erhoben sich die Falascbas, wie dies bei jeder
Minorität der Fall ist, nur sehr schwer von ihrem Sturze.
Die äusserste Armuth zwang sie, das Mitleid ihrer ent-
fernteren Glaubensbrüder anzurufen*. Die zahlreichen
Heerden, die sonst ihren einzigen Reichthum bildeten —
sie sind verschwunden. Der Falascba beschäftigt sich jetzt
mit Weib und Kind beim Pfluge oder treibt Bergbau, um
nur nicht Hungers zu sterben. Aus Furcht, nichts von
dem zu ernten, was er gesäet hat, überlässt er oft Anderen
sein Feld und sucht sein Leben durch Handel zu fristen,
der allerdings wegen der vollständigen Erschöpfung des
Landes nicht sehr einträglich ist. Er besucht die Märkte,
wagt sich sogar in die angrenzenden Ortschaften von
Sudan, aber seine Mühe ist umsonst; auf dem Rückwege
wird er von Soldaten oder Strassenräubern geplündert,
kommt arm und hülflos zu Hause an, und Alles, was er
den Seinigen mitbringt ist — ein väterlicher Kuss.
Diese gedrängte Skizze wird genügen, um die Sym-
pathieen der Alliance Israälite Universelle für diesen ent-
fernten Zweig des israelitischen Stammes rege zu machen.
Die Falascbas haben gerechte Ansprüche auf innige Theil-
nahme von Seiten der europäischen Juden. Ihr Recht
stützt sich auf folgende drei Punkte: 1) Sie sind Juden,
2) sie sind unglücklich, 3) sie haben das eifrige Bestreben,
sich geistig zu vervollkommnen.
Sie sind Juden, erfüllt von glühender Begeisterung für
den Glauben und die Lehren der heiligen Schrift, die sie
sludiren, in den Tempeln vorlesen und ihren Kindern lehren.
Wenn auch ihre Hautfarbe sie von uns unterscheidet, die
wir unter einer milderen Sonne geboren sind, so können
wir sie doch im Hinblick auf ihre edlen Gesinnungen und
vielen sonstigen Vorzüge mit Stolz als unsere Stammes-
Die Alliance Israelite Universelle. 417
und Glaubensbrüder anerkennen. Soviel als möglich
beobachten sie alle Ceremonien des mosaischen Gesetzes
und fügen sich willig allen Entbehrungen, die der Glaube
ihnen auferlegt. Lieber tausendfachen Tod erdulden, als
den Bund mit dem Ewigen brechen, ist ihnen Grundsatz.
Die Verschiedenheit ihres Ritas rührt bloss daher, dass
ihre Ansiedlung in Aethiopien noch in die vortalmudische
Zeit fallt. Oft ist sie auch aus einer verschiedenen Ueber-
setzung des Bibeltextes entstanden, Ihre Unkenntniss des
Hebräischen ist von keiner Bedeutung, wenn man bedenkt
dass schon die jüdische Bevölkerung in Aegypten vor
der Zerstörung des zweiten Tempels das Hebräische nicht
mehr verstand. Würde etwa Jemand es wagen, den jü-
dischen Ursprung der Werke eines Philo zu bezweifeln?
2) Sie sind unglücklich Haben schon die anderen Be-
wohner Abessinien's in Folge des Bürgerkrieges viel zu
leiden, so ist das Unglück der Falaschas unendlich grösser.
Vom Grosshandel sich fernhaltend, können sie als fried-
liche Handwerker nur mit Mühe ihr verlorenes Vermögen
wiedererwerben. Doch noch mehr als den Verlust ihrer
Güter beklagen sie den Raub ihrer Bücher. Eine grosse
Anzahl Dörfer besitzt kein einziges Exemplar des Penta-
teochs, auch die übrigen kanonischen Bücher sind sehr
selten. Der Falascha muss seinen Jesaias oder seinen
Psalter zu theuren Preisen von denen erkaufen, die sie
ihm entwendet haben; freudig gibt er seine letzte Kuh
bin, um zu seinem Buche wiederzugelangen, von dem er
sich nicht trennen kann. 3) Sie zeigen ein lebhaftes Ver-
langen, sich geistig zu vervollkommnen. Kaum hatten sie
von dem Vorhandensein Ihres Vereines vernommen, als
sie freudig ausriefen: „Welches Glück! Gott sei gelobt
dafür, dass er unseren Brüdern in Europa Interesse für
uns eingeflösst hat. Wir können zwar kaum lesen und
noch weniger schreiben, wir kennen die Sprache der
Propheten nicht, aber unsere Unwissenheit ist nicht eine
selbstverschuldete, sondern durch unsere Armuth uns auf-
erlegte. Unterweisen Sie uns, wenn Sie uns lieben, grün-
den Sie Schulen in unseren Dörfern, wir werden mit
Freuden unsere Kinder dahin schicken. Für jetzt geben
Frankel, Monatwchrift. XVII. 11. 32
418 Die Alliance Israälite Universelle.
wir Ihnen einen der Unserigen mit, erziehen Sie ihn im
Gesetze und in der Wissenschaft, wir werden seiner in
Zukuntt bedürfen.'1 So sprachen die Priester und das
ganze Volk, indem sie mir den Jüngling vorführten, wel-
chen sie der Sorge und Obhut der Alliance Isra&ite Uni-
verselle anvertrauen wollten. Der junge Mensch zeigte
sich mir sofort sehr anhänglich. „Führen Sie mich nach
Frankreich, so lauteten seine Worte, ich will gern die
Beschwerden der Reise erdulden, ich verlange auch we-
der Gold noch Silber, ich verlange nur Wissen." Ist dies
nicht Beweis genug, dass die Falaschas belehrt sein wollen
und der africanischen Barbarei entfliehen möchten? Ein
einziger Weisser erscheint vor. ihnen, in Lumpen gehüllt,
mit wenigen Geldmitteln versehen und der Landessprache
nur unvollkommen mächtig. Er gibt vor, Israelit zu sein,
man hat Mühe, es ihm zu glauben, doch endlich weichen
alle Zweifel und Bedenken dem unbedingtesten Vertrauen,
die Ueberlegenheit der Europäer findet Anerkennung,
und sie, die nie ihre Heimath verlassen haben und ausser-
dem von eingewurzelten Vorurtheilen gegen die Weissen
befangen sind, entschliessen sich einen der Ihrigen mit-
zuschicken in ein fernes Land, unter der einzigen Bürg-
schaft dieses jüdischen Reisenden, der zu ihnen von Be-
lehrung sprach. Nein, meine Herren, eine solche Nation
strebt gewiss nur darnach, sich uns zu nähern und mit
uns die Wohlthaten der Givilisation zu th eilen. — Ich bin
mit meinem Berichte zu Ende. Sie kennen jetzt die Fa-
laschas, ihre Bedürfnisse und Wünsche. Ich werde mich
glücklich schätzen, wenn mein Bericht dazu beigetragen
hat, dem heiligen Stamme Israels um einen mächtigen
Zweig zu bereichern, einen Zweig, der mitten in der
africanischen Barbarei sich frisch und saftig erhalten hat.
Es wird stets der Alliance Isra&ite Universelle zum Ruhme
gereichen, die Falaschas mit ihren Brüdern in Europa in
Verbindung gebracht zu haben.
Die hebr. Traditionen i. d. Gommentarien d. Hieronymus. 419
Die hebräischen Traditionen in den Gommentarien
des Hieronymus*).
Von
Dr. M. Rahmör, Rabbiner in Magdeburg.
(Fortsetzung.)
Nr. 28.
Hosea cap. VIII. v. 3. y\® ^TW1 fÜT. Zu der Uebersetzung
der Vulgata : „projecit Israel bonum" fugt Hieronymus im Com-
mentar erklärend hinzu: ,i. e. dominum suum, a quo appellatus
est Israel. Merkwürdig ist diese Uebereinstimraung mit dem
Midrasch, der sonst unter ^)1D die Tbora als das suinmum bonum
versteht (cfr. Aboth. VI. rfiTl tÖX 21Ü p*tt)t jedoch das 21B
in dem vorliegenden Verse, ganz wie Hierpn. es thut, auf „Gott"
bezieht, cfr. Jalk. II, Nr. 647 nö *?iT\W rUT W YIW VDX DH
b^b v'* 21E 'yo rQ"pn VOR yi® pW- — Während der Syrer und
die LXX. darunter ganz allgemein „Wohlthaten" verstehen,
folgt das Targ. dem Midrasch, und auch Ibn Esra erklärt
(sc ^nrc^) )b nro rww -03x1 nvn «n , aus .
Nr. 29.
Ibid. v. 6. JHSW bty DTP üPOSNf *2* Zur Erklärung des
a«a| leyoiuvov Q^—W fuhrt Hieron. zunächst sämmtliche ältere
Interpreten auf, aber von ihren Übersetzungen unbefriedigt
gelassen, thut er sich zum Schlüsse etwas darauf zu Gute, von
seinem Hebräer die wahre~Bedeutung gelernt zu haben. „Quod
LXX. et Thedotion, also lauten seine Worte, nXcrrmv interpretati
sunt i. e. seducens atque decipiens, Aquila errantibus
sive conversis, Symmachus inconstans vel instabile i. e.
axaxaouxxmv, quinta editio fepßeviow vagus et fluctuans. Man
sieht, dass diese Uebersetzungen das Wort nicht als ein ax. l$y.f
sondern als gleichbedeutend mit dem öfters, besonders im Jere.
mias (cfr. 3, 14 und 22. 31, 22. 50, 6) vorkommenden 0^3W an-
nahmen. Hieron. warnt vor einer solchen Verwechselung, indem
•) Siehe Jahrg. 1867 S. 103 - 108.
32
420 Die hebräischen Traditionen
er auf die verschiedenen Lesemütter aufmerksam macht. „In
Hebraico scriptum est Sebabim per Jod pen ultima m litter am,
non, ut quidam false putant, Sebabum i. e. per Vau1). Und
nun führt er triumphirend die eigentliche Bedeutung des Wortes,
wie er sie durch seinen hebr. Lehrer erfahren, an. Nos autem
ab Hebraeo didicimus, „Sebabim" proprie nominari „ara-
nearum fila" per aerem volantia, quae dum videntur intereunt
et in atomos atque in nihilum dissolvuntur. Diese, wie man aus
Hieron. ersieht, althebräische Uebersetzung des Wortes CQ2E?
(„Sommerfäden") hat sich merkwürdiger Weise weder in einer
älteren jüd. Quelle noch bei irgend einem der späteren jud.
Interpreten und Commentatoren erhalten. Das Targum, welches
es mit prr6 *n03 („Sägespäne'*) übersetzt (vgl. hiermit das tal-
mudische O^ttHn b& miDJ Chullin 88 b, Baba kama 119 und
Kelim 20, vom syr. kni „zersägen" wovon das hebräische ~ftt&&
Jesaj .10, 15„ die Säge"), hat es entweder für identisch mit Q'Hüttf*
„Trümmer, Splitter" genommen (so auch Kimchi), oder es von
dem aram. fcCW (Synhedrin 7 b) abgeleitet, welches dieselbe
Bedeutung hat (cfr. Raschi z. St.). Auch Nathan b. Jechiel
(Aruch s. v. 2TP IV.) hält es für gleichbedeutend mit D^IDItf ; er
verweist nämlich zur Erklärung des Wortes piattfÖ in der
Talmudstelle Sabb. 66 Dl« ^ mjH p 3 2WDW Dn3"i , nttfD SttPl
auf unser an. Uy. mit den Worten: 130 p^y] p^ZWW EH*VO
ITiT D^Mltf • Menachem leitet (im Lex. s. v. 3ttf) das Wort CCDltf
von ^tt? ab*), Ibn Esra hält es für gleichbedeuteud mit DTD^ttf
„Feuerfunken" (Hiob 18, 5, Daniel 3, 22; 7, 9).
Von neueren Exegeten hat Hitzig in seinem „Commentar zu
den kleinen Propheten" wieder darauf aufmerksam gemacht, dass
in der Erklärung des „hebräischen Lehrmeisters des Hieron.'*
') Hieron. mnss mit dieser Bemerkung das unterscheidende 1 in
der ersten Silbe des D^32lt? meinen (?). Oder sollte er die Stelle
Jerem. 50, 6, wo das K'ri DQ31# lautet, im Auge haben, das er selbst
— wie die Quinta hier zur Stelle — mit „vagari" übersetzt?
*) Aehnlich Abulwalid (siehe die Edition einer arabischen üebers.
der kleinen Propheten von Schröter, im „Archiv für wissenschaftliche
Erforschung des alten Testaments" herausgegeben von Dr. A. Merx.
II. Heft, p. 169).
in den Commentarien des Uieronytnus. 421
doch etwas Wahres Hege, da sowohl der Plural als auch das
im folgenden Verse gebrauchte Bild diese Uebersetzung („fliegen-
der Sommer") unterstützen. Auf diesen zweiten Beweis stützt
sich Hieron. — was Hitzig übersehen hat — in der That auch
in seiner Erklärung zum Verse 7, woselbst er sagt: Aranearum
telis Samariae vitulum comparat, idcirco metaphoram servat in
reliquis, ut quos aranearum telas dixerat, comparet vento et tur-
bini cultnisque non stantibus, et si steterint, farinam non haben-
tibus. In jedem Falle ist diese nur durch Hieron. auf uns ge-
kommene althebräische Erklärung eines «*. lef. für die Exegese
von Bedeutung.
Nr. 30.
Cap. IX. v. 9. njDjn v&O HTRtf IfPÖPru Die geschichtliche
Reminiscenz, die in den Worten: „wie in den Tagen zu Gibea"
liegt, bezeichnet Hieron. folgend ermaassen : Gabaa,quando uxorem
Levitae revertentis de Bethlehem illicito necavere concubitu.
Possumus „dies Gabaa" et illud tempus accipere, quando pro
Deo elegerunt sibi regem de urbe Gabaa, i. e. Saul. Diese bei-
den Momente werden in prägnanter Weise auch von Raschi her-
vorgehoben: ni cn&w im, wjhep, jn^n nyaa m cnnw on
*pÜ ürb )b*WW bltW njDa, der unter diesen QnDttt W jeden-
falls ältere hagadische Autoritäten versteht. Dieselbe Meinungs-
verschiedenheit gibt sich zu c. x. v. 9. ^tiep rwcn ronan ^ö^ö,
was das Targ. auf die Einsetzung Saul's zum Könige, Hieron.
auf die schändliche Ermordung des Kebsweibes zu Gibea be-
zieht. Hier entscheidet sich Raschi für die letztere Ansicht gegen
das Targum. Worin aber die Sünde des übrigen Israels
(ausser Benjamin) damals bestand, sagt uns wiederum Hieron.
„peccavit mihi omnis Israel, non quia ultus est injuriam et sce-
lus sanguine vindicavit, sed quia dolore maritali prosiluit ad
pugnam, et sacrilegium in Deum suum noluit vindicare, eo quod
in domo Michae Ephod et Teraphim, quae pro idolis adora-
bantur, neglexerit. Ebenso Raschi (zu Hosea 10, 9) TVTW ^üb)
ronan narte:* dt nrrtan *6 yb rbv m>pn vb) crrra f. v py
pÖ^Ä *Ä bV- Die ältere hebr. Quelle hierfür ist das Seder olam,
das ausdrücklich (cap. 12) sagt: bw l5?DO tTTi DTßJttD WD itfO
to!*d nnn rem idi wo
422 Die hebräischen Traditionen
Nr. 31.
Cap. X. v. 14 ^NTIN ITO pbw "IttO- Diese wegen ihrer
Anspielung auf ein sonst unbekanntes Factum dunkle Stelle über-
setzt Hieron. „sicut vastatus est Salmana a domo ejus, qui vin-
dicavit Baal", und bezieht sie, wie er im Commentar weitläufig
darthut, auf die Besiegung des Midjaniter- Fürsten Zalmuna
(yycbti) durch Gideon (^jnrp) (cfr. Judic. 8, 12). Es bestätigt
sich hier, was wir im ersten Theile unserer „hebr. Traditionen"
p. 71 durch zahlreiche Belegstellen erwiesen, dass Hieron. oft
nach dem blossen Gehör etymologisirt, sonst hätte er hier Tchw
mit yycbx9 und ^fcOlN mit ^jniT nicht verwechseln können*).
Dass Ycbw vielmehr eine Abkürzung von "lDfcÖÖ^ttN wie neuere
Exegeten (Keil, Delitzsch) und Lexicographen (Fürst) annehmen,
sei, bemerkt von jüd. Erklärern schon R. Tanchum. Dieser sagt
ist ein nom. propr. und man meint, dass es abgekürzt ISftOftbltf
den König von "TJttfN bezeichnet. "EROÖ^ttf ist vielleicht aus
zwei Nomin. zusammengesetzt, von denen das eine als bekannt
weggelassen ist." In der That findet sich die Zusammensetzung
mit "1QK in mehreren assyrischen Eigennamen, wie "1D&&B rfetfl $
jnrr-n».
Auch der Midrasch (Rabba zu Levit. c. 27 und Jalkut z. St.)
sieht in diesem Verse einen Hinweis auf die von einem assy-
rischen Könige verübten Grausamkeiten; er bezieht nämlich die
Schlussworte dieses Verses auf Sancherib n ^IHOttf STHnJO HT
TW1SD DOS bV CN. Vielleicht ist für anrUD im Midrasch
TOttifcbW zu ^sen.
8) Nur eine Kritik, die nach jeder noch so sinnlosen Leseart and
Conjectur hascht, wenn sie nur dem massoretischen Text entgegen ist,
vermag die irrthümlichen Verwechselungen des Hieron. für die rich-
tigen Lesearten in der Bibel zu halten. Cfr. Geig er 's jüd. Zeitschrift,
Jahrg. II, p. 257, Anm. „p^B> efraimitisch für Jttofci und ^JQ"P cor-
rigirt in ^31Ntt.
in den Commentarien des Hieronymus. 423
Nr. 32.
Ib. v. 5. )b*W VbV THM1 TSV VbV bOH *D. Wenn das Volk
darob (dass die goldenen Kalber in die Schatzkammer des assyr.
Königs wandern mossten) trauert, warum sind seine Götzen-
priester darüber erfreut? fragt Hieron. so recht im Geiste des
Midrasch — si autem luxit populus, quare aeditui ejus super eo
exultaverunt? — und gibt als Antwort folgende Sage von der
Pfiffigkeit jener Pfaffen zum Besten. Diese hätten nämlich die
massiv-goldenen Kälber schon früher für sich bei Seite gebracht
und an deren Stelle nur vergoldete zur Anbetung hingestellt.
Während das Volk nun jetzt bei der Wegfuhrung der vermeint-
lich goldenen Kälber den grossen Verlust betrauert, freuen sich
die Priester, dass man ihnen bislang auf den Betrug nicht ge-
kommen und dass der assyr. König so geprellt sei. Als dieser
später merkte, dass er hintergangen worden sei, habe er dem
Könige von Israel brieflich darüber Vorwürfe gemacht, und
darauf bezögen sich die Worte des nächsten Verses (V. 6),:
„Scham ergreift Ephraim und Israel ist bescjiämt ob seiner
Pläne", denn während sie durch jene Goldgeschenke die Gunst
der Assyrer sich erwerben wollten, mussten sie jetzt in deren
Augen als absichtliche Betrüger dastehen. Von dieser, durch
die Worte „Tradunt Hebraei" ausdrücklich als ,,hebr. Tradition"
gekennzeichneten und ganz den Charakter der Uagada tragen-
den Erzählung hat sich in den jüdischen Quellen unseres Wis-
sens keine Spur erhalten. Das Seder olam c. 22 bat nur die
trockene Notiz : 3HH b*V b&3 'Dl vbin fcQ nptb DnW rüWn
*fm im n« "n nm vnitö rrwv ctw nwnob •pni pnrc
'm nö nyb , )b -£rn bx rvariw amn bw bm 'di nw«
.4)bnv -nwxb im« a n "> wmn)
4) Um dieses CJ zu erklären, bemerkt R. Saadja (von Kimchi z.
St citirt), dass, nachdem das zn Dan aufgestellte Kalb schon früher
weggeführt worden, es hier richtig heisse: „Aach dieses (cL h. das zu
Bethel) u. s. w. (r&nn flfeü ITU? bty , mnb miN DJ). Schröter (im
Archiv für wissensch. Erforsch, d. a. Test herausgegeben von Merz,
p. 176, Anm. 4) übersetzt diese Stelle anrichtig: R. Saadja erklärt Ü3,
dass es einschliesse das Kalb, welches in Dan zuerst weggeführt wor-
den ist"
424 Die hebräischen Traditionen
Nr. 33.
Cap. XL v. 4. CIN ^2rD« Nachdem Hieron. den vorher-
gehenden Vers auf die göttliche Fürsorge, die dem Volke Israel
während des vierzigjährigen Zuges durch die Wüste zu Theil
geworden, bezogen (ähnlich dem Midrasch Jalk. II, 528, und
Mechilta zu n^ttD) fährt er, die angeführten Worte erklärend,
also fort: Curavi autem eos propter funiculos et vincula chari-
tatis, quibus mihi Abraham, Isaac et Jacob astrinxeram. Auch
in der angeführten Jalkutstelie wird dieses CIN in prägnanter
Weise unter Anderem auf einen der Stammväter bezogen: K"T
SpJP n] DIN ^ÜPD Abrabanel bezieht es auf Mose 0"1N ^3rO
•rwö m ein nnro '£d
Die Schlussworte dieses Verses ^31N I^N ENI übersetzt
Hieron. „declinavi ad eum ut vesceretur" und erklärt im Com-
mentar „quod cibum mannae ad eum fecit declinare". Ebenso
fasst es der Midrasch (Jalk. 1. c.) und auch das Targum über-
setzt in diesem Sinne : bj^b *Q1B ])rb TI3DN tmiM flPI 13 P)K1
Dagegen leiten -die LXX., Tanchum und Raschi das Wort von
b)D ab, Letzterer erklärt: plD^D bty b^Drh TO *b TPBn-
Nr. 34.
Cap. XII. v. 1. *>N cy Tl *i$ TVTm* Wie sehr Hieron.
nicht blos in seinen Erklärungen zur Bibel, sondern auch bei
seiner Bibelübersetzung unter dem Einflüsse der jüdischen
Sage steht, geht aus der vorliegenden Stelle wieder klar hervor.
Er übersetzt dieselbe nämlich: „Judas autem testis descendit
cum Deou. Nun wird jeder mit der älteren jüd. Sagenkunde
Vertraute durch diese Uebersetzung (die "|'y = "|j; und T"} = "n^
nimmt) sofort an die in den Talmuden und Midraschim öfters
wiederkehrende hagadische Erzählung, wonach der Stamm Juda,
sein beherzter Stammesfürst an der Spitze, beim Durchzuge
durch das rothe Meer das meiste Gottvertrauen bewiesen und
den ersten Schritt in's Meer gethan hätte, erinnert. Der ur-
sprüngliche Bericht, der ebenfalls an die vorliegende Propheten-
stelle anknüpft, scheint Sota 37a enthalten zu sein: ^NlttP HÖJJttQ
yE>? 'di pN -)äin rm g^ rfcnn tw *» pN iöw rn '2) ar\ bv
rtcncm am» wraa waao 'w rbr\n ab -pro yvmv p iwre
in den Commentarien des Hieronymus. 425
rburco tmnh mxv roi *p*Eb , bx nv in ny mm Sarran ro
'Di wnp!? mp nrvn w 5*nnra (cfr. Jaik. i, 234. 11, 799).
Hieron. fuhrt diese Sage, um seine auffallende Uebersetzung
dieses Verses zu motiviren, in aller Ausführlichkeit an : „Tradunt
Hebraei hujuscemodi fabulam: In exitu Israel ex Aegypto, quando
ex alia parte mons, ex alia rubrum mare, et ex alia Pharaonis
exercitus cingebatur, et inclusus populus tenebatur, ceteris tri-
bubus desparantibus salutem et aut reverti in Aegyptum aut
bellare cupientibus, solus Juda fideliter ingressus est mare;
unde et regnum meruit accipere, et hoc esse quod nunc dicatur:
Judas testis sermonum Dei et astipulator ac vindex descendit
cum Deo in mare, et inter sanctos fuit fidelissimus, ut vcrbis
jubentis crederet Dei." Während nun beide Relationen inhalt-
lich genau übereinstimmen, ja sogar bis auf die Schlussfolgerung
„unde et regnum meruit accipere" (rfctPEE TOtf]^ iTTVl1 rDT^D^t
scheint doch die exegetische Operation bei ihnen eine verschie-
dene zu sein; denn während der Talmud seinen Beweis haupt-
sächlich aus dem Wörtchen "H, das er für gleichbedeutend mit
TV1 nimmt, führt5), lässt Hieron. ausserdem (denn T1 übersetzt
er ebenfalls „descendit") das Wörtchen -|y als „Zeuge" (-|j;)
auftreten. Allein auch diese Umbiegung des iy in "j; scheint
nicht bieronymianisch, sondern ebenfalls talmudisch zu sein, wie
aus folgender Jalkutstelle (11,35) ersichtlich: -jöNC "VKÖ '"1 rm
bpbp , üD2 onx ony 'm G2»n cnnm m c*ot btnvn tytcd
uro T»yn b*-\w rra rtcnm) anw raran ^nao 'w cösw
•rnvT enw
Bemerkens werth ist, dass R. Meir, auch sonst als Textes-
kritiker bekannt ('31 2TO M&O TKÖ 1 bw V1BD2 , cfr. Midrasch
rabba zu Gen. c. Jerus. Taanith I.), der Autor dieser hagadischen
Cunjectur ist.
Wir führen einer ähnlichen Conjectur wegen hier noch die
Worte des Hieron. zu Zephanja 3, 8 TJjS ^p CVb *n; er sagt
daselbst: Ubi nos transtulimus „in die resurrectionis meae in
*) R. Meir zerlegt (ibid.) zu ähnlichem Behufe das Wort Dfl
(Ps. 68, 28) im ü; Tl.
426 Die hebräischen Traditionen
futurum", omnes interpretati sunt „in testimoniumu. H e-
braeus, qui me in scripturis instituit asserebat, "ip^ in
praesenti loco magis slg foi (i. e. in futurum) debere intelügi,
quam „in testimonium", ny enim, quod scribitur per litteras 'p
et '"1 et Jkt? et ^utQTvqto*" intelligi. Wer sind die „omnes", die
nach Hieron. das hiesige "lj^5 mit „in testimoniuin" übersetzen?
Man sehe nur die LXX., die Pescbittho, auch das Targum.
Doch die beiden letzteren kannte Hieron. nicht. Sieht man sich
aber bei den Agadisten um, so findet man, dass sie offenbar für
Hjfe zur Stelle ig^ gelesen haben. Man vergleiche Jalk. II. 567.
T]6 Wp DV6 "H C*0 ^ DH p^ 'W • Noch deutlicher ist dies
aus der folgenden Stelle (Jalk. ib.) zu ersehen: iftip Qvfy fct"n
.'Di wnb wp cra -116
Nr. 35.
Wir fassen zum Schluss hier mehrere Stellen aus diesem
Propheten zusammen, an denen Hieronymus mit Hülfe seiner
hebr. Sprachkenntnisse eine gesunde Kritik der betreffenden
griechischen Uebersetzungen übt6).
1) IX, 12. cnö "Hltap üH? ^N* *n eo l°co> <luo nos diximus:
„Vae iis cum recessero ab eis", LXX, ei Theodotio trans-
tulerunt: Vae eis, caro mea ex eis. Quaerensque causam,
cur sit tanta varietas, hanc mihi videor reperisse: „Caro
mea" lingua Hebraea dicitur „Besari", rursum si dicamus
„recessio mea" sive „declinatio mea" dicitur „Besuri"
LXX. igitur et Theodotio pro eo quod est „recessio mea"
verterunt „caro mea".
2) ibid. v. 13. yßb TP*T) "IttffrO D'HDN. Rursum ubi nos
posuimus: „Ephraim, ut vidi Tyrus erat", LXX. inter-
pretati sunt „öi)Qctv i. e, venationem sive capturam" Aquila,
Symmachus etTheodotio„petram durissimam, i. e. silicem'4,
6) Einige hierher gehörige Stellen haben wir im Jahrg. 1865 dieser
Monatsschrift sub Nr. 4, 5 and 6 mitgetheilt.
in den Commentarien des Hieronymus. 427
quod lingua Hebraica appellatur „Zur'4 quod si legamus
„Zor" Tyras dicitur. Patantes autem LXX. interpretes
ob literarum similitudinem Daleth et Res non esse „Resu
sed „Daleth" legerunt „Zud" i. e. „venationein sive cap-
turam", unde et „Beth-Zaida" domus dicitur venatorum".
Auf eine ähnliche Buchstabenverwechselung macht Hieron.
auch zu folgenden beiden Stellen aufmerksam:
3) Ibid v. 6. IfcnS Quod autem in LXX. dicitur „Machmas"
in Hebraeo non habetur sed „inachmad". Ex quo per-
spicuum est, falsos eos esse similitudine literarum • et 1.
4) Ibid. v. 7. WT Et in hoc loco error est solitus. Ubi nos
interpretati sumus „scitoteu et in Hebraeo legitur „jedeu"
LXX. transtulerunt „xal xonurfhpttTai" i. e. „et aftligetur",
Jod literam Vau putantes, et pro ~| legentes -).
5) XII, 12. C^ttf Hieron. übersetzt richtig „bobus" und rügt
den Irrthum der LXX., die „afzottt? übersetzen, also C^ttf
• T
gelesen haben" verbi similitudine atque ambiguitate de-
cepti.
6) XIII, 3. rE"lfc5 WV2} die LXX. lasen rGHNÖi wozu Hier,
bemerkt: Apud Hebraeos „locusta" et „fumariuin" iisdem
scribitur literis.
7) Ib. v. 7. WX. Hier liest Hieron. mit den LXX "YKtfgs
ebenso die Peschittho.
8) Ib. v. 14 5P12n VtK- Hieron. übersetzt: Ero mors tua —
er nahm ViN = .Tritt» ebenso Symmachus; die LXX und
Aquila übersetzen nov r\ dixq 6ovt sie fassten V"|X richtig als
Fragepartikel — ;-pK, leiteten aber T"OT von "HT statt von
131 ab — legentes „Dabar*' pro „Deber" rügt Hieron.
Das Targ. that dies ebenfalls vjfca >pp.
9) XIV, 3. C^D« Pro „vitulis" qui Hebraice appellaotur
C^B» LXX. *a$*6v i. e. „fructum'c transtulerunt, qui dicitur
V}p, falsi sermonis similitudine.
428 Analekten.
A n a 1 e k t e d.
Zur Mischna der Middot.
Von
Dr. Berliner.
Ein weiteres Fragment dieses von Dr. Steinschneider zum
70. Geburtstage des Dr. Zunz veröffentlichten, jedenfalls aber
noch nicht vollständigen Schriftchens1), glaube ich im Jalkut
Abschnitt Pekude nachweisen zu können. Was wir nämlich
dort von § 419 an bis 427 lesen, gehört den 49 Middot an, so
weit wir dies aus folgenden drei Citaten im Raschi-Commentar
folgern dürfen. Was Raschi zum 2. B. M. Cap. 27 Vers 5 nom.
nnfc ü"ft anfuhrt, lesen wir § 419 des Jalkut in den Worten:
Ebenso ist im § 421 diejenige Stelle enthalten, die Raschi
zum 2. B. M. 26, 5 mit den Worten n"3 p*lN n^TD anfuhrt;
indem er die betreffende Erläuterung der des Talmud zu Sab. 89b,
womit noch Cap. 2 der Baraita der Stiftshütte übereinstimmt,
entgegen hält. Nur muss dort im Jalkut (wir citiren nach der
Lemberger Ausgabe v. J. 1858), wie leicht zu ersehen, verbessert
werden flfcK 'fc pm und niftN n"3 pIN"). Auch was Raschi
zum V. 13 des Cap. 26 ohne Weiteres anführt -p-| mm mö^
1) Den dort 8. 6 zusammengestellten Citaten ist noch Raschi zum
1. Bach der Könige Cap. 7, Vers 17, ausser Vers 16 (es mnss nämlich
dort sub 3 Vers TLD heissen) nachzutragen. Zum Citat sub N ist noch
hinzuzufügen, dass Raschi nur in Sukka 8 den mathematischen Satz
])2MÜ HDD ausdrücklich aus den 49 Middot anführt (der sich
übrigens ausser Oholoth 12 auch in der Baraita der Stiftshütte
Cap. 12 findet), nicht aber in Erubin 14 b, 56 b, 57 a, 76 b, auch nicht
in Baba bathra 27 und im Buch der Könige Cap. 7, Vers 26.
*) Nach dem Commentar pyi rW ist dort auch noch zu emen-
diren: statt D^D (3) Dmpy muss es heissen D^D '3; ferner ist statt
niDN PlJrtPn - 2 Mal dort — niDN nJlDGP zu lesen , wie es auch aus
Raschi zur Stelle zu ersehen ist.
Recensionen und Anzeigen. 429
PiDVl bV OH GIN NTPltf |HK findet sich ebenfalls im § 422 des
Jalkut. Ein anderes Citat Raschi's, nämlich das zu Psalm 78, 16
dürfte sich im § 426 nachweisen lassen. Obwohl dieser Midrasch
eher dem Tanchuma zum Abschnitt npn (von dorther haben ihn
auch Jalkut npn und Raschi zu 4. B. M. 21, 18 abgeholt) ange-
hörig ist, so ist doch auch in den Worten des Jalkut
u. s. w. ünrci tnw bi pn Gnro
eine annähernde Analogie für diesen Midrasch wiederzuerkennen.
Es darf demnach angenommen werden, dass das, was der
Jalkut im § 419 von ")EK rP£i"D "1 » vielleicht auch erst von den
Worten "Eflin T"1K an'), bis zum 427 hin anonym bringt, der
Mischna der 49 Middot angehört, während der Schluss § 427
der Baraita der Stiftshütte Cap. 11 wörtlich entnommen ist.
Revisionen und Anzeigen.
Kanngiesser, Dr. Gustav. Die Stellung Moses Mendelssohn's
in der Geschichte der Aesthetik. Frankfurt a. M. 1868.
F. Bovelli'sche Buchhandlung. VIII. S. 115.
Es darf als ein eigenthümliches Verdienst unserer modernen
Literatur bezeichnet werden, dass sie sich die Aufgabe gestellt
hat, das Urtheil über gewisse historische und literarhistorische
Thatsachen und Persönlichkeiten, welche durch der Zeiten Gunst
oder Ungunst getragen einer gerechten Würdigung bisher noch
»>»
•) Es ist dort eine ganze Confasion der einzelnen Theile zu be-
merken; der Anfang des § 419 ~1D1K J"l gehört wahrscheinlich vor
die Worte "OTITI "pN bis zum Schiasse des Paragraphen, dessen Fort-
setzung im § 420 mit den Worten *y\Wü rpn 7riNn erscheint. Die dort
gegebene Vergleichung der Stiftshütte mit dem Kosmos aber, begin-
nend in § 419 mit den Worten rwü TWyV TJflD br\X bis QW JINI
Dil/ n&]ftP ist in § 420 Anfang weiter zu lesen. — Uebrigens ist diese
Vergleichung sehr lückenhaft, wenn man die Parallelen im Tanchama
Abschn. Peknde und Midrasch der Psalmen Cap. 26 beachtet.
490 Reeensionen and Anzeigen.
entbehrten, za berichtigen und dareh eine nochmalige ond ge-
nauere Revision der Acten die oft verletzte historische Gerech-
tigkeit wieder herzustellen. Dass ein solches Bestreben jedoch
gereizt durch den Gegensatz, in welchen es sich mit der herge-
brachten Meinung befindet, zumeist der Gefahr ausgesetzt ist, in
Uebertreibung und Paradoxie auszuarten, ist eine in unserer
Zeit der „Rettungen" oft gemachte Erfahrung. Es bedarf daher
in den meisten Fällen erst einer dritten vermittelnden Ansicht,
welche mit Vermeidung beider Extreme Lob und Tadel auf ihr
richtiges Maass zurückzuführen und ein nach allen Seiten hin
gerechtes und befriedigendes Endurtheil abzugeben im Stande
ist. Dass jedoch eine von so verschiedenen Standpunkten aus-
gehende Beurtheilung sich nur an solche Ereignisse und Persön-
lichkeiten knüpft, welche dem geschichtlichen Beobachter von
ganz besonderer Bedeutung und eigentümlichen Interesse zu
sein scheinen, liegt in der Natur der Sache.
Diesem wechselvollen Schicksale nun inussten auch die
Schriften Moses Mendelssohn's unterliegen. Während sie bis
an das Ende des vorigen Jahrhunderts nicht nur allgemein hoch-
geschätzt and gerühmt wurden, sondern sogar unter den vor-
züglichsten Erzeugnissen des deutschen Geistes eine der ehren-
vollsten Stellen angewiesen erhielten, sind sie seit der weiteren
Verbreitung und Entwickelung der kritischen Philosophie in
ungebührlicher Weise herabgesetzt und vernachlässigt worden.
Die Fortschritte, welche man seither in der deutschen Philoso-
phie offenbar gemacht hatte, und durch welche die Leibnitz-
WolfFsche Philosophie allerdings überwunden worden war,
gaben die Veranlassung, dass man die Vertreter der sogenannten
Popularphilosophie mit ungemeiner Geringschätzung behandelte
und sie in Bausch und Bogen verurtheilte. Da man sich um die
Verschiedenheit der einzelnen Individualitäten nicht viel beküm-
merte, so stand mau nicht an, ein Urtheil, das vielleicht auf
einen Nicolai noch anwendbar war, auch auf Mendelssohn aus-
zudehnen. Eine Folge dieser oberflächlichen und obenhin ur-
theilenden Betrachtungsweise ist es z. B., wenn Hegel (Vorles.
über d. Gesch. d. Philus. Bd. III. pag. 537) auf den seltsamen
Einfall gerätli, Mendelssohn eine so unbegrenzte Eitelkeit zur
Last zu legen, dass er sich für den grössten Philosophen ge-
balten habe und Niemanden neben sich habe wollen aufkommen
Reccnsionen und Anzeigen. 431
lassen. Wer einem Manne wie Mendelssohn, dessen ausser-
ordentliche Bescheidenheit von Allen, die je mit ihm in Be-
rührung gekommen sind, nachdrucklichst hervorgehoben wird,
derartige Vorwürfe zu machen im Stande ist, von dem darf es
uns auch nicht Wunder nehmen, wenn er in seiner Beurtheilung
der litterarischen Leistungen Mendelssohns an Ausdrücken,
wie Flachheit, Unwissenheit und ähnl. fast unerschöpflich zu sein
scheint. Dem Beispiele ihres Meisters folgend hat es denn die
HegePsche Schule überhaupt an ebenso schiefen wie ungerechten
Urtheilen über Mendelssohn nicht fehlen lassen. Uns genüge
es hier, auf die Darstellung zu verweisen, welche Rosenkranz
in seiner Geschichte der Kant'schen Philosophie von Mendels-
sohn gibt, um einzusehen, zu welchen Albernheiten ein übel an-
gebrachter Pragmatismus in Hegelscher Manier selbst einen sonst
so feinen Kritiker, wie es Rosenkranz unleugbar ist, zu verleiten
vermag. Um den gewaltigen Eindruck zu erklären, welchen
Mendelssohn auf Männer wie Garve, Lessing und Kant gemacht
hat, begnügt man sich, daraufhinzuweisen, dass es vorzugsweise
der Jude Mendelssohn gewesen sei, an welchem die damalige
Zeit ein so hervorragendes Interesse nahm, weil man erstaunt
war, „einen aufgeklärten, mit so viel Geist und Charakter aus-
gestatteten Juden und in ihm die Sehnsucht nach dem allgemein
Menschlichen, für das man schwärmte, verkörpert zu sehen."
So viel Richtiges auch einerseits diese Bemerkung enthält, so
bot sie doch andererseits ein Vehikel, Mendelssohns Verdienst
um die deutsche Litteratur herabzusetzen und die ihm zuerkannte
Stellung in derselben einzig und allein auf diesen äusserlichen
Umstand zurückzufuhren. Man kann zugeben, dass ein gut Theil
der Begeisterung, welche man Mendelssohn entgegenbrachte, der
ungewohnten Erscheinung eines vollständig auf der Höhe seiner
Zeit stehenden Juden galt, ohne ihn deshalb in eine Reihe mit
Männern wie Sulzer, Teller oder Engel zu stellen. Man kann
es für eine Ueberschwänglichkeit jener Zeit erklären, wenn man
damals in Mendelssohn einen zweiten Sokrates zu sehen glaubte,
oder wenn selbst Lessing (freilich in einem Briefe vom Jahre
1754) von ihm sagt: „seine Redlichkeit und sein philosophischer
Geist lässt mich ihn im Voraus als einen zweiten Spinoza be-
trachten, dem zur völligen Gleichheit mit dem ersten nichts als
seine Irrthümer fehlen werden"*, man kann solchen Uebertrei-
432 Reccnsionen und Anzeigen. *'
bungen, deren sich übrigens jede Zeit ihren hervorragenden
Männern gegenüber schuldig macht, mit einer kuhleren und un-
befangeneren Beurtheilung entgegentreten, ohne für die wirklich
bedeutenden Vorzöge des Mannes blind zu sein, wie es eine
Zeit lang in der Kritik Mendelssobn's der Fall war.
Wir müssen es daher als einen Fortschritt anerkennen, wenn
in neuester Zeit Danzel und Hettner dieser zu weit getriebenen
Reaction ein objectiveres und daher milderes Unheil entgegen-
setzten und so einer gerechteren Würdigung der Mendelssohn'schen
Verdienste um die deutsche Literatur Eingang zu verschaffen
wussten. Auf Grund dieser Vorarbeiten nun, welche den Ver-
fasser der von uns zu besprechenden Schrift in seinen Studien
über Mendelssohn nicht wenig förderten, von welchen er jedoch
die Hettner'sche, unserer Ansicht nach, zu sehr unterschätzt,
unternimmt es derselbe, Moses Mendelssohn die Stellung anzu-
weisen, welche ihm in der Geschichte der Aesthetik gebührt.
Im ersten allgemeinen Theile seiner Arbeit versucht es der Verf.,
auch seinerseits die Vorurtheile zu widerlegen, welche so lange
auf der Zeit der Aufklärung und der Popularphilosophie lasteten,
und die Bedeutsamkeit dieser Periode für die Entwickelungs-
geschichte der deutschen Philosophie in das rechte Licht zu
stellen. Der Verfasser schliesst sich der Auffassung Kuno Fischer' s
an, nach welcher die Aufklärungsperiode von Leibnitz erzeugt
in Lessing ihren grössten Vertreter findet und auf einen Kant aus-
geht. Es lässt sich nun darüber streiten, ob eine derartige Auf-
fassung, welche freilich für denjenigen, der wie Kuno Fischer
bemüht ist, überall eine geradlinige Entwickelung der philoso-
phischen Systeme und Standpunkte nachzuweisen, ausserordent-
lich viel Bestechendes hat, in Wahrheit begründet und berech-
tigt ist; das jedoch muss man derselben einräumen, dass sie
ausserordentlich geeignet ist, die historische Forschung anzu-
regen und in längst aufgegebene Gebiete zurückzulenken.
Wir sind zwar nicht der Ansicht, dass es, um der Zeit der
Aufklärung gerecht zu werden noth wendig sei, sie so weit nach
rückwärts auszudehnen, wir können uns auch dazu nicht bere-
den lassen, dass es gerade die Aufklärung gewesen sei, welche
einen Lessing gezeitigt, und müssen es endlich auch in Abrede
stellen, dass Kant in seinen Leistungen für die kritische Philo-
Recensionen und Anzeigen. 433
sophie von den Anschauungen der Auf klarung wesentlich beein-
flusst worden sei.
Allein dies sind Fragen 5 welche den eigentlichen Kern des
von unserem Verfasser behandelten Gegenstandes Wenig berühren.
Indem der Verf. auf Moses Mendelssohn übergeht, macht er
mit Recht auf das nicht geringe Verdienst der Popularphilosophie
aufmerksam, welches darin bestand, dass sie sich bemühte, ein
Feld der Wissenschaft wieder anzubauen, welches der voran-
gegangenen Zeit der Aufklärung fast vollständig abhanden ge-
kommen war, wir meinen die philosophische Aesthetik. Diese
auffallende Vernachlässigung der Kunstbetrachtung hatte ihren
Grund nicht nur in der Nüchternheit, und Unempfänglichkeit
jener Zeitrichtung, deren vorherrschende Tendenzen auf Mora-
lisirung und Aufklärung des Volkes gerichtet waren sondern
hängt zum grossen Theile auch mit der niedrigen Stellung zu-
sammen, welche der Sinnlichkeit oder, wie sie damals hiess,
dem unteren Seelenvermögen in der unumschränkt herrschenden
Leibnitz-Wolff 'sehen Philosophie zuertheilt wurde. Obwohl
Leibnitz selbst durch seine wunderbare Universalität davor ge-
schützt war, die Bedeutung der Aesthetik zu übersehen oder
zu unterschätzen und in der That auch nach dieser Richtung hin
manchen anregenden Gedanken geäussert hatte, so lag doch der
Keim der gerügten Vernachlässigung schon in Leibnitzen's Auf-
fassung der Sinnlichkeit als verworrener und dunkler Vorstel-
lung. Ja selbst zur Zeit, als durch Baumgartens Einführung
der aesthetiseben Wissenschaft in das System der damals do-
minirenden Zeitphilosophie kunstphilosopbische Untersuchungen
wieder in Schwung gekommen waren, hatte die neue Lehre einen
harten Kampf zu bestehen, bis sie diesen Begriff und seine Con-
sequenzen völlig überwand. Wir glauben, dass dieser Umstand
von dem Verfasser unserer Schrift mehr hätte hervorgehoben
werden müssen, als es von ihm geschieht. Dass jene Leibnitz'sche
Lehre in der That von so nachhaltigem Einflüsse auf das Schick-
sal der Aesthetik gewesen ist, beweist übrigens am treffendsten
der Umstand, dass Baumgarten einer Entschuldigung dafür zu
bedürfen glaubte, dass et* der Untersuchung jener Wissenschaft
seinen Fleiss zugewendet habe, trotzdem den aesthetiseben Be-
strebungen doch nur ein Werth für die niederen Seelenkräfte
beiwohne. Ritter, in seiner Geschichte der Philosophie, vergleich
F r a n k e 1 , Monatsschrift XVII. 11. 33
434 Recensionen und Anzeigen.
diese Aensserung passend mit der Entschuldigung Wolff's darüber,
dass er empirische Kenntnisse der Philosophie beigemischt habe.
Es lässt sich nun leicht einsehen, dass wer mit solchen Ansich-
ten über den Werth seiner Wissenschaft an die Bearbeitung der-
selben geht, wie es bei Baumgarten der Fall war, nicht gerade
befähigt ist, derselben einen höheren Aufschwung zu geben.
Und in der That muss man Baumgarten's Verdienst dahin be-
schränken, dass er es war, der zuerst die Aesthetik als ge-
schlossene Wissenschaft hinstellte, die verschiedenen Thexle der-
selben unter dem neuen, Allen gemeinsamen Namen vereinigte
und dem so zu Stande gebrachten Ganzen seine Stelle im Systeme
der philosophischen Wissenschaften anzuweisen bemüht war.
Positive Leistungen auf diesem Gebiete lassen sich ihm wohl
wenig nachrühmen.
Unter den Nachfolgern und Fortsetzern Baumgartens ist es
nun Moses Mendelssohn, welcher vor Allen die Theorie der
schönen Künste am glücklichsten bearbeitete und ihre Grenzen
nicht unbeträchtlich erweiterte. Das Verdienst unseres Verfassers
ist es daher, zum ersten Male mit grösserer Energie darauf hin-
gewiesen zu haben, dass auf diesem Gebiete der Schwerpunkt
der litterarischen Thätigkeit Moses Mendelssohns zu suchen sei.
Es würde ein unnützes Unternehmen sein, wollten wir hier, dem
Gange unseres Buches folgend, durch Auszüge aus demselben
zu zeigen versuchen, wie der Verfasser seiner Aufgabe, Moses
Mendelssohn's Verdienste um die Aesthetik nachzuweisen, gerecht
wird. Da der Verfasser den richtigen Weg einschlägt, durch
Analyse der hierher gehörigen Schriften Mendelssohn's und durch
eine sich hieran knüpfende Besprechung der gewonnenen Re-
sultate dem Leser ein klares Bild von der hohen Bedeutung
Mendelssohn's als Kunstphilosophen zu liefern, so würden wir
weder dem Verfasser noch dem Leser einen Dienst damit er-
weisen, wenn wir über dieses Referat hier wiederum zu referiren
versuchten. Wir müssen daher den Leser in dieser Beziehung
auf das Buch selbst verweisen, können ihm aber zugleich die
Versicherung mit auf den Weg geben, dass der Verf. es ver-
standen hat, durch eine frische und kräftige Darstellung seines
Gegenstandes die Leetüre seiner Schrift zu einer ebenso an-
genehmen wie lehrreichen Beschäftigung zu machen. Wir wollen
hier nur in gedrängter Weise auf diejenigen Resultate noch auf-
Recensionen und Anzeigen. 435
merksam machen, welche uns von besonderer Bedeutung für die
Erkenntniss der Mendelssohn'schen Leistungen auf aesthetischem
Gebiete zu sein scheinen.
Wir haben schon oben darauf hingewiesen, wie die Leib-
nitzische Lehre durch ihre Auffassung der Sinnlichkeit als ver-
worrener Vorstellung hemmend und schädigend auf den Fort-
gang der aesthetischen Wissenschaft gewirkt hat. Obschon nun
Mendelssohn in seinen aesthetischen Forschungen, wenn auch
mit Berücksichtigung der Engländer, von Baumgarten ausgeht
und ein bis in den Tod getreuer Anhänger der Leibnitz-
Wolff 'sehen Schule ist, so weiss er sich doch in dieser Bezie-
hung von seinen Lehrmeistern zu emaneipiren und bekämpft z. B.,
wie unser Verfasser gegen Zimmermann nachweist, die Ansicht,
dass Schönheit in der undeutlichen Vorstellung einer Vollkom-
menheit beruhe. Mendelssohn bemüht sich in den Briefen über
die Empfindung den Nachweis zu führen, dass Klarheit der Vor-
stellung das Vergnügen nur befördere. Es ist überhaupt das
grosse Verdienst Mendelssobn's, dass er die von Baumgarten
nicht geschiedenen Begriffe der Schönheit und Vollkommenheit
von einander sondert und die Schönheit als die gefällige äussere
Verknüpfung in der Form erklärt, während die Vollkommenheit
in dem vernünftigen inneren Zusammenhange und der Zweck-
mässigkeit bestehe. Mit Recht macht zwar der Verfasser unserer
Schrift darauf aufmerksam, dass Mendelssohn in den Vorur-
theilen seiner Schule befangen es nicht wagt, die Consequenzen,
welche sich aus dieser Definition der Schönheit ergeben, selbst
zu ziehen. Weit entfernt, die Schönheit der Form der inneren
Gesetzmässigkeit und Vollkommenheit gleichzustellen, scheut
sich vielmehr auch Mendelssohn nicht den Satz auszusprechen,
dass das Vergnügen an der sinnlichen Schönheit oder der Ein-
heit im Mannigfaltigen blos unserem Unvermögen zuzuschreiben
sei (S 3."S).
Gehen wir nun zu einem anderen Punkte über und sehen
wir, wie Mendelssohn es verstanden hat, die Grenzen der
Aesthetik, welche Baumgarten so eng gezogen hatte, dass eigent-
lich nur die Poesie und Beredtsamkeit dabei berücksichtigt wor-
den waren, zu erweitern und auch die anderen Künste in ihr
Bereich zu ziehen. Es geschieht dies zuerst bei Gelegenheit
einer Recension, welche Mendelssohn über den von Meier ver-
436 Rezensionen und Anzeigen.
öffentiichten „Auszug aus den Anfangsgründen alter schöner
Künste und Wissenschaften" für die Bibliothek der schönen
Wissenschaften schrieb und die sich in den gesammelten Wer-
ken 4, 1 S. 313 findet. Es dürfte freilich heut zu Tage kaum
glaublich erscheinen, dass eine allgemeine Theorie der Aesthetik
die Malerei und Plastik ebensowenig wie die Musik in ihre
Betrachtung zieht und sich fast einzig und allein mit den soge-
nannten redenden Künsten beschäftigt. Und dennoch ist dies
bei Baumgarten sowohl als bei Meier, der sich freilich vollständig
an den Ersteren anschliesst, der Fall. Erst Mendelssohn war
es vorbehalten, diesen Mangel aufzudecken, und wir wollen da-
her die Worte, mit welchen er dies thut, hier anführen.
„Allein uns dünkt, dass der Erfinder dieser Wissenschaft
der Welt nicht alles geliefert habe, was seine Erklärung des
Wortes Aesthetik verspricht. Die Aesthetik soll eigentlich die
Wissenschaft der schönen Erkenntniss überhaupt, die Theorie
aller schönen Künste und Wissenschaften enthalten; alle Erklä-
rungen und Lehrsätze derselben müssen daher so allgemein sein,
dass sie ohne Zwang auf jede schöne Kunst insbesondere an-
gewendet werden können. Wenn man z. B. in der allgemeinen
Aesthetik erklärt, was erhaben sei, so muss sich die Erklärung
sowohl auf die erhabene Schreibart, als auf den erhabenen Con-
tour in der Malerei und Bildhauerkunst, auf die erhabenen Gänge
in der Musik, und auf die erhabene Bauart anwenden lassen;
denn alle diese Künste haben ihren niedrigen, mittelmassigen
und erhabenen Styl. Erklärt man, was die Schönheit in den
Gegenständen sei, so muss diese Erklärung einer allgemeinen
algebraischen Formel gleichen, zu welcher man nur noch einige
Bestimmungen hinzuzuthun hat, um die verschiedenen Arten der
Schönheit in den Gedanken, in der Sprache, in den Figuren,
Linien und Bewegungen, und endlich in den Tönen und Farben
näher erklären zu können. Dieses fordert man mit Recht von
einer Aesthetik, von einer Theorie der Schönheit überhaupt.
Betrachtet man aber die Aesthetik des Herrn Prof. Baum-
garten, oder die Anfangsgründe des Herrn Meier (denn die letz-
tern sind nichts als eine weitläufigere Ausführung der erstem,
so scheint, als wenn man bei der ganzen Einrichtung des Werks
bloss die schönen Wissenschaften, d. i. Poesie und Beredtsam-
keit zum Augenmerk gehabt hätte u. s. w."
Recensiouen und Anzeigen. 437
Bemerkens werth ist schliesslich noch die Annäherung an
Kant, welche der Verf. mit gutem Rechte in einer Stelle der
Morgenstunden findet, wo Mendelssohn gegen die Eintheilung
ankämpft, welche nur zwei Seelenvermögen anerkennt, nämlich
das Erkenntnissvermögen und das Begehrungsvermögen. Men-
delssohn erhebt dagegen Einsprache, dass man die Empfindung
von Lust und Unlust, welche durch die Betrachtung des Natur-
oder Kunstschönen erzeugt wird, dem Begehrungsvermögen zu-
schreibe. „Wir betrachten die Schönheit der Natur und der
Kunst ohne die mindeste Regung von Begierde mit Vergnügen
und Wohlgefallen. Es scheint vielmehr ein besonderes Merkmal
der Schönheit zu sein, dass sie mit ruhigem Wohlgefallen be-
trachtet wird, dass sie gefällt, wenn wir sie auch nicht besitzen,
und von dem Verlangen, sie zu benutzen, auch noch so weit
entfernt sind u. s. w." Man muss in der That einräumen, dass
in diesen Worten die bedeutungsvolle und folgenreiche Lehre
Kant's vom interesselosen Wohlgefallen am Schönen, welche den
Kernpunkt der Kritik der Urtheilskraft bildet, im Keime schon
enthalten sei.
Indem wir nun die Besprechung der oben bezeichneten
Schrift schliessen, können wir nicht umhin, den Wunsch auszu-
sprechen, es möge dieselbe dazu beitragen, das Interesse an den
Mendelssohn'schen Schriften auch in weiteren Kreisen wieder-
zuerwecken oder neu zu beleben. Eine gerechtere Würdigung
des nicht minder um die deutsche Literatur als um das Juden-
thum hochverdienten Mannes wird die sorgfältige Beschäftigung
mit seinen Werken wohl hoffentlich dann von selbst herbei-
führen. Dr. J. Guttmann.
Homiletische Monatsschrift für Rabbiner, Prediger
und Religionslehrer. Redigirt und herausgegeben von
Dr. S. H. Sonneschein. Prag, H. Dominicus.
Die jüdische Predigt ist längst aus dem Kindesalter heraus-
getreten und gewinnt auch in den Kreisen, wo man noch vor
einigen Jahrzehnten Vorträge in der Landessprache als ketze-
rische Neuerung verurtheilte , immer mehr Boden. Schon hat
auch die Predigtliteratur treffliche Muster aufzuweisen, an denen
438 Recensionen und Anzeigen.
jüngere Theologen sich bilden können, und von Tag zu Tag
mehren sich die Veröffentlichungen theils ganzer Sammlungen,
theils einzelner Predigten. Gleichwohl lasst sich nicht leugnen,
dass auf diesem Gebiete noch sehr viel zu leisten ist. Noch fehlt
es an einer Theorie der jüdischen Homiletik ebenso wie an einer
Geschichte derselben, noch sind die Grenzen, innerhalb welcher
die Bibelexegese oder der Midrasch in der Predigt eine Stelle
finden sollen, nicht abgesteckt, noch gibt es Prediger, die ihren
eigenen Weg gehen und entweder durch allzusehr gehäufte Citate
aus Profanschriftstellern ihre Predigt dem Leser ungeniessbar
machen, oder durch schulgerechte und trockene Behandlung dss
Themas in die Gefahr kommen, — langweilig zu werden. Da
hat denn ein Journal, das die Interessen der Predigt im weitesten
Sinne vertreten soll, ein weites Feld der Thätigkeit, und es war
daher der „Homiletischen Monatsschrift" gleich bei ihrer Be-
gründung ein günstiges Prognosticon zu stellen. Und die vor-
liegenden Hefte (Januar bis Juli) haben die gehegte Erwartung
in dem Masse befriedigt, dass dem Unternehmen ein fernerer
gedeihlicher Fortgang zu wünschen ist.
Die erste Rubrik „Erklärung der Hagada in historischer wie
in philologischer Hinsicht" brachte nebst einer anregenden Ab-
handlung vom Herausgeber recht schätzenswerthe Beiträge von
Dr. Jellinek unter dem Titel „Hagadische Analecten", deren
Fortsetzung jedem Leser willkommen sein wird. Als „Darstel-
lung des dogmatischen und ethischen Lehrinhalts der heiligen
Schrift" ist die grössere, sehr gründliche Abhandlung von Dr.
G. Perlitz über das „Verhältniss Ibn Esra's zu Saadias" vorzüg-
lich herzorzuheben. Besonders wirft das dritte Capitel (S. 160 ff.)
auf die philosophischen Ansichten Beider interessante Streiflichter,
so dass eine Vervollständigung der hier uud anderweitig von
demselben Verf. mitgetheilten Studien über Ibn Esra das Ver-
ständniss dieses Exegeten wesentlich bereichern durfte.
Neben dieser streng wissenschaftlichen Abhandlung wurden
in anregender Weise Fragen besprochen, die das Wesen und
die Theorie der jüdischen Predigt betreffen, oder auf den öffent-
lichen Gottesdienst, den Religionsunterricht u. s. w. Bezug haben,
ja auch eine an das Feuilleton streifende Skizze ,.Der Maggid
von Dubno" fand in einem Hefte ihre Stelle. Hauptsächlich
wurde natürlich die Predigt und besonders die Casualrede be-
Recensionen und Anzeigen. 439
rücksichtigt. Und hier finden wir Leistungen von anerkannten
Meistern der jüdischen Kanzelberedtsamkeit, die den bereits be-
kannten derselben sich würdig anreiben; so die „Kleinen Reden"
und die ebenso tief empfundenen, wie an Form und Inhalt ge-
diegenen „Leichenreden" von Dr. Jellinek, ferner vom sei.
Mannheimer eine „Rede am Grabe der Märzgefallenen", zuletzt
von Dr. Klemperer eine recht geistvoll durchgeführte Trau-
predigt. Auch von den übrigen Mitarbeitern verdient manche
Leistung besonders erwähnt zu werden, so eine Sabbath-Tol-
doth- Predigt und eine Leichenrede von Dr. N. Brüll, der in
Bezug auf geschickte Handhabung des Textes und kraftvolle
Sprache vielfach an Jellinek erinnert, ferner vom Herausgeber
einige Predigten und Casualreden, unter denen besonders die
Predigt „Wissenschaft versöhnt" durch angemessene Behand-
lung des Themas den Leser ebenso interessirt, wie sie den Zu-
hörer gewiss erbaut hat.
Alle die einzelnen Predigten zu besprechen, würde zu weit
führen; es genüge die Bemerkung, dass der Leser in jedem
Hefte Lesenswerthes, Interessantes und Neues finden und immer
eine fruchtbare Anregung empfangen wird. Zwar wird ihn nicht
Alles, was Aufnahme gefunden hat, in gleicher Weise befriedigen.
Er wird z. B. in der „Festrede" von Dr. Zipser (S. 139 ff.) durch
den Aufwand von Gelehrsamkeit sich nicht blenden lassen und
die etwaige Belehrung, die die vielen Citate (aus Herod., Thu-
eid;, Philo, Tit. Liv., Tacit., Arion, Alex, apud Vitrov (?) etc. etc.)
bieten konnten, sich lieber aus einem Reallexicon holen wollen.
Indess, es hat auch in der Predigt Jeder seinen eigenen Ge-
schmack und — sein eigenes Genre. Oder vielleicht ist es eben-
sosehr eine Kunst, eine inhaltsleere, wie inhaltreiche Predigt zu
halten. Wenigstens konnte Rec. nur von diesem letzteren Ge-
sichtspunkte aus die Grabrede von Dr. Rothschild (S. 158 ff.)
zu Ende lesen.
Doch, wir wollen gegenüber einem Unternehmen, das alle
Aufmunterung verdient, wegen mancher Einzelheiten, wohin wir
auch die Ungenauigkeit der Correctur rechnen, keinen kritischen
Feldzug eröffnen und erwähnen bloss noch, dass die Homiletische
Monatsschrift auch für Läuterung des Geschmackes und Anbah-
nung des Besseren Manches zu leisten bestrebt ist, indem eine
besondere Rubrik in jedem Hefte Recensionen und Bibliographie
44D Monatschronik.
gewidmet wird. Wenn hier auch manche neue Erscheinung be-
sprochen wird, die mit der jüdischen Predigt nicht im engen
Zusammenhange steht, so werden doch die meisten Leser dem
Herausgeher dafür dankbar sein. D. G.
Monatsehronik.
Berlin. Die Bukarester Juden haben sich wiederum hierher
gewendet mit der Bitte die geeigneten Schritte zu veranlassen,
um den Grausamkeiten ein Ziel zu setzen, denen sie noch immer
ausgesetzt sind. Graf Bismarck wird ohne Zweifel seinen Ein-
fluss aufbieten, um dem Wunsche der dortigen Juden gerecht
zu werden. Ob dies jedoch von Erfolg sein wird, solange Bra-
tiano am Ruder bleibt, wird von vielen Seiten mit Grund be-
zweifelt.
Madrid. Die spanisch - portugiesischen Juden in London be-
glückwünschten in einer Zuschrift an Prim das spanische Volk
zu seiner Befreiung vom bourbonischen Joche und sprechen zu
gleicher Zeit die Bitte aus, es möge nunmehr auch das Verbot
aufgehoben werden, welches den Juden den Aufenthalt in Spa-
nien untersagte. Prim rieth in seinem Erwiderungsschreiben
den portugiesischen Juden, sich mit ihrem Gesuche an die pro-
visorische Regierung zu wenden. Die in der Zwischenzeit er-
lassene allgemeine Religionsfreiheit wird wohl auch diese An-
gelegeiiheit erledigt haben.
Paris. Baron von Rothschild ist gestorben.
Wien« Herrn Dr. Gudemann ist das hiesige Rabbinat über-
tragen worden. Die in einem bekannten jüdischen Blatte er-
schienenen Schmähartikel gegen Dr. Gudemann haben hier all-
gemeine Indignation erregt.
"Tifc» — •"!,» *a^
Sine Alexandrinische LiebesgescMcMe.
Vom Heransgeber.
Wir nahen uns der heil. Schrift mit tiefer Verehrung
als der Verkünderin der höchsten Wahrheit und sind er-
füllt mit Hochachtung vor den in ihr niedergelegten Ge-
setzen als dem Ausdrucke tiefer Weisheit. Aber sie ist uns
nicht nur Lehrerin, spricht nicht nur zum Geist, auch die
Sprache des Gemüthes nach allen seinen Richtungen ver-
nehmen wir in ihr, sie gibt den verschiedenen Regungen
des Gefühles den beredtesten Ausdruck, wir hören in ihr
eine Sprache des Herzens, deren Widerhall in unserem
Innern in tausend Accorden nachklingt. Ziehet sich doch
selbst durch die Gesetze eine wohlthuende, Recht mit
Billigkeit paarende Milde, und wir können nicht umhin,
auch in den Vorschriften des strengen Rechts den wohl-
wollenden , menschliche Schwächen und menschliches
Fehlen berücksichtigenden Gesetzgeber zu erkennen; und
mit welchen Farben zeichnet die Schrift ihre Gestalten
und gibt in ihnen den edelsten Gefühlen Ausdruck! Die
Freundschaft, wo ist sie so tief empfunden, wo ihre Sprache
so lebendig gesprochen worden als in dem Bilde, das die
Schrift von Jonathan entwirft? Mit welchef Uneigen-
nützigkeit, mit welcher Nichtberücksichtigung der ihm aus
seiner Freundschaft drohenden Todesgefahr gibt ersieh dem
Freunde hin, entsagt er, der präsumtive Thronerbe, seinen
eigenen Ansprüchen und ruft jenem zu: „Du wirst König
F r » n k e 1, UonatMchrift. X VU. 12. 34
442 Eine Alexandrinische Liebesgeschichte.
sein und ich will gern den zweiten Rang nach Dir ein-
nehmen". Wie weit stehen die Freundschaftsbilder des
klassischen Alterthums hinter dieser Freundschaft zurück !
— Und welch' ein schönes Gemälde kindlicher Hingebung
wird in „Ruth" gezeichnet. Der Erzähler hat seinen
Pinsel in die Tiefen des Herzens getaucht, die Farben
sind den edelsten Gefühlen entnommen , einfach und gross,
still und menschlich erhaben, so ist nach dem Ausspruche
des bekannten grossen Dichters Ruth das schönste Idyll
des Alterthums.
Unter den Bildern dieser edleren Regungen hat die
Liebe keinen Raum gefunden. Wir besitzen zwar ein
erotisches Gedicht, in welchem der Schäfer Aminadib1)
und die Schäferin Sulamith unübertroffene Liebeslieder
gegenseitig austauschen; einer Li e b es geschichte jedoch
ging die Schrift aus dem Wege oder Hess sie vielmehr,
weil bei der Auseinandersetzung manches den Charakter
der Schrift Alterirende unvermeidlich, nicht an sich heran-
treten, nur mit kurzen Worten werden manche Liebes-
verhältnisse berührt. Erst die Apokryphen des A. T.
bringen eine Liebesgeschichte, zwar nicht einen Roman
— der Roman im modernen Sinne datirt erst aus dem
Mittelalter — , aber eine ausgesponnene Liebesintrigue in
ihrer ganzen Nacktheit und Unreinheit. Die Bücher der
Apokryphen gehören ihrer grossen Mehrzahl nach Alexan-
drien an und sind ursprünglich griechisch verfasst, nur
das Buch Sirach und das erste Buch der Maccabäer sind
palästinensischen Ursprunges und waren in aramäischer,
l) Hohel. 6, 12 heisst es: aTj "»DJ/ nU31D "OnDtf HPDJ TIJ/T N$>.
Dieser Vers hat Uebersctzern und Exegeten viele Mühe gemacht; da
sich aber der Eigenname 3irDJ7 im Buche Nuin. mehreremals findet,
so dürfte dieses 2nJ ^Ü)} als identisch mit 2lTOy und als Namen des
Geliebten der Sulamith zu nehmen sein, und die Uebereetzung also
heissen: „Mir selbst unbewusst hat meine Seele mich gemacht zum
Wagen des Aorinadib'* d. h. er beherrscht mich ganz, hat sich ganz
meiner bemächtigt. Vgl. auch die Septuaginta, welche hat ov* Jpm>
r\ ipvxri fwv B&eto p$ ctQpcctcc 'A(uvaddß. Vielleicht las der Verteilt
Eine Alexandrinische Liebesgeschichte. 443
der damals in Palästina landesüblichen Sprache geschrie-
ben, später wurden sie in Alexandrien ins Griechische
übertragen. Die Synagoge nahm kein Buch der Apo-
kryphen in die heil. Schrift auf; in Alexandrien scheinen
die Apokryphen zu den heil. Büchern gezählt worden zu
sein8), die Kirche erklärt sie für canonisch* — Manche
dieser apokryphischen Bücher bilden einen Anhang zu
den Büchern der Schrift und zu diesen zählt Susanna3).
Das Buch Susanna gibt sich als Einleitung zu dem Buche
Daniel und will berichten, wie schon in dem Jüngling
Daniel sich der göttliche Geist manifestirte. Es wird da-
selbst erzählt:
In Babylon wohnte ein reicher und angesehener Mann
Namens Joakfrn, der die schöne und gottesfürchtige Su-
sanna, Tochter des Helkia, zur Frau hatte. Joakim besass
einen Lustgarten neben seinem Hause und es kamen bei
ihm die Juden zusammen. Da wurden einst zwei Aelteste
aus dem Volke zu Richtern erwählt, diese waren bestän-
dig im Hause Joakims, und es ging zu ihnen alles Volk
zu Gericht. Wenn nun das Volk um Mittag weggegangen
war, begab sich Susanna in den Garten, um daselbst zu
lustwandeln. Da bekamen diese Aeltesten, welche sie
täglich hinein- und herausgehen sahen, Lust zu ihr, ver-
bargen aber vor einander ihre Begierde und stellten sich
als gingen sie nach Hause, kehrten aber, nachdem sie
sich getrennt, wieder in den Garten zurück. Da sie sich
einander begegneten, blieb ihnen nichts übrig, als ein-
ander ihre frevelhafte Lust zu gestehen und sie verab-
redeten sich, einen Zeitpunkt abzupassen, wo sie Susanna
allein treffen würden. Und diese Gelegenheit bot sich
*) Bei Philo begegnet man zwar nicht einem Citat ans den Apo-
kryphen, dieses Schweigen ist jedoch nicht beweisend, da auch manche
Bücher der heil. Schrift nicht von ihm citirt worden. Hingegen be-
sitzen die Falaschas, die Abkömmlinge ausgewanderter alexandrinischer
Jaden, mehrere apokryphische Bücher. Vgl. 2. «Jahrg., S. 472 dieser
Monatsschrift.
•) Eigentlich Sosanna, das hebr. HJtsW (Rose), und so hat auch
die Septnaginta Sooaawce,
34 #
r
i
444 Eine Alexandriniscbe Liebesgeschichte.
an einem Tage dar als Susanna nach ihrer Gewohn-
heit im Garten spazieren ging, begleitet von zwei Mäd-
chen. Da der Tag sehr heiss war, bekam sie Last zu
baden und sie befahl den Mädchen, ihr Oel und Salben
zu bringen und die Thüren des Gartens zu verschliessen.
Kaum hatten sich die Mädchen entfernt, da stürzten die
zwei Aeltesten, die sich im Garten verborgen hatten, auf
Susanna zu und sprachen: Thue unseren Willen und er-
gib Dich uns, wo nicht, so werden wir Zeugniss ablegen,
dass ein Jüngling bei Dir war und Du deshalb die Mäd-
chen fortschicktest. — Und Susanna sprach seufzend:
Grosse Angst umgibt mich von allen Seiten, willfahre ich
Euerem Willen, so erwartet mich Tod von oben, willfahre
ich ihm nicht, so werde ich Euren Händen nicht entgehen ;
doch besser ihm nicht zu willfahren und in Euere Hände
zu fallen als vor Gott zu sündigen. — Und als am an-
deren Tage das Volk bei Joakim, dem Manne Susanna's,
zusammenkam, traten die Aeltesten voll ruchloser An-
schläge auf und sprachen zum Volke: schicket um Susanna«
Susanna erschien und die Aeltesten sagten: „Wir wan-
delten allein im Garten herum und es trat diese mit zwei
Mädchen hinein, die sie fortschickte und hierauf die Thüre
des Gartens verschloss. Und es kam nun zu ihr ein
Jüngling, welcher sich verborgen hatte und schlief mit
ihr. Wir befanden uns in einem Winkel des Gartens
und liefen, als wir diese Schandthat sahen, auf sie zu.
Des Jünglings konnten wir uns nicht bemächtigen, da er
stärker war als wir, er öffnete die Thüre und entfloh.
Diese aber ergriffen wir und fragten sie, wer* der Jüngling
sei, sie wollte es aber nicht sagen. So bezeugen wir es."
Die Gemeinde glaubte es ihnen, da sie Aelteste und
Richter des Volkes waren, und verurtheilte Susanna zum
Tode. Susanna aber rief mit lauter Stimme und sprach:
„Ewiger Gott, Richter des Verborgenen, der Du Alles
siehest, ehe es geschieht, Du weisst, dass sie falsch wider
mich gezeugt; ich sterbe, ohne etwas von dem gethan zu
haben, was sie schändlicher Weise wider noch ersonnen.*c
Und der Herr erhörte ihre Stimme. Als sie zum Tode
abgeführt wurde, erweckte Gott den heiligen Geist eines
Eine Alexandrinische Liebesgeschichte. 445
Jünglings Namens Daniel. Dieser rief mit lauter Stimme :
„Ich bin unschuldig an diesem Blute!" Das ganze Volk
wandte sich zu ihm und sprach: „Was ist das für eine
Sprache, die Du gesprochen?" Er aber trat in ihre Mitte
und sprach: „Seid ihr so thöricht, o Söhne Israels, eine
Tochter Israels zum Tode zu verurtheilen, ohne genau zu
forschen, ohne das Richtige zu wissen? Kehret zurück
zum Gerichte, denn diese haben falsch wider sie gezeugt/4
Und das Volk kehrte zurück und die Aeltesten sprachen :
„Setze Du Dich unter uns und berichte." Daniel aber
sprach: „Entfernt sie weit einen vom andern, dann werde
ich mit ihnen die Untersuchung anstellen." Nachdem sie
von einander entfernt waren, berief er den Einen und
sprach zu ihm: „0 Du, dessen Tage voller Bosheit sind!
jetzt kommen über Dich die Sünden, die Du früher be-
gangen, da Du ungerechte Urtheile gefällt, die Unschul-
digen verurtheilt, die Schuldigen losgesprochen hast, und
Oott sagt doch, du sollst den Unschuldigen und Gerechten
nicht umbringen. Wenn Du nun diese gesehen hast, so
sage doch, unter welchem Baume hast Du sie gesehen
mit einander verkehren?" „Unter einem Mastixbaum,"
erwiderte Jener. „Du hast wider Deinen Kopf gelogen,
sagte hierauf Daniel, schon hat ein Engel von Gott den
Auftrag erhalten, Dich in der Milte zu zerschneiden." Er
Hess ihn abtreten und befahl, den Anderen herbeizuführen.
„Samen Kanaan's und nicht Juda's, Dich verführte die
Schönheit, und die Begierde hat Dein Herz verkehrt! so
habet Ihr es mit den Töchtern Israels gemacht und sie
gaben Euch aus Furcht nach, aber diese Tochter Juda's
widerstand Eurer Schändlichkeit. Sage mir nun, unter
welchem Baume hast Du sie gesehen miteinander ver-
kehren?" Dieser sagte: unter einer Steineiche. Da sagte
Daniel: „auch Du hast wider Deinen Kopf gelogen. Der
Engel Gottes ist bereit, Dich, das Schwert haltend, in der
Mitte durchzusägen, damit Ihr ausgerottet werdet." — Und
die ganze Gemeinde lobte Gott mit lauter Stimme, der
die auf ihn Hoffenden rettet, und sie erhob sich gegen die
beiden Aeltesten, die Daniel aus ihrem eigenen Munde
der Lüge überführt hatte.
446 Eine Alexandrinische Liebesgeschichte.
Man that ihnen nach dem Gesetze Mosis in der Weise,
wie sie dem Nächsten zu thun in schändlicher Art beab-
sichtigt hatten, man richtete sie hin und es wurde an jenem
Tage unschuldiges Blut gerettet. Heskia und seine
Frau lobten Gott, wegen ihrer Tochter, sowie Joakim,
ihr Gatte und ihre Verwandten, dass an ihr keine schänd-
liche That gefunden wurde. Und Daniel wurde von
diesem Tage an und weiter gross in den Augen des
Volkes.
So weit die Erzählung dem grösseren Theile nach.
Das Unwahrscheinliche legt sich von selbst dar und es
ist zu verwuudern, dass das Buch Susanna je als canonisch
anerkannt wurde. Scheint doch die plumpeDarstellungsweise
selbst auf den Versuch einer Täuschung zu verzichten.
Dieses tumultuarische Verfahren des Volkes, das die als
tugendhaft bekannte Susanna ohne weitere Untersuchung
auf blosse Aussage zum Tode verurtheilt, ist nicht nur
unmotivirt, sondern dem Griminalprozessverfahren des
mosaischen Rechts, das auf vielen 8eiten auf genaue
Untersuchung dringt, durchaus widersprechend. Und
gerade Daniel, den der Verfasser verherrlichen will, er-
scheint in ganz entgegengesetztem Lichte. Der Ausruf:
„Ich bin unschuldig an diesem Blute!" ist ihm ebenso
unsinnig in den Mund gelegt, wie sein die beiden
Aeltesten von vornherein als Bösewichter brandmarken-
des Verhör. Woher wusste Daniel vor noch nicht ge-
schehenem Widerspruche der Aeltesten, dass sie schuldig
und Susanna unschuldig sei? Der kindische Verfasser
hat auch vergessen, dass nach seiner Darstellung Daniel
die Aussage der Aeltesten bestärkt und sich selbst als
den Jüngling denuncirt, mit dem Susanna die verbreche-
rische That begangen. Wie konnte er sonst nach dem
Baum fragen, da die Aeltesten gar nicht sagten, dass die
That unter einem Baume begangen worden sei? Und
nun das abermalige stürmische Verfahren bei Verurthei-
lung der Aeltesten, und noch dazu auf einen Widerspruch
in der Aussage eines mit der eigentlichen That nicht im
Eine Alexandrinische Liebesgeschichte. 447
Zusammenhange stehenden Urostandes, und dieses nennt
der Verfasser: „nach dem Gesetze Mosis."
Das Gedachte weiset darauf hin, dass das Buch
Susanna Alexandrien und nicht Palästina zur Hei-
math habe. In Palästina, woselbst, wie die Mischna
zeigt, schon in früherer Zeit viel über Zeugenaussage
und Zeugenverhör geforscht wurde, war man zu sehr
mit dem Gerichtsverfahren bekannt, als dass sich Jemand
in einem Schriftwerke solcher Unwissenheit schuldig ge-
macht hätte. Noch prägnanter spricht ein anderer, schon
im 3. Jahrhundert bemerkter Umstand4) für Alexan-
drien, Daniel sagt zu dem einen Aeltesten, der einen
Mastixbaum angibt: „also wird der Engel dich von
einander trennen" und zu dem eine Steineiche angeben-
den Aeltesten: „so wird der Engel dich von einander
spalten. u Dieses gibt weder in hebräischer, noch in
aramäischer, sondern nur in griechischer Sprache einen
Sinn.5) Das Buch ist also griechisch verfasst, griechisch
schrieb man aber nur in Alexandrien, nicht in Palästina.
Fragen wir nun: hat diese Erzählung einen geschicht-
lichen Hintergrund? Gerade die sie characterisirende
Abgeschmacktheit führt auf eine solche Vermuthung:
selbst der phantasiereichste Alexandriner würdsnicht, so er
nicht ein Relief vorgefunden, ein derartiges nebelhaftes
Gebäude aufgeführt haben; und in der That zeigt sich
bei näherem Eingehen eine geschichtliche Handhabe.
Für die zwei lasterhaften Aeltesten ist zu verweisen auf
Jerem. 29,21—24, woselbst erzählt wird, dass zwei sich
für Propheten ausgebende Männer mit den Frauen ihres
Nächsten Unzucht getrieben. Diese zwei Propheten dien-
ten dem Erzähler als Vorbild für die zwei Aeltesten/)
4) Vgl. Origenee ad Jul. African. Oper. Tom. II. Edit. de 1a Rue.
•) Anf die Antwort des einen Aeltesten vnb o%tvovy sagt Daniel
fjdri yag ayysXog . . . . o%loei öe pdcov, und auf die andere Antwprt
vno itqivov, sagt Daniel p&vH yaq 6 ayyeXog itqtaai ob (daov.
•) Vgl. Hieronymu8 bei Fritsche Kurzgefasstes exeget. Handbach
zu den Apokryphen des A. T. S. 134. Nor hält Hieron. seiner Zeit
gemäss das Bach Susanna für echt and meint, die zwei Aeltesten seien
448 Eine Alexandrinische Liebesgeschichte.
Die den Angelpunkt des Buches bildende Untersuchung
„unter welchem Baume" scheint auf einem b. T. Syn-
hedrin 41 a. erzählten Hergang zu beruhen. Daselbst
wird mitgetheilt rUKn ^Spi» TOI p p"Q1 PWJ» „ben Saccai
untersuchte die Zeugen an den Stengeln eines Feigen-
baumes", d. i. zwei Zeugen hatten in einer Capitalsache
ausgesagt, das Verbrechen sei unter einem Feigenbaume
begangen worden und ben Saccai befragte die Zeugen,
jeden einzeln, nach der Form der Stengel: ergibt sich
hier ein Widerspruch, so ist das Zeugniss als ungültig zu
betrachten. Diese Thatsache liegt der Fragestellung
„unter welchem Baume u zu Grunde, nur hat der Ver-
fasser des Buches Susanna in fabelhafter Weise übertrieben
und lässt auf den Widerspruch Todesstrafe erfolgen, wäh-
rend ben Saccai durch einen derartigen Widerspruch das
Zeugniss nur für ungültig, d. i. nicht ausreichend zur
Verurtheilung des Angeklagten, erklärt7).
Woher der gedachte Vorfall in Alexandrien bekannt
war, ist eine untergeordnete Frage: durch den häufigen
Verkehr zwischen Palästina und Alexandrien mochte die
Kunde dieser erstaunenerregenden Untersuchung, die viel-
leicht von einem Erfolge — dem Widerspruche der Zeu-
gen und Nichtigkeitserklärung des Zeugnisses — begleitet
war, sich nach Alexandrien verbreitet haben. — Es ist
aber noch ein anderes Moment hervorzuheben. Dieser
ben Saccai' ist, wie nach einer viel Wahrscheinlichkeit für
sich habenden Meinung, Synhedrin a.a.O. erklärt wird, nicht
jene falschen Propheten gewesen. — Allein dadurch, dass diese Stelle
dem Erzähler vorschwebte, erhält auch der höchst schwierige V. 5:
•mal anedstxdrjaav 8vo iCQSoßvteQOL ix rov Xaov iv töj iviavtm |xf£va>,
nsffl v bXa\r](Stv 6 deoitavrig, ort £%r)Xd'tv dvofila in Baßvlmvoe &c ftpro-
ßvriqmv %Qttmv9 vergleiche Jerem. das. V. 22, Verständniss. Nur hat
der Erzähler wie es seinem Zwecke dienlich, umgeändert
7) Vgl. Frankel, Der gerichtliche Beweis 8. 199. — Die spätere
Halacha erklärt durch solchen Widerspruch , da er sich nur auf einen
unwesentlichen, die That nicht beeinflussenden Umstand beziehet, das
Zeugniss nicht für ungültig. Vgl. Synhedrin a. a. O.
Ueber die Authentie des Commentars zum Buche Job. 4
•*«
identisch mit dem am die Zerstörung des Tempels leben-
den R. Jochanan ben Saccai', sondern ein von ihm ver-
schiedener früher lebender Gelehrter. Sein Eigenname
ist nicht genannt, war also in späterer Zeit verschollen:
eine Erscheinung, die bei Auswärtigen nicht ungewöhnlich.
So wird Tractat Challa Ende berichtet, >,der Sohn des
Antinous brachte Erstlinge aus Apamea", auch hier der
Eigenname nicht genannt. Es führten aber Alexandriner
den Namen Saccai8); dieser ben Saccai mochte also ein
Alexandriner sein, und daher war obiger Fall dem Ver-
fasser des Buches Susanna bekannt. — Ob dieser Vorfall
selbst sich vielleicht in Alexandrien, woselbst ein Sjn-
hedrin bestand (vergl. Succa 51 b., Ketubot 25 a.) r zuge-
tragen hängt mit der Frage zusammen, ob daselbst
der Blutbann geübt wurde, und hoffen wir, hierauf bei
einer anderen -Gelegenheit zurückzukommen.
Ueber die Authentie
des Commentars Bachmanfs zum Buche Job.
Vom Herausgeber.
Ein ausgebreiteter Commentar zum Buche Job hat in den
Druckwerken Nachmani zum Autor, auch werden von manchen
Autoren — wie R. Sehern tob in seinem Buche HWIlöNn 7, 3 —
Stellen aus diesem Commentar mit der Angabe j?"] j"Dftin '^©1
angeführt. Es erheben sich jedoch bei genauerem Durchlesen
des Commentars Zweifel, ob er in der That Nachmani angehöre.
Die Aufschriften auf Druckwerken sind wie bekannt nicht mass-
gebend, und auch die Anführungen unter dem Namen eines ge-
wissen Verfassers liefern, selbst wenn sie sich bei früheren Au-
toren finden, keinen genügenden Beweis, da die Kritik in frü-
herer Zeit auf schwachen Füssen stand und man sich auf die
Eruirung des Inhalts beschränkend über das sogar mitunter we-
8) Vgl. j. T. Ketubot 4, 6 Aboda sarah 2, 9 and sonst YOT "1
450 Ueber die Authentie
sentlich formelle, wie Autorschaft, Zeit des Verfassers u. s. w.
wegsah und sich mit unkritischen Angaben begnügte. Fuhren
doch selbst die Tosafisten R. Salomon Jizchaki als Verfasser
des Commentars zu Talmudtraktaten an, deren Coininentar wie
in neuerer Zeit nachgewiesen wurde, nicht R. Sal. Jizchaki an-
gehört! — Die Feststellung der Authentie eines Werkes inuss
womöglich aus dem Werke selbst hervorgehen, und hat der
namhaft gemachte Autor mehrere Werke verfasst, so ist die
Vergleichung dieser Schrift mit anderen diesem Autor als Con-
sta tirt angehörenden Schriften ein sicheres Kriterium. Wir
wollen nun bei der Untersuchung über den Nachmanicommentar
zu Job an die Vergleichung anderer von Nachmani verfasster
Werke , zunächst an seinen Pentateuchcommentar gehen, wer-
den aber da dieser Jobcominentar selten *), vorerst Manches über
Tendenz und Weise derselben hervorheben.
Dem Commentare gehet eine Vorrede voran, die den Inhalt
des Buches Job angibt. Der Verf. beginnt: Der Glaube an die
Allwissenheit Gottes und die göttliche Vorsehung für das Allge-
meine und Einzelne bildet die Grundlage der mosaischen Lehre.
Nur wenn der Glaube an die Allwissenheit und Vorsehung fest-
stehet, gibt es für uns Lehre und Gebote. Es knüpft sich ferner
hieran der Glaube an Belohnung und Bestrafung sowie der
Glaube an Prophetie: Prophetie selbst ist ein hoher Akt der
Vorsehung (nßK3 KVI r^TO nrUOTI rttraJTJ). Es wird sich ihm
aber auch die Ueberzeugung von der Vorsehung durch Wunder
(nTIDIft nniRPn) aufdringen, da die natürliche (den Gang der
Natur nicht unterbrechende) Vorsehung, wie sie sich in der
Schrift kundgibt, ebenso wunderbar ist wie die in Wundern sich
manifcstirende Vorsehung. Dass es, wie die Schrift verheisst,
wenn den Geboten Gottes gehorcht wird, der Regen kommt zur
rechten Zeit u. s. w. liegt nicht weniger ausser den Gesetzen
der Natur wie der Durchgang der Israeliten durch das Meer
(vgl. Nachmani Commentar zu Levit. 26, 8). — Es drängt sich
aber bei dem Glauben an die göttliche Vorsehung ein tiefver-
') Der Jobcominentar des Nachmani wnrde zweimal gedruckt.
Zuerst in den Venetianer H)Wvi DlNlpD Bomberg J. 1517, dann in
demselben Werke Amsterdam, J. 1724—28.
des Commentars Nachmani's zum Buche Job. 451
wundend er schmerzlicher Zweifel auf: so mancher Fromme kämpft
mit Leiden und Ungemach, und gar mancher Böse blühet in der
Freuden Fülle rf? 3UD1 Jflm )b im p^TJ), wie stimmt dieses mit
einer göttlichen Vorsehung? Dieser Zweifel hat schädliche Mei-
nungen wachgerufen. Einige geben zu, Gott kenne alle Wesen,
denn Allwissenheit ist eine Vollkommenheit und Gott ist der
Inbegriff aller Vollkommenheiten, der Mensch jedoch ist zu ge-
ringe im Bedacht der Grösse Gottes, als dass die Vorsehung
Gottes sich auf ihn erstrecke. Andere meinen, Gott kenne nicht
die anderen (irdischen) Wesen und daher sind sie dem Zufalle
preisgegeben. — Auf diesen Zweifel und diese Meinungen haben
die Propheten hingedeutet und er findet sich in ausgeprägten
Worten Ps. 73, woselbst V. 12 den triumphireuden Bösen und
V. 14 den leidenden Frommen hervorhebt. Der Verf. bemerkt
fein, V. 11 jy^JD HJTI EW i?N JT TN sei nicht blosser Paralle-
lismus, der Parallelismus hat gewöhnlich in der zweiten Hälfte
einen anderen Ausdruck für das Verbum der ersten Hälfte des
Verses und man wurde erwarten n^3 oder Aehnliches, vergl.
Ps. 94, 7. Der Sinn sei aber, er kenne nicht die Zukunft, noch habe
er Kenntniss von der Gegenwart, also wie jene zweiteMeinung. —
Der Psalmist bekennt V. 16f. dass er keinen Ausweg findet, bis er
in das Heiligthum Gottes kommt und gewahrt, das Ende des
Bösen seiVernichtung, das Ende des Frommen ein erfreuliches, dau-
erndes Verbleiben. Was jedoch unter diesem Ende zu verstehen sei,
fahrt der Verf. fort, hat der Psalmist in Ungewissheit gelassen; ver-
meint er das irdische Ende, so ist dagegen einzuwenden, es gibt
Böse, die das Leben freudig in hohem Alter schliessen und sich
von reicher Nachkommenschaft umgeben sehen, während manche
Frommen jung weggerafft werden und freuden- und kinderlos
sterben. Oder ist das „Ende" auf das Jenseits zu beziehen,
so verbleibt die Frage, warum geniesst der Fromme nicht auch
die Freuden des Diesseits und warum sind nicht auch die dies-
seitigen Freuden dem Bösen versagt?
Das Buch Job hat zum Zwecke, über diese wichtige Frage
Aufschluss zu geben. Dieses hat nach einer Meinung der Leh-
rer Moses zum Verfasser, und es wird diese Frage nach allen
Richtungen erörtert. Welche eigentliche Antwort hierauf er-
folgt, ergibt sich aus den Worten Elihu's, es liegt hier ein tiefes
Geheimniss(,Tttnn nrttDÖ ^TU TD) das nur den Eingeweihten ver-
452 Ueber die Authentie
ständlich (vergl. weiter). Was nach dem einfachen Wortsinne
sich ergibt, und, wie es die Erklärer auffassen, vermag diesen
Zweifel nur aus dem Herzen des nicht tiefer Denkenden zu
bannen (CYETOn *b p pl HDHÄn -PDrfc ip,|CD'1 *6). Es
soll nämlich den Frommen deshalb Ungemach treffen, weil
auch der Frömmste nicht schuldenfrei ist, und der Böse sich des
Wohlergehens erfreuen, weil auch der Böse manches Gute ge-
thanund er hierfür seinen Lohn erhalteirmuss, so ist zu erwidern,
es gibt Böse und Gute auf die weder das Eine oder das Andere
treffend , in diesem Buche auch wird ausdrucklich gesagt, dass
Job nicht gesündigt. Zwar liegt der gedachten Ansicht eine
tiefe Wahrheit zu Grunde und es nehmen sie unsere Lehrer
als massgebend an; der Fromme erleidet hienieden Manches,
dauiit das, was er vergangen, gesühnt werde und sein Lohn um
so vollständiger im künftigen Leben sei, und der Böse hat
Wohlergehen für das Gute, das er gethan u. s. w. Dieses reicht
aber für dieses Buch nicht aus, wo von Job bezeugt wird, er
sei völlig schuldlos.
In diesem Buche kommt vor ptf/.' Dieser ist ein wirklicher
Engel, erschaffen, um zu schädigen. Von ihm gehet das Schädigende
wie Krieg, Plagen, Zwiespalt u. s. w. aus. Der Verf. spricht
noch Manches über Angelologie und scbliesst mit den Worten:
•to rmrfc rvrvöKn rfapn "o -no pj6 im
Der Verf. gehet nun an die Erklärung. Er sendet den Re-
den Job's und seiner Freunde stets eine Anzeige des leitenden
Gedankens als Einleitung voraus. Wir werden in Folgendem
manche der wichtigeren Einleitung wiedergeben. Zu Iv. 3 be-
merkt er, Job drückt durch seine vielen unverdienten harten
Leiden gedrängt die Ansicht aus, der Mensch stehe unter der
Gewalt der Gestirne und sein Schicksal hänge von der Constel-
lation in der Stunde der Geburt ab (zu vergl. V. 2), er sei
also dem Zufall unterworfen, die Gottheit sei zu gross um sich
um ihn zu kümmern. So spricht er sich auch in seiner zweiten
Rede K. 7, 18 aus und dieses gehet auch aus der Widerlegung
Elifas' 22, 12 ff. hervor. Der Verf. bemerkt hier, in den Reden
Job's und den Widerlegungen seiner Freunde findet sich nicht
das Tetragramm sondern nur i-Rtf und nV^N- Dieses HBf war
auch den Patriarchen bekannt, aber nicht 'n vgl. Exod. 6, 3.
Zwar sagt Job 1, 21 f\pb TT) |Tti Tl> es heisst aber auch von
des Cominentars NachmanFs zum Buche Job. 453
Abram Genes. 12, 8 71 CEO tflp^- So sagt auch Job tf? ^
PNI fiPEW 71 T ^D ni>X ^22 JH* 12, 9, aber in derselben Rede.
Yüm iw !?N HDim *a-|N *W SN 'ON C^N (13, 2). Job und seine
Freunde haben nämlich die eigentliche Bedeutung des Tetra-
gramm, Gott die Gesetze der Natur aufhebend, nicht gekannt.
— Der Verf. schliesst p^ cmaK b« «"INI plDD pnfcn 'S fem
HT ]JT 'DI VTW • — Dieselbe Erklärung Nachmanicommentar Gen.
17,1. Exod.6,3. — Den Inhalt der EntgegnnugElifas' bildet die Wi-
derlegung des von Job ausgesprochenen Gedankens, dass nicht
Gottes Vorsehung über der Welt walte, sondern sie unter dem
Einflüsse dcfr Gestirne stehe und dem Zufalle preisgegeben sei.
Dieses widerlegt Elifas 4, 7 f. „Gedenke doch welcher Reine
gehet zu Grunde u. s. w. Hingegen habe ich gesehen, die Un-
heil pflügen und Elend säen, erndten es." Also nicht Zufall
sondern göttliche Vorsehung regiert die Welt. Wenn also Job
Leiden erfahren, so sei es seinem Wohle. — Job ent-
gegnet (K. 6, 7), seine Leiden seien zu gross, um sie als Läu-
terung hinzunehmen, und es ist überhaupt des Menschen Leben
zu kurz und das ihn treffende Ungemach zu gross, als dass
selbst die Schuld der Bösen hierfür eine Erklärung abgebe. —
Bildad sagt (K. 8) ausdrücklich, was Elfais nur angedeutet:
die Kinder Job's haben gesundigt und darum hat sie die Strafe
getroffen, auch sei er, Job, nicht sündenfrei. — Job gehet nun
allmälig zu dem Einwurfe über, dessen Widerlegung das Buch
gilt: Warum der Fromme Unglück erfahre und der Böse das
Gegentheil. — Es wiederholen sich die Reden .und Wider-
legungen, bei deren fast jeder der Verf.. ein neues Moment her-
vorzuheben weiss: wir können nicht auf Einzelnes eingehen,
um so wichtiger ist aber wie der Verf. die Entgegnung Eli-
hu's erklärt. Diese muss wie das Buch Job zeigt, Wichtiges
und Wahres enthalten: Job entgegnet ihm nicht, scheint also
durch das von ihm Vorgebrachte befriedigt, auch zeigt der Um-
stand, dass der Herr (42, 7 f.) sich zürnend an die drei Freunde
Job's wendet und ihnen sagt sie haben nicht richtig gesprochen,
und dieses nicht auch Elihu vorwirft, dass Elibu's Widerlegung
eine richtige sei. Was sagt aber Elihu mehr zur Entgegnung
Job's als die drei Freunde, mit welchem neuen Gedanken tritt
er hervor? Die Exegeten wollen ihn in dem Hinweis finden,
dass Gott den Menschen im Traume warne und ihn von der
454 Ueber die Authentie
Sunde abzuhalten suche (33, 14 f.). Der Verf. erklärt dieses für
unbefriedigend, denn hierdurch ist nicht die eigentliche Klage
Job's erledigt, warum der Fromme leide u. s. w. — Darum ver-
meint er, Elihu deutet auf ein tiefes Mysterium, auf welches das
Buch hinzielt und das die eigentliche Lösung bringt: Die Seelen-
wanderung (der Fromme leidet, und der Geist gehet dann gereinigt
in einen anderen Körper über [vgl Schemtob a. a. O.). So hat
Elihu die Erklärung für die Leiden der Frommen gefunden; für
das Wohlergehen des Bösen findet sich der Aufschi uss in der
Antwort des Herrn, die im Ganzen das bestätigt, was Elihu mit-
getheilt (vgl. den Commentar 38, 1). — Wir werden weiter hier-
auf zurückkommen und heben noch folgende inhaltsreiche Mei-
nung des Verf. hervor. Job hat an dem Glauben an die Seelen-
welt (niETtf:n C^J» gehalten, so besagt es deutlich 13, 14;
aber die Leiden hiernieden sind ihm unbegreiflich, daher nimmt
er an, der Körper ist zu gering, als dass Gott sich um ihn küm-
mere und darum hienieden keine Vorsehung. Vgl. den Com
mentar 13, 14. 14, 3. 22, 1.
Gehen wir zum Speciellen über. Der Commentar lehnt stark
an das Targum zu Job an, er citirt es häufig und erklärt manche
sich in ihm findenden schwierigen Stellen, auch holt er aus ihm
Belege für seine Erklärungen. Der Verf. zeigt auch viele Be-
kanntschaft mit den Targumim anderer Bucher: er fuhrt On-
kelos 14, 13. 18, 3 und Jonathan zu 15,29. 26, 9 und sonst, Tar-
gum Mischle 16, 8 an. Dieses erinnert an den Nachmanicommentar
zum Pentateuch. Nachmani zeigt daselbst eine bewunderns-
werthe Bekanntschaft mit den Targumim.
Von Commentatoren führt der Verf. häufig Raschi und Ihn
Esra an; er verwirft nicht selten ihre Erklärung mit einem
pD3 1J3Vfl ganz wie der gedachte Nachmanicommentar. — Der
Verf. hat auch ungemein häufig C^ttHNDn '^B* im Nachmani-
commentar kommt dieses seltener vor. — Namhaft werden ausser
Raschi und Ibn Esra noch gemacht: R. Saadia 38, 20. R. Hai
4, 15, Aruch (vgl. weiter), R. Jehuda Halevi 38, 21.
Die Exegese ist durchsichtig und hat in ihrem etwas weit-
läufigen Stil Manches mit dem gedachten Nachmanicommentar
gemein, nur stehet sie ihm an Flüssigkeit nach. Manche Er-
klärung erinnert stark an Nachmani. So 5, 26 rfo sei rÖ &iO
vgl. Nachmani Genes. 30, 20 T37 = ^3 HT- — 26, 14 y&ü bedeutet
des Commentars Nachmani's zum Buche Job. 455
„wenig" und es wird Exod. 32, 25 HSM^ erklart „zur Verklei-
nerung'% und so hat es Nachmani das. — 6; 14 DÖ^ »st Dlpft -»öi?
D£ und es wird hierfür angeführt im i^n , nrOWTI m^HN^
Sjy»; das. V. 26 Qife TOinSl wie D^fcn; V. 29 m '»piU wie
HÄÖ (von der daselbst gedachten pfop) so ^ ^fco fc£ blP bl)
131DE IM- Diese Weise der Verwechselung der Präpositionen
tritt bei Nachmani im Pentateuchcommentar oft hervor. — Auch
pi {pDttfEm und HD mD ^1 die bekannten Redeweisen Nach-
mani's hat der Commentar häufig.
Wir gedenken noch in kurzen Worten mancher originellen
Auffassung. 10, 1 ')}) ^WB2 HEpJ ich wurde mich an meinem
Leben anekeln, wollte ich meine Klage auf (in) mir lassen (sie
nicht laut aussprechen). — 12, 5 ')}) ))2 TD^ Eine Flamme der
Verachtung (brennende) Verachtung (häufig) über den der ruhi-
gen (übermuthigen) Gedankens. — 17, 20 *?)$& ^n ist der Sarg,
die Stangen, Bretter der Gruft; 19, 17 ^03 ^ü!? Enkel. — 6, 16
— 22 beziehet sich auf die Reise der Freunde, den Weg, den
sie zurückgelegt. — Sehr sonderbar ist die Meinung 42, 10, dass
was zu Anfang des Buches von dem Job betroffenen Unglück
erzählt wird, seine Heerden seien geraubt worden, seine Söhne
und Töchter umgekommen u. s. w. habe sich nicht in Wirklich-
keit zugetragen, sondern der )£Itf hatte sie entführt und jetzt
wurden sie Job wieder zurückgegeben; dieses der Sinn von
ai v niw n« nw m.
Kehren wir nun zu dem Ausgangspunkte dieses Aufsatzes
zurück. Das bisher Gedachte ist geeignet, die Annahme der
Authcntie des Commentars zu rechtfertigen. Es sprechen sich
in der Einleitung Ansichten aus, die ganz dieselben wie im Pen-
tateuchcommentar, und wir gedenken noch, dass die Einleitung
auf C^Vyttf und in Beziehung zu WV^ yW g&nz in derselben
Weise wie Nachmani Le vi 1. 17, 7 zurückkommt. Auch die Weise der
Exegese scheint dieselbe wie die Nachmani's.— Doch erhebt sich
auch hier einiges Bedenken. Schon die hier häufig vorkommende
Benennung jT^m DDnm , y"2fcO ist befremdend : Nachmani hat
durchgehends nur N"i und nie y"3JO« — K. 24 gibt der Verf.
den Inhalt mehrerer folgender V. an und sagt V. 12 n)TI TD)
Pin Wtra, IWrwp ^K pi 'HS\ Qinm, dieses ist nicht die Sprach-
weise Nachmani's. — 15, 30 sagt er CD^Kn TPN CDnn PS3»
456 Ueber die Authentie
dieses beziehet sich auf Jesaias 33, 11. Nachmani verfahrt nie
so ungenau, den Propheten Jes. can zu benennen.
Vielleicht Hesse sich Manches, wie die Benennung y"afcC!»
auf Rechnung des Abschreibers bringen, und hinsichtlich der
Ungenauigkeiten, deren in diesem Corumentare ausser den ange-
führten noch mehrere im Gegensatze zu dem genauen Penta-
teuchcomroentar zu finden, dürfte zu entgegnen sein, der Pen-
tateuchcommentar ist eines der letzten, wenn nicht das letzte
Werk Nachmani's, er hat ihn in Palästina, wohin er sich im
Alter begab, verfasst (vgl. Perles Ueber den Geist des Commen-
tars des R. Moses ben Nachmani zum Pentateuch 7. Jahrgang
dieser Monatsschrift 8. 93 f.); der Commentar zu Job aber sei
eine Jugendarbeit und daher nicht mit ganzer Genauigkeit ver-
fasst. Doch ist dieses nur ein schwacher Nothbehelf: Nachinani's
Schrillten, sowohl die früheren nicht minder als die späteren
zeigen von ungemeiner Präcision ; ferner wurde ein jugendlicher
Schriftsteller nicht auf angeführte Erklärungen Raschids und Ihn
Esra's kurzweg, wie in diesem Commentar häufig geschiehet,
fl&OJ IjW sagen. Auch die mitunter durch Nichts tnotivirte
Breite, ist der ganzen Schreibweise Nachmani's, der allenthalben
direct auf sein Ziel losgehet und sich nie bei weitschweifigen
zur Sache nicht gehörenden Citaten aufhält, widersprechend.
Vgl. 12, 18, wo zur Erklärung des *lftp im Targum das. der Aruch
angeführt und die ganze nicht hierher gehörende Auseinander-
setzung der Worte des }"at£H zu jrO '"1 Horijot 13 abge-
schrieben wird. Nachmani beschränkt sich allenthalben auf eine
kurze erklärende Anführung.
Gehen wir nun zu Stellen über, die schlagend darthun, dass
dieser Commentar nicht Nachmani angehört. Nachmani räumt
in seinem Pentateuchcommentare der Kabbala Vieles ein, aber er
spricht nicht von r&ap ^bjD gleichsam einer Schule; er ist
überhaupt selbstständig und führt keinen i?21p& an, auch führt
er nicht die Kabbala auf biblische Personen zurück. Vergleichen
wir einige Stellen des Jobcommentars :
23, i ddh am ?a nru nw niron ronwea pn mwo vti
1D 11D WT ^21pfc« So schreibt Nachmani nicht!
K. 28 zu Ende: pi OSWÜ *EO D^H CplDDH t^TTD HT rom
naa-iö rwna naT ^a nana rpa^ ttn ^a pam wtb* rtepn ^a
imo* mich uöt picea nnaun nonö n v cnöw rurfsn
}
des Commentars Nachmani's zum Buche Job. 457
mdöw ps-fc my> erb *w roöb p*o 'm nnw iw feöw
*6 aro rwnw a"a rroaK tod Dpa pn n-flai D"nn ran»
pttsn ona-im ttn trp'OBa'ca-n rn Tai nrrcD a"i> erp ijrr
r6ap cw inra m unro ?wr\ c« wp *6 ba« ftrin^i manu;'»
^2p3 NW So schreibt Nachmani nicht!
K. 33, wo auf die oben erwähnte Behauptung zurückgegangen
wird, die Worte Elihu's bilden den Schwerpunkt des Buches,
denn sie lösen den Zweifel durch die Lehre von der Seelen-
wanderung, und daher die Worte Elihu's mysteriös erklärt
werden, schliesst die Erklärung:
ynrbs) wib rvwn ~pb iaan -non pani? penn dw
•pvn "pry nrinn pjn 7» iwa nw) pwnn «ton ^jn pirwn
nnn rrvrn mas nsan cney nmn rforcfc nrani rtero
(bei Schemtob w:nm rrmm)-
So schreibt Nachmani nicht! — Und als hätte er geahnt,
dass einst die obige Erklärung unter seinem Namen werde ver-
breitet werden, hören wir ihn ausdrucklich sich dagegen ver-
wahren. Er sagt iflMTl "BH0 S. 95 (Venedig 1598): nq -qji
-iwd omo crom) pjn c^d vran na-ra c^ino «rrf» na-j
ma taa *fr) cna «j»^ t6 imao «nzni mjn nx nw n!w *di
rramra rw:n rowo w iian na-i mpn nmoö -ra jhö ipdiw
com p taS i&fy:ty mim nmo» wn ba*c-cnn cnam nana
.nbmnn nai« ra-ini ana&a hdk |na ttn-pem nbap^
Also hat Nachmani nicht diese Erklärung K. 33 geschrieben !
Es ist aber auch die ganze Anlage des Commentars anti-
nachmanisch. Nachmani will zunächst nach dem einfachen Sinn
— üttJDH JD"V — erklären und beschwört in der Einleitung zu sei-
nem Commentar zu Genesis, dass wer nicht mit dem als ge-
heimen Sinn ("HD) Angedeuteten durch Lehrer vertrauet ist, sich
nicht darauf einlasse. Der Verf. des Jobcommentars hingegen
behauptet in seiner Einleitung, es gebe keine andere Lösung der
Zweifel Job's als die in der Rede Elihu's enthaltene und nennt
die eine andere zu finden glauben DTlDHÖ« Also keine andere
Lösung als rfcapn E"? un(* wer mit dieser nicht vertrauet ist,
dein soll das Buch ferner ein Rathsel bleiben, für ihn hat der
Verf. nicht geschrieben! Wie ganz anders Nachmani im -)]fttf
i>*MTl: er ze'gt w*e erhebend die Antwort Gottes den Menschen
auf seine Kurzsichtigkeit aufmerksam macht, und führt ferner
Fnnkel, Monatc»chrlft. XVII. 12. 35
458 Recensionen and Anzeigen.
zur Lösung der Frage, warum der Fromme hiernieden leide, die
Worte Maimuni's More Th. 3 an.
Der Commentar zu Job ist Nachmani von einem Kabbalisten
untergeschoben. Er fühlte sich hierzu ermuthigt, da Nachmani's
Pentateuchcommentar viele kabbalistische Deutungen hat und
Nachmani diese Exegese einführte. Auch der ^Ö3H ")Jfitf leistete
ihm hierbei Vorschub. Nachmani erklärt daselbst den Inhalt
der ersten Rede Job's und der ersten drei Reden seiner Freunde:
diese Erklärungen hat der Falsificator fast buchstäblich in den
Coinmentar herüber genommen, und dass er den ^DÜD WW ge-
kannt, beweist auch 1, 5 wo er sagt iflöJT pjD TTWa ItWO.
Die oben angeführte Verwahrung Nachmani's gegen eine offene
Erklärung der Worte Elihu's blieb in späterer Zeit, wo die Lehre
von der Seelenwanderung Gemeingut der Kabbalisten geworden
war (Nachmani selbst spricht allenthalben nur andeutungsweise
von ihr vgl. Genes. 38, 8 Deuteron. 25, 6) unbeachtet, auch konnte
angenommen werden, Nachmani sei in dem (fingirten) Commen-
tar zu Job hiervon zurückgekommen und habe hier die Erklä-
rung gegeben. — Wer der Falsificator gewesen und wann er
gelebt, ist unbekannt: jedenfalls lebte er nicht vor R. Lewi b.
Gerson, der in der Vorrede zu seinem Jobcommentar sagt:
d^nd na roira "iiprfc c«iö!>pn p in» mpnrw wsd kt,
mn nn ararc na toyan rh)i loon nn nv« oy ipbru nw«
miÖH un(i der Pseudocommentar hat doch fast bei jeder füjjfc
die Untersuchung über den Inhalt!
Recensionen and Anzeigen.
Die Novellen des R. Jomtob b. Abraham zum Traktat
Nidda (HT3 bv K"3önn WVX\ 1DD) und desselben Buch
des Gedächtnisses fyg yforb 3rü TOK [TDin 1DD
minn vm» b") famn nwna ^t Caövi), zum ersten
Male herausgegeben von J« Halb er stamm und mit zwei
Vorreden und Anmerkungen versehen von dessen Sohne
S. Halberstamm. Wien 1868.
Herr S. Halberstamm in Bielitz gehört zu jenen seltenen
Männern, welche, ohne durch ein Amt dazu verpflichtet zu sein,
1
Recensionen und Anzeigen. 459
für das Judenthum und insbesondere für seine Wissenschaft
mehr tbun, als Viele von Denjenigen, welche von Amtswegen
dafür zu sorgen haben. Herr Halbers tarn in ist weder Rabbi-
ner, noch Prediger; er ist auch unseres Wissens nicht einmal
Gemeindevorsteher, und wenn er es ist, so findet er sich
jedenfalls mit seinen Verpflichtungen gegen das Judenthum
nicht durch Wühlereien in Rabbinerwahl-, Synagogenbau- und
Cultusreformsachen ab, worauf jetzt in den meisten Gemeinden
(vergL „Die Metropole der Intelligenz" in Preussen) alles
jüdische Interesse Derer, die nicht ,,vom Fache" sind — vom
Vorsteher bis zum Wähler dritter Klasse — sich beschrankt.
Herr Halberstamm opfert vielmehr in besserer Erkenntniss
dessen, was ein gut situirter Privatmann heute für das Juden-
thum thun kann, Zeit und Geld der Erwerbung litterarischer
Schatze, der Drucklegung von werth vollen Handschriften und
der Veröffentlichung von selbstständigen Arbeiten, welche von
gründlicher Kenntniss der jüdischen Litteratur Zeugniss geben.
Herr H. hat bereits durch diese seine Tiiätigkeit die Männer
der Wissenschaft sich zu Danke verpflichtet, wessen selbst
Grätz (s. dessen Geschichte X., Note 3 u. 6) kein Hehl hat,
Uns aber gereicht es zur Freude, der überdies so geräusch-
losen und bescheidenen Thätigkeit des Herrn Halberstamm
einmal nach Verdienst auch an dieser Stelle erwähnen zu
können. — Was nun die oben angezeigten Sachen betrifft, so
sind dieselben zwar durch den Vater des Herrn S. Halber-
stamm, einen gleichfalls gelehrten Mann, zum Drucke befördert,
jedoch wurden die Handschriften von dem Letztgenannten an-
gekauft und bat dieser auch beide Werke mit sehr belehren-
den Einleitungen versehen. Aus den in denselben enthaltenen
Mittheilungen erwähnen wir noch der Beihülfe, womit die
Herren S. G. Stern in Wien und Schöngut in Bielitz um
die Entzifferung des sehr unleserlichen Manuscriptes und die
Sicherstelluug des Textes sieb verdient gemacht. Die mannig-
fachen von grosser Belesenheit in der jüdischen Litteratur
zeugenden Einzelheiten über Hitba, seine Schriften u» s. w.
möge man in den Vorreden selbst einsehen. In der zu deu
„Novellen" (die übrigens nur bis zu Ende des 7. Cap. dem
Ritba, von da aber dem R. S. b. Adereth angehören) führt
Herr H. aus einer späteren Recension derselben (nach einer
35*
460 ßecensionen und Anzeigen.
Notiz Asalai's) auch eine Erklärung Ritba's zu der schwierigen
Stelle Nidda 45b. an : bxiV^ C*xh DNA yWO) v'3 1£TO "TN,
auf die der Autor sich viel zu Gute gethan zu haben scheint
und die auch Herr H. Air die annehmbarste erklärt. Uns will
bedünken, dass alle hislang aufgestellten Erklärungen dieser
Stellen — auch die Ritba's — denn doch zu sehr auf künst-
lichen Berechnungen und Tüfteleien beruhen, während ein
mnemotechnisches (und noch dazu ohne alle Erklärung hinge-
stelltes) „Zeichen" klar verständlich sein muss, wenn es über-
haupt Werth haben sojl Sonst bedürfte es ja für das Behalten
der Bedeutung des ,\ Zeichens" wiederum eines „Zeichens4*
und das wäre ein zweiter Knoten im Taschentuch, der an
das erinnern soll, was der erste besagt. Wir glauben, dass
die Stelle sehr leicht verstandlich ist, wenn man nur annimmt,
das „Zeichen" nicht sowohl an Rab und R. Chanina, sondern
an ihren Ausspnich und zwar mit der Andeutung erinnern
soll, dass die Halacha wie dieser Ausspruch bleibt
In der That sagt ja Raba das. 46a: pt ^D^D ]27 ^n Nrc^
Es sind also die Worte ^&T)E^2 ü^üb nNTl an dieser Stelle zo
fibersetzen: „Und dies C^D^ (nämlich dass ^D^D i£7 "fr
Jöt) gilt in Israel (als Halacha). Dass R. Nachman b. J.
nicht, wie sonst üblich, sagt: Die Halacha bleibt u. s. w.,
dazu hat ihn eben die Freude an der witzigen Anwendung
des Bibelwortes verleitet. Aber die Sache stellt sich so nach
unserer Meinung höchst einfach und klar. (Denn weder macht
die Stellung des Satzes noch der folgende R. Nachman, wel-
cher nicht dieser zu sein braucht, Schwierigkeiten.) — Die
zweite hier angezeigte Schrift Ritba's „das Buch des Ge-
dächtnisses" ist leider unvollständig. Der etwas sonderbare
Titel (Sefer hasikkaron) ist wohl aus Maleachi 3 , 16 entnom-
men und würde sonach bedeuten: „Rechtfertigungsschrift*4, in
welcher des Rambam „zum Guten gedacht wird/' Den Text
begleiten Noten des Herrn Rabbiners Mortara in Mantua
und des Herrn Herausgebers, trotzdem ist er noch sehr
schwer lesbar und an manchen Stellen geradezu unver-
ständlich. Erhebend ist es, die Grossherzigkeit zu sehen, wo-
mit Ritha trotz seiner ausgesprochenen Hinneigung zu Ramban
auch die Meinungen Ramban's als mit der Religion vereinbar
zu rechtfertigen sucht. Ritba spricht auch die Vermuthung
Recensiouen und Anzeigen. 461
aus, dass Ramban nur die Charisische Uebersetzung des Moreh
vor sieb gehabt habe, und Herr Halberstamm bekräftigt diese
Vermuthung durch zahlreiche Belege. Es wäre eine sehr
lohnende Aufgabe, den Text des Moreh, wie er Ramban vor*
lag, überall durch Vergleich ungen der CharisischeD und Tibbo-
nidischen Uebersetzung, soweit dies möglich, festzustellen.
Denn zuweilen finden sich offenbare Unrichtigkeiten in den
Anführungen Ramban's aus dem Moreh. S. z. B. zu Deuteron.
22,6, wo es statt der Worte; mttfnön TO r&WBÖ WH »N
im Moreh III. 48 heisst n&lftil !"D, was auch dem arabischen
rf^DWCbto n"lpi?« entspricht. — Es genüge, die Aufmerk-
samkeit der Freunde der jüdischen Litteratur auf die angezeig-
ten Schriften hingelenkt zu haben. Möge uns Herr Halber«
stamm bald wiederum min seinen Arbeiten erfreuen!
Rabbiner Dr. Gudemann.
D^pronöi dvuiö &i pro rviyo w:ni> nra&a cnmn mw
.nyBTPBiwyp1« snt piwn rwb ^nwo raw« ptz^i lay ptr6i>
Saadia's Arabischer Midrasch zu den zehn Geboten.
Herausgegeben, in's Hebräische und Deutsche übertragen
von Wilhelm Eisenstädter, Doctorand der Philosophie.
Wien 1868. Druck bei Jakob Schlossberg. Selbst-
verlag VIII., 34 S.
Man kann unserer Zeit das Verdienst nicht absprechen,
eine Menge alter Werke, welche Jahrhunderte hindurch in
irgend einem entlegenen Winkel vergraben lagen, endlich an's
Tageslicht gezogen und ihnen Eingang in die wissenschaftliche
Welt verschafft zu haben. Namentlich waren es jüdische
Geistesproducte, welche aus ihrem Verstecke in die Druckereien
wanderten, um den Gesichtskreis des Forschers mehr oder
weniger zu erweitern. Auch die uns vorliegende Schrift ge-
hört zur Kathegorie dieser Werke; im Besitze des Herrn
Dr. J ellin ek ist sie von Herrn Eisenstädter herausgegeben und
durch eine hebräische und deutsche Uebersetzung leichter
zugänglich gemacht worden. Wie man aus dem Titel sieht, trägt
462 Recensionen und Anzeigen.
diese in der bei den Arabern und im Neuhebräischen so be-
liebten Mekamenform abgefasste Erläuterung des Dekalogs den
Namen des R. Saadia Gaon und es liegt die Vermuthung
nahe, dass es dieselbe angeblich Saadianische Erläuterung ist,
welche nach Zunz Ritus S. 52 am ersten Tage des Wochen-
festes in den Synagogen zu Constantine, Oran u. A. recitirt
wird. Mit dem Asharoth R. Saad. zum Dekalog hat sie nicht
die geringste Aehnlichkeit. Denn wahrend diese die 613 Miz-
woth nur unter der Rubrik der einzelnen 10 Gebote bringen,
diese selber aber nicht weiter entwickeln und ausdehnen, ist
der Tafsir lediglich nur eine Erweiterung und Ausspinnung
jedes einzelnen Gebotes, mit einer grossen Menge Midraschim
durchwebt, für welche zum Theil der Herausgeber die Quellen
am Ende angibt Mehr auf das Wesen des arabischen Werk-
chens einzugehen, fühlen wir uns um so mehr überhoben,
als Herr E. selber zu unserem Bedauern auf diesen Punkt
nicht eingegangen ist.
Es wäre nämlich unumgänglich nothwendig gewesen, dass
der Herausgeber statt der beiden allgemein gehaltenen Vor-
reden eine wissenschaftliche Einleitung der Schrift vorange-
schickt hätte, in der er sich über ihren Charakter und ihre
Eigentümlichkeit ausgesprochen, vor Allem aber untersucht hätte
ob sie wirklich dem Gaon Saadia angehöre. Wir glaubten auch in
der That aus einem Satze in den Vorreden schliessen zu dür-
fen, dass wenigstens dieser letzte Punkt noch in diesem Hefte
eine Erörterung finden werde, indessen sahen wir uns in
unserer sichern Erwartung getäuscht. Sollte vielleicht Herr
E. das von ihm selber Angedeutete in einer späteren Brochure
auszufuhren beabsichtigen? Nun, INöl )b pÖNC mSD3 ^WIDn
Auffallend ist auch, dass erR.Saadia's im 0*01(0 *T TWVQ fOlp
abgedruckten nrDVl VTWjh nm» mit keiner Silbe erwähnt,
während er andere Schriften von Saadia anführt, die gewiss
weit weniger Beziehung zum Tafsir haben. Sehen wir je-
doch, wie ihm die Besorgung des Textes und die Ueber-
setzungen gelungen sind.
Bedenkt man, dass Herr E. dem Studium des Arabischen erst
seit drei Jahren obliegt, so wird man gewiss von seinem
Fleisse und seiner Befähigung den besten Eindruck empfangen.
Es verdient alle Anerkennung, dass er einen durch und durch
Recensionen und Anzeigen. 463
fehlerhaften und durch unwissende Abschreiher entstellten Text
so wieder hergestellt hat, dass man kaum beträchtliche ortho-
graphische Fehler in ihm findet; nicht minder, dass er in den
Uebersetzungen im Ganzen den Sinn richtig getroffen hat. —
Jedoch müssen wir etwas tadeln, was gewiss Herr £. hätte
vermeiden können, da er des bei Weitem Schwierigeren Herr
geworden ist. Er ist nämlich in der Uebersetzung zu willkür-
lich verfahren; beide Uebersetzungen sind so frei, dass mit»
unter nicht nur einzelne Wörter, sondern ganze Satztheile
fehlen oder erläuternd hinzugefügt sind; stellenweise sehr
ungenau, wenn auch dem Sinne nach meistens richtig) ja sogar
sehr häufig empfängt man den Eindruck einer Paraphrase,
nicht bloss einer nicht wörtlichen Uebersetzung, und wir
haben auch gefunden, dass eine arabische Stelle in beiden
Uebersetzungen verschiedenartig paraphrasirt ist. In der
hebräischen Uebersetzung namentlich hat der Uebersetzer
meistens nicht die Selbstüberwindung gehabt, eine sinnver-
wandte biblische Redensart einer getreueren Ueb ertragung
zum Opfer zu bringen. In welcher Gestalt wäre aber der
Moreh auf uns gekommen, wenn der Tibbomde, statt sich mög-
lichst streng an das Wort zu halten, nach biblischen Phrasen,
die oft nur in einem Worte übereinstimmen, gesucht hätte! —
Wenn wir auch wenig Gewicht legen auf Auslassungen,
Einschaltungen und Ungenauigkeiten bei einzelnen Worten,
wovon wir schon auf der ersten Seite genug Beispiele an«
fuhren können, wie „Thiere des Waldes sammt Vieh der
Triften" statt „Vieh und Wild, CÖÖTl ^12W als Uebersetzung
von „sieben Himmel", „Wesenheit der Gotteslehre44 als un-
richtige Uebersetzung von KJTPrnn (das im Hebräischen richtig
mit ni&DtO übersetzt ist) endlich ein hinzugefügtes pTHO? IV
und selbst die der Präcision entbehrende hebräische Ueber-
tragung des Titels, — so gehören gewiss nicht zu dem, „was
leicht zu erklären und noch leichter zu entschuldigen ist" Ab-
weichungen von der wörtlichen Uebersetzung, wie die folgende
S. 1 rVTVTD mtDJflD n"nn~-n (die Verbreitung lieblichen
Duftes) hebräisch unübersetzt, S. 8 coin $b) "Jiy JTD p1 üb)
in beiden Ueb ertragungen unübersetzt, S, 9 "INDp ")l)BJJfc!?N "flini
deutsch richtig: sie macht die Wohnung Öde, hebräisch: *pwnm
VPT) HK v S. 16 Ein Beispiel von zu freier Uebertragung,
464 Monatschronik.
Ungenauigkeit und Paraphrase zugleich, rrJOTliwi "OP •pJFOT
.Dnrvwr.v ybv fepni cr.^j? ^mtctf mn tfr,
Wörtlich : Verkaufen sie (die Eltern) dich aus Noth, so
lege nicht dein Zeugniss gegen sie ab und nimm ihr Zeug-
niss gegen dich an. Der Herr £. übersetzt das deutsch: Zwingt
sie die Noth, sich deiner zu entäussern, so tritt weder als Zeuge.
noch als Klager (?) gegen sie auf. Hebräisch: *i2]P y-} vytft
*)X) ij£ Dia Dipn bx boom twn nna erb "w nyb ynaen
Diese wenigen Beispiele werden wohl darthun, wie wün-
schenswerth es gewesen wäre, dass Herr E. sich einer
wissenschaftlichen Akribie und Gründlichkeit befleissigt hätte,
damit das Hefteben ebenso nach der wissenschaftlichen Seite
hin hatte befriedigen können, wie es den Fleiss und das eif-
rige Streben des Herausgebers documentirt. Gr — n.
Monatschronik.
Berlin. Am 27. November in der Generaldebatte über den
Etat des Justizministeriums ergriff der Abg. Koscb das Wort
und forderte den Justizminister auf, seine Meinung über die
Anstellungsfähigkeit der Juden im Justizfache zu äussern. Der
Minister antwortete hierauf, er habe sich mit dieser Frage noch
nicht eingehender beschäftigt und sie noch nicht nach den
preussischen Landesgesetzen studirt. Dagegen sei ihm die Frage
in Betreff des Judeneides näher getreten. Als jedoch diese An-
gelegenheit in der letzten Session des norddeutschen Reichs-
tages zur Verhandlung gekommen sei, habe er geglaubt, sie sei
hiermit dem Ressort des preussischen Justizministeriums ent-
rückt worden. Die Fortschrittspartei hat darauf einen von
Dr. Kosch ihr vorgelegten Antrag unterzeichnet, welcher alle
Bestimmungen aufzuheben wünscht, die hinsichtlich des Juden-
eides eine Ausnahme von der generellen die Eide betreffenden
Bestimmung machen. Derselbe Antrag ist ganz gleichlautend
unter der neuen Aera von dem damaligen Ministerium eingebracht
worden, aber nicht zu Stande gekommen.
Monatschronik. 465
— In der Specialdebatte über den Etat des Cultusministeriums
ergriff der Abg. Kosch bei Titel „Gymnasien und Realschulen"
wiederum das Wort, um für die Anstellung jüdischer Lehrer
an höheren Lehranstalten, die Zulassung judischer Religions-
lehrer an denselben und die Ernennung jüdischer Gelehrten zu
ordentlichen Universitätsprofessoren einzutreten. In der Bera-
thung über den Cultusetat ist die Anstellung jüdischer Lehramts-
candidaten überhaupt von verschiedenen Abgeordneten zur
Sprache gebracht worden. Es liegt dem Abgeordnetenhause
auch eine Petition der Breslauer Synagogengeineinde vor, die
die Anstellung von Juden in den Ressorts der Justiz- und Unter-
richtsverwaltung beansprucht.
London. Bei der letzten in England vollzogenen Parlaments-
wahl sind sieben jüdische Candidaten gewählt worden. Sie ge-
hören sämmtlich der liberalen Partei an.
Pest. Die Wahlen zum jüdischen Congresse sind vollzogen
worden. Die liberale Partei ist den Orthodoxen gegenüber
iu der Majorität. Unter den Gewählten befinden sich auch drei
aus dem jüd. -theologischen Seminar in Breslau hervorgegangene
Rabbiner, die Herren Dr. Kohn, Dr. Kohut und Dr. Sidon.
— Der Congress der ungarischen Juden ist am 14. Dezember
im grossen Comitatssaale von dem Cultusminister Eötvös durch
eine Rede eröffnet worden.
Hierauf nahm Herr Leo Holländer aus Eperies als Alters-
präsident den Vorsitz ein. Am 15. December constituirten sich
die Sectionen zur Wahlprüfung. Nachdem eine genügende An-
zahl von Wahlen geprüft worden waren, schritt man am 16. De-
cember zur Wahl des Vorsitzenden. Der Candidat der Liberalen
Herr Dr. Hirschler aus Pest drang mit 115 gegen 90 Stimmen
durch und übernahm den Vorsitz. Der Gegencandidat der
Orthodoxen war Herr Leopold Popper, der selbst der liberalen
Partei angehören soll. Zu Vicepräsidenten wurden gewählt die
Herren Popper und Wahrmann. Die Absendung einer Depu-
tation an den König, welche vorgeschlagen worden war, unter-
blieb, da der König Pest schon verlassen hatte. Es soll nun-
mehr eine Adresse an den Thron gerichtet werden. Abg. Roken-
stein regte darauf die Emancipation der bisher noch nicht eman-
cipirten croatisch-slovenischen Juden an. Dieser Antrag sowohl
466 Nachwort.
wie der über die Adresse soll in den nächsten Tagen berathen
werden. Die Wahlprüfungen werden wohl noch längere Zeit
aufhalten, da auf beiden Seiten viele Ueberschreitungen vor-
gekommen sein sollen.
Nachwort.
Ueberhäufte Berufsgeschäfte gestatten mir nicht die
fernere Redaction der Monatsschrift, die nun in die Hände
des Herrn Dr. H. Graetz übergehet Ich fühle mich
gedrungen meinen warmen Dank auszusprechen für das
schätzbare Vertrauen, das mir während der zwanzig-
jährigen Redaction der zwei in einem Geiste geleiteten
Journale, dieser Monatsschrift und der vom Jahre 1844
bis 1846 erschienenen Zeitschrift für die religiösen Inter-
essen des Judenthums, zu Theil geworden. — Diesem
Hefte ist eine Inhaltsanzeige sämmtlicher Jahrgänge der
beiden Journale beigegeben: sie soll das Nachschlagen
erleichtern , möge sie auch dazu beitragen deren Anden-
ken läugere Zeit zu erhalten.
Z. Frankel.
Inhaltsanzeige
sämmtlicher Jahrgänge der Monatsschrift.
Leitartikel.
Seite.
Jahrgang I.
Einleitendes. Vom Herausgeber 1
Schutzschrift des Jos. Flavius gegen Apion. Uebersetzt und
erläutert vom Herausgeber 17. 41. 81. 121
Bilder aus dem Leben und Wirken der Rabbinen. Von
Dr. W. Landau 163. 283. 323
Ueber den Lapidarstil der talmudischen Historik. Vom
Herausgeber 203. 403
(Jeber manches Polizeiliche des talmudischen Rechts. Von
Demselben 243
Das Judenthum der Zukunft. Von Dr. B. Beer 363
Ueber die Bachuzim. Von G. Netter 377
Galerie angesehener für Glauben und Glaubensgenossen
wirkender Juden. Vom Herausgeber 443
Die Wissenschaft das einzige Regenerationsmittel des Juden-
tums. Von Dr. W. Landau 483
Galerie jüdischer Reisebeschreiber. Vom Herausgeber 523. 563
Jahrgang II.
Jahresschau. Vom Herausgeber 1
Die neuere jüdische Literatur und ihre Bedeutung. Von
Dr. B. Beer 41. 81. 249
Die Geschichte der Niederlassung der Juden in Holland und
in den niederllndischenColonien. Von Dr. Sommerhausen 121
468 Inhaltsanzeige sämmtlicber Jahrgänge der Monatsschrift.
Bilder aus dem Leben and Wirken der Rabbinen. Von
Dr. W. Landau 107. (161)
Ueber einen allgemeinen Rabbinercongress. Vom Herausg. 209
Zur Geschichte der Juden in Pulen. Von Hermann Stern-
berg 211. 263. 304. 369
Die Gemeindeordnung nach talmudischem Rechte. Vom
Herausgeber 289. 329
Die Diaspora zur Zeit des zweiten Tempels. Von Demselb. 409. 449
Jahrgang III.
Jahresschau. Vom Herausgeber 1
Die neu crejüd. Literatur u. ihre Bedeutung. Von Dr. B. Beer 15. 249
Bilder aus dem Leben und Wirken der Rabbinen. Von
Dr. W. Landau 45. 81. 130
Die Israeliten von Langhouat. Von B. B 51. 205
Das judisch-theologische Seminar Vom Herausgeber . . 125
Zur neuesten jüdischen Literatur in England. Von Demselben 169
Die gegenwärtige Lage der Juden in Palästina. Von Demselb. 284
Die Eröffnung des jud.-theolog. Seminars. Von Demselben 263
Die Parallelen zu Schiller's Bürgschaft. Von Dr. M. Wiener 324
Seminar-Angelegenheiten 341
Die Lehrfreiheit im Judenthume. Von J. Wiesner. . . . 365
Die Juden unter den ersten röm. Kaisern. Vom Herausg. 401. 439
Der Ghetto zu Rom. Von W. Freund 437
Jahrgang IV.
Jahresschau. Vom Herausgeber 1
Rede bei der am 28. Jan. 1855 stattgehabten Gedächtniss-
feier am jüd.-theol. Seminar in Breslau. Von Demselben 45
Ueber die gegenwärtige Stellung der Parteien im Judenthume.
Von Landrabbiner S. Meyer 81
Rabbi Meir. Eine biograph. Skizze von Dr. M. Jogi . 88. 125
Die Juden in den Oasengebieten der Sahara von Tuggurt
und Suf von M. Schwarzauer 132
Zur Geschichte der jüdischen Religionsgespräcbe. Vom
Herausgeber 161. 205. 241. 410. 447
Zur Charakteristik neuerer Reisebeschreibungen. Von D ems. 250
Inhaltsanzeige sämmtlicher Jahrgänge der Monatsschrift. 469
Seite.
R. Jochanan ben Napcha. Von Dr. M. Löwenmayer . 285. 321
Antonio Joseph. Nach dem Asmonaean von Lara. Von
Dr. M. Wiener 328
Syrien und die Beduinen unter der türkischen Herrschaft 365
Rede am Geburtsfeste Sr. Maj. des Königs Friedr. Wilhelm IV. 401
Chanukka 1855 435
Zur Geschichte der Juden in Holland 440
Jahrgang V.
Dies- und jenseits des Meeres. Vom Herausgeber ... 1
Das jüdisch-theologische Seminar zu Breslau 17
Eine Proselytenfamilie aus dem vorigen Jahrhundert. Von
Dr. Lewysohn 37
Das Alterthum überJudenthum und Juden. Vom Herausgeber 81
Geschichte der Juden in Holland 125. 162
Das neue Hospital zu Jerusalem 161
Scenen aus dem J. 1096. Von Dr. Lewysohn 167
Salomon Molcho und David Reubeni. Von Dr. Grätz 205. 241
Die jüd. Gelehrsamkeit und Literatur in den Niederlanden 285
Medicinisches Gutachten über eine jüdische Ritualie. Vom
Herausgeber 299
Die hebr. Inschrift in der Kirche San Benito. Von Dr. Grätz 321
Rabbi Simon ben Jochai. Von Dr. Jogi 365. 401
Phönizische Alterthümer. Vom Herausgeber 447
Jahrgang VI.
Was uns noth thut. Vom Herausgeber 5
Das jüdisch-theologische Seminar in Breslau 18
Simon der Gerechte und seine Zeit. Von Dr. H. Grätz . 45
Die hervorragendsten Vertreter der Akiba'schen Schule.
Von Dr. M. JoeU 81. 125
Bunser und die Mischnalehrer. Von Dr. B. Beer .... 161
Ueber den OpferCultus nach biblisch -talmudischer Auffas-
sung. Von Rabbiner S. Brann 167. 251
Zur Geschichte der Juden in Danzig . . 205. 241. 321. 401
Die Niederlande und das holländische Leben 285
Don Pedro und sein Schatzmeister Samuel Lewi. Ein histo-
rischer Versuch von Dr. M. Kayserling 365
Zur Geschichte der Synagogengemeinde in Königsberg. Von
Professor Dr. Jos. L. Saalschütz . 437
470 Inhaltsanzeige sammtlicher Jahrgange der Monatsschrift.
Jahrgang VII.
Seite.
Licht und Schatten. Vom Heraasgeber 3
Das jüdisch-theologische Seminar in Breslau 19
iur Geschichte der Juden in Worms. Von Dr. L. Levysohn 37. 361
Ueber den Geist des Commentars des Rabbi Moses ben
Nachinan zum Pentateuch. Von J. Perles . . . 81. 117
Zur Geschichte der Synagogengemeinde in Königsberg. Von
Prof. J. L. Saalschütz 163. 203. 397
Die Geschichte der Juden im Trier'schen. Von Dr. C. Hecht 179
Aristeas. Ein Beitrag zur Culturgeschichte der Juden Alex-
andriens unter den Ptolemäern. Vom Herausgeber 237. 282
Schemaja und Ahtalion. Von Dr. W. Landau 317
Zur Geschichte der Juden in Triest, Görz und Gradiska.
Von G. Wolf 368
Zur Geschichte der Juden in Hamburg. Von Dr. M. Kayserling 408
Die portugiesischen Entdeckungen und Eroberungen in Be-
ziehung zu den Juden. Von Demselben 433
Jahrgang VIII.
Erkennen und Vertrauen. Vom Herausgeber 3
Das jüdisch-theologische Seminar zu Breslau 17
Zur Geschichte der Juden in Mecklenburg. Von Dr. E. Hecht 45
Zur Geschichte der Synagogengemeinde in Königsberg. Von
Prof. Dr. J. L. Saalschütz 81
Ueber das die Schätzung religionsphilosophischer Systeme
beeinträchtigende Vorurtheil, dass die wahre Philosophie
voraussetzungslos ist. Von Dr. M. Joel 125
Zur Geschichte der jüd. Aerzte. Von Dr. M. Kayserling 161. 330
Die Juden in Surinam. Von demselben 205
Alexandrinische Messiashoffnungen (die Sybillineo) Vom
Herausgeber 241. 285. 321. 359
Jesuiten und Judenkinder. Von Dr. M. Güdemann . . . 365
Die Anfänge der neuhebräischen Poesie. Von Dr. H. Grätz 401
Jahresbericht der Asiatischen Gesellschaft zu Paris. Von
J. Mohl 437
Jahrgang IX.
Der Kampf. Vom Herausgeber . 3
Das jüdisch-theologische Seminar in Breslau 13
Inhaltsanzeige sämmtlicher Jahrgänge der Monatsschrift.. 471
Schillers Sendung Moses. Von Saalschütz 45
Die Juden in Dortmund. Von Dr. M. Kayserling .... 81
Zur Qeschichte der jüdischen Aerzte. Von demselben . . 92
Juden und Jtidenthum nach römischer Anschauung. Vom
Herausgeber 125
Ueber Princip und Gebiet der Präsumptionen nach talmu-
discher Lehre. Von J. Freudenthal 161
Etwas über den Einfluss der jüd. Philosophie auf die christ-
liche Scholastik. Von Dr. M. Jo€l 205
Eleasar und Alyaro. Von Dr. M. Kayserling 241
Die Juden in Oppenheim. Von Demselben 285
Mosaisches Recht u. Hindurecht. VomHerausg. 321. 365. 406. 445
Antonio Jose da Silva. Von Dr. M. Kayserling 331
Der Kosmopolitismus der jüdischen Race 401
Jahrgang X.
Der Rückblick. Vom Herausgeber 1
Das jüdisch-theologische Seminar zu Breslau 60
Die höchsten Gewalten im biblischen Staate. Von Prof.
Dr. Saalschütz 81
Geschichte der Juden in der Residenzstadt Hannover. Von
Dr. M. Wiener 121. 161. 241. 281
'Zur Geschichte der Juden in Worms und des deutschen
Städtewesens. Von G. Wolf. . . . 321. 361. 410. 453
Zur Geschichte der Juden in Marokko aus alter und neuerer
Zeit. Von Dr. M. Kayserling 401
Gegenwärtiges Verhältniss der Israeliten in der Pfalz in
Beziehung aufCultus und Unterricht. Von Dr. Em. Hecht 441
Jahrgang XI.
Schlaglichter. Vom Herausgeber 3
Dr. Bernhard Beer. Ein Lebens- und Zeitbild. Von Dem-
selben ... 41. 81. 121. 174. 245. 285. 325. 365. 405
Entlassung dreier zu Rabbinen herangebildeter Hörer des
jüdisch-theolog. Seminars zu Breslau. Von Demselben 161
Nachtrag zur Geschichte der Synagogengemeinde in Königs-
berg. Von Prof. Dr. Saalschütz 209
Die Philosophie der Juden. Von E. Saisset 445
472 Inhaltsanzeige simmtlicher Jahrgänge der Monatsschrift.
Jahrgang XII.
Begluckungstheorien. Vom Herausgeber 3
Ueber Tbierqnälerei nach den Grundsätzen des Judenthuma.
Von Dr. W. Landau 41
Das judisch-theologische Seminar zu Breslau 55
Jüdische Dramen der Gegenwart. Von A. B. ... 81. 121
Geschichte der Juden in der Stadt und Diöcese Speyer.
Von Dr. M. Wiener 161. 2^5. 297. 417. 454
Rabbiner Samson Wolf Rosenfeld. Von Dr. J Klein . . 201
Dr. Gabriel Riesser. Vom Herausgeber 215
Der Prophet Elia in der Legende. Von S. EL . . . 241. 281
Zur Geschichte der Juden Amerika's. Vom Herausg. 321. 361
Die Karaer in Galizien betreffend. Von Dr. M. Wiener . 329
Zur Geschichte der Juden in der Schweiz. Von Dr. M.
Kayserling 405. 441
Jahrgang XIII.
Alte und neue Zeit. Vom Herausgeber 3
Die Belagerung Hamburgs (1813 — 1814) in ihren Beziehungen
zu den Israeliten. Von Dr. M. Kayserling 41
Geschichte der Juden in der Schweiz. Von demselben . 46
Das jüdisch-theologische Seminar zu Breslau 51
Liepmann Cohen und seine Söhne, Kammeragenten zu Han-
nover. Von Dr. M. Wiener 161
Zur Geschichte der judischen Aerzte in Oesterreich. Von
G. Wolf 194
Geschichte der Juden in Posen. Von Dr. J. Perles . 281. 321
361. 41 K 449
Jahrgang XIV.
Religion und Humanität. Vom Herausgeber 3
Geschichte der Juden in der Schweiz. Von Dr. M. Kayserling 41
Das judisch-theologische Seminar zu Breslau 59
Geschichte der Juden in Posen. Von Dr. J. Perles 81. 121. 165
205. 256
Zur Geschichte der Juden in Magdeburg. Von Dr. M.
Güdemann 241. 281. 321. 361
Inhaltsanzeige sammtlicher Jahrgange der Monatsschrift. 473
Seite.
Rückblick auf Zustände und Ereignisse der Juden in Frank-
reich, Italien, dem Orient und der Nordküste Afrika' s
während der letztvergangenen Decennieu. Nach Mit-
theilungen des Herrn Albert Cohn 401. 441
Jahrgang XV.
Die religiöse Duldung nach der europäischen Völkertafel.
Vom Herausgeber 3. 41
Das jüdisch-theologische Seminar zu Breslau 52
Zur Geschichte d. Juden in Barcelona. Von Dr. Kayserling 81
Rückblick auf Zustände und Ereignisse der Juden in Frank-
reich, Italien u. s. w. Nach Mittheilungen des Herrn
Albert Cohn 201. 241. 281. 321. 361. 401
Der Einfluss des Judenthums auf die Entstehung und Aus-
bildung des Islam nach den neuesten Forschungen von
Sprenger und Nöldecke. Von G 441
Jahrgang XVI.
Thaten sprechen. Vom Herausgeber 1
Ein Blick auf d. Juden inGalizien. VonDr.J. Horowitz 41. 81. 125
Das jüdisch-theologische Seminar 54
Ein vergessener Zeitgenosse Mendelssohn's Von Dr. M.
Kayserling 161
Nationalitäten. Vom Herausgeber 168
Zur Lage der Juden in Galizien. Von G. Wolf 201
Der Balthasar Isaac Orobio de Castro. Von G 221
Zur Ethik des jüdisch-alexandrinischen Philosophen Philo.
Vom Herausgeber 241. 281
Authentische Aktenstücke über die gegenwärtige Lage der
Juden in Serbien 361. 401. 441
Gedächtnissrede J. Mohl's auf S. Munk 453
Jahrgang XVII.
Aphorismen. Vom Herausgeber 3
Emanuel Osmund und Jean Paul. Von Dr. Kayserling . . 41
Das jüdisch- theologische Seminar zu Breslau 59
Mendelssohn-Skizzen. Von Dr. Kayserling 81
Ueber die Abschaffung der Todesstrafe vom mosaisch -tal-
mudischen Standpunkt. Von Dr. Vogelstein .... 87
Frankel, Monatsschrift. XVII. 12 %Q
474 Inhaltsanzeige sämmtlicher Jahrginge der Monatsschrift.
Seite.
Die Alliance Universelle Israelite und die Jaden Rumäniens.
Vom Herausgeber 121
Voltaire und die Juden. Von Dr. Grätz 161. 201
R. Abraham b. Jsaak, Ab-bet-din aus Narbonne. Ein literar-
historischer Versuch. Von Dr. H. Gross . . . .241. 281
Drei Controversisten. Von Dr. M. Kayserling 321
kie Alliance Israelite Universelle 361. 401
Eine alexandrinische Liebesgeschichte. Vom Herausgeber 440
Wissenschaftliche Aufsätze.
Jahrgang I.
Skizzen zu einer Einleitung in den Talmud. VomHerausg. 36. 70
Jüdisch-geschichtl. Studien. Von Dr. H. Grätz 112. 156. 192. 307
Ueber den Geist des Jeruschalmi (Pseudo-Jonathan.) Von
S. Bar 235
Exegetische Bemerkungen zu Jerem.49. 3. Von S. Cassel 269
Einiges zur Forschung über den Oniastempel. Vom Herausg. 273
Bemerkungen über das gegenseitige Verbältniss der Beraita
des Samuel und des Pirke de R. Elieser. Von S. Sachs 277
Einiges zur Schöpfungstheorie der Talmudisten. Von
Dr. Gugenheimer 477
Die talmud. Chronologie und Topographie. Von Dr. H. Grätz 509
Zur Texteskritik des Talmud. Vom Herausgeber .... 553
Die vier ins Paradies eingedrungenen Mischnalehrer. Von
Dr. Kämpf 555
Die Söhne Bethera. Von Dr. Fürst 559
Ueber das Anchialum des Martial. Vom Herausgeber . • 562
Die absetzbaren Hohepriester während des zweiten Tem-
pels. Von Dr. H. Grätz 585
Jahrgang IL
Die Essäer nach talmudischen Quellen. Vom Herausg. 30. 61
Die talmudische Topographie. Von Dr. H. Grätz 106. 145. 190
Genealogisches und Chronologisches bezüglich der Patri-
archen a. d. Hillel'schen Hause. Von Dr. J. Kämpf 201. 231
Die verschiedenen Ausgaben des Tisohbi von Elias Levita.
Von Dr. Wiener 278
Inhaltsanzeige sämmtlicher Jahrgange der Monateschrift. 475
Seite.
Die Lissaboner Ausgabe des Pentateuch - Commentars von
Nachmani. Von Dr. Wiener 280
Das Neuhebräische, in Beziehung zu dem Neugriechischen.
Von Dr. Wiener 317
Zur Kritik der Mischna Edujot 1. 3. 4. 5. und 6. Von
M. Schwarzauer . 320
Sprachliche Bemerkungen zu dem Erech Miliin von Rappo-
port. Von Dr. J. Klein 325
Geist der palästinensischen und babylonischen Hagada
(Mechilta). Vom Herausgeher 388
Zur Geschichte des hebräischen Elementarunterrichtes. —
Targum Rabbati und Midrasch Rabbati zu Esther. —
Zur Geschichte der Juden in Spanien. — Ein Cultur-
gemälde a. d. Anfang des 18. Jahrb. Von Ad. Jellinek 429
Fälschungen im Texte der LXX. von christlicher Hand zu
dogmatischen Zwecken. Von Dr. H. Grätz 432
Jahrgang III.
Genealogisches und Chronologisches. Von Dr. J. Kämpf 39. 98
Studien und Kritiken. Von Dr. Carmoly 59
Geist der palästinens. und babylon. Hagada (Mechilta).
Vom Herausgeber 149. 191. 387. 453
Chronologische Ansetzung der Schriftgelehrten von Anti-
gonus aus Socho bis aufR. Akiba. Von L. Herzfeld 221. 273
Der Raschi-Commentar zu Moed-Katan. Von J. Reifmann 229
Quellen des Aruch. Von demselben 232
flagadische Elemente bei den Kirchenvätern. Von Dr. H.
Grätz 311. 352. 381. 428
Ueber den Verfasser des polemischen Werkes nö^DH 'D-
Von M. Sänger 320
Die Namen der pers. und babyl. Feste im Talmud. Von
D. Oppenheim 347
Zusätze und Berichtigungen zu Rappoports Erech Miliin.
Von Dr. M. Wiener 418. 461
»
Jahrgang IV.
Das Paraphrastische der arabischen Uebersetzung des R.
Saadia Gaon. Vom Consist-Oberrabb. L. Bodenheimer 23
Zur jüd. Sagengeschichte. Von Dr. B. Beer 59
36 •
476 Inhaltsanzeige sämmüicher Jahrgänge der Monatsschrift.
Seite.
Griechische Elemente u. d. Aeonenlehre im Talmud Von D. L. 66
Ueber einige seltene Schriften in der Bibliothek des Hrn.
Dr. Carmoly. Von R. K 104
Wann war die Eroberung Jerusalems durch Pomp ejus und
wann die durch Herodes? Von Dr. L. Herzfeld . . . 109
Erläuterung der auf einigen mathem. Sätzen beruhenden
Misch na Kilaim 5, 5. Von Dr. B. Zuckermann . • . 146
Hagadische Elemente bei d. Kirchenvätern. Von Dr. H. Grätz 186
Ein Erklärungsversuch des 68. Psalms. Von Dr. W. Feilchen-
feld 193. 224
Die Präsidentur im Synedrium. Von Dr. J. Levy 266. 30). 339
Verschiedene Theorie über das Wesen der Seele bei eini-
gnn arabisch -jüdischen Religionsphilosophen. Von A.
Schmiedl 387. 416
Versuch einer Erläuterung mehrerer dunklen Stellen im Buche
Daniel mit besonderer Beziehung auf das 11. Kapitel.
Von L. Skreinka 454
Jahrgang V.
Ein historisches Datum aus dem Buche Sohar. Von Dr.
Zuckermann 27
Geisteslese aus der Schrift Bet-Jehuda. Von R. Kirchheim 29
Die philosophische Bedeutung der Vierzahl. Von A. Schmiedl 55
Zur Geschichte des Backochba. Von Dr. Herzfeld . . . 101
Proben aus einer Zoologie d. Talmuds. Von Dr. Lewysohn !11
Akabja ben Mahalallel. Von Dr. Kämpf 146
Beitrag zur Chronologie. Von Dr. Zuckermann 182
Ueber die Lage von Petra. Von Dr. Herzfeld 186
Der Commcntar des R. Jos. Kara zu Job. 223. 268. 342. 471
Das Buch der Jubiläen. Vom Herausgeber .... 311. 380
Ueber d. Alter des Hillerschen Kalenders. Von D. Oppenheim 412
Eine Gelehrtenfamilie aus dem 11. und 12. Jahrhundert.
Von Dr. Lewysohn 419
Jahrgang VI.
Die grosse Versammlung (Keneset ha- gedola), ihre Geschicht-
lichkeit, Zahl, Bedeutung u. Leistung. VonDr.H. Grätz 31. 61
Der Commentar des R. Jos. Kara zu Job 71. 182. 270. 350. 463
Inhaltsanzeige sämmtlicher Jahrgänge der Monatsschrift. 477
Seite.
Ueber den Geist der Uebersetzung des Jonathan ben Usiel
zum Pentateuch und die Abfassung des in den Editionen
dieser Uebersetzung beigedruckten Targum Jeruschalmi.
Von H. Seligsohn und J. Traub 97. 138
Ueber das Alter des Hillel'schen Kalenders. Von Rabb.
D. Oppenheimf. 264. 307
Zur Chronologie d. gaonäischen Epoche. Von Dr. H. Grätz 336. 381
Einige kritische Bemerkungen zu den angeblichen H^Ö }'/rin
des Saadja Gaon. Von L. Dukes 345
Eldad und Medad im PseudoJonathan. Von Dr. B. Beer . 346
Ibn Gebirols (Avicebron's) Bedeutung für die Geschichte
der Philosophie. Von Dr. M. Joel 386. 420
Einiges über Münchener hebräische Handschriften. Von
Dr. B. Beer 454
Jüdisch-spanische Gedichte. Von Dr. M. Kayserling. . . 459
Jahrgang VII.
Ibn Gebirol's (Avicebron's) Bedeutung für die Geschichte
der Philosophie. Von Dr. M. Joe"l 59
Das Zusammenwirken Esra's und Nehemia's. Von Dr. M.
Jastrow 72
Zum Leitartikel: Ueber den Geist des Commentars des R.
Moses ben Nachman u. s. w 113. 145
Thomas de Pinedo. Von Dr. M. Kayserling 191
Autorschaft, Abfassungszeit und Composition der Helachot
Gedolot. Von Dr. Grätz 217
Der Commentar des R. Joseph Kara zu Job 255. 345
Ein exegetischer Versuch über Sprüche Sal. Cap 30 und
Cap. 31, V. 1—9. Vom Rabbiner Dr. W. Feilchenfeid
in Düsseldorf 301. 329. 375
Einiges über die hebräischen und aramäischen Benennungen
für „Schule", Schüler" und „Lehrer". Von Dr. L. Levy-
sohn in Worms 384
Zum Tractat Abot. Vom Herausgeber 419
Einiges über d. Farbenlehre des Talmud. VonDr.L.Levysohn 447
Jekutiel und Joseph Jbn-Migasch. Von Dr. H. Grätz . . 453
478 Inhaltsanzeige sämmtlicher Jahrgänge der Monatsschrift.
Seite.
Jahrgang VIII.
Ein weiterer Beitrag zur Auffassung des Mekor Chajim
von Gebirol. Von Dr. M JoSl 24
Die mystische Literatur in der gaonäischen Epoche. Von
Dr. Grätz 67. 103. 140
Jehuda Alcharisi als Kritiker. Von Leopold Dukes . '213. 266
Der philosophische Gottesbegriff in der arabisch-judischen
Quellen. Von Dr A Schmiedl 399. 419
Ueber die Helachot Gedolot. Von J. J. Halberstamm . . 379
Analekten. Zur Literatur der spanisch - portugies. Juden 386
Jahrgang IX.
Die Anfänge der neuhebräischen Poesie. Von Dr. Grätz 19. 57
Analekten: Zur Literatur der spanisch-portug. Juden 29. 69. 313
Collectaneen. Von Dr. A. Schmiedl 98. 305
Nachträge über R. Moses ben Nachman. Von Dr. J. Perles 175
Geographische Skizzen. Von Rabb D. Oppenheim 195. 226. 426
Miscellaneen. Von Professor Dr. J. Kämpf 217
Notizen zu R. Levi ben Gerson. Von Dr. M. Joßl .... 223
Ueber Prinzip und Gebiet der Präsumptionen nach talmu-
discher Lehre. Von J. Freudenthal .... 230. 251. 298
.Die jöd. Hochzeit in nachbiblischer Zeit. Von Dr. J. Perles 339
Zum Mischnacommentar des Maimonides. Vom Herausgeb. 381
Ein Commentar des Jeruschalmi. Von B. Zomber .... 421
Bericht über die Arbeiten des Verwaltungsrathes der asiat.
Gesellschaft während d. Jahres 1859 - 1860. Von J. Mohl 454
Jahrgang X.
Zur hebr. Sprachkunde und Bibelexegese. Von Dr. Grätz 20
Lewi ben Gerson als Religionsphilosoph. Von Dr. M. Joel 41
93. 137. 297. 333
Erklärung des 34. Gap. im Jecheskeel. Von Dr. M. Jastrow 111
Ansichten altgriechischer Weisen im Talmud. Von Dr. Beer 145
Randbemerkungen zu Pinsker's Likute Kadmoniot Von
Dr. A Schmiedl 176
Beiträge zu einer Einleitung in den Talmud. Vom Heraus-
geber 186. 206. 258
Inhaltsanzeige sämmtlicher Jahrgänge der Monatsschrift. 479
Seite.
Ueber den Verfasser des Nischmath und das Alter d. Piu-
tim Von J. Oppenheim 212
Abgaben, welche die Juden in Burgau zu bezahlen hatten.
Von G. Wolf 224
Die Leichenfeierlichkeiten im nachbiblischen Judenthume.
Von Dr. J. Perles 345. 376
Bericht, verlesen bei der jährlichen Sitzung der Societe
Asiatique den 29. Juni 1861. Von Julius Mohl .... 463
Jahrgang XL
Lewi ben Gerson (Gersonides) als Religionsphilosoph. Von
Dr. M. Jogi . . , 20. 65. 101
Ueber die Bedeutung des Wortes rQtP im Pentateuch. Von
Prof. Dr. Kämpf 144
Ueber den Aberglauben in der arabisch-jüdischen Schule.
Von Dr, A. Scbmiedl 193
Die Haftara. Von Dr. Adler 222
Eine neue Erklärung des dritten der zehn Gebote. Von
Dr. J. Klein 266
Commentar des Salomon Parchon zu Jesaia 344. 391« 430. 471
Jahrgang XII.
Ueber einige geschichtliche Beziehungen des philonischen
Systems. Von Dr. Joel 19
Commentar des Salomon Parchon zu Jesaia 61. 108. 149. 269
»
Aus d. SeferHasichronot von Elias Levita. VonDr.Frensdorff 96
Was hat den Aristotelismus in der judischen Religions-
philosophie des Mittelalters so populär gemacht? Von
Dr. A. Schiniedl 130
Aus der Naturphilosophie der jüd. Araber. Von demselb. 336
Horae semiticae. Dogmatisches. Von Prof. Dr. Kämpf 143 377
Lösung einer Gleichung mit zwei Unbekannten (Diophan-
tische Gleichung) im Talmud Erubin 57 b — 57 a. Von
Dr. Zuckermann 467
Jahrgang XIII.
Mose Almosinno. Von Dr. Grätz 23. 57
Die Neugestaltung des Rabbinenwesens und deren Einfluss
auf die talmudische Wissenschaft im Mittelalter. Von
Dr. Gü de mann 6a 97. 384. 421
480 Inhaltsanzeige sämmtlicher Jahrgänge der Monatsschrift.
Seite.
Rabbi Simon b. Gamaliel II. nach seinen Lebensverhältnissen
und seiner geistigen Wirksamkeit. Von Th. Bloch 81. 121
Ueber den Ursprung der Moldot und Tekufot im judischen
Kalender. Von Ch. J. Slonimski 133
Zur Dogmatik des Jndenthums. Von Dr. Oppenheim . . 144
Ueber die Begriffe von Substanz und Accidens in der Phi-
losophie des jüdischen Mittelalters Von Dr. Schmiedl 184
HistorischerUeberblick über die mannigfachen Codificationen
des Halachastoffes. Von Dr. Buchholz 201. 241
Eine wiederaufgefundene Handschrift 217
Midrasch des R. Schemajah Schoschanni z. Absch.nftnn 224. 259
Scholien und Emendationen zum Texte des Talmud. Von
Dr. Lebrecht 264
Die talmudischen Maasse. Von Dr. Zuckermann 295. 334. 373
Ueber den frühzeitigen Gebrauch der indischen Ziffern bei
den Juden. Von D. Oppenheim 231. 462
Ueber einige wesentliche Religionsbegriffe. Von J. Wahrmann 467
Jahrgang XIV.
Beitrage zur hebräischen Sprachforschung und biblischen
Exegese. Von Dr. J. J. Unger 16. 66. 94
Das Buch Jesus Sirach. Von Dr. J. Horowitz . 101. 136. 178
Die hebräischen Traditionen in den Werken des Hieronymus.
Von Dr. M. Rahmer 216. 460
Zur Geschichte der allegorischen Schriftausleguug. Von
Dr. Schmiedl 296. 335
Der Codex von Rasch Ps und Raschbam's Pentateucbcom-
mentarien aus der Breslauer Seminarbibliothek. Von
Dr. Max Landsberg 370. 416
Jahrgang XV.
Beiträge zur samaritanischen Pentateuchübersetzung und
Lexicographie. Von Dr. S. Kohn 15. 58. 109. 217. 239. 268
Aphorismen über die biblischen Offenbarungswunder. Von
Dr H. Hirschfeld 96. 135
Beiträge zur Alexandersage. Von Dr. H. Vogelstein . 121. 16*
Inhaltsanzeige sämmtlicher Jahrgange der Monatsschrift. 481
Seite.
Zu dem chaldäischen Wörterbuche von Dr. J. Levy. Von
Dr. Perles 148
Die Psalmen 120 135 nach ihrem Inhalte und ihren histor.
Beziehungen beleuchtet. Von Dr. W. Feilchenfeld 178. 261
Ueber den frühzeitigen Gebrauch der indischen Ziffern bei
den Juden. Von Rabbiner Dr. Oppenheim . . . 254. 376
In welcher Religion ist das von einer Judin mit einem Christen
ausserehelich erzeugte Kind zu erziehen? und darf ein
jüdischer Vater sein aussereheliches mit einer Christin
erzeugtes Kind legitimiren? (Ein Rechtsgutachten.)
Von Dr. C. Hilse 408
Beiträge zur hebr. Sprachforschung u. biblischen Exegese.
Von Dr Unger 455
Jahrgang XVI.
Die jüd. Religionsphilosophie über die Antropomorphismen
der Bibel. Eine religionsphilosophische Studie. Von
Rabb. Dr. Schmiedl 15. 61. 100
Ueber das „Schächten" vom physiologischen Standpunkte.
Von Dir. Prof. Dr. Gerlach 93
Die hebräischen Traditionen in den Werken des Hierony-
mus. Von Dr. M. Rahmer 103
Der Aufstand in Palästina zur Zeit des Gallus. Vom Herausg. 143
Urkunde zur Geschichte der jüdischen Provinzialsynoden
(rWlN '"1 IN 'i) in Polen. Mitgetheilt von Dr. J. Perles
108. 152. 222. 304. 343
Beiträge zur sainaritaniscfctejfj Pentateuch-Exegese und Lexi-
cographie. Von Dr. S. Kobn 174. 216. 252
Bemerkungen zu J. Levy's chald. Wörterbuche über die
Targumim. Heft III — VI. Von Dr. J. Perles (Fortsetz.). 297
Beiträge zur Geographie des Talmud. Von Dr. J. Joel,
Rabb. in Lauenburg (Pommern) 330. 375
Einige handschriftliche Briefe von Jonathan Eibenschütz 421. 460
Jahrgang XVII.
Die Commentarien des Ephraem Syrus im Verhältniss zur
jüdischen Exegese. Ein Beitrag zur Geschichte der
Exegese. Von Dr. D. Gerson 15. 64. 98. 141
482 Inhaltsaazeige sämmtlicher Jahrgänge der Monatsschrift.
Seite.
Zur Geschichte der Juden in Posen. Von Dr. Berliner. • 174
Erklärung zweier derMischnajot Edict. I, 5 u. 6. Von Dr. B. 178
David Cohen de Lara's rabbinisches Lexicon Kheter Khe-
hunnah. Ein Beitrag zur Geschichte der rabbinischen
Lexicographie Von Dr. J. Perles 224. 255
Zur tahnudischcn Geographie. Von D. Oppenheim . . • 264
Wiederherstellung einer seit 800 Jahren im Aruch gefälsch-
ten Stelle. Von F. Lt 295
Eine Paraphrase des Erasmus von Rotterdam. Von Dr.
Freudenthal 307
Notizen zur Geographie Palästina^. Von Dr. N. Brüll 336. 373
Zur talmudischen Geographie. Von Rabb. Dr. Oppenheim 379
Die hebräischen Traditionen in den Commentarien des Hie-
ronymus. Von Dr. M. Rah in er 419
Ueberdie Authentie des Commentars Nachmani's des Buches
Job. Vom Herausgeber 449
Notizen und Analekten.
Jahrgang IL
Zu Onkelos Deuteron. 23, 4. S. 40. — Ueber den Verfasser
des y\& C1V *1HD S. 78. — Bemerkung zur Biographie R. Samuel
Hanagid's das. — Namensverstösse im Talmud S. 79- — Nach-
träge zu der alten und mittlem Geschichte der Juden in Holland
(aus demMscr. des Sommerhausen) S. 157. -Bemerkungen zudem
Aufs. Simon ben Schetach S. 207. — Erklärung einer Stelle des
R. S. b. Aderet (Sabbat 105 a) S. 247. — Bemerkungen zur Ge-
schichte der Niederlassungen der Juden in Holland S. 247. —
Verschiedene Lesearten der Mischna des jerus. und bab. Talen.
S. 328. — Miscelleft von M. Schwarzauer S. 367, 407, 448, 479. —
Neueste Skizzen aus Frankreich S. 447, 478. — Bemerkung zu
dem Werke Die Insel Sardinien von Neigebauer S. 476. — Er-
widerung von Dr. B. Beer S. 477. — Die Berenicische Inschrift
S. 478. — Das Jonasfest in Mosul S. 480.
Jahrgang III.
Die Juden in lernen S. 42. — Bemerkung zu Schir baschirim
rabba S. 73. — Neueste Skizzen aus Frankreich und Italien
S. 74. - Ueber die Verhältnisse der Juden in Damaskus S. 75.
Inhaltsanzeige sämrntlicher Jahrgänge der Monatsschrift. 483
— Des assyrischen Reiches ältere Periode S. 76. — Der Talmud
und die neuesten Geographen S. 77. — Die alten Gewichte As-
syriens und Bahyloniens S. 78. — Etudes sur les per es de l'Eglise
par J. C. Charpentier S. 79. Einige auf jüd. Wissenschaft Be-
zug nehmende Notizen S. 118. — Aus einer Reiseheschreibung
von de Saulcy S. 119. — Nachtrag zu dem Art. die Fälschung
in dem Texte der LXX. (Jahrg. II. 432 ff.) S. 121. — Zur alten
Geographie Bahyloniens S. 123. — Der Name Josephs S. 124. —
Petition der Israeliten in der Türkei an Se. Maj. d. König Napo-
leon IIL S. 164. — Stiftungsfeier der jüd. Freischule in London
S. 166. — - Zu dem Aufs. Bilder aus dem Leben und Wirken der
Rabb. S. 203. — Ueber einen antiquarischen Fund zu Cöln. S. 280.
— Zur Mischna-Exegese S. 281. — Der Ninivehhof im Krystall-
palast von Sydenham S. 433. — Bemerk, z. d. Aufs Hagadische
Elemente bei den Kirchenvätern S. 469.
Jahrgang IV.
Neuere Forschungen und Entdeckungen in Assyrien. S. 41.
— Die Bem-Isrel in Bombay. S. 42. — Skizzen aus Italien. S. 43.
— Die Etymologie des Stadtnamens Borsippa S. 79. — Zur Ge-
schichte der Lit. des Mittelalters. S. 122. — Auszug aus Re-
cherches sur la numismatique judaique von de Saulcy. S. 156.
— Nekrolog auf David G. Fischel. S. 159. — Ueber die Aus-
sprache und Bedeutung des Namens n^BTlE) S. 197. — Bemer-
kungen Ober den Ursprung der Opfer S. 281. — Notizen über
die Reise des Sir M. Montefiore nach Paläst. S. 315. — Ueber
die Knechtung der Isr. nach eg. Monumenten S. 316. — Raw-
lingson's Bericht über die von ihm entdeckten Alterthümer. S. 318.
— Alte Epiloge S. 358. — Eine merkwürdige Stelle im Koi-bo
S. 399. — Nekrolog auf Hirsch Chajot S. 466. — Nekrolog auf
Isaak Reggio S. 467.
Jahrgang V.
Samuel Schlettstadt S 74. — Neue Art von Bekehrungsver-
suchen. S. 76. — Entgegnung S. 77. - Isr. Frauen - Wohlthätig-
keitsgesellschaft in S. Francisco. S. 78. — Promotion eines
Alumnen am Coli. Rabb. zu Padua. S. 79. — Ein zu Constan-
tinopel gegen die Juden gerichteter Auflaufs. 119. — Zur Erläu-
terung des histor. Datums im Buche Sohar S. 158. — Vom jüd.-
484 Inhaltsanzeige sämmtlicher Jahrgänge der Monatsschrift.
theol. Seminar in Breslau S. 198. — Noch ein Wort zur Sohar-
stelle Absch. Balak S. 235. — üeber py ptV S. 240. - Ueber
eine corrumpirte Stelle im Texte der LXX. S. 282. — Erklärung
8. 319. — Die Baumwollenhöhle in Jerusal. S. 437. — Nachtrag
zu dem Aufs. Ueber die Bedeutung der Vierzahl von Dr. Schmiedl
S. 439. — Erklärung der Fremdwörter in den vier Schulchan
Aruch S. 441. 477.
Jahrgang VI.
Ueber die Steingruben zu Jerus. S. 41. — Hammer-Purgstall's
Beerdigung, Gedicht von Ludw. Aug. Frankl S. 120. — Bemer-
kung zu dem Aufs, die Diaspora etc. vom Herausg. S. 123. —
Kritische Bemerkung zu }"£ n"B nVHy S. 202. - Ueber das
Wort NIED^I S. 239. - Ueber die cbaldäischen Längenmasse
S. 319. — Ueber ein Manuscript des jerusal. Talm. zu Leyden
S. 398.
Jahrgang VII.
Zur Erklärung der Mischna Eruhin 2, 5 S. 34. — Ueber das
Todesjahr Samuel Lewi's S. 36. — Notizen zum Leitart. über
den Geist des Com. des R. Moses ben Nachman S. 113. — Ueber
die Benennung Essäer S. 270 und 272. — Geographische Notizen
von Dr. Tobler S. 273. — Moses Mendelssohn S. 279. — Zur
Berichtigung einer Aruchstelle S. 359. — Zur Gesch. der jüd.
Aerzte (Jac. de Castro Sarmento) S. 393 - Notiz zu S. 359ff. S. 432.
Juden in China S. 462. — Trauergedicht des R. Jekutiel auf Ibn
Migasch S. 466. — Nachtrag zu dem Exeg. Vers, über Spr SaL
Cap. 30 etc. S. 467. — Zu § 191 des C^TOnn 'D S. 468.
Jahrgang VIII.
Prof. Dr. J. B. Roths Reisen in Paläst. S. 32. 78. — Die natur-
hist. Hymnen des Isak b. Gioth S 118. — Das Wort pftTD S. 121.
— Das Wort tmim S. 122. — Literarische Miscellen S. 123 -
Empfehlungsschreiben A. v. Humboldt's an Benjamin II. S. 199.
— Zum Traktat Abot S. 200. — Der Eid der Aerzte in dem
HW1D1 'D des miTn *]DN S. 201. — Ein Gleichniss S. 203. —
Zur Geschichte der Betrunkenheit S. 204. — Urtheil und Mass-
stab S. 232. - Der Greis mit dem Stabe S. 238. — V>£Ö"U vh
S. 239. — Ueber DJDJH S- 319 - Anhang zu S. 321 ff., 359. —
J
Inhaltsanzeige sammtlicher Jahrgänge der Monatsschrift. 485
Ueber die Punktirung der Mischnajot S. 399. — Zu der Hode-
getik in der Mischna vom Herausg. S. 399. •— Plan zu einer all-
gemeinen Armenversorgungsanstalt aus dem Jahre 1786 S. 433.
— Notiz zu Vullers lex. pers. lat. I. 251 S. 435, — Stattstische
Notiz über die Bevölkerung Italiens S. 476.
Jahrgang IX.
Brief Bossuet's an Leibnitz S. 80. — Die Sekten der Sama-
ritaner S. 120. - Aus Wien S. 202. — Nekrolog S. 239. — Hrn.
A. Cohn's Reise nach Marokko S. 281. — Separat- Votum von
H. Prof. Dahlmann über Zulassung der Juden zum Lehramt S. 319.
— Drei Urkunden aus dem Anfange des 14. Jahrhunderts S. 362.
— Aus Modena S. 396. — Aus Paris S. 397. — Analekten zur
Literatur des span. -portug. Juden (Moses Raphael de Aquila)
S. 397. — Zur Geschichte der Juden in Polen S. 443. — Zur
Geschichte der jüdischen Aerzte S. 478.
Jahrgang X.
Zur Geschichte der jüd. Aerzte (Ezechiel de Castro) S. 38.
— Zum Verstandniss von Midraschstellen S. 75. — Zu Onkelos
S. 77. — Ueber KTHD <P*<pri- HW1D S. 118. — Eine scheinbar
babyl. Beraita. Eine saburäische Beraita S. 120. — Die Männer
der grossen Versammlung S. 155. — Der Parallelismus in der
biblischen Poesie S. 157. — Wie wird die Mathematik bei den
jüd. Arabern genannt? S. 158. — Erklärung Vom Herausg. S. 159.
— Der Jadeneid vor den preussischen Kammern (aus der Bres-
lauer Zeitung) vom Herausgeber S. 196. — Der reiche Michael
S. 239. — Duell eines Juden. Der Würfelzoll der Juden. Her-
zog Friedrich v. Würtemberg. Theilnahme der Juden bei Krö-
nungsfeierlichkeiten. Kleine Ursachen, grosse Wirkung. Ein
eigentümlicher Erwerbszweig. Ein jüdisches Gemeinde-Tanz-
haus. Die erste Judenglocke S. 274 — 280. — Die Schuster gegen
die Juden S. 317. - Nekrolog auf Dr. Bernhard Beer S. 318. —
Studentenübermuth gegen die Juden. Judengroschen. Der Ratten-
pfennig S. 357-359. — Kinderraub S. 360, 399. — Zur Textes-
kritik der Mischna S. 431. — Zur Literatur der spanisch-portug.
Juden (Salomon de Oliveyra) S. 432. — Die Abstammung Lele-
wel's S 436. — Anna Constanze von Cosel S. 438.
•f
486 Inhaltsanzeige sämmtlicber Jahrgänge der Monatsschrift.
Jahrgang XL
Ein psendepigraphisches Sendschreiben, angeblich von Hat
Gaon an Saro. Nagid S. 37. — Saisset über die Philosophie der
Juden S. 204. — Die Redaktion der Mischna schriftlich S. 272.
— Traditionelle Erklärung der Mischna und des Talmuds S. 274.
— Authentischer Nachweis Ober den Gebrauch des Wortes *U
als Individuum S. 276. — Der älteste Gebrauch des Wortes
jyJEl S. 276. — Zu dem Raschi - Commentare S. 312. — Zur Ge-
schichte der jüd. Aerzte (Diego Joseph) S. 350. — Randbemer-
kungen zu dem Raschi-Commentar S. 435. — D'DCOlp S. 438.
Jahrgang XII.
Zu dem Raschi-Commentar S. 31. — Zum Mischnatext S. 71.
— Ein archäologischer Fund S. 72. — Die Juden in Waldeck-
Pyrmont S. 111. — Ein jüdischer Schütze S. 111. — Auch eine
Grabschrift S. 112. — Ueber die Meziza bei der Beschneidung
S. 153. — E. Halevy S. 155. — Zur Judenfrage im Aargaa S. 177.
— Zur Geschichte der Juden im Mittelalter (1476 ff.) S. 181. —
Zur Geschichte der jüdischen Aerzte S. 182. — Auch eine Grab-
schrift S. 235. — Die Errichtung der hebräischen Druckerei in
Thiengen (Schwaben) S. 273. — Der Gebrauch von Waffen bei
den Juden im Mittelalter S. 277. — Zur Kritik des Mischnatextes
S. 310. — Zur Literatur der spanisch - portug. Juden S. 312. —
Die Emancipation der Juden in Holstein S. 347. — Nekrolog auf
Salomon Cohen S. 403. — Schreiben der Juden in Malabar an
die Juden in New- York S. 431. — Zur Geschichte der Brunnen-
vergiftungen S. 484.
Jahrgang XIII.
Ueber den Pajtan Jizchak ben Scbemuel S. 37. — Zur Kritik
des Mischnatextes S. 71. 395. — Erklärung einer Schriftstelle S. 72.
— Chronologische Zusammenstellung der Baudenkmäler Jeru-
salems S. 150. — Zu einer Schriftstelle S. 272. — Die Juden in
China S. 274. — Zur Literatur der span. - portug. Juden S. 317.
— Zu Berachot 1, 1 S. 397. — Aus einem Bericht über eine Reise
von Jaffa nach Jerusalem S. 472. — Neurologie S. 115, 272, 407.
Jahrgang XIV.
Zwei Briefe aus Maimonides Correspondenz S. 25, 68. —
Ueber die hebräischen Inschriften der Synagogen zu Kefr-Bereim
Inhaltsanzeige sämmtlicher Jahrgänge der Monatsschrift. 487
in Galiläa (mit Inschriften - Tafel) S. 147. - Wichtiger antiqua-
rischer Fund in Jerusalem S. 200. — Die Authentie des Buches
Esther S. 263 — Wissenschaft!. Reise des Herzogs von Luynes
nach Palästina S. 306. - Die Disputation des Bonastruc mit Frai
Pablo in Barcelona S. 308. — Ein Mortarafall in Castilien S. 349.
— Bigamie noch im XIV. Jahrb. S. 390 - Der Märtyrer Ansteet
von Weissenstein S. 391. — Ueber das Wort HIPEntf S. 392. —
Der reiche Michel S. 425. — Lartets' Untersuchungen des todten
Meeres S. 426. — Ueber einige Stellen des Bechai S. 471. —
Nekrolog (Samuel David Luzzatto) S. 438.
Jahrgang XV.
Zur Geschichte der Bibelkritik in Frankreich S. 32. — Kri-
tische Bemerkungen über einzelne schwierige Talmudstellen S. 69.
Zur talmudischen Münzkunde S. 153. — Hebräische Krönungs-
lieder S. 189. — Die Judenverjagung aus Prag i. J. 1744 S. 231.
— Zur Bibliographie der Makkabäerbücher S. 232. — Die Mas-
soretenschule zu Tiberias S. 273. — Eine neue Entdeckung zur
Entzifferung der Hieroglyphen S. 295. — Zur Erläuterung einer
auffallenden Uebersetzung der LXX. S. 394. — Einiges zur Er-
klärung der im jerusalemischen Talmud vorkommenden grie-
chischen Wörter S. 394. — Die jüdischen Primaten des Theodo-
sianischen Codex S. 474.
Jahrgang XVI.
Zur Charakteristik der talmudischen Rechtspflege S. 24. —
Zur talmud. Lexicographie S. 154. — Gutachten über die Frage:
Ob es mit den Grundsätzen der jüd. Religion unverträglich ist,
dass ein Israelit am Sabbath als Geschworener fungire S. 191.
— Das israelitische Seminar zu Paris S. 227. — Moses Mendels-
sohn über Belohnung S. 269. — Zur hebr. - span. Bibliographie
S. 309. — Das Sendschreiben des Don Chasdai Crescas noch
einmal S. 311. — Der reiche Michel und der reiche Moses S. 387.
— Ein Irrthum des R. Moses Minz S. 389. — Der Aufruhr in
der Judenstadt in Frankfurt a. M. am 22. Aug. 1612 S. 430. —
Nekrolog auf Salomon Munk S. 120 und auf S.L. RappoportS. 438.
Jahrgang XVII.
Einiges zum Text der Uebers. des Onkelos zum Pentateuch
S. 33. — Curiosum S. 34. — War Raschi das Targum zu den